© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 049/20 Zur infektionshygienischen Überwachung von Pflegeheimen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 2 Zur infektionshygienischen Überwachung von Pflegeheimen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 049/20 Abschluss der Arbeit: 18. Juni 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Infektionshygienische Überwachung durch die Gesundheitsämter 4 3. Infektionshygienische Vorschriften nach SGB XI 5 4. Heimaufsicht nach den Heimgesetzen der Länder 6 4.1. Bayern 6 4.2. Berlin 7 4.3. Sachsen 8 4.4. Thüringen 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 4 1. Einleitung Ende März dieses Jahres erschienen zahlreiche Presseartikel, die auf die „desolate Lage“ in Pflegeheimen seit Ausbruch der Corona-Pandemie hinwiesen. Die Krankheit, die für ältere und kranke Menschen besonders gefährlich ist, hatte bereits zu zahlreichen Todesfällen geführt. Beklagt wurden ein Mangel an Pflegepersonal, strukturelle Defizite und ein Mangel an Schutzausrüstung .1 So hatten Hochrechnungen von Forschern der Universität Bremen ergeben, dass in Deutschland 60 Prozent aller an COVID-19 Verstorbenen Menschen waren, die in Pflegeheimen betreut wurden. Danach sei die Sterblichkeit unter Pflegebedürftigen mehr als 50mal so hoch wie in der übrigen Bevölkerung.2 Die Erkrankungen und Todesfälle führten bald zu entsprechenden Maßnahmen der zuständigen Behörden. Im Folgenden wird kurz dargestellt, wie die Strukturen für Qualitätsprüfungen in stationären Einrichtungen aufgebaut sind und mit welchen Änderungen die jeweilige Heimaufsicht auf die SARS-CoV-2-Gefahr reagierte. In den einzelnen Kapiteln sind nach einer kurzen sachlichen Einführung die wichtigsten aktuellen Literaturhinweise zusammengestellt . 2. Infektionshygienische Überwachung durch die Gesundheitsämter Gesetzliche Grundlage für die infektionshygienische Überwachung von Einrichtungen, Unternehmen und Personen ist § 36 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).3 Danach müssen voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festlegen . Flankierend sind die örtlichen Gesundheitsämter zur infektionshygienischen Überwachung dieser Einrichtungen verpflichtet. Da dies eine Präventivmaßnahme ist, können Überprüfungen auch ohne konkreten Anlass erfolgen, wobei Umfang und Häufigkeit der Kontrollen im pflichtgemäßen 1 Zum Beispiel Exner, Ulrich, und Frederik Schindler, Die desolate Lage der Pflegeheime, Die Welt, 30. März 2020 2 Studie der Universität Bremen: Corona-Sterblichkeit unter Pflegebedürftigen besonders hoch, in: Zeit-online vom 11. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-06/pflege-covid-19- todesfaelle-gesundheitswesen-pflegeeinrichtungen. Die Pressemitteilung zur Studie ist abrufbar unter: https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht /ambulante-versorgung-pflegebeduerftiger-in-corona-krise-destabilisiert?no_cache=1 Sterbezahlen aus Pflegeheimen werden beim Statistischen Bundesamt nicht erfasst. Das Robert Koch-Institut liefert in seinem täglichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nur Sterbezahlen nach § 36 IfSG in Pflegeheimen , Obdachlosenunterkünften, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylsuchenden, sonstigen Massenunterkünften und Justizvollzugsanstalten gemeinsam. Aktuelle Ausgabe vom 14. Juni 2020 abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-06- 16-de.pdf?__blob=publicationFile. 3 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) vom 20. Juli 2000 (BGBl I, 1045), zuletzt geändert durch Art. 1 und 2 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl I, 1018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 5 Ermessen der Gesundheitsämter stehen.4 Die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Rahmen der Überwachungstätigkeit sind in § 15a IfSG geregelt. 3. Infektionshygienische Vorschriften nach SGB XI Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)5 bietet die bundesgesetzliche Grundlage für die Versorgung Pflegeversicherter in stationären Einrichtungen. In § 114 SGB XI werden Regularien für Qualitätsprüfungen entwickelt. Danach sind sowohl Regelprüfungen als auch Anlassprüfungen durchzuführen. Nach § 114 Abs. 2 Satz 1 SBG XI haben die Landesverbände der Pflegekassen in zugelassenen Einrichtungen mindestens einmal pro Jahr Regelprüfungen durch den Medizinischen Dienst, den Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. oder durch von ihnen bestellte Sachverständige zu veranlassen. Die Regelprüfung bezieht sich auf alle Aspekte der Qualität von Pflegeleistungen, darunter auch die Frage, ob die Versorgung der Pflegebedürftigen den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention nach § 23 Abs. 1 IfSG entspricht (§ 114 Abs. 2 Satz 11 SGB XI). Auch bei Anlassprüfungen geht der Prüfauftrag in der Regel über den jeweiligen Prüfanlass hinaus und umfasst eine vollständige Prüfung (§ 114 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Bundesgesetzgeber das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz beschlossen,6 das am 28. März 2020 in Kraft getreten ist. Damit wurde das SGB XI um einen Dritten Abschnitt „Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung während der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Pandemie ergänzt. Dieser enthält einen neuen § 151, der zeitlich begrenzt die Regelprüfungen nach § 114 SGB XI aussetzt: „Abweichend von § 114 Absatz 2 Satz 1 und 2 finden bis einschließlich 30. September 2020 keine Regelprüfungen statt.“ Anlassprüfungen sind von dieser Ausnahmeregelung nicht betroffen. Der Gesetzgeber hat die neue Regelung damit begründet, dass die Qualitätsprüfungen nach § 114 SGB XI aufgrund des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 eine zusätzliche Infektionsquelle für Pflegebedürftige, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen sowie die Prüferinnen und Prüfer mit sich brächten. Zudem bänden die Prüfungen das Pflegepersonal, das in der aktuellen Belastungssituation für die unmittelbare pflegerische Versorgung benötigt werde. Durch die Aussetzung der Qualitätsprüfungen sei mit vorübergehend freiwerdenden Personalkapazitäten der Medizinischen Dienste zu rechnen, die ihre Bereitschaft erklärt hätten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit me- 4 Gerhard, Jens, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2020, § 36, Rn. 11 f. 5 Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung vom 26. Mai 1994 (BGBl. I 1014 f., zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I, 1018). 6 Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) vom 27. März 2020, BGBl. I 580. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 6 dizinischer oder pflegerischer Qualifikation ohne Kosten- oder Auswendungsersatz an Pflegeeinrichtungen , Krankenhäuser oder Gesundheitsämter abzustellen. 7 Die Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben zur Qualitätsprüfung soll in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen auf landes- und kommunaler Ebene erfolgen. Das SGB XI hält dazu in §§ 115 und 117 Regelungen bereit. Für den Infektionsschutz selbst haben die Länder keine Gesetzgebungskompetenz, diese fällt in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG). Der Bund hat seine Kompetenz mit dem Erlass des Infektionsschutzgesetzes wahrgenommen. Was die konkreten Standards der Hygiene angeht, verweist das Infektionsschutzgesetz auf die Kompetenz des Robert Koch-Instituts (RKI). Nach dessen Empfehlungen haben sich die Länder bei der Einhaltung von Hygienestandards zum Infektionsschutz zu richten. Nach dem Ausbruch der Corona- Pandemie hat das RKI aktuelle Empfehlungen für Alten- und Pflegeheime herausgegeben.8 4. Heimaufsicht nach den Heimgesetzen der Länder Seit der Föderalismusreform 2006 ist die Heimaufsicht ausschließlich Angelegenheit der Länder, die inzwischen alle eigene Heimgesetze – die Wohn- und Teilhabegesetze - erlassen haben.9 Auftragsgemäß soll hier beispielhaft auf die entsprechenden Vorschriften in Bayern, Berlin, Sachsen und Thüringen eingegangen werden: 4.1. Bayern Maßgebliche Rechtsgrundlage in Bayern ist das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG).10 Die einschlägige Vorschrift zu den Qualitätsanforderungen an den Betrieb von Pflegeheimen findet sich in Art. 3 PfleWoqG. Danach haben der Träger und die Leiter einer stationären Einrichtung unter anderem sicherzustellen, dass ein ausreichender und dem Konzept der stationären 7 Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz), Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. März 2020, BT-Drs 19/18112, S. 42. 8 Prävention und Management von COVID-19 in Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen und für den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 20. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Alten_Pflegeeinrichtung_Empfehlung.pdf?__blob=publicationFile. Detaillierte Darstellungen der Corona-bedingten Änderungen für Einrichtungen der Altenhilfe im SGB XI aufgrund des COVID 19- Krankenhausentlastungsgesetzes bei: Dickmann, Frank, Heimrecht, in: Covid-19. Rechtsfragen zur Corona-Krise, hg. von Hubert Schmidt, München 2020, S. 158-163 sowie Bockholdt, Frank, Anne Barbara Lungstras und Sylvia Schmidt, Sonderreglungen im Bereich der Gesundheitsversorgung und der Pflege durch das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz (COVKHEntlG), in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2020, S. 324-332. 9 Eine Übersicht über die aktuellen heimrechtlichen Regelungen bietet: Dickmann, Frank, Heimrecht, in: Covid-19. Rechtsfragen zur Corona-Krise, hg. von Hubert Schmidt, München 2020, S. 137-152. 10 Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (Pflege- und Wohnqualitätsgesetz – PfleWoqG) vom 8. Juli 2008 (GVBl, S. 346), zuletzt geändert durch § 1 Abs. 174 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 7 Einrichtung angepasster Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleistet wird und von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden (Art. 1 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG). Die zuständigen Behörden überwachen die stationären Einrichtungen durch wiederkehrende oder anlassbezogene Prüfungen (Art. 11 Abs. 1 PfleWoqG), die einmal im Jahr stattzufinden haben. Dieser Zeitraum kann auf bis zu drei Jahre ausgedehnt werden, wenn Überprüfungen durch andere Stellen stattgefunden haben11. Die für die Heimaufsicht zuständigen Behörden sind in Bayern die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA), die bei den Landratsämtern und kreisfreien Städten angesiedelt sind. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat die FQAen in einem unveröffentlichten Erlass angewiesen, die Regelprüfungen bis auf Weiteres auszusetzen. Anlassbezogene Begehungen wegen gravierender Missstände sind davon nicht umfasst. Die FQAen sind gehalten, „den Einzelfall anhand der Schwere eines gemeldeten Missstandes abzuwägen und eine Begehung nur nach Abschätzung der damit im jeweils konkreten Einzelfall verbundenen Risiken für die Beschäftigten der FQAen und für die Einrichtungen unter Zuhilfenahme einer geeigneten persönlichen Schutzausrüstung durchzuführen“.12 Detaillierte Anweisungen für das Verhalten bei Infektionsgefahr durch SARS-CoV-2 bieten der „Notfallplan Corona-Pandemie - Regelungen für Pflegeeinrichtungen“13 sowie die „SARS-CoV-2- Infektionsschutz - Handlungsanweisungen für Alten- und Pflegeheime und stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe (gemeinschaftliches Wohnen)“.14 4.2. Berlin Rechtsgrundlage in Berlin ist das Wohnteilhabegesetz (WTG).15 Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 WTG haben die verantwortlichen Leitungskräfte – also Träger und Leitung der Einrichtung – sicherzustellen, dass ein ausreichender Schutz vor Infektionen gewährleistet ist und die Hygieneanforderungen eingehalten werden. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach § 17 Abs. 1 11 Vgl. die genauen Regelungen in Art. 11, Abs. 4 Nr. 1-3. 12 Schriftliche Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16. Juni 2020 auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste. 13 Notfallplan Corona-Pandemie - Regelungen für Pflegeeinrichtungen. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 22. Mai 2020, Az. G7VZ-G8000-2020/122-27, geändert durch Bekanntmachung vom 10. Juni 2020, Az. G7VZ-G8000-2020/122-361, abrufbar unter: https://www.stmgp.bayern .de/wp-content/uploads/2020/06/2020_06_15_konsolidierte_lesefassung_av_pflegeeinrichtungen.pdf. 14 SARS-CoV-2-Infektionsschutz - Handlungsanweisungen für Alten- und Pflegeheime und stationäre Einrichtungen (gemeinschaftliches Wohnen), hg. vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Stand 2. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2020/06/2020_06_02_merkblatt _alten-und-pflegeheime.pdf. 15 Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen (Wohnteilhabegesetz – WTG) vom 3. Juni 2010 (GVBl. S. 285), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 25. September 2019 (GVBl. S. 602). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 8 Satz 1 WTG Regelprüfungen oder anlassbezogene Prüfungen durchzuführen – bei vollstationären Einrichtungen höchstens einmal im Jahr, bei teilstationären Einrichtungen, stationären Hospizen und vollstationären Einrichtungen für ältere Menschen alle drei Jahre, es sei denn, es hätten Prüfungen durch andere Stellen stattgefunden. Die zuständige Behörde in Berlin ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). In Reaktion auf die Corona-Pandemie hat das Landesamt mit Erlass vom 9. April 2020 verfügt, dass bis auf Weiteres von Regelprüfungen abgesehen wird, um dringend benötigte personelle Kapazitäten in den Einrichtungen nicht mit Regelprüfungen zu binden und die Gefahr einer eventuellen Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in den Einrichtungen zu verringern. Stattdessen könnten die Ressourcen der Heimaufsicht verstärkt für Aufgaben genutzt werden, die mit dem Virus im Zusammenhang stehen. Davon unberührt ist die Durchführung anlassbezogener Prüfungen. Der Erlass weist außerdem hin auf die bestehende Anzeigepflicht bei „besonderen Vorkommnissen, die weitreichende Folgen für die Bewohnerinnen und Bewohner oder für die stationäre Einrichtung haben können“ (§ 13 Abs. 2 Nr. 4) und betont, dass darunter insbesondere solche Fälle zu verstehen seien, die nach dem Infektionsschutzgesetz dem bezirklichen Gesundheitsamt zu melden sind, darunter auch SARS-CoV-2-Virus-Infektions- und Verdachtsfälle.16 4.3. Sachsen Rechtsgrundlage in Sachsen ist das Sächsische Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz (SächsBeWoG).17 Ähnlich wie in Bayern bestimmt hier § 3 Abs. 2 Nr. 10 zu den Qualitätsanforderungen an den Betrieb von Pflegeheimen: „Der Träger und die Leitung einer stationären Einrichtung haben sicherzustellen, (…) dass ein ausreichender und dem Konzept der stationären Einrichtung angepasster Schutz der Bewohner vor Infektionen gewährleistet wird und von den Beschäftigten die Anforderungen der Hygiene für ihren Aufgabenbereich eingehalten werden.“ Auch in Sachsen sind die zuständigen Behörden zu regelmäßigen Überprüfungen verpflichtet. So bestimmt § 9 Abs. 4 SächsBeWoG, dass diese Prüfungen mindestens einmal im Jahr stattzufinden haben. Dieser Zeitraum kann auch hier erweitert werden, wenn Überprüfungen durch andere Stellen stattgefunden haben. Dabei bestimmt das Gesetz ausdrücklich, dass die nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden anlassbezogen mit einzubeziehen sind. 16 Vgl. Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Sicherstellung der Leistungserbringung und Versorgung in Pflegeeinrichtungen vor dem Hintergrund des Ausbruchs des Corona-Virus: Festlegung Nr. 2 zur Umsetzung des Berliner Wohnteilhabegesetzes (WTG), unter dem Stichwort „Umsetzung des WTG vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie“ abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/pflege/pflege-und-rehabilitation /coronavirus/pflegeeinrichtungen-und-pflegedienste/. 17 Gesetz zur Regelung der Betreuungs- und Wohnqualität im Alter, bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Freistaat Sachsen (Sächsisches Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz - SächsBeWoG) vom 12. Juli 2012 (Sächs- GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 6. Juni 2019 (SächsGVBl. S. 466). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 9 Zuständige Behörde für die Heimaufsicht ist nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SächsBeWoG der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV). Dieser hat verfügt, dass auch in Sachsen bis auf Weiteres keine Regelprüfungen in stationären und ambulanten Einrichtungen durchgeführt werden. Diese COVID-19-bedingte Ausnahmeregelung gilt nicht für anlassbezogene Prüfungen.18 Zu den Hygieneregeln hat das Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 4. Juni 2020 eine Allgemeinverfügung „Vollzug des Infektionsschutzgesetzes - Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie - Anordnung von Hygieneauflagen zur Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus“ erlassen. Diese enthält unter Ziffer 9 „Hygieneregeln für Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens“.19 4.4. Thüringen In Thüringen bildet das Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz (ThürWTG)20 die gesetzliche Grundlage für den Betrieb von Pflegeheimen. Hier bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 7, dass eine stationäre Einrichtung nur betrieben werden darf, wenn der Träger und die Leitung einen ausreichenden Schutz der Bewohner vor Infektionen gewährleisten und in Hygieneplänen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Sicherstellung der erforderlichen Infektionshygiene festlegen. Die zuständige Behörde hat zu überprüfen, ob die stationären Einrichtungen die gesetzlichen Anforderungen für ihren Betrieb erfüllen (§ 15 ThürWTG). Überprüfungen finden wiederkehrend einmal im Jahr als Regelprüfung oder auch als Anlassprüfung statt. Der Abstand der Regelprüfungen kann auf bis zu drei Jahre vergrößert werden, wenn eine Einrichtung zwischenzeitlich vom Medizinischen Dienst, vom Prüfdienst des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, von einem von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellten Sachverständigen oder vom zuständigen Träger der Sozialhilfe geprüft worden ist (§ 15 Abs. 2 ThürWTG). Auch die Thüringer Landesregierung hat beschlossen, die Durchführung von Regelprüfungen durch die Heimaufsicht nach § 15 ThürWTG vorübergehend auszusetzen. Die nach § 26 Abs. 1 ThürWTG für die Heimaufsicht zuständige Behörde, das Landesverwaltungsamt des Freistaats Thüringen, hat auf Weisung der Landesregierung hin in einem Rundschreiben vom 23. März 2020 angeordnet, dass „zur Herabsetzung des allgemeinen Infektionsrisikos und zur Entlastung der Pflegeeinrichtungen und der Pflegekräfte“ ab sofort bis zum 30. September 2020 die Regelprüfungen in stationären Einrichtungen ausgesetzt werden. Diese Regelung gilt nicht für 18 Siehe Kommunaler Sozialverband Sachsen, Häufig gestellte Fragen der Corona-Pandemie – Fachdienst Heimaufsicht , abrufbar unter: https://www.ksv-sachsen.de/component/content/article/465-startseite/606-faq-ha 19 abrufbar unter: https://www.coronavirus.sachsen.de/download/SMS-Allgemeinverfuegung-Hygieneauflagen- 2020-06-04.pdf 20 Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe (Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz – ThürWTG) vom 10. Juni 2014 (GVBl. S. 161), zuletzt geändert durch Art. 32 des Gesetzes vom 6. Juni 2018 (GVBl. S. 229, 268). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 049/20 Seite 10 Anlassprüfungen.21 Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat den stationären Pflegeeinrichtungen „Handlungsanweisungen zur Fortentwicklung und Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen und Hygienevorschriften zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2“ zur Verfügung gestellt.22 Darüber hinaus gibt es speziell zum Schutz vulnerabler Gruppen detaillierte Handlungsanweisungen.23 *** 21 Freistaat Thüringen, Landesverwaltungsamt, Rundschreiben „Durchführung Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz – ThürWTG – Aussetzung der Prüfungen nach § 15 ThürWTG durch die Heimaufsicht“ vom 23. März 2020, abrufbar unter: https://www.thueringen.de/mam/th3/tlvwa/630/2020_03_23_rundschreiben_aussetzung _der_prufungen_nach_ss15_thurwtg_durch_die_heimaufsicht.pdf. 22 Handlungsanweisungen zur Fortentwicklung und Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen und Hygienevorschriften zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2, Regelung für stationäre Pflegeeinrichtungen sowie besondere Wohnformen für Menschen mit Behinderung, hg. vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Freistaates Thüringen, Stand: 13. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.tmasgff.de/fileadmin/user_upload/Gesundheit/Dateien/COVID-19/Regelung_stat._Pflege.pdf. 23 Handlungsempfehlungen zum Schutz vulnerabler Gruppen in Einrichtungen der Pflege nach dem SGB XI und Leistungsangeboten der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX aus Anlass der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2/COVID-19, hg. vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Freistaates Thüringen, Stand: 13. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.tmasgff.de/fileadmin/user_upload/Gesundheit /Dateien/COVID-19/Pflege/Handlungsempfehlungen_Pflege_Eingliederungshilfe_Stand_13.05.2020.pdf.