WD 9 - 3000 - 051/19 (31. Juli 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)1 müssen die Pflegesätze einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen – unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres „Unternehmerrisikos“. Der Gesetzgeber stützt sich hier auf eine Entscheidung des BSG vom 16. Mai 20132. Demnach muss die Pflegevergütung so bemessen sein, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung des Unternehmerrisikos (= „angemessener Gewinn“) und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt. Die Berücksichtigung des Unternehmerrisikos sei dabei nicht pauschal, sondern konkret vorzunehmen und könne entweder über einen festen umsatzbezogenen Prozentsatz geschehen oder über die Auslastungsquote gesteuert werden. Verbleibende Überschüsse gebühren gemäß § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI dem Pflegeheim, ebenso sind Verluste von diesem zu tragen. Die Reglungen des § 84 Abs. 2 SGB XI gelten für alle Pflegemarktteilnehmer , unabhängig davon, ob es sich um freigemeinnützige, private oder öffentliche Träger handelt.3 In der letzten Zeit wird in der Öffentlichkeit viel über das Thema der Gewinnerwirtschaftung in der Pflege diskutiert. Kritiker befürchten, eine Gewinnorientierung der Pflegeheimbetreiber gehe zu Lasten der Pflegequalität und damit letztlich zu Lasten der Pflegebedürftigen. Die höchsten Gewinne erzielten dabei in den letzten Jahren die privaten Pflegeheime.4 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) – Soziale Pflegeversicherung, Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Gesetz vom 06. Mai 2019 (BGBl. I S. 646). 2 Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 P 2/12 R. 3 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz– PSG III), Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drucks. 18/10510 S. 117. 4 Heger, Dörte/ Augurzky, Boris/ Kolodziej, Ingo/ Krolop, Sebastian/ Wuckel, Christiane (Hrsg.), Pflegeheim Rating Report 2017, S. 142, Tabelle A3. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Regulierung der Gewinnerwirtschaftung im Pflegeheimsektor Kurzinformation Zur Regulierung der Gewinnerwirtschaftung im Pflegeheimsektor Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Auch Gesundheitsminister Jens Spahn betonte in einem Gastbeitrag im Handelsblatt, dass jedenfalls „zweistellige“ Renditen im Sozialrecht nicht hinnehmbar seien. Er sieht den Regelungsansatz insbesondere in den Personalkosten. Es müsse einen verbindlichen Personalschlüssel sowie einen verbindlichen Rahmen für die Bezahlung des Pflegepersonals geben.5 In der wissenschaftlichen Diskussion gibt es bisher keine konkreten Regelungsvorschläge. Nur vereinzelt wird das Problem der Gewinnerwirtschaftung von Pflegeheimbetreibern diskutiert. So empfehlen die Herausgeber des Pflegeheim Rating Reports 2017 eine wenig ausgeprägte staatliche Regulierung der Pflegebranche, da ansonsten ein Rückgang des dringend benötigten privaten Kapitals zu erwarten sei. Wichtig sei in erster Linie, ein breites Angebot an Pflegeheimen zu gewährleisten . Ausreichend sei insoweit, dass der Gesetzgeber eine grobe Rahmenplanung mit Mindeststandards vorgebe und überhöhte Preiserhöhungen nach Abschluss von Pflegeverträgen unterbinde .6Der Sozialrechtsexperte Karl-Jürgen Bieback vertritt die Auffassung, dass umfassende Darlegungspflichten der Pflegeheime bei den Verhandlungen über Entgelte in einem wettbewerbsrechtlichen System zwar die wirtschaftliche Freiheit der Einrichtungen (Art. 12, 14 GG7) verletzten, die Pflegebedürftigen, die durch höhere Entgelte belastet würden und kaum Ausweichmöglichkeiten hätten, allerdings Transparenz und Plausibilität verlangen könnten.8 Darüber hinaus gibt es Studien dazu, wie neben der Bestimmung der zumindest kostendeckenden Kalkulation der prospektiven Gestehungskosten die wirtschaftliche Erfolgschance eines Pflegeheimträgers sinnvoll bemessen werden kann.9 Auf eine Kleine Anfrage vom 1. April 2019 antwortete die Bunderegierung auf die Frage, ob es bereits Planungen zu einer staatlichen Gewinnbegrenzung bei Pflegeheimanbietern gebe: „Um zu verhindern, dass Maßnahmen zu Lasten der Pflegekräfte und der pflegerischen Versorgung gehen , ist für diesen sensiblen Bereich unter anderem durch verpflichtende Qualitätsaspekte sowie verbindliche Vorgaben für die Personalausstattung und die Bezahlung in der Pflege ein besonderer Rahmen für das unternehmerische Handeln in der Langzeitpflege vorgegeben.“10 *** 5 Spahn, Jens, Wettbewerb in der Pflege ist kein Selbstzweck, Gastbeitrag im Handelsblatt, 15. August 2018, abrufbar über https://app.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastkommentar-wettbewerb-in-der-pflege-istkein -selbstzweck/22913360.html. 6 Heger, Dörte/ Augurzky, Boris/ Kolodziej, Ingo/ Krolop, Sebastian/ Wuckel, Christiane (Hrsg.), Pflegeheim Rating Report 2017, S. 132 ff. 7 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404). 8 Bieback, Karl-Jürgen, Sozialrecht als Wirtschaftsrecht, Das neue System der Preisregulierung im SGB XI, Die Sozialgerichtsbarkeit, Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht, SGb 06.18, S. 321 ff. (325). 9 Herten, Benjamin/ Friedrich, Detlef, u.a., Unternehmerisches Wagnis in der stationären Pflege, 2018. 10 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Westig, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP vom 1. April 2019, BT-Drucks. 19/8924, S. 5.