© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 048/21 Einzelfragen zur Entwicklung und Herstellung von Medikamenten Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 2 Einzelfragen zur Entwicklung und Herstellung von Medikamenten Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 048/21 Abschluss der Arbeit: 14. Mai 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Forschung und Entwicklung von neuen Medikamenten im Bundeshaushalt 4 2. Kooperationen zwischen Universitäten, Krankenhäusern und pharmazeutischen Firmen bei der Grundlagen- und der klinischen Forschung 5 3. Klinische Prüfungen 6 4. Preisregelung für Medikamente 8 5. Unterstützung von Start-Ups 9 6. Wiederansiedlung von Herstellerfirmen für Medikamente im Inland Fehler! Textmarke nicht definiert. 7. (Internationale) Kooperationen bei der Herstellung von Medikamenten 9 8. Anteil der im Inland produzierten Medikamente am Vertrieb in Deutschland 10 9. Maßnahmen zur Eindämmung von Lieferengpässen einschließlich aktueller Daten 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 4 1. Forschung und Entwicklung von neuen Medikamenten im Bundeshaushalt Die Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung ohne Fachbezug haben sich in den Jahren von 2005 bis 2018 von 9 Mrd. Euro auf 17.3 Mrd. Euro erhöht, was einem Zuwachs von etwa 92 Prozent entspricht.1 Im Zeitraum 2018 bis 2020 haben sich die Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung wie folgt entwickelt2: 2018: 17.250,0 Mio. Euro 2019: 19.601,2 Mio. Euro 2020: 20.301,1 Mio. Euro Die Förderung für den Bereich der Gesundheitsforschung und –ökonomie, den Hauptförderungsbereich , betrug in diesen Jahren: 2018: 2.519,5 Mio. Euro (14,6 Prozent der Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung ) 2019: 2.687,8 Mio. Euro (13,7 Prozent der Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung ) 2020: 2.850,1 Mio. Euro (14,0 Prozent der Bundesausgaben für Forschung und Entwicklung ) Dabei wird der Anteil der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung an den öffentlichen Ausgaben nicht gesondert aufgeschlüsselt. Die Angaben für 2020 sind noch nicht abschließend und sind aufgrund der zusätzlichen Ausgaben im Zuge der Pandemie nicht mit den Vorjahren vergleichbar. Bei der Interpretation der Daten ist zu berücksichtigen: Welche Forschungsbereiche der Gesundheitsforschung zugeordnet werden und welche Gesundheitsbereiche daneben erfasst werden, ist nicht eindeutig definiert und bleibt der Einordnung des jeweiligen Projektes und der Fördermaßnahme vorbehalten. Im Übrigen existiert innerhalb der EU keine einheitliche Zuordnung; ein Ländervergleich ist daher nicht möglich. 1 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bildung und Forschung in Zahlen 2020, S. 14, abrufbar unter: https://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/research.html. Dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 12. Mai 2021. 2 Zahlen abrufbar unter: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Ausgaben des BMBF für Wissenschaft , Forschung und Entwicklung nach Förderbereichen und Förderschwerpunkten, Stand: 7. Mai 2021, abrufbar unter: https://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/Tabelle-1.1.6.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 5 Das Rahmenprogramm Gesundheitsforschung definiert die strategische Ausrichtung der medizinischen Forschung.3 Es wird im Einzelnen umgesetzt durch besondere Programme und Aktionspläne . Im Hinblick auf die Pandemie wurde im Mai 2020 ein zusätzliches Aktivierungsprogramm der Bundesregierung angekündigt. Dieses Forschungsprogramm umfasst insgesamt 10 Mrd. Euro, wobei ein zentrales Element die Förderung der Pharmaforschung und Medizintechnologie ist. 2. Kooperationen zwischen Universitäten, Krankenhäusern und Pharmaunternehmen bei der Grundlagen- und der klinischen Forschung Der Grundlagenforschung kommt in der deutschen Forschungslandschaft eine wichtige Rolle als Basis für Innovationen zu. Allerdings ist die pharmazeutische Forschung sehr kostenintensiv. Dies gilt insbesondere dann, wenn die entwickelten Wirkstoffe in (prä-)klinischen Studien im Hinblick auf ihre Marktzulassung untersucht werden.4 Während Forschungseinrichtungen vielfach innovative Forschungsansätze verfolgen, verfügen Pharmaunternehmen über die notwendigen finanziellen Mittel, um Studien für eine Marktzulassung zu finanzieren Ausgangspunkt für eine enge Kooperation zwischen Industrie und Wissenschaft. Kooperationen finden beispielsweise in den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung statt. Ziel der insgesamt sechs Zentren (darunter u. a. das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung) ist es, den Translationsprozess zu optimieren, also die Grundlagenforschung in klinische Studien umzusetzen.5 Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen vfa. betont, dass sich die gestiegene Bedeutung eines intensiven Austauschs besonders anhand der Entwicklung der Forschungsaufwendungen der Pharmaunternehmen zeige. Die Aufwendungen für die Entwicklung neuer Medikamente seien im Jahr 2019 um sechs Prozent gestiegen. Die Pharmaindustrie sei im Übrigen die forschungsintensivste Industrie Deutschlands. Jährlich würden rund 7,8 Milliarden Euro für Forschung ausgegeben.6 Dies gelte, so der vfa. in besonderer Weise auch für die Kooperation mit der 3 Für weitere Details siehe: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung, abrufbar unter: https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Rahmenprogramm_Gesundheitsforschung .pdf. 4 Zu den Kosten von Klinischen Studien: vfa., So entsteht ein neues Medikament, Beitrag vom 7. Februar 2018, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/so-entsteht-einmedikament .html. 5 Informationen zu den Zentren unter: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung , abrufbar unter: https://www.bmbf.de/de/deutsche-zentren-der-gesundheitsforschung- 394.html. 6 vfa., Wirksame Therapien dank enger Zusammenarbeit, Beitrag vom 21. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/wirtschaft/zusammenarbeit-wissenschaft-und-industrie; siehe auch für Informationen des vfa in englischer Sprache: https://www.vfa.de/de/englische-inhalte. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 6 Grundlagenforschung. Beispielhaft wird die wissenschaftliche Erkenntnis über Humane Papillomviren als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs und anderen Krebsarten genannt, die die Grundlage für die Impfstoffentwicklung durch Pharmafirmen dargestellt hätte.7 Die Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie erstrecken sich auch auf den universitären Bereich. (Pharma-)Unternehmen stellen Drittmittel bereit, die eine wichtige Rolle in den Finanzierungshaushalten der Universitäten einnehmen. 8 Aus diesen Drittmitteln werden beispielsweise (befristete) Stiftungsprofessuren finanziert.9 Wirtschaft und Wissenschaft stehen zudem mehr und mehr im Dialog. So wurde 2013 das „House of Pharma“ ins Leben gerufen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Akteuren der Gesundheits- und Pharmabranche in Deutschland zu fördern.10 Ziel ist insbesondere die Gründung eines Fraunhofer Instituts für anwendungsorientierte Arzneimittelforschung. Unterstützt wird auch die Ausbildung von Doktoranden in Graduiertenschulen 11 3. Klinische Prüfungen Der Begriff der klinischen Prüfung ist in § 4 Absatz 23 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG)12 legal definiert. Eine klinische Prüfung ist danach jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. Die rechtlichen Voraussetzungen und 7 vfa., Wirksame Therapien dank enger Zusammenarbeit, Beitrag vom 21. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/wirtschaft/zusammenarbeit-wissenschaft-und-industrie. 8 Zahlen zu den Drittmitteln an deutschen Universitäten siehe bei: Statistisches Bundesamt, Pressmitteilung Nummer 371 vom 24. September 2020, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen /2020/09/PD20_371_213.html; zu der Entwicklung der Drittmittelfinanzierung aus der Wissenschaft: Wissenschaftsrat , Anwendungsorientierung in der Forschung. Positionspapier, Drucksache 8289-20, 2020, S. 53 ff., abrufbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/download/2020/8289-20.html. 9 Zu den Stiftungsprofessuren: Servicezentrum Stiftungsprofessuren, Eine Brücke zwischen Wirtschaft und Wissenschaft , abrufbar unter: https://stiftungsprofessuren.de/. 10 Goethe Business School, Partnerschaften. House of Pharma & Healthcare, abrufbar unter: https://www.goethebusiness -school.de/masterprogramme/master-of-pharma-business-administration/partnerschaften/. 11 House of Pharma, Inhaltliche Schwerpunkte, abrufbar unter: https://www.houseofpharma.de/ueber-uns/schwerpunkte /. 12 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 7 Rahmenbedingungen sind in §§ 40 ff. AMG geregelt.13 Daneben bestehen internationale Regelungen , wie bspw. die Deklaration von Helsinki, welche die rechtlichen und ethischen Anforderungen an die klinischen Prüfungen definieren.14 Drei Phasen sind bis zur Zulassung des Wirkstoffes zu unterscheiden15: In der ersten Phase werden die neuen Wirkstoffe erstmals an Menschen, zumeist an gesunden, freiwilligen Probanden, auf deren Wirksamkeit und Sicherheit überprüft. Ziel ist es festzustellen, ob der Wirkstoff grundsätzlich für den Einsatz am Menschen geeignet ist. Die Untersuchung erfolgt in der Regel in kleinen Stichproben mit meist weniger als 100 Menschen. In der zweiten Phase wird der neue Wirkstoff erstmals bei Patienten eingesetzt, die an der zu behandelnden Krankheit leiden. Die Stichprobengröße ist hierbei in der Regel mit 50 bis 500 Patienten größer als in der ersten Prüfungsphase. In einem Vergleich mit dem Einsatz eines Placebo oder herkömmlichen Medikaments wird die optimale Dosierung des Wirkstoffs gesucht. Daneben wird überprüft, ob etwaig auftretende Nebenwirkungen, im Hinblick auf den Nutzen des Wirkstoffes , vertretbar sind. Die größten Studien finden im Rahmen der dritten Phase statt. Hier wird in einer Erprobung an mehreren 100 bis mehreren 1000 Probanden untersucht, ob die Ergebnisse aus der zweiten Prüfungsphase auf eine größere Stichprobe übertragbar sind. Dabei wird insbesondere auch das Auftreten von Nebenwirkungen in den Blick genommen. Im Anschluss an den erfolgreichen Durchlauf der drei Phasen kann eine Zulassung des neuen Wirkstoffs beantragt werden. Weitere Prüfungen finden nach der Zulassung des Wirkstoffs in einer vierten Phase statt. Dies bietet die Möglichkeit, bei Patienten mit bestimmten Eigenschaften nochmals Untersuchungen durchzuführen. Aufgrund des größeren Einsatzgebiets sind dann auch präzisere Angaben zu Nebenwirkungen möglich.16 13 Die Regelungen sind die Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG über die Anwendung der guten klinischen Praxis : Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes , Bundestag-Drucksache 15/2109, vom 1. Dezember 2003, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/extrakt /ba/WP15/958/95844.html. 14 Übersicht über die rechtlichen Grundlagen siehe bei: Sudhop, Thomas, Einführung in Planung und Durchführung Klinischer Prüfungen, Präsentation vom 18. Oktober 2016, Folie 9 ff., abrufbar unter: http://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Termine-und-Veranstaltungen/ringvorlesungen /2016_Winter/Sudhop1810.pdf?__blob=publicationFile&v=2. 15 Übersicht über die unterschiedlichen Phasen und dem sich anschließenden Zulassungsverfahren: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Arzneimittelentwicklung, Wie ein Arzneimittel entsteht, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Buerger/Arzneimittel/Arzneimittelentwicklung/_node.html. 16 Weitere Informationen zu den unterschiedlichen Prüfungsphasen und Vorgehensweisen: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Wie funktionieren klinische Studien?, abrufbar unter: https://www.gesundheitsforschung -bmbf.de/de/wie-funktionieren-klinische-studien-6877.php. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 8 Nach Angaben des vfa. hat Deutschland im Jahr 2019 weltweit den 5. Rang bei klinischen Arzneimittelstudien von Pharmaunternehmen erreicht. Deutschland sei 2019 an 550 industrieindizierten klinischen Arzneimittelstudien beteiligt gewesen.17 4. Preisregelung für Medikamente In Deutschland wird (neben der Unterscheidung zwischen apothekenpflichtigen und sonstigen Medikamenten) zwischen rezeptpflichtigen und rezeptfreien Medikamenten unterschieden. Die Preisbildung für rezeptpflichtige Medikamente wird in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV)18 geregelt. Diese sieht vor, dass Pharmaunternehmen zunächst die Preise für die Medikamente grundsätzlich frei festlegen können.19 Gesetzlich gebunden sind allerdings die Aufschläge , die der Großhandel und Apotheken auf die jeweiligen verschreibungspflichtigen Medikamente erheben dürfen.20 Bei nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten können Apotheken die Preise eigenverantwortlich kalkulieren.21 17 vfa., Deutschland: Weltweite Nr. 5 bei klinischen Studien der Industrie, Beitrag vom 17. März 2021, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/forschungsstandort-deutschland/klinische-studiendeutschland .html. 18 Arzneimittelpreisverordnung vom 14. November 1980 (BGBl. I S. 2147), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2870). 19 Vgl. zu der Preisentwicklung von Medikamenten durch Pharmaunternehmen: Bundesministerium für Gesundheit , Wie Arzneimittelpreise entstehen und wie man sie senken kann, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/arzneimittelpreise.html; hierzu in englischer Sprache: Wenzl, Martin/Paris, Valérie, Pharmaceutical Reimbursement and Pricing in Germany, 2018, S. 5 ff., abrufbar unter: https://www.oecd.org/health/health-systems/Pharmaceutical-Reimbursement-and-Pricing-in-Germany.pdf. 20 Einschlägig sind hierbei insbesondere § 2 AMPreisV für Großhandelszuschläge und § 3 AMPreisV für Apothekenzuschläge . Übersicht unter Einbeziehung der Frage der Warenverkehrsfreiheit in Europa: Melck, Brendan, Germany’s fixed pricing for medicines faces European reckoning, Beitrag vom 4. November 2019, abrufbar unter : https://ihsmarkit.com/research-analysis/germanys-fixed-pricing-for-medicines-faces-european-reckoning .html. 21 Ausnahmen bestehen nach § 24a II SGB V bei verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres. Diese müssen ab dem 22. Lebensjahr – trotz Rezeptpflicht – von der Verbraucherin bezahlt werden; Überblick über diese Ausnahmeregelung in englischer Sprache unter: https://www.ec-ec.org/emergency-contraception-in-europe/country-by-country-information-2/germany/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 9 5. Unterstützung von Start-Ups In Deutschland nehmen Start-Up-Unternehmen im Bereich der Gesundheitsindustrie und Medikamentenentwicklung eine wichtige Rolle ein. Hier werden finanzielle wie auch strukturelle Förderungen angeboten.22 Die Förderung beschränkt sich dabei nicht nur auf Kooperationen zwischen großen Pharma- und Start-Up-Unternehmen23, sondern erstreckt sich auch auf staatliche Unterstützungsleistungen.24 So unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie innovative Start-Ups bei der Realisierung neuer Projekte und Produkte mit einer Reihe von Förderinstrumenten .25 6. (Internationale) Kooperationen bei der Herstellung von Medikamenten Insbesondere in den Zeiten der Pandemie ist eine internationale Zusammenarbeit in der pharmazeutischen Branche unerlässlich. Unternehmen pflegen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene einen intensiven Austausch.26 Daneben werden viele klinische Studien im Ausland in Kooperation mit den dort ansässigen Behörden und Krankenhäusern durchgeführt. Üblich ist es, dass die klinischen Studien meist in mehreren Ländern gleichzeitig durchgeführt werden, um die Studien schnell und mit vielfältigen Probanden beenden zu können.27 22 Zu der Rolle von Startups in der Innovationsfähigkeit der deutschen Pharmaindustrie: Mirza, Miriam, Können deutsche Pharmaunternehmen Innovation?, Beitrag vom 8. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.healthrelations .de/2017-pharma-digital-innovation-report/. 23 Beispiele für solche Kooperationen bei: coliquio, Das Beste aus zwei Welten, Beitrag vom 29. Mai 2017, abrufbar unter: https://www.coliquio-insights.de/das-beste-aus-zwei-welten-wie-start-up-kooperationen-innovation-vorantreiben /. 24 Bspw. aus Baden-Württemberg: Gründerland Baden-Württemberg, Beitrag abrufbar unter: https://www.gesundheitsindustrie -bw.de/standort/gruendung; daneben existieren allgemeine Förderprogramme, welche neben einer finanziellen Unterstützung auch Mentoring- und Arbeitsplatzangebote vorsehen, bspw. Informationen zur „Gründerwerkstatt Adlershof“ abrufbar unter: https://www.wista.de/gruenderwerkstatt/. 25 Vgl. die Ausführungen auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/mittelstandsfinanzierung.html. 26 Übersicht über die europäischen Kooperationen abrufbar unter: https://ec.europa.eu/health/international _cooperation/pharmaceuticals_de. 27 Zu der Durchführung von internationalen klinischen Studien und deren Bedeutung für die Branche: vfa., Klinische Studien in Indien, Ägypten, Russland und anderen Schwellenländern, Beitrag vom 17. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/patienten/patienten-klinische-studien/klinische-studien-in-indien-undanderen -schwellenlaendern.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 10 Bei dem Einsatz und der Finanzierung von CAR-T-Zellen-Therapien gab es neue Entwicklungen. Die aufwendige und kostspielige Therapiemethode wird in Deutschland in der Regel an Universitätskliniken durchgeführt.28 Dabei wird in den sogenannten Innovationszentren unter Verwendung eines kommerziellen Präparats ein individueller Impfstoff hergestellt. Daneben kooperieren Pharmaunternehmen und Krankenkassen. Um vermehrt CAR-T-Zellen-Therapien anbieten und durchführen zu können, haben Pharmafirmen und Krankenkassen ein Erstattungsmodell vereinbart . In diesem neuen Finanzierungsmodell führt das Pharmaunternehmen einen Teil der Therapiekosten zurück, wenn innerhalb eines definierten Zeitraums das Überleben des Patienten nicht erreicht werden konnte.29 Aufgrund der hohen Preise und der rasanten Preisentwicklung im Beriech der CAR-T-Zellen- Therapie fordert der Bundesverband der Ersatzkassen, dass die Erforschung und Entwicklung neuer Gen- und komplexer Zelltherapieverfahren eigenständig und industrieunabhängig in den jeweiligen Innovationszentren durchgeführt werden können.30 7. Anteil der im Inland produzierten Medikamente am Vertrieb in Deutschland Laut Informationen des vfa. werden etwa zwei Drittel der in Deutschland produzierten Medikamente exportiert.31 8. Maßnahmen zur Eindämmung von Lieferengpässen einschließlich aktueller Daten Das Thema der Lieferengpässe von Medikamenten wurde und wird in Deutschland seit längerer Zeit diskutiert. Die Corona-Pandemie hat die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Beseitigung der 28 Verband der Universitätsklinika Deutschland, CAR-T-Zelltherapie, abrufbar unter: https://www.uniklinika .de/gesundheitspolitische-themen/car-t-zelltherapie/; hierzu auch: „neue Therapieprinzipien – altes System “, Beitrag aus dem Gerechte Gesundheit Newsletter 45, Februar 2019, abrufbar unter: CAR-T-Zelltherapie gehört in Innovationszentren – Gerechte Gesundheit Magazin (gerechte-gesundheit-magazin.de); zu der Möglichkeit der Vergünstigung des Verfahrens durch neue Forschungsentwicklungen: Produktion von CAT-T-Zellen verbessert, Beitrag der Universität Würzburg vom 18. November 2019, abrufbar unter: Produktion von CAR-T- Zellen verbessert - Universität Würzburg (uni-wuerzburg.de). 29 Ausführlich und kritisch zu dem neuen Finanzierungsmodell vgl.: König, Julia et al., Am individuellen Therapieergebnis orientierte Erstattungsverfahren in der Onkologie: ethische Implikationen am Beispiel der CAR-T- Zelltherapie, in: Ethik der Medizin, 32 (2020), S. 85, abrufbar unter: https://link.springer.com/article /10.1007/s00481-020-00565-3. 30 Verband der Ersatzkassen, Hochpreis-Arzneimittel: Bündnis fordert kontrollierte Einführung in Innovationszentren mit begleitender Qualitätssicherung (Evaluation), gemeinsame Pressemitteilung vom 18. September 2019, abrufbar unter: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2019/pk-car-t-zelltherapie.html. 31 vfa., Die Arzneimittelindustrie in Deutschland, S. 43, abrufbar unter: https://www.vfa.de/digitorials/insights/insights -uebersicht#kapitel.; siehe hierzu insbesondere Fragen 15 bis 17 in: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Bundestag-Drucksache 19/13807 vom 8. Oktober 2019, abrufbar unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/138/1913807.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 11 Engpässe auch noch einmal besonders deutlich gemacht. 32 Zuletzt wurden im Jahr 2020 weitere Regelungen zum Umgang mit Lieferengpässen in das Arzneimittelgesetz eingeführt.33 Bestehende oder zu erwartende Lieferengpässe können aufgrund einer Liste nachvollzogen werden , die von einem Beirat des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erstellt wird.34 Die Meldungen erfolgen aufgrund einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Mitteilung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel.35 Ein Lieferengpass wird in diesem Zusammenhang dann angenommen, wenn voraussichtlich eine über zwei Wochen hinausgehende Auslieferungsunterbrechung zu erwarten ist oder einer antizipierten Bedarfssteigerung nicht im vollen Umfang nachgekommen werden kann. Bei bestehenden Lieferengpässen kann das BfArM als zuständige Behörde in Absprache mit dem Beirat, geeignete Maßnahmen zur Abwendung und Eindämmung von Lieferengpässen erlassen.36 Daneben existiert das Arzneimittelverzeichnis „Gelbe Liste“. Neben Informationen über die Medikamente selbst werden dort Meldungen über aktuelle Lieferengpässe und die Wiederverfügbarkeit von Arzneimitteln und Impfstoffen gesammelt.37 Die Bundesregierung sieht Bedarf, den Auf- und Ausbau der Arzneimittelherstellung in Deutschland zu fördern, um bei der Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie bei der 32 Übersicht zu der Entwicklung von gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung von Lieferengpässen bis 2019: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Vermeidung Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Entwicklung der gesetzlichen Regelungen, WD 9 – 3000 – 084/19, Sachstand vom 22. November 2019, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/684032/5557be2d9381f5d5797f65f94c47ba1a/WD-9-095-19-pdfdata .pdf. 33 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), Bundestag-Drucksache 19/17155, insbesondere S. 9 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw07- de-kassenwettbewerbgesetz-680758; Ziele des Gesetzes zusammengefasst unter: Bundesgesundheitsministerium , Bundesregierung bekämpft Lieferengpässe von Arzneimitteln, Meldung vom 18. November 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2019/lieferengpaesse-arzneimittel .html. 34 Übersicht über die Arbeit des BfArM im Zusammenhang mit Lieferengpässen und Link zu der Liste unter: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Arzneimittelinformationen/Lieferengpaesse /_functions/Filtersuche_Formular.html?queryResultId=null&pageNo=0; gesetzliche Grundlage für die Vorgehensweise ist § 52b AMG. 35 Zu der Frage von Liefer- und Versorgungsengpässen in Deutschland sowie den Entstehungshintergründen: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Bundestag-Drucksache 19/13807 vom 8. Oktober 2019, abrufbar unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/138/1913807.pdf. 36 Solche Regelungen erfolgten im Zuge der Pandemie bspw. auf Grundalge der Medizinischen Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) vom 25. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/medbvsv.html. 37 Die Übersicht über die bestehenden Lieferengpässe der Gelben Liste ist abrufbar unter: https://www.gelbeliste .de/lieferengpaesse. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/21 Seite 12 Produktion von Impfstoffen über größere eigene Kapazitäten und eine damit einhergehende Unabhängigkeit zu verfügen. Bundesgesundheitsminister Spahn hat in diesem Zusammenhang angekündigt , nach internationalen Lösungen zu suchen.38 Mehrere Bundesländer fördern die Wiederansiedlung von Pharmaunternehmen in Deutschland. Zum Teil wird auch hier vorgeschlagen, eine gemeinsame europäische Strategie zu entwickeln.39 Auch Pharmaunternehmen investieren in die deutschen Produktionskapazitäten.40 Dabei werden in der heimischen Prodiktion viele Vorteile gesehen. Allerdings müssten nach dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie die Rahmenbedingungen angepasst werden, um die Produktion und damit die Versorgungssicherheit zu erhöhen. So müssten etwa bestehende Ausschreiberegelungen für Rabattverträge modifiziert werden.41 *** 38 Siehe Zitat einer Äußerung von Bundesgesundheitsminister Spahn aus dem Jahr 2019, abrufbar auf der Internetseite des Bundesministeriums für Gesundheit, unter: Bundesregierung bekämpft Lieferengpässe von Arzneimittel (bundesgesundheitsministerium.de). 39 Siehe hierzu Eick, Felix, u. a., Bundesländer verlangen mehr Medikamente „made in Germany“, in: Die Welt vom 26. Januar 2020, abrufbar unter:: https://www.welt.de/wirtschaft/article205345351/Lieferengpaesse-Bundeslaender -verlangen-mehr-Medikamente-made-in-Germany.html. 40 vfa., Weltweit an der Spitze: Arzneimittel „Made in Germany“, Beitrag vom 27. November 2020, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/pharma-produktion-in-deutschland; Übersicht über den Wert der pharmazeutischen Produktion in Deutschland im Jahresvergleich: Statistisches Bundesamt, Wert der pharmazeutischen Produktion in Deutschland in den Jahren 1995-2019, abrufbar unter: Pharmaproduktion - Produktionswert in Deutschland bis 2019 | Statista. 41 Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., Arzneimittelproduktion im Lichte der Lieferengpässe, Beitrag vom 26. Februar 2020, abrufbar unter: https://www.bpi.de/de/nachrichten/detail/arzneimittelproduktionim -lichte-der-lieferengpaesse; dazu auch: Hüttemann, Daniela, Produktion zurück nach Europa holen, in: Pharmazeutische Zeitung, Beitrag vom 16. März 2020, abrufbar unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/produktion -zurueck-nach-europa-holen/.