Deutscher Bundestag Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger als verantwortliche Pflegefachkräfte in Pflegeeinrichtungen der sozialen Pflegeversicherung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-050/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 2 Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger als verantwortliche Pflegefachkräfte in Pflegeeinrichtungen der sozialen Pflegeversicherung Aktenzeichen: WD 9 – 3000-050/11 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2011 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 3 1. Einleitung 5 2. Normzweck des § 71 SGB XI 5 3. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des SGB XI (§ 71 Abs. 1, 2 und 4 SGB XI) 6 3.1. Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI 7 3.1.1. Leistungsort 7 3.1.2. Leistungsinhalt 9 3.1.3. Leistungsbreite 9 3.2. Stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI 10 3.2.1. Leistungsort (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI) 10 3.2.2. Leistungsgegenstand (§ 71 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. §§ 41 bis 43 SGB XI) 11 3.2.3. Leistungsbreite 11 3.2.4. Ausschluss von stationären Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI 11 3.2.4.1. Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 4 SGB XI 12 3.2.4.1.1. Begründung des § 71 Abs. 4 SGB XI im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eines 1. SGB XI-Änderungsgesetzes 12 3.2.4.1.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat mit Beschluss vom 3. Mai 1996 12 3.2.4.1.3. Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss 14 3.2.4.2. Reichweite des § 71 Abs. 4 SGB 15 3.2.4.3. Ausschluss pflegebedürftiger Menschen in Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von den Ansprüchen auf stationäre Pflege im Sinne der §§ 41 ff SGB XI 16 3.2.4.4. Umschreibung des Begriffs der „ausgebildeten Pflegefachkraft“ in § 71 Abs. 3 SGB XI 16 3.2.4.5. Unzulässigkeit von häuslichen Pflegehilfen (§ 36 Abs. 1 SGB XI) in stationären Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI 17 3.2.4.6. Auswirkungen der Regelung des § 71 Abs. 4 SGB XI auf den Personenkreis Behinderter in stationären Einrichtungen 18 3.2.4.7. Abgrenzung stationärer Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI von anderen Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, insbesondere von stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 53 ff SGB XII 18 3.2.4.8. Fazit 19 3.3. Gemeinsame Anforderungen an Pflegedienste und Pflegeheime 19 3.3.1. Einrichtungsqualität 19 3.3.2. Selbstständiges Wirtschaften 20 3.3.3. Pflegerische Gesamtleitung durch eine verantwortliche Pflegefachkraft 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 4 4. Anforderungen an die verantwortliche Pflegefachkraft (§ 71 Abs. 3 SGB XI) 23 4.1. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 SGB XI im Überblick 23 4.2. Grundsätzliche Beschränkung auf Pflegefachkräfte der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege als verantwortliche Pflegefachkräfte bei ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI (§ 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI) 25 4.3. Ausnahmsweise Anerkennung von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern als verantwortliche Pflegefachkräfte bei ambulanten Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen (§ 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI) 26 4.3.1. Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI 26 4.3.1.1. Die vom Deutschen Bundestag am 15. März 1996 verabschiedete enge Fassung des Begriffs „ausgebildete Pflegefachkraft“ in § 71 Abs. 3 SGB XI 26 4.3.1.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat mit Beschluss vom 3. Mai 1996 27 4.3.1.3. Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss 27 4.3.2. Erweiterung der Zulassungsmöglichkeiten für ambulante Einrichtungen der Behindertenhilfe als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI aufgrund der in § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI getroffenen Regelung 28 4.4. Ausschluss von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern als verantwortliche Pflegefachkräfte bei stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI 29 5. Literaturverzeichnis 30 6. Anlagenverzeichnis 30 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 5 1. Einleitung Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger bzw. Heilerzieherinnen und Heilerzieher sind sozialpädagogisch ausgebildete Fachkräfte mit pflegerischen Kompetenzen in der Behindertenhilfe . Bei dem – heute überwiegend als Heilerziehungspflege – bezeichneten Beruf handelt es sich um einen eigenständigen Ausbildungsberuf, der nicht bundeseinheitlich, sondern landesrechtlich geregelt ist. Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sollen Menschen, deren Leben durch Beeinträchtigungen oder Behinderungen erschwert ist, begleiten, beraten, pflegen, ihre Persönlichkeitsentwicklung, Bildung und Rehabilitation fördern und zu ihrer sozialen Eingliederung beitragen1. Die Berufsbezeichnung „Heilerziehungspflegerin“ oder „Heilerziehungspfleger “ darf nur derjenige führen, der eine entsprechende staatliche Abschlussprüfung bestanden und gegebenenfalls zusätzlich eine entsprechende Erlaubnis2 erhalten hat. Tätigkeitsfelder für Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger finden sich in allen Bereichen der Behindertenhilfe, z. B. in teil- und vollstationären Wohneinrichtungen für behinderte Menschen nach den §§ 53, 54 SGB XII3, Werkstätten für Behinderte, ambulanten Diensten, Beratungsstellen , integrativen Kindergärten, heilpädagogischen Kinder- und Jugendwohnheimen sowie in Sonderschulen. Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI4 als sog. verantwortliche Pflegefachkräfte im Sinne des § 71 SGB XI eingesetzt werden können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, aus welchen Gründen Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger nicht als verantwortliche Pflegefachkräfte in teilstationären Tagespflegeeinrichtungen gemäß § 41 SGB XI anerkannt sind. 2. Normzweck des § 71 SGB XI Die Norm des § 71 SGB XI bezweckt die Abgrenzung der zur Teilnahme an der pflegerischen Versorgung dem Grunde nach zulassungsfähigen Einrichtungen von solchen Einrichtungen, die nach dem Leistungsangebot, der Qualifikation oder dem Versorgungszweck schon im Ansatz 1 Vgl. nur § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Fachschulen des Fachbereichs Sozialwesen der Fachrichtungen Sozialpädagogik, Schwerpunkt Jugend- und Heimerziehung, Heilerziehungspflege und Heilpädagogik (Sozialwesenfachschulverordnung) vom 30. März 2004 (GBl. 180), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 19. Mai 2009 (GBl. S. 221); ähnlich etwa § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung an der staatlichen Fachschule für Heilerziehungspflege und der staatlichen Fachschule für Familienpflege im Land Berlin (APVO Heilerziehungs- und Familienpflege) vom 14. Oktober 2008 (GVBl. S. 318); ein Überblick über die in den anderen Bundesländern maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bzw. zum Heilerziehungspfleger findet sich bei Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 37 2 Vgl. etwa § 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Berufsbezeichnung, Weiterbildung und Fortbildung in Gesundheitsfachberufen (Niedersächsisches Gesundheitsfachberufegesetz) vom 20. Februar 2009 (Nds GVBl. S. 25) 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung - (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 6 Pflegeleistungen zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung nicht erbringen können5. Bezugspunkt hierfür ist die Regelung in § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Nach dieser Bestimmung dürfen die Pflegekassen ambulante Pflege grundsätzlich nur – von der Pflege durch Einzelpersonen nach § 77 SGB XI abgesehen – und stationäre Pflege ausschließlich durch Pflegeeinrichtungen gewähren , mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI besteht und die demgemäß den Status als zugelassene Pflegeeinrichtung haben. Genügt eine Pflegeeinrichtung den Anforderungen des § 71 SGB XI und erfüllt sie darüber hinaus die in § 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 2 bis 4 SGB XI festgelegten Voraussetzungen, so besteht gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI ein Rechtsanspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages. Die Pflegeeinrichtung wird durch den Versorgungsvertrag (Statusvertrag) mit den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit dem zuständigen Sozialhilfeträger zur Erbringung ambulanter oder stationärer Pflegeleistungen zu Lasten der Pflegekassen zugelassen (§ 72 Abs. 1 und 2 SGB XI). Erfüllt eine zugelassene Pflegeeinrichtung nicht nur vorübergehend die Voraussetzungen des § 71 SGB XI nicht oder nicht mehr, kommt nach Maßgabe des § 74 SGB XI eine Kündigung bestehender Versorgungsverträge in Betracht. Zugelassene Pflegeheime (stationäre Pflegeeinrichtungen) und Pflegedienste (ambulante Pflegeeinrichtungen) erhalten nach Maßgabe der §§ 82 ff SGB XI eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) sowie bei stationärer Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung (§ 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB XI). Über die vorgenannten Regelungen hinaus ist die Vorschrift des § 71 SGB XI im Weiteren auch von Bedeutung, soweit entweder auf Aufgaben von Pflegeeinrichtungen verwiesen oder ihre Rechtsstellung weiter ausgestaltet wird (vgl. etwa die §§ 8 Abs. 2, 11, 36, 41 bis 43a SGB XI). Zu diesem Zweck definiert § 71 SGB XI in den Absätzen 1 und 2, was unter einer ambulanten und stationären Pflegeeinrichtung im Sinne des SGB XI zu verstehen ist und welche Anforderungen dem Grunde nach von ihr zu erfüllen sind. Das zielt auf eine Abschichtung auf drei Ebenen: Erstens im Hinblick auf eine Mindestausstattung in organisatorischer Hinsicht, zweitens durch ein Mindestmaß an fachlicher Qualifikation der verantwortlichen Pflegeleitung sowie drittens durch Ausschluss solcher Einrichtungen, in denen Pflegeleistungen anderen Hauptzwecken untergeordnet sind. Vor allem die fachlichen Anforderungen an die verantwortliche Pflegeleitung und die Abgrenzung von Einrichtungen mit anderer Zweckbestimmung hat der Gesetzgeber im Zuge der Rechtsentwicklung weiter präzisiert. Mit den dazu durch Art. 1 Nr. 25 des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 19966 angefügten Absätzen 3 und 4 des § 71 SGB XI wird insoweit das Ziel verfolgt, den Kreis der Einrichtungen, die stationäre Pflege zu Lasten der Pflegeversicherung erbringen dürfen, zu begrenzen und vor allem stationäre Behinderteneinrichtungen , die vornehmlich von Heilerziehungspflegern und Vertretern anderer sozialpädagogischer Berufe geleitet werden, auszuschließen. 3. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des SGB XI (§ 71 Abs. 1, 2 und 4 SGB XI) Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 SGB XI ist jede Einrichtung, die Leistungen entweder der ambulanten Pflege7 oder der stationären Pflege8 im Sinne des SGB XI anbietet, mit einem Min- 5 Vgl. Schütze in: Udsching, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 2 6 Erstes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB XI- Änderungsgesetz – 1. SGB XI-ÄndG), BGBl. I S. 830, 833 7 Vgl. hierzu nachfolgend zu Gliederungspunkt 3.1 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 7 destmaß an Organisationsstruktur ausgestattet ist9, selbstständig wirtschaftet10 und unter Leitung einer hinreichend qualifizierten Pflegefachkraft steht11. 3.1. Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI Nach der Legaldefinition des § 71 Abs. 1 SGB XI sind ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste ) dadurch gekennzeichnet, dass sie die Pflegebedürftigen in deren Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen. Danach qualifiziert sich eine Einrichtung nach Leistungsort, Leistungsgegenstand und Leistungsbreite durch drei Merkmale als Erbringerin ambulanter Pflegeleistungen : 3.1.1. Leistungsort Kennzeichen der ambulanten häuslichen Pflege ist es, dass die pflegebedürftige Person in ihrer Wohnung verbleibt. Die notwendige Betreuung wird der pflegebedürftigen Person „ins Haus gebracht “12. Der mit dem Begriff der ambulanten Pflege korrespondierende Begriff der „Wohnung“ selbst ist in § 71 Abs. 1 SGB XI nicht definiert. Er ist mit dem Wohnungsbegriff etwa des Art. 13 Abs. 1 GG13 nicht identisch, sondern funktional aus dem normativen Kontext des § 71 und dem Gesamtkontext des SGB XI heraus zu bestimmen14. Die ambulante Pflege der Pflegebedürftigen „in ihrer Wohnung“ ist abzugrenzen von der stationären Pflege in Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI. Um eine nahtlose Abgrenzung zu gewährleisten, ist vom Wohnungsbegriff deshalb zunächst jede Form der Unterbringung außerhalb einer stationären Pflegeeinrichtung nach § 71 Abs. 2 SGB XI erfasst. Auszunehmen sind davon stationäre Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen15. Das 8 Vgl. hierzu nachfolgend zu Gliederungspunkt 3.2 9 Vgl. hierzu nachfolgend zu Gliederungspunkt 3.3.1 10 Vgl. hierzu nachfolgend zu Gliederungspunkt 3.3.2 11 Vgl. hierzu nachfolgend zu den Gliederungspunkten 3.3.3 und 4 12 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG), in: BT-Drs. 12/5262 S. 133 13 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944) 14 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 9 15 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 9; Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 5; zur Regelung des § 71 Abs. 4 SGB XI vgl. eingehend nachfolgend zu Gliederungspunkt 3.2.4 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 8 ergibt sich aus dem leistungsrechtlichen Anspruch des Pflegebedürftigen in seiner Ausgestaltung durch § 36 SGB XI, dessen leistungserbringungsrechtlicher Umsetzung § 71 SGB XI dient und der deshalb für die Auslegung des § 71 SGB XI maßgeblich ist16. Bestimmend für diesen Anspruch aus § 36 SGB XI ist der weiter gefasste Begriff der häuslichen Pflege und die – mit Art. 1 Nr. 13 Buchstabe a des 1. SGB XI-ÄndG eingefügte – Klarstellung durch dessen Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1. Danach sind Leistungen der häuslichen Pflege auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden17. Leistungen der häuslichen Pflege sind nach § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI hingegen nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI gepflegt werden. Aus der Verwendung unterschiedlicher Begriffe in § 71 Abs. 1 einerseits (Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung von Pflegebedürftigen in ihrer Wohnung) und § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XI andererseits (Zulässigkeit häuslicher Pflege unter Umständen auch bei nicht im eigenen Haushalt durchgeführter Pflege) kann nicht gefolgert werden, dass unter ambulanter Pflege im Leistungserbringungsrecht etwas anderes als im Leistungsrecht zu verstehen wäre18. Ambulante Leistungen der häuslichen Pflege können dementsprechend ungeachtet des Wortlautes des § 71 Abs. 1 („in ihrer Wohnung“) nicht nur in der eigenen Wohnung der pflegebedürftigen Person, sondern insbesondere auch in der Wohnung eines Verwandten, Lebensgefährten oder Bekannten erbracht werden, in der sich die pflegebedürftige Person nicht nur ganz vorübergehend aufhält19. Gleiches gilt für ambulant-betreute Wohnformen. Wohnung im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI kann auch ein Altersheim oder ein Altenwohnheim im Sinne des § 1 Abs. 1 Heimgesetz20 sein21. Auch in solchen Einrichtungen können Pflegebedürftige nach den Gesetzesmaterialien einen eigenen Haushalt unterhalten22. Voraussetzung für Annahme eines in diesem Sinne eigenen Haushalts ist indes ein hinreichendes Maß an Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen 23. An ihr fehlt es, wenn der Pflegebedürftige entweder rechtlich oder tatsächlich auch hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung vollständig auf die Inanspruchnahme von Leistungen eines Pflegedienstes oder des Einrichtungsträgers angewiesen ist und von einer eigenen Haushaltsführung nicht mehr gesprochen werden kann24. Heime für behinderte Menschen oder 16 Vgl. etwa Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 5 17 Vgl. zum weiten Haushaltsbegriff auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts, in: RdLH 1999, S. 121 18 Vgl. Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 9; Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 5 19 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 10 20 Heimgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2970), zuletzt geändert durch Art. 3 Satz 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2319) 21 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 9; Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 5; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht , § 71 SGB XI Rn. 9 22 Vgl. BT-Drs. 12/5262, S. 133 und S. 112 zu § 33 23 So zutreffend Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 10 24 Vgl. etwa Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 9 gleichwertige Einrichtungen (z. B. Werkstätten für behinderte Menschen) kommen dagegen als Wohnungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI nur in Betracht, wenn diese Einrichtungen weder stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI noch Einrichtungen nach § 71 Abs. 4 SGB XI sind, in denen Pflegeleistungen erbracht werden, was praktisch kaum vorkommen dürfte25. Allerdings können Personen, die teilstationär in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI betreut und gepflegt werden, außerhalb dieser Einrichtung Leistungen durch ambulante Pflegeeinrichtungen in Anspruch nehmen26. 3.1.2. Leistungsinhalt Ambulante Pflegeleistungen definiert § 71 Abs. 1 SGB XI in allgemeiner Wendung als „pflegen und hauswirtschaftlich versorgen“ von Pflegebedürftigen. Mit dieser Formel wird Bezug genommen auf diejenigen Leistungsgegenstände, die Pflegebedürftige bei häuslicher Pflege nach den §§ 36, 14 Abs. 4 SGB XI als Pflegesachleistung der sozialen Pflegeversicherung beanspruchen können 27. Abzugrenzen ist das in zwei Richtungen. Keine Pflegeleistungen in diesem Sinne sind zum einen ergänzende Hilfeleistungen für andere Verrichtungen im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII28, für die gegebenenfalls der Sozialhilfeträger aufzukommen hat29. Dasselbe gilt zum anderen für Leistungen der Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V30, die in die Verantwortung der Krankenkasse fallen31. 3.1.3. Leistungsbreite Der Legaldefinition des § 71 SGB XI immanent ist schließlich die Möglichkeit, die Leistungen nach Abs. 1 mit den Merkmalen „pflegen“ und „versorgen“ in der gesamten Leistungsbreite tatsächlich erbringen zu können; Einrichtungen, die das vorgesehene Leistungsspektrum mangels personeller oder sächlicher Ausstattung nicht vollständig erfüllen können, scheiden als potenzielle Leistungserbringer schon im Ansatz aus. Das erfordert ein ausreichendes ambulantes Pflegeangebot 32 und die Befähigung, den Pflegebedarf des Versicherten in seiner gesamten Leistungs- 25 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 10; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 Rn. 9 26 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 10 27 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 11; Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 6; Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar , SGB XI, § 71 Rn. 11 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) 29 Vgl. dazu BVerwGE 111, 241 = NJW 2000, S. 3512; Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 11 30 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687) 31 Vgl. Schütze, in: Udsching, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 6 32 Vgl. Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 Rn. 10; Schütze, in: Udsching, SGB XI - Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 10 breite fachlich qualifiziert abschätzen zu können; Letzeres folgt nicht zuletzt aus dem Versorgungsauftrag nach § 72 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI. Danach können jedenfalls diejenigen Anbieter nicht als Erbringer ambulanter Pflegeleistungen qualifiziert werden, die dem Gegenstand nach nur einen Teil der im Tagesablauf anfallenden Hilfeleistungen bei den Verrichtungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erbringen können33. Fraglich ist hingegen, ob das ebenso für die zeitliche Dimension der Leistungserbringung gilt. Nach den Gesetzesmaterialien soll die Einrichtung den zeitlichen Anforderungen nur mit einem ausreichenden Früh-, Spät-, Wochenend- und Feiertagsdienst genügen, der eine Versorgung „rund um die Uhr“ gewährleisten kann34. Diese Anforderungen erscheinen überzogen und nach Wortlaut und Systematik nicht zwingend. Die strukturellen Mindestbedingungen für einen Pflegedienst müssen sich in erster Linie an den Vorgaben des Leistungsrechts ausrichten. Dieses lässt aber ohne weiteres Mischformen von professioneller und ehrenamtlicher Pflege zu sowie auch Kombinationen von teilstationärer Pflege und häuslicher Pflegehilfe (vgl. § 41 Abs. 3 SGB XI). Hieraus kann sich ein Bedürfnis für Pflegedienste ergeben, die in zeitlicher Hinsicht nur Teilbereiche abdecken, etwa ausschließlich Tages-, Nacht- oder Wochenendpflege betreiben. Kann eine derartige Einrichtung innerhalb ihres Tätigkeitsbereichs auf jederzeit einsetzbare Pflegekräfte zurückgreifen und auch mit einem solchen Angebot – bei entsprechend angepasster Vergütung – am Markt bestehen, wird man sie auf der Grundlage des geltenden Rechts nicht schlechterdings aus dem Kreis möglicher Leistungserbringer ausscheiden können35. 3.2. Stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI Einrichtungen erbringen stationäre Pflegeleistungen im Sinne des § 71 SGB XI, soweit dort gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung Pflegebedürftige gepflegt und entweder vollstationär oder teilstationär untergebracht und verpflegt werden können und der Einrichtungszweck auch nach Maßgabe von § 71 Abs. 4 SGB XI vorrangig Pflegezwecken dient. Danach wird eine Einrichtung nach Leistungsort, Leistungsgegenstand, Leistungsbreite und Leistungszweck wie folgt als Erbringerin von stationären Leistungen qualifiziert: 3.2.1. Leistungsort (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI) Durch § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI wird klargestellt, dass stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime ) sowohl für die ganztätige Unterbringung und Verpflegung (vollstationär) als auch für die Pflege nur tagsüber oder nur nachts (teilstationär) zuständig sind. Bei vollstationärer Versorgung wird der Pflegebedürftige im Unterschied zur ambulanten Pflege aus seiner häuslichen Umgebung herausgelöst und für die Dauer der vollstationären Pflege in ein Pflegeheim aufgenommen36. Wesentlich für die vollstationäre im Gegensatz zur teilstationären Pflege ist die Pflege und Betreuung bei Tag und Nacht („rund um die Uhr“); zu den vollstationären Pflegeheimen zählen also 33 Vgl. Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 7 34 Vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 134; so auch Maschmann, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, 1996, S. 49 (50) 35 Vgl. Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 7 36 Vgl. etwa Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 23; Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 11 auch die Einrichtungen der Kurzzeitpflege im Sinne des § 42 SGB XI37. Kennzeichnend für die Einrichtungen der teilstationären Pflege ist dagegen, dass der Pflegebedürftige nur für einen Teil des Tages (oder nachts) in die Einrichtung aufgenommen wird und für den Rest des Tages in sein bisheriges Wohnumfeld zurückkehrt. Überwiegend handelt es sich bei den teilstationären Einrichtungen um solche der Tagespflege im Sinne des § 41 SGB XI; die praktische Bedeutung der Nachtpflege ist demgegenüber gering38. 3.2.2. Leistungsgegenstand (§ 71 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. §§ 41 bis 43 SGB XI) Gegenständlich erfassen stationäre Pflegeleistungen zum einen Pflegeleistungen nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI und zum anderen Leistungen für Unterbringung und Verpflegung nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI. Hinsichtlich des Pflegeteils wird damit auf die leistungsrechtlichen Vorschriften des § 41 SGB XI (teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege) und des § 43 SGB XI (Pflege in vollstationären Einrichtungen) Bezug genommen; stationär „gepflegt“ im Sinne von § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI werden Pflegebedürftige, soweit diejenigen Leistungen erbracht werden, die sie leistungsrechtlich von der sozialen Pflegeversicherung beanspruchen können. Insoweit reicht das Leistungsspektrum im stationären Bereich weiter als bei der ambulanten Pflege 39. Zusätzlich zu den Leistungen der Grundpflege sind hierin auch Leistungen der sozialen Betreuung sowie der medizinischen Behandlungspflege eingeschlossen40. 3.2.3. Leistungsbreite Immanentes Tatbestandsmerkmal der Legaldefinition des § 71 SGB XI ist schließlich die Möglichkeit , die von Absatz 2 umfassten Leistungen der pflegerischen Versorgung sowie von Unterkunft und Verpflegung in der gesamten Leistungsbreite tatsächlich auch erbringen zu können; insoweit gelten die an die ambulanten Pflegeeinrichtungen gestellten Anforderungen entsprechend 41. 3.2.4. Ausschluss von stationären Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI Dem Leistungszweck nach ist eine stationäre Einrichtung nur dann eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI, wenn die pflegerischen Zwecke im Vordergrund stehen. Das ist nach § 71 Abs. 4 SGB XI nicht der Fall in Krankenhäusern sowie in stationären Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung bestehen. Weil derartige stationäre Ein- 37 Vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 134 sowie Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 23 38 Vgl. Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 24; Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 15; Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 9 39 Vgl. hierzu oben zu Gliederungspunkt 3.1.2 40 Vgl. Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 10 41 Vgl. hierzu oben zu Gliederungspunkt 3.1.3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 12 richtungen kraft gesetzlicher Fiktion gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI nicht als Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI gelten, kann mit ihnen ein Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI nicht abgeschlossen werden42. 3.2.4.1. Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 4 SGB XI Die durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 199643 eingeführte und durch Art. 10 Nr. 18 des Sozialgesetzbuchs – Neuntes Buch – (SGB IX) vom 19. Juni 200144 neu gefasste Vorschrift des § 71 Abs. 4 SGB XI lässt eine Grundvorstellung des Gesetzgebers erkennen , wonach Leistungen der voll- und teilstationären Pflege vorwiegend altersgebrechlichen Pflegebedürftigen zugute kommen soll45. Die Ergänzung stellte aus Sicht des Gesetzgebers eine der wichtigsten Regelungen des 1. SGB XI-ÄndG dar46. 3.2.4.1.1. Begründung des § 71 Abs. 4 SGB XI im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eines 1. SGB XI-Änderungsgesetzes Im Gesetzentwurf der Bundestags-Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 6. Februar 1996 wurde diese Regelung mit einer – auch aus Finanzierungsgründen notwendigen – klaren Trennung von Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen, denen zwar im Einzelfall auch Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens zur Verfügung gestellt werden, die jedoch von ihrer Grundausrichtung her einem anderen Zweck als der Pflege dienen, begründet 47. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers fallen hierunter neben Krankenhäusern, Vorsorge - und Rehabilitationseinrichtungen, Krankenwohnungen, Kindergärten, Schulen und Internaten insbesondere auch Werkstätten für Behinderte und Wohnheime für Behinderte48. 3.2.4.1.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat mit Beschluss vom 3. Mai 1996 Der Gesetzentwurf der Bundestags-Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines 1. SGB IX- Änderungsgesetzes vom 6. Februar 199649 wurde vom Deutschen Bundestag am 15. März 1996 42 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 52 43 BGBl. I S. 830 44 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) 45 Vgl. Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 20; Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 12; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 33 46 Vgl. Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 12 47 Vgl. den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB XI-Änderungsgesetz – 1. SGB XI-ÄndG), in BT-Drs. 13/3696 S. 15 (zu § 71 Abs. 4) 48 Vgl. BT-Drs. 13/3696 S. 15 (zu § 71 Abs. 4) 49 BT-Drs. 13/3696 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 13 zunächst mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet, bedurfte jedoch der Zustimmung des Bundesrates. In seiner Sitzung am 3. Mai 1996 beschloss der Bundesrat, den Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 GG anzurufen50. Im Hinblick auf die mit § 71 Abs. 4 SGB XI angestrebte Regelung hat der Bundesrat diesen Beschluss im Einzelnen wie folgt näher begründet: Das 1. SGB XI-ÄndG strebe eine umfassende Kostenbegrenzung in der Pflegeversicherung über die Ausgrenzung von Behinderten aus dem Kreis der Leistungsberechtigten an. Dieses Ziel solle dadurch erreicht werden, dass Einrichtungen der Behindertenhilfe keinen Anspruch auf einen Versorgungsvertrag hätten und damit Pflegeleistungen bei den Pflegekassen nicht abrechnen könnten. Gegenwärtig würden in sehr vielen Einrichtungen sowohl Leistungen der Hilfe zur Pflege als auch Leistungen der Eingliederungshilfe für Behinderte erbracht. Abgesehen von den Problemen, die die Notwendigkeit der Zuordnung der einzelnen Behinderten zu einem dieser Bereiche mit sich bringe, würden mit den finanziellen Aufwendungen für diejenigen Behinderten , die keine Leistungen der Pflegeversicherung erhielten, die Sozialhilfeträger belastet51. Das von den Regierungsfraktionen eingebrachte Änderungsgesetz hätte – so wird in der Beschlussbegründung des Bundesrats weiter geltend gemacht – zur Folge, dass Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz nur in „reinen“ Pflegeeinrichtungen abgerechnet werden könnten . Eine solche Regelung wäre für pflegebedürftige Behinderte mit einem Einrichtungswechsel verbunden. Das von den Koalitionsfraktionen verfolgte Ziel einer umfassenden Ausgabenbegrenzung im Bereich der Pflegeversicherung sei über die Ausgrenzung von Einrichtungen, in denen Maßnahmen der Eingliederungshilfe durchgeführt würden, in der Praxis nicht zu erreichen. Eine Umwidmung vieler dieser Einrichtungen nach den Vorschriften der §§ 71 ff SGB XI sei durch die Einstellung von Fachkräften der Alten- und Krankenpflege möglich. Die damit verbundenen Umstrukturierungen ignorierten die bewährte Form der ganzheitlichen Versorgung pflegebedürftiger Behinderter durch Heilerzieher und Heilerziehungspfleger. Gleichzeitig werde der in den vergangenen Jahren erreichte qualitative Standard der Versorgung und Betreuung behinderter Menschen gefährdet52. Die Verweigerung der Finanzierung von Pflegeleistungen in Einrichtungen, in denen gleichzeitig Maßnahmen der Eingliederungshilfe durchgeführt würden, verletze – so wird in der Beschlussbegründung des Bundesrats weiter ausgeführt – außerdem den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gegenüber dem vorrangig zuständigen Kostenträger Pflegeversicherung. Notwendig sei vielmehr eine wenig verwaltungsaufwändige Regelung zur Finanzierung der berechtigten Leistungsansprüche pflegebedürftiger Behinderter, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe versorgt würden. Deshalb sei der Gesetzesbeschluss des Bundestages mit dem Ziel zu ändern, eine pauschale Abgeltung der Pflegekosten in vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Höhe von mindestens 20 % der Kosten für die Gesamtleistung abzüglich der Kosten für Unterkunft und Verpflegung mit den Investitionskosten vorzusehen. Diese Regelung werde auch von den Trägern solcher Einrichtungen vorgeschlagen. 50 Bundesrats-Drs. 228/96 (Beschluss) 51 Bundesrats-Drs. 228/96 ( Beschluss), S. 2 52 Bundesrats-Drs. 228/96 (Beschluss), S. 3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 14 Anders sei die Situation dagegen in teilstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu bewerten . Die hier Versorgten würden häufig in ihrer eigenen Wohnung leben. Wegen der Begrenzung der Leistungsansprüche und wegen des Vorrangs der häuslichen Versorgung sei es deshalb das primäre Ziel, vorrangig die notwendigen pflegerischen Hilfen in der eigenen Häuslichkeit über die Pflegeversicherung finanziell abzusichern53. 3.2.4.1.3. Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss Im Vermittlungsverfahren wurde an der bereits im Entwurf eines 1. SGB XI-Änderungsgesetzes enthaltenen Erweiterung des § 71 SGB XI um einen Abs. 4 festgehalten, wonach „Einrichtungen, in denen die medizinische Vorsorge oder Rehabilitation, die berufliche oder soziale Eingliederung , die schulische Ausbildung oder die Erziehung Kranker oder Behinderter im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser“ keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI sind54. Allerdings wurde die Ausgrenzung der in § 71 Abs. 4 SGB XI genannten Einrichtungstypen von der Möglichkeit der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI auf „stationäre Einrichtungen“ begrenzt55. Den oben näher dargelegten Forderungen des Bundesrates hat der Vermittlungsausschuss durch die Regelung in § 43 a SGB XI, eingefügt durch Art. 1 Nr. 20 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes56 Rechnung getragen57, die der Kompensation für die Ausgrenzung der stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen aus dem Kreis der zugelassenen Leistungserbringer der Pflegeversicherung in § 71 Abs. 4 SGB XI dient58. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes war diese Vorschrift noch nicht vorgesehen59. Nach § 43 a Satz 1 SGB XI in seiner derzeit gültigen Fassung60 übernimmt die Pflegekasse für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI), zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 % des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts. Die Aufwendungen der Pflegekasse dürfen nach § 43 a 53 Bundesrats-Drs. 228/96 (Beschluss), S. 3 54 Vgl. den Gesetzentwurf in BT-Drs. 13/3696 S. 5 zur Art. 1 Nr. 22 sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss), in: BT-Drs. 13/4688 S. 3 zu Art. 1 Nr. 12 Buchstabe b 55 Der Begriff der „stationären Einrichtungen“ wurde im Vermittlungsverfahren in § 71 Abs. 4 SGB XI eingefügt. 56 BGBl. I S. 830, 832 57 Vgl. die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses in BT-Drs. 13/4688, S. 3 58 Vgl. Udsching, in: Udsching § 43 a SGB XI Rn. 2 59 Vgl. BT-Drs. 13/3696; zur Beratung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung vgl. BT-Drs. 13/4091 S. 26 60 In der Fassung des Art. 10 Nr. 17 nach Maßgabe des Art. 67 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) mit Wirkung vom 1. Juli 2001 und des Art. 10 Nr. 6 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 15 Satz 2 SGB XI in seiner derzeit gültigen Fassung61 im Einzelfall je Kalendermonat 256 € nicht überschreiten. Die vollstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff SGB XII, früher: § 39 ff Bundeshilfesozialhilfegesetz) schließen mithin keine Versorgungsverträge mit den Pflegekassen, sondern nur Verträge mit den Sozialhilfeträgern ab, die die einzigen für die Eingliederungshilfe für Behinderte verantwortlichen Sozialleistungsträger sind. Die von den Pflegekassen zu entrichtenden Abgeltungsbeträge haben also nur die Funktion, die Sozialhilfeträger finanziell zu entlasten62. Der Begriff „stationäre Einrichtungen“ in § 71 Abs. 4 SGB XI knüpft an den in § 71 Abs. 2 SGB XI verwendeten Begriff der „stationären Pflegeeinrichtungen “ an, worunter voll- und teilstationäre Einrichtungen fallen. Da die Abgeltungsregelungen des § 43 a SGB XI nur für vollstationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gelten, sind für teilstationäre Einrichtungen, die Eingliederungshilfe für Behinderte erbringen, ausschließlich die Sozialhilfeträger zuständig. Für pflegerische Leistungen in derartigen teilstationären Einrichtungen – und damit auch für Tagespflegeeinrichtungen im Sinne des § 41 SGB XI – ist eine Mitfinanzierung durch die Träger der sozialen Pflegeversicherung also nicht vorgesehen; für die Kosten der erbrachten Pflegeleistungen haben insoweit die Betroffenen und die Träger der Sozialhilfe allein aufzukommen63. 3.2.4.2. Reichweite des § 71 Abs. 4 SGB Eine nähere Betrachtung des Wortlauts des § 71 Abs. 4 SGB XI zeigt, dass sich diese Vorschrift nicht nur auf stationäre Einrichtungen bezieht, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge , zur Teilnahme am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen. Erfasst werden auch alle teil- und vollstationären Einrichtungen, in denen kranke Menschen mit der in § 71 Abs. 4 SGB XI genannten Zielsetzung untergebracht sind und versorgt werden (z. B. Krankenhäuser). Erfüllen stationäre Einrichtungen die Voraussetzung des § 71 Abs. 4 SGB XI, so können sie keine Versorgungsverträge mit den Pflegekassen abschließen, da nach § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI derartige Verträge – wie bereits oben dargelegt – nur mit Pflegeeinrichtungen eingegangen werden dürfen, die den Voraussetzungen des § 71 SGB XI entsprechen. § 71 Abs. 4 SGB XI schließt die dort genannten Einrichtungen ausdrücklich von dem Begriff der stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI aus. Dies hat zur Folge, dass die Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI keine Pflegeleistungen der Pflegeversicherung erbringen können, denn nach § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI dürfen die Pflegekassen ambulante und stationäre Pflege nur 61 In der Fassung des Art. 2 Nr. 9 des Gesetzes vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 62 Vgl. Neumann, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4, Pflegeversicherungsrecht, Anhang : § 20 A 21 63 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 54; Neumann , in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht, Anhang: § 20 A 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 16 durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtung)64. 3.2.4.3. Ausschluss pflegebedürftiger Menschen in Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von den Ansprüchen auf stationäre Pflege im Sinne der §§ 41 ff SGB XI Die Ergänzung des § 71 SGB XI um Abs. 4 bewirkt, dass die pflegebedürftigen Versicherten, die sich in Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI aufhalten, keinen Anspruch auf teil- oder vollstationäre Pflege im Sinne der §§ 41 ff SGB XI haben. Für vollstationär versorgte Pflegebedürftige ergibt sich dieser Ausschluss daraus, dass sich der Anspruch im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB XI auf „Pflege in vollstationären Einrichtungen“ bezieht und darunter nach der Systematik des SGB XI nur die in § 71 Abs. 2 SGB XI genannten Einrichtungen fallen, nicht jedoch die Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, die „keine Pflegeeinrichtungen“ im Sinne des Absatzes 2 des § 71 SGB XI sind (vgl. § 71 Abs. 4 letzter Halbsatz SGB XI). Für teilstationär betreute Pflegebedürftige wiederum folgt der Ausschluss des Anspruches auf teilstationäre Pflege im Sinne des SGB XI aus § 41 Abs. 1 SGB XI, der von einem Anspruch auf „Pflege in Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege“ spricht und damit die Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB XI meint. 3.2.4.4. Umschreibung des Begriffs der „ausgebildeten Pflegefachkraft“ in § 71 Abs. 3 SGB XI Die vom Gesetzgeber des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes beabsichtigte Grenzziehung zwischen stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI und sonstigen Einrichtungstypen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI wird noch dadurch verstärkt, dass durch die Ergänzung des § 71 SGB XI um einen Abs. 3, angefügt durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes, der bis dahin in § 71 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB XI nicht näher bestimmte Begriff der „ausgebildeten Pflegefachkraft“ nunmehr dahin umschrieben wird, dass für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne von 71 Abs. 1 und 2 SGB XI neben dem Abschluss einer Ausbildung als 1. Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger, 2. Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder 3. Altenpflegerin oder Altenpfleger eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre erforderlich ist (§ 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI in seiner derzeit gültigen Fassung65). Auch auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass sich voll- oder teilstationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen pflegebedürftige Menschen mit Behinderung überwiegend von pädagogisch ausgebildeten Fachkräften, insbesondere von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern oder Heilerzieherinnen und Heilerziehern betreut werden, nicht als stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI zur Pflege zulassen können66. 64 Vgl. hierzu bereits schon zu Gliederungspunkt 2. 65 In der Fassung des Art. 1 Nr. 39 Buchstabe a des Gesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874) mit Wirkung vom 1. Juli 2008 66 Lachwitz, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht, Anhang: § 9 (Soziale Pflegeversicherung und Sozialhilfe), vor A 394 (1) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 17 Diese Einschränkung des § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI gilt nach § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI allerdings nicht für ambulante Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen. Der Ausschluss von Einrichtungen der Behindertenhilfe von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI bezieht sich – wie bereits dargelegt – nur auf voll- und teilstationäre Einrichtungen. Ambulante Pflegeeinrichtungen der Behindertenhilfe können sich deshalb unter den Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 SGB XI um eine Zulassung als Pflegeeinrichtung bemühen. Dabei gilt die Besonderheit, dass gemäß § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI in der Fassung des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, auch nach Landesrechts ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit einer praktischen Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre als ausgebildete Pflegefachkraft gelten. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise die Zulassungsmöglichkeiten für ambulante Pflegeeinrichtungen, die sich überwiegend der Pflege behinderter Menschen widmen, erweitert. So können sich z. B. sogenannte familienentlastende Dienste, die die Förderung und Pflege geistig behinderter Menschen im häuslichen Bereich unter der ständigen Verantwortung einer Heilerziehungspflegerin bzw. einer Heilerzieherin durchführen, seit dem 25. Juni 1996 als ambulante Pflegeeinrichtung zulassen und ihre Leistungen mit den Pflegekassen abrechnen67. 3.2.4.5. Unzulässigkeit von häuslichen Pflegehilfen (§ 36 Abs. 1 SGB XI) in stationären Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI Die durch § 71 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 SGB XI bewirkte Grenzziehung zwischen Pflegeheimen und nicht zulassungsfähigen sonstigen stationären Einrichtungen kann – wie bereits erwähnt68 – auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass die pflegerische Betreuung, die z. B. in einem Wohnheim für Behinderte durchgeführt wird, einem ambulanten Pflegedienst (§ 71 Abs. 1 SGB XI) oder einer Einzelperson übertragen wird, die nach § 77 SGB XI einen Vertrag mit der Pflegekasse zur häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung abgeschlossen hat. Zwar hat der Gesetzgeber die Weichen dafür gestellt, dass die Pflegesachleistung (§ 36 SGB XI) auch dann abgerufen werden kann, wenn der Pflegebedürftige nicht in seinem eigenen Haushalt, sondern z. B. in einem Altenwohnheim oder in einen Wohnheim für Behinderte bzw. in einer Altenwohnung oder Wohnung für behinderte Menschen gepflegt wird (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XI). Zugleich hat er jedoch in § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI in der Fassung des Artikel 1 Nr. 13 Buchstabe a des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes klargestellt, dass Pflegesachleistungen nicht zulässig sind, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI gepflegt werden. Diese Regelung ist deshalb von praktischer Bedeutung, weil einige Sozialhilfeträger versucht hatten, die Träger von Wohnheimen für Behinderte zu verpflichten, Pflegeleistungen zukünftig nicht mehr durch das vom Wohnheimträger beschäftigte Personal, sondern durch zugelassene ambulante Pflegedienste bzw. nach § 77 SGB XI an die Pflegekasse gebundene Einzelpersonen erbringen zu lassen69. 67 Vgl. etwa Lachwitz, Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht, Anhang : § 9 (Soziale Pflegeversicherung und Sozialhilfe), A 394 68 Vgl. hierzu oben zu Gliederungspunkt 3.1.1 69 Vgl. Lachwitz, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht, Anhang : § 9 vor A 394 (4) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 18 3.2.4.6. Auswirkungen der Regelung des § 71 Abs. 4 SGB XI auf den Personenkreis Behinderter in stationären Einrichtungen Betroffen sind von den Regelungen der §§ 71 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 und 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XI in erster Linie behinderte Menschen, die in Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI Sozialhilfeleistungen entweder in der Form der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII, früher: §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz) oder der Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII, früher: §§ 68 ff Bundessozialhilfegesetz) erhalten. Auch wenn diese Personen die Voraussetzungen der Pflegestufen I, II oder III im Sinne des § 15 SGB XI erfüllen und über die Familienversicherung nach § 25 SGB XI pflegeversichert sind oder z. B. durch ihre Arbeit in einer anerkannten Werkstätte für behinderte Menschen Beiträge an die Pflegeversicherung geleistet haben (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB XI), können sie für die pflegerischen Hilfen, die sie in einer Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI erhalten, die einkommens- und vermögensunabhängigen Leistungen der Pflegeversicherung nicht in Anspruch nehmen. Sie müssen stattdessen auf die Leistungen nach den §§ 53 ff SGB XI bzw. §§ 61 ff SGB XII ausweichen, die nur gewährt werden, wenn ihr Einkommen und Vermögen nicht die Freigrenzen der §§ 85 ff SGB XII und § 92 SGB XII übersteigt. 3.2.4.7. Abgrenzung stationärer Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI von anderen Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, insbesondere von stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 53 ff SGB XII Handhabbare Kriterien für eine sachgerechte Abgrenzung zwischen stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI und anderen Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, insbesondere stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 53 ff SGB XII hält das SGB XI ebenso wenig bereit, wie die korrespondierende sozialhilferechtliche Vorschrift des § 55 SGB XII (früher: § 40 a Bundessozialhilfegesetz). Entscheidend ist nach § 71 Abs. 4 SGB XI, ob andere als die pflegerischen Leistungen im Vordergrund stehen. Der Begriff des Im-Vordergrund-Stehens in § 71 Abs. 4 SGB XI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Verwaltung keine Beurteilungsspielräume eröffnet, sondern in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist70. Entgegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten klaren Abgrenzung ist aber nicht immer zweifelsfrei zu ermitteln, welcher Versorgungszweck jeweils im Vordergrund steht. Maßgebend dafür ist eine quantitativ-qualitative Betrachtung, die auf den überwiegenden Leistungszweck der Einrichtung abstellt. Der vom Gesetzgeber verfolgten Abgrenzung zwischen dem von der Gemeinschaft der Pflegeversicherten zu tragenden Pflegerisiko bei Altersgebrechlichkeit und dem – bei Bedürftigkeit – als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII von der Allgemeinheit der Steuerzahler zu tragenden Risiko von Behinderung dürfte nur Rechnung zu tragen sein, wenn auf den in der Einrichtung überwiegend versorgten Personenkreis, auf dessen vordringlichen Bedarf und die daraus erwachsenden Leistungsansprüche abgestellt wird71. Richten sich diese überwiegend auf Leistungen der medizinischen, beruflichen sowie sozialen Teilhabe im Sinne des SGB 70 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 55 71 Vgl. Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 19 IX72, liegt der Versorgungszweck im Schwerpunkt nicht im Bereich der Pflege im Sinne des SGB XI. Richten sich die Ansprüche hingegen vorwiegend auf Leistungen der Pflege einschließlich der aktivierenden Pflege sowie der sozialen Betreuung, fällt die Einrichtung dem Leistungszweck nach in den Verantwortungsbereich der sozialen Pflegeversicherung. Hingegen dürfte die tatsächliche Ausrichtung der Einrichtung als Abgrenzungskriterium nur dann geeignet sein, wenn sie dem tatsächlichen Betreuungsbedarf der Bewohner gerecht wird73; andernfalls würde die vom Gesetzgeber bezweckte Risikobegrenzung – so problematisch sie in ihrer Ausgestaltung erscheinen mag – unzulässig unterlaufen. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist das mit der aus der verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis übernommenen Formel aufgenommen worden , wonach es insbesondere auf die ärztliche Prognose zur Entwicklung des Betroffenen und das Ausmaß der erforderlichen Pflege ankommt74. Fraglich kann insoweit nur erscheinen, ob – wie es in der noch vor Inkrafttreten des SGB IX ergangenen Entscheidung anklingt – rehabilitative Ansprüche bereits dann ausgeschlossen sind, wenn sie eine Verbesserung der Situation des behinderten Menschen nicht erwarten lassen; insoweit könnten die Aufgaben der Behindertenund Eingliederungshilfe unter Geltung des SGB IX ausgeweitet worden sein75. 3.2.4.8. Fazit Die vorgenannten Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, warum der Gesetzgeber speziell für den Personenkreis pflegebedürftiger behinderter Menschen, die sich in Einrichtungen der Behindertenhilfe befinden, nach einer Möglichkeit gesucht hat, einerseits an der Zielvorgabe des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes festzuhalten, Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI auszuschließen, andererseits aber pflegebedürftige Versicherte mit Behinderung, die in diesen Einrichtungen betreut werden, nicht völlig von den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung abschneiden wollte. Zur Lösung dieser Konfliktsituation bietet der Gesetzgeber das in § 43 a SGB XI verankerte Konzept einer Mischfinanzierung an76. 3.3. Gemeinsame Anforderungen an Pflegedienste und Pflegeheime 3.3.1. Einrichtungsqualität Sowohl Pflegedienste als auch Pflegeheime müssen nach § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI Einrichtungsqualität haben . Der Einrichtungsbegriff wird in § 71 SGB XI nicht definiert. Es handelt sich zumindest um einen gegenüber dem sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff selbstständigen pflegeversicherungsrechtlichen Einrichtungsbegriff, zumal im Bereich der Sozialhilfe ambulante 72 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046), zuletzt geändert durch Art. 12 Abs. 6 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) 73 Vgl. Schütze, in: Udsching, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, § 71 Rn. 13; in diese Richtung auch: Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 21 74 Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 11/00 R, in: SozR 3-1100 Art. 3 Nr. 169 S. 140 (145) 75 Vgl. Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 13 76 Zur Regelung des § 43 a SGB XI vgl. oben zu Gliederungspunkt 3.2.4.1.3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 20 Leistungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gerade außerhalb von Einrichtungen erbracht werden . Der Begriff der Einrichtung in § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI setzt nach Sinn und Zweck der Norm ein Mindestmaß an Organisationsstruktur voraus, die über die Existenz einzelner Pflegepersonen hinausgeht77. Voraussetzung dafür ist eine auf Dauer angelegte organisatorische Zusammenfassung von Personen und Sachmitteln, die unabhängig vom Bestand ihrer Mitarbeiter in der Lage ist, eine ausreichende, gleichmäßige und konstante pflegerische Versorgung eines wechselnden Kreises von Pflegebedürftigen in ihrem Einzugsbereich zu gewährleisten78. Der Begriff der Einrichtung in § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI orientiert sich – gerade was den ambulanten Bereich anbelangt – an dem bei Einführung der sozialen Pflegeversicherung vorhandenen Bestand herkömmlicher Sozialstationen in kommunaler oder frei-gemeinnütziger Trägerschaft, schließt aber in Ansehung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XI) und des Grundsatzes der Trägervielfalt (§ 11 Abs. 2 SGB XI) privat-gewerbliche Träger nicht aus und kann für sich genommen an diese Träger auch keine höheren Anforderungen stellen79. 3.3.2. Selbstständiges Wirtschaften Befähigt zur Teilnahme am Versorgungsgeschehen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung sind nach der ausdrücklichen Regelung in § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI nur solche Einrichtungen, die „selbständig wirtschaften“. Der Begriff des selbstständigen Wirtschaftens darf nicht mit dem der wirtschaftlichen Selbstständigkeit gleichgesetzt werden. Die anders lautende Gesetzesbegründung 80 ist sprachlich unpräzise. Wirtschaftliche Selbstständigkeit dergestalt, dass die Einrichtung formell getrennt von einer eigenständigen rechtsfähigen (juristischen) Person betrieben werden oder gar materiell wirtschaftlich unabhängig sein müsste, verlangt § 71 SGB XI nicht81. Dies zeigt sich schon daran, dass die Gesetzesbegründung gerade die herkömmlichen Sozialstationen als Anbieter ambulanter Pflegeleistungen im Blick hatte82, die zumeist als kommunale Regiebetriebe organisiert und damit weder in formeller noch in materieller Hinsicht wirtschaftlich selbstständig gewesen sind. Die Forderung nach wirtschaftlicher Selbstständigkeit stände im Übrigen auch mit Sinn und Zweck des Merkmals nicht in Einklang. Dieser besteht allein darin, die Vermengung unterschiedlicher Aufgaben- und Finanzierungsverantwortlichkeiten (insbesondere gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialhilfe) zu vermeiden, ohne 77 Vgl. Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 14; Neumann, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts , Band 4: Pflegeversicherungsrecht, § 20 Rn. 11; Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 16 78 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG), in: BT-Drs. 12/5262 S. 134; zur zeitlichen Dimension bei ambulanten Pflegediensten vgl. näher oben zu Gliederungspunkt 3.1.3 79 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 16 80 Vgl. den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG), in: BT-Drs. 12/5262 S. 134 81 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 19; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 7 82 Vgl. BT-Drs. 12/5262 S. 134 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 21 Einrichtungen, die in erster Linie Gesundheitsleistungen oder andere Formen der Pflege oder Betreuung anbieten, von vornherein von der Leistungserbringung auszuschließen83. Vor diesem Hintergrund wirtschaftet eine Pflegeeinrichtung selbstständig, soweit die Pflegeleistungen in einer von anderen Leistungszwecken wirtschaftlich gesonderten Einheit erbracht werden . Das bedeutet nicht, dass in der Einrichtung ausschließlich nur Pflegebedürftige betreut bzw. nur Pflegeleistungen im Haushalt der Pflegebedürftigen erbracht werden dürfen. Unterhält ein Einrichtungsträger unterschiedliche Tätigkeitsbereiche, so muss er sie aber wirtschaftlich und organisatorisch selbstständig führen84. Selbstständiges Wirtschaften bedeutet deshalb in erster Linie, dass die Buchführung, Bilanzierung und die Jahresabschlüsse für die Einrichtung gesondert von derjenigen für andere Einrichtungen und Dienste des jeweiligen Trägers zu erfolgen hat, um auch für externe Vergleiche im Rahmen von Pflegesatzverhandlungen die notwendige Transparenz zu schaffen. Zu beachten sind insbesondere die Anforderungen, die die auf die Ermächtigungsnorm des § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 gestützte Pflege-Buchführungsverordnung (PBV) vom 22. November 199585 an die Buchführung zugelassener Pflegeeinrichtungen stellt86. 3.3.3. Pflegerische Gesamtleitung durch eine verantwortliche Pflegefachkraft Pflegedienste und stationäre Pflegeeinrichtungen sind nach § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI ferner nur solche Einrichtungen, in denen die Pflegebedürftigen „unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft“ gepflegt werden. § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI setzen damit schon im Rahmen der Definition des Einrichtungsbegriffs voraus, dass die pflegerische Gesamtleitung einer Person übertragen ist, die die Formalqualifikationen des Absatzes 3 erfüllt87. Ein Betrieb, der keine ausgebildete Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 3 SGB XI beschäftigt, kann schon per definitionem keine Pflegeeinrichtung sein, womit der Gesetzgeber bereits im Rahmen der Definitionsnorm bestimmte Qualitätsanforderungen festschreibt88. Vorbild der Anforderungen nach § 71 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB XI sind die Regelungen des § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V und des § 15 Abs. 2 Satz 1 SGB VI89, wonach die Versorgung in Vorsorge- 83 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 12/5262 S. 134; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht , § 71 SGB XI Rn. 7; Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 19; Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 15 84 Vgl. Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 16 85 Verordnung über die Rechnungs- und Buchführungspflichten der Pflegeeinrichtungen (Pflege- Buchführungsverordnung – PBV) vom 22. November 1995 (BGBl. I S. 1528), zuletzt geändert durch Art. 13 Abs. 17 des Gesetzes vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102) 86 Vgl. Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 8; Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 20; Leitherer, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB XI Rn. 7; Schütze, in: Udsching, § 71 SGB XI Rn. 16 87 Vgl. dazu eingehend nachfolgend zu Gliederungspunkt 4. 88 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 22 89 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 22 und Rehabilitationseinrichtungen unter ständiger „ärztlicher Verantwortung“ zu stehen hat. Dies soll verdeutlichen, dass – anders als nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V für Krankenhäuser vorgeschrieben – nicht der Betrieb von Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen als solcher eine ärztliche Leitung erfordert, sondern die Versorgung der Versicherten unter ärztlicher Verantwortung stehen muss90. Voraussetzung dafür ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die in der Einrichtung erbrachten Leistungen einschließlich derjenigen des nichtärztlichen Personals allgemein ihrer Art nach ärztlich bestimmt werden91. Hieraus hat das Bundessozialgericht hergeleitet, dass die Versorgung in einer Pflegeeinrichtung nur dann unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft im Sinne von § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI steht, wenn eine verantwortliche Pflegefachkraft, die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert92. Das gebietet zwar nicht notwendig die Trennung von Heimleitung und Pflegedienstleitung. Auch müssen nicht die Pflegeleistungen selbst ganz oder auch nur überwiegend von einer Pflegefachkraft im Sinne von § 71 Abs. 3 SGB XI erbracht werden . Jedoch muss die Einrichtung gewährleisten, dass die bezeichneten Aufgaben der verantwortlichen Pflegefachkraft durch Fachkräfte mit der Qualifikation nach Abs. 3 wahrgenommen werden können. Genügt die Umsetzung diesen Anforderungen nicht, fehlt es an der notwendigen Eignung zur Teilnahme an der Versorgung der Versicherten93. Dass nur diejenigen Betriebe, die pflegerische Leistungen unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft erbringen, Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI sind, verletzt weder die mit der Pflegedienstleitung betrauten Personen noch die Einrichtungsträger in ihren Grundrechten. Zwar bedeutet diese Bestimmung – da nur mit Einrichtungen, die insbesondere die Voraussetzungen des § 71 SGB XI erfüllen, ein Versorgungsvertrag geschlossen werden darf (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGB XI) – einen Eingriff mit berufsregelnder Tendenz in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. Es handelt sich indes um eine bloße Berufsausübungsregelung, die im Dienste der Förderung legitimer Allgemeinwohlinteressen steht, weil sie zur Sicherstellung einer Mindestqualität der unter dem Dach einer sozialen Pflegeversicherung gewährten Pflegeleistungen erforderlich und angemessen ist94. 90 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 11/3480 S. 60 zu § 115 SGB V 91 Vgl. BSGE 68, 17 (18) = SozR 3-2200 § 184 a Nr. 1 S. 3 und Bundessozialgericht, Urteil vom 3. März 1994 – 1 RK 8/93 -, in: Soziale Sicherheit, Zeitschrift, 1995, S. 276 92 Bundessozialgericht, Urteil vom 22. April 2009 – B 3 P 14/07 R - BSGE 103, S. 78 ff = SozR 4 -3300 § 71 SGB XI Nr. 1. 93 Bundessozialgericht, Urteil vom 22. April 2009, BSGE 103, S. 78 ff 94 Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. August 1998 – B 3 P 8/97 R – BSGE 82, S. 252 ff = SozR 3-3300 § 73 SGB XI Nr. 1 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 23 4. Anforderungen an die verantwortliche Pflegefachkraft (§ 71 Abs. 3 SGB XI) 4.1. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft nach § 71 Abs. 3 SGB XI im Überblick Die Bestimmung des § 71 Abs. 3 SGB XI regelt die Voraussetzungen, die für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI erfüllt sein müssen. § 71 Abs. 3 SGB XI, der – wie bereits erwähnt – durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 199695 mit Wirkung vom 25. Juni 199696 neu eingeführt wurde97 und durch Art. 1 Nr. 39 Buchstaben a und b des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 200898 mit Wirkung vom 1. Juli 200899 seine derzeit geltende Fassung erhalten hat, macht die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft dabei grundsätzlich von drei formalen Voraussetzungen abhängig : Die betreffende Person muss nach § 71 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XI zunächst über eine bestimmte berufliche Qualifikation (abgeschlossene Berufsausbildung im Gesundheitswesen) verfügen100. Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne von § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI ist neben dem Abschluss einer solchen Ausbildung außerdem eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre erforderlich (§ 71 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XI). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen mit diesem Erfordernis die Anforderungen an die praktische Berufserfahrung, die in den Vereinbarungen der Selbstverwaltung zum Teil zu hoch angesetzt worden seien, auf ein vertretbares Maß beschränkt werden 101. Zusätzliche Voraussetzung für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft ist gemäß § 71 Abs. 3 Satz 6 SGB XI schließlich die erfolgreiche Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl, die 460 Stunden nicht überschreiten soll. Diese erst durch Art. 1 Nr. 39 Buchstabe b des Pflege- Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008102 mit Wirkung vom 1. Juli 2008 eingefügte Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass jede Zulassungsvoraussetzung für 95 BGBl. I S. 830, 833 96 Vgl. Art. 8 Abs. 1 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes 97 Zur Ergänzung des § 71 SGB XI um einen Abs. 3 durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vgl. bereits oben zu Gliederungspunkt 3.2.4.4 98 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874 99 Vgl. Art. 17 Abs. 1 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes 100 Vgl. hierzu eingehend nachfolgend zu den Gliederungspunkten 4.2 und 4.3 101 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB XI-Änderungsgesetz – 1. SGB XI-ÄndG), in: BT-Drs. 13/3696 S. 15 zu § 71 Abs. 3; zum Erfordernis einer praktischen Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb einer Rahmenfrist von fünf Jahren nach § 71 Abs. 3 Satz 1 bis 3 sowie zu den Voraussetzungen für eine Verlängerung dieser Rahmenfrist auf bis zu acht Jahre nach § 71 Abs. 3 Satz 4 und 5 SGB XI vgl. eingehend Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 38 ff 102 BGBl. I S. 874 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 24 die Funktion der verantwortlichen Pflegefachkraft auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruht103. Zuvor waren entsprechende Regelungen lediglich in den untergesetzlichen, auf der Grundlage des § 80 SGB XI alter Fassung abgeschlossenen Qualitätssicherungsvereinbarungen für die ambulante und vollstationäre Pflege vorgesehen, was nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. September 2002104 den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts bei Grundrechtseingriffen nicht genügte105. Neben den in § 71 SGB XI genannten Anforderungen bestehen keine weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI. Namentlich die auf Grundlage des § 80 SGB XI alter Fassung ergangenen Vereinbarungen zur Qualitätssicherung106 und die zukünftig auf der Grundlage des § 113 SGB XI ergehenden Qualitätssicherungsvereinbarungen dürfen an die Anerkennung keine strengeren Anforderungen stellen 107. Die Spitzenverbände werden weder durch § 71 SGB XI, noch nunmehr durch § 113 Abs. 1 SGB XI dazu ermächtigt, die gesetzlichen Regelungen über die Voraussetzungen der Leitung einer Pflegeeinrichtung zu verschärfen. Dementsprechend hat das Bundesozialgericht in seiner Entscheidung vom 24. September 2002108 zu Recht beanstandet, dass die Landesverbände der Pflegekassen die Zulassung eines Pflegedienstes im Hinblick auf Ziffer 3.1.2.2. Buchstabe a der Qualitätssicherungsvereinbarung für die ambulante Pflege109 davon abhängig gemacht hatten, dass die verantwortliche Pflegefachkraft die gesetzlich erforderliche zweijährige praktische Berufserfahrung mindestens ein Jahr lang auch im ambulantem Bereich erworben hat. Problematisch waren die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 80 SGB XI alter Fassung auch insoweit , als sie zum Teil für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft die erfolgreiche Durchführung einer Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen vorsahen, ohne dass es im Gesetz dafür eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage gegeben hätte. Diese Problem hat sich – wie zuvor erwähnt – durch Einfügung des § 71 Abs. 3 Satz 6 SGB XI durch Art. 1 Nr. 39 103 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz), in: BT-Drs. 16/7439 S. 67 zu Art. 1 Nr. 39 Buchstabe b 104 Vgl. BSG, Urteil vom 24. September 2002 – B 3 P 14/01 R, SozR 3-3300 § 72 Nr. 2 105 Zur Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 6 SGB XI vgl. näher Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 47 ff 106 Vgl. die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege“ vom 10. Juli 1995 in der Fassung vom 31. Mai 1996 (Bundesanzeiger 1996 Nr. 152 a S. 3), die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in vollstationären Einrichtungen“ vom 7. März 1996 (Bekanntmachung vom 21. Oktober 1996, Bundesanzeiger 1996 Nr. 213, S. 12041) sowie die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der teilstationären Pflege“ vom 18. August 1995 in der Fassung vom 31. Mai 1996 (Bundesanzeiger 1996 Nr. 152 a S. 57) 107 Vgl. etwa Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 29 108 BSG, Urteil vom 24. September 2002 – B 3 P 14/01 R - SozR 3-3300 § 72 Nr. 2 109 Vgl. die „Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen nach § 80 SGB XI in der ambulanten Pflege“ vom 10. Juli 1995 in der Fassung vom 31. Mai 1996 (Bundesanzeiger 1996 Nr. 152 a S. 3) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 25 Buchstabe b des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008110 mit Wirkung vom 1. Juli 2008 erledigt. Soweit § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI von „Anerkennung“ als verantwortliche Pflegefachkraft spricht, ist damit kein förmliches Anerkennungsverfahren verbunden111. Entscheidend ist, dass die Person , die vom Einrichtungsträger (Pflegedienst oder Heimträger) mit der pflegerischen Leitung betraut ist, die in § 71 Abs. 3 SGB XI normierten formalen Anforderungen tatsächlich erfüllt. Nur dann genügt die Einrichtung den Anforderungen an die Pflegedienst- bzw. Pflegeheimdefinition und nur dann kann mit ihr ein Versorgungsvertrag abgeschlossen werden (§ 72 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1)112. Die Anforderungen, die § 71 Abs. 3 SGB XI an die „Anerkennung“ der verantwortlichen Pflegefachkraft stellt, berühren damit ausschließlich die Interessen des Einrichtungsträgers . Dementsprechend besteht kein subjektiv-öffentliches Recht der Pflegefachkraft gegenüber den Landesverbänden der Pflegekassen auf Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft 113. 4.2. Grundsätzliche Beschränkung auf Pflegefachkräfte der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege als verantwortliche Pflegefachkräfte bei ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI (§ 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI) Mit der Regelung in § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XI hat der Gesetzgeber festgelegt, dass als verantwortliche Pflegefachkräfte in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI grundsätzlich nur Personen in Betracht kommen, die den Abschluss einer Ausbildung als Gesundheits- oder Krankenpflegerin bzw. Gesundheits- oder Krankenpfleger (§ 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI), Gesundheits- oder Kinderkrankenpflegerin bzw. Gesundheits- oder Kinderkrankenpfleger (§ 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI) oder als Altenpflegerin bzw. Altenpfleger (§ 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI) vorweisen können. Heranzuziehen sind insoweit die Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes (KrPflG) vom 16. Juli 2003114 und des Altenpflegegesetzes (AltPflG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003115. Das Krankenpflegegesetz stellt in seiner derzeit geltenden Fassung die Berufsbezeichnungen „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ und „Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin“ sowie die männlichen Formen dieser Bezeichnungen unter Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KrPflG); mit der Verwendung dieser Bezeichnungen in § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI wird dem Rechnung getragen. Auf eine Nennung früherer Bezeichnungen wie z. B. „Kranken- 110 BGBl. I S. 874 111 Vgl. Sozialgericht Konstanz, Urteil vom 17. Dezember 2003 – S 8 P 922/02 – Pflegerecht 2004, S. 320 mit zustimmender Anmerkung Rossbruch, in: Pflegerecht 2004, S. 321 112 Vgl. Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 30 113 Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 14. Oktober 2008 – S 10 P 20/08 – Pflegerecht 2009, S. 52 mit zustimmender Anmerkung Rossbruch, in: Pflegerecht 2009, S. 254; Groth, in: Hauck/Noftz, § 71 SGB XI Rn. 31 114 Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz – KrPflG vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 983) 115 Gesetz über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflegegesetz – AltPflG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 2003 (BGBl. I S. 1690), zuletzt geändert durch Art. 12 b des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 26 schwester“ oder „Krankenpfleger“ ist bewusst verzichtet worden, weil nach der Übergangsvorschrift des § 23 KrPflG Personen, die über eine Berufserlaubnis nach altem Recht verfügen, die neue Bezeichnung ohne neue Erlaubnis verwenden dürfen116. Das Altenpflegegesetz117 stellt die Berufsbezeichnungen „Altenpflegerin“ oder „Altenpfleger“ in § 1 AltPflG ebenfalls unter Erlaubnisvorbehalt und legt die Ausbildungsanforderungen fest. Die Einzelheiten der Ausbildung in der Altenpflege sind in der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 9 AltPflG erlassenen Altenpflege- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 26. November 2002118 geregelt. 4.3. Ausnahmsweise Anerkennung von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern als verantwortliche Pflegefachkräfte bei ambulanten Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen (§ 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI) Nach der Sonderregelung des § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI gelten bei ambulanten Pflegeeinrichtungen , die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, auch nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit einer praktischen Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre als ausgebildete Pflegefachkraft im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI. Diese Sonderregelung kommt konsequenterweise nur für den ambulanten und nicht für den voll- oder teilstationären Bereich in Betracht, da stationäre Einrichtungen, in denen die Betreuung behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung steht, gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI – wie bereits dargelegt – keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI sind119. 4.3.1. Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI, eingefügt durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996120, ist das Ergebnis eines Kompromisses im Vermittlungsausschuss. 4.3.1.1. Die vom Deutschen Bundestag am 15. März 1996 verabschiedete enge Fassung des Begriffs „ausgebildete Pflegefachkraft“ in § 71 Abs. 3 SGB XI Der Gesetzentwurf der Bundestags-Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines 1. SGB XI- Änderungsgesetzes vom 6. Februar 1996 enthielt lediglich den jetzigen Satz 1 des § 71 Abs. 3 116 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz), in: BT-Drs. 16/7439 S. 67 zu Art. 1 Nr. 39 Buchstabe a 117 Zur Verfassungsmäßigkeit der wesentlichen Regelungen vgl. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Oktober 2002 – 2 BvF 1/01, NJW 2003, S. 41 ff 118 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers (Altenpflege- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung – AltPflAPrV) vom 26. November 2002 (BGBl. I S. 4418), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686) 119 Zum Ausschluss von stationären Einrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI vgl. oben eingehend zu Gliederungspunkt 3.2.4 120 BGBl. I S. 830, 833 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 27 SGB XI mit dem nach der Entwurfsbegründung klargestellt werden sollte, dass verantwortliche Pflegefachkräfte im Sinne der Definition der Pflegeeinrichtungen in § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI ausschließlich in der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege ausgebildete Pflegekräfte sein können121. Mit dieser vom Deutschen Bundestag am 15. März 1996 zunächst mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungskoalition verabschiedeten engen Fassung des Begriffs „ausgebildete Pflegefachkraft“ wurde das Ziel verfolgt, insbesondere durch die Nichtanerkennung der Berufsgruppen der Heilerziehungspfleger und Heilerzieher als verantwortliche Pflegefachkräfte im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 SGB XI die Zahl abrechnungsfähiger Einrichtungen der Behindertenhilfe als Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI zu begrenzen122. 4.3.1.2. Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat mit Beschluss vom 3. Mai 1996 In seinem Beschluss vom 3. Mai 1996, mit dem der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrief 123, forderte der Bundesrat eine Öffnung der Berufsgruppen zugunsten der Heilerziehungspfleger und Heilerzieher, da sich diese in der Pflege Behinderter bewährt hätten. Ihnen dürfe deshalb in Einrichtungen der Behindertenhilfe der Zugang zur Position der verantwortlichen Pflegefachkraft nicht verwehrt werden. Das vom Deutschen Bundestag verabschiedete 1. SGB XI- Änderungsgesetz sei deshalb mit dem Ziel zu ändern, neben den Pflegefachkräften der Altenund Krankenpflege auch Heilerziehungspfleger und Heilerzieher als verantwortliche Pflegefachkräfte im Sinne des § 71 SGB XI anzuerkennen124. 4.3.1.3. Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss Im Vermittlungsausschuss konnte sich der Bundesrat mit seiner – vor allem von den Sozialhilfeträgern und den kommunalen Spitzenverbänden unterstützten – Forderung, auch Heilerziehungspfleger und Vertreter anderer sozialpädagogischer Berufe, die Behinderteneinrichtungen vornehmlich leiten, als verantwortliche Pflegefachkräfte in die Regelung des § 71 Abs. 3 SGB XI einzubeziehen, nur in Bezug auf ambulante, nicht aber in Bezug auf stationäre Pflegeeinrichtungen durchsetzen und schloss einen Kompromiss. Er akzeptierte bei stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI die Begrenzung auf die in § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI aufgeführten Pflegeberufe125 und den in § 71 Abs. 4 SGB XI geregelten Ausschluss (auch) von stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des 121 Vgl. den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB XI-Änderungsgesetz – 1. SGB XI-ÄndG), in: BT-Drs. 13/3696 S. 5 und 15 zu Art. 1 Nr. 22 (§ 71 Abs. 3 SGB XI) 122 Vgl. die entsprechenden Ausführungen in der Bundesrats-Drs. 228/96 (Beschluss) S. 4 sowie Lachwitz, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht, Anhang: § 20 A 14 123 Zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch Beschluss des Bundesrates vom 3. Mai 1996 vgl. bereits oben zu Gliederungspunkt 3.2.4.1.2 124 Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat – Erstes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB XI-Änderungsgesetz – 1. SGB XI-ÄndG), Bundesrats-Drs. 228/96 (Beschluss) S. 4 125 Vgl. hierzu bereits oben zu Gliederungspunkt 4.2 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 28 § 71 Abs. 2 SGB XI126. Dafür wurde den Kostenträgern der stationären Behindertenhilfe – als Kompensation für die Ausgrenzung der stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen aus dem Kreis der zugelassenen Leistungserbringer der sozialen Pflegeversicherung – für die in diesen Einrichtungen zu erbringenden Pflegeleistungen eine finanzielle Entlastung durch die in § 43 a SGB XI neu geschaffene Leistung eingeräumt. Nach Satz 1 dieser Bestimmung übernimmt die Pflegekasse – wie bereits erwähnt127 – für Pflegebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen (§ 71 Abs. 4 SGB XI), zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10% des nach § 75 Abs. 3 SGB XII vereinbarten Heimentgelts , wobei die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 € nicht überschreiten dürfen (§ 43 a Satz 2 SGB XI). Die Leistungspflicht der Pflegekassen nach § 43 a SGB XI besteht nur bei Pflege in vollstationären Einrichtungen im Sinne von § 71 Abs. 4 SGB XI. Bei teilstationären Einrichtungen (etwa Werkstätten für behinderte Menschen) kommt die Regelung nicht zur Anwendung128. Dies ergibt sich daraus, dass der Begriff „stationäre Einrichtungen“ in § 71 Abs. 4 SGB XI an den in § 71 Abs. 2 SGB XI verwendeten Begriff der „stationären Pflegeeinrichtungen “ anknüpft, worunter neben voll- auch teilstationäre Einrichtungen fallen. Für pflegerische Leistungen in teilstationären Einrichtungen, die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erbringen, und damit auch für entsprechende Tagespflegeinrichtungen im Sinne des § 41 SGB XI ist eine Mitfinanzierung durch die Träger der sozialen Pflegeversicherung damit nicht vorgesehen; für die Kosten der erbrachten Pflegeleistungen haben insoweit die Betroffenen und die Träger der Sozialhilfe allein aufzukommen129. 4.3.2. Erweiterung der Zulassungsmöglichkeiten für ambulante Einrichtungen der Behindertenhilfe als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI aufgrund der in § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI getroffenen Regelung Mit der in § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI getroffenen Regelung, derzufolge bei ambulanten Pflegediensten , die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, auch nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit einer praktischen Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten fünf Jahre als ausgebildete Pflegefachkraft gelten, hat der Gesetzgeber des 1. SGB XI- Änderungsgesetzes die Zulassungsmöglichkeiten für derartige Pflegeeinrichtungen erweitert. Ambulante Pflegeeinrichtungen der Behindertenhilfe können sich deshalb unter den Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 SGB XI um eine Zulassung als Pflegeeinrichtung bemühen. Damit können ambulante Einrichtungen wie z. B. sog. familienentlastende Dienste, die die Förderung und Pflege geistig behinderter Menschen im häuslichen Bereich durchführen, seit dem Inkrafttreten des 126 Zum Ausschluss (auch) von stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI von der Zulassung als Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI vgl. eingehend oben zu Gliederungspunkt 3.2.4 127 Zu der Regelung des § 43 a SGB XI vgl. bereits oben zu Gliederungspunkt 3.2.4.1.3 128 Vgl. etwa Udsching, in: Udsching, § 43 a SGB XI Rn. 2 129 Zu Inhalt und Tragweite der Regelung des § 43 a SGB XI vgl. im Übrigen die Ausführungen zu Gliederungspunkt 3.2.4.1.3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 29 1. SGB XI-Änderungsgesetzes am 25. Juni 1996 als ambulante Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI zugelassen werden und ihre Leistungen mit den Pflegekassen abrechnen, sobald die Pflegeleistungen unter der ständigen Verantwortung einer Person, die die Voraussetzungen von § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI erfüllt, erbracht werden. Gerade die familienentlastenden ambulanten Dienste wollen die von ihnen betreuten und gepflegten Personen (vor allem jüngere Menschen mit Behinderung) fördern und besetzen zu diesem Zweck die Leitungsstellen mit Fachpersonal aus dem Bereich der Heilerziehungspflege oder Heilerziehung. Sie können mit Hilfe der Regelung in § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI sowohl als zugelassene Pflegedienste im Sinne des § 71 Abs. 1 SGB XI Pflegeleistungen zu Lasten der Pflegekassen erbringen als auch Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 53 ff SGB XII zu Lasten der Sozialhilfe. Nicht selten versuchen in der Praxis die Betroffenen, den Hilfebedarf soweit wie möglich mit Leistungen der Pflegekasse zu decken. Da vor allem Menschen mit geistiger Behinderung in aller Regel nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Finanzierung dieser Dienstleistungen bestreiten können, entlasten die Leistungen der Pflegekasse diejenigen Angehörigen, die wegen ihrer guten Einkommens- und Vermögenssituation trotz der entsprechenden Schongrenzen der §§ 85 ff SGB XII und § 92 SGB XII sonst vom Sozialhilfeträger im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht herangezogen werden130. 4.4. Ausschluss von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern als verantwortliche Pflegefachkräfte bei stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI Mit den durch Art. 1 Nr. 25 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes angefügten Absätzen 3 und 4 des § 71 SGB XI verfolgte der Gesetzgeber – wie oben im Einzelnen dargelegt – das Ziel, den Kreis der Einrichtungen, die stationäre Pflege zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung erbringen dürfen, zu begrenzen und vor allem stationäre Behinderteneinrichtungen, die typischerweise auch von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern bzw. Heilerzieherinnen und Heilerziehern geleitet werden, wegen der damit nach Einschätzung des Gesetzgebers eintretenden finanziellen Überforderung der sozialen Pflegeversicherung auszuschließen. Da voll- und teilstationäre Einrichtungen – und damit auch Tageseinrichtungen – , bei denen die Betreuung behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung steht, kraft gesetzlicher Fiktion gemäß § 71 Abs. 4 SGB XI keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI sind, ist es aus Sicht des Gesetzgebers nur konsequent, dass die zuvor näher dargelegte Sonderregelung des § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI131 nur für den ambulanten Bereich gilt und als verantwortliche Pflegefachkräfte in stationären Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI – und folglich auch in teilstationären Einrichtungen der Tagespflege im Sinne des § 41 SGB XI – ausschließlich die in § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB XI genannten Berufsgruppen, nicht aber Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger in Betracht kommen. Auch auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass sich voll- oder teilstationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen pflegebedürftige Menschen mit Behinderung überwiegend von pädagogisch ausgebildeten Fachkräften, insbesondere von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern betreut werden, nicht als stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI zur Pflege zulassen können. 130 Vgl. Plantholz/Pöld-Krämer, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, § 71 Rn. 17 131 Zur ausnahmsweisen Anerkennung von Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern als verantwortliche Pflegefachkräfte gemäß § 71 Abs. 3 Satz 2 SGB XI vgl. eingehend oben zu Gliederungspunkt 4.3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 30 5. Literaturverzeichnis Hauck, Karl/Noftz, Wolfgang (Hrsg.), Sozialgesetzbuch, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, Kommentar, Loseblattwerk, Stand: 35. Lieferung, 2010, Erich Schmidt Verlag, Berlin Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, herausgegeben von Stephan Leitherer, Loseblattwerk , Stand: 67. Ergänzungslieferung, 1. Oktober 2010, Verlag C. H. Beck, München Lehr- und Praxiskommentar, Sozialgesetzbuch XI – Soziale Pflegeversicherung, herausgegeben von Thomas Klie und Utz Krahmer, 3. Auflage 2009, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Schulin, Bertram (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 4: Pflegeversicherungsrecht , 1997, Verlag C. H. Beck, München Udsching, Peter/Schütze, Bernd/Behrend, Nicola/Bassen, Andreas, SGB XI – Soziale Pflegeversicherung , Kommentar, 3. Auflage 2010, Verlag C. H. Beck, München 6. Anlagenverzeichnis Text der §§ 36, 41 bis 43 a, 71 und 72 SGB XI in ihrer derzeit gültigen Fassung, abrufbar im Internet über: http://www.juris.de – Anlage 1 – Text der §§ 53 bis 56 und 61 SGB XII in ihrer derzeit gültigen Fassung, abrufbar im Internet über: http://www.juris.de – Anlage 2 – Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-050/11 Seite 31