© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 048/20 Zu den Pflegesystemen in EU-Ländern Länderspezifische Übersichten, Studien und weitere Publikationen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 2 Zu den Pflegesystemen in EU-Ländern Länderspezifische Übersichten, Studien und weitere Publikationen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 048/20 Abschluss der Arbeit: 18. Juni 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage 4 2. Länderspezifische Übersichten und Berichte 4 3. Studien und weitere Publikationen 5 4. Beiträge zur Armut bei pflegenden Angehörigen und bei Pflegebedürftigkeit 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 4 1. Ausgangslage Angesichts der demographischen Entwicklung gewinnt die Versorgung Pflegebedürftiger europaweit verstärkt an Bedeutung. Auch wenn die europäischen Staaten ganz überwiegend staatliche Pflegeleistungen gewähren, unterscheiden sich diese in ihrer Finanzierung und im Umfang. Eine beitragsfinanzierte, obligatorische Pflegeversicherung, die – wie in Deutschland – das Pflegerisiko , jedenfalls teilweise, absichert, gibt es in den meisten Mitgliedstaaten der EU nicht; wohl aber in Luxemburg, den Niederlanden und in Belgien (in den Regionen Flämische Gemeinschaft und Wallonien). Dagegen erfolgt z. B. in Dänemark, Schweden und Österreich die Finanzierung staatlicher Pflegeleistungen ganz überwiegend aus Steuermitteln. In den meisten Ländern werden Pflegeleistungen im Rahmen der bestehenden Sozialversicherungssysteme (Beiträge) und der Sozialhilfe (Steuermittel) gewährt (z. B. Italien, Frankreich, Ungarn, Slowenien), so dass sich hier Mischformen der Finanzierung entwickelt haben. Die Versorgung an sich ist gerade in den skandinavischen Ländern weitaus umfassender als in den südeuropäischen, vor allem aber südosteuropäischen Ländern. Hier wird die Langzeitpflege oftmals innerhalb von Familien gewährleistet. Freiwillige Pflegeprivatversicherungen spielen – abgesehen von Frankreich – bestenfalls eine Nebenrolle. Eine steuerliche Vergünstigung für die private Absicherung gewährt Frankreich nicht. Die vorliegende Dokumentation führt aktuelle, länderspezifische Übersichten und Berichte sowie Studien und weitere Publikationen auf, die sich mit den Pflegesystemen in verschiedenen europäischen Ländern, insbesondere mit ihrer Finanzierung und der Pflegegesetzgebung, befassen. Dabei findet auch der Aspekt der Altersarmut pflegender Angehöriger Berücksichtigung. 2. Länderspezifische Übersichten und Berichte Eine Übersicht zur Pflege in Europa gibt das gegenseitige Informationssystem zur sozialen Sicherheit der Europäischen Kommission (Mutual Information System on Social Security – MISSOC). Die Tabelle XII. Langzeitpflege mit Stand Juli 2019 führt u. a. die geltenden Rechtsgrundlagen , die Grundprinzipien, den Anwendungsbereich, die Bedingungen, Sach- und Geldleistungen sowie eine mögliche Selbstbeteiligung auf und ist abrufbar unter: https://www.missoc .org/missoc-information/missoc-vergleichende-tabellen-datenbank/missoc-vergleichstabellendatenbank -ergebnisse-anzeigen/?lang=de. Das European Observatory on Health Systems and Policies (Europäische Beobachtungsstelle für Gesundheitssysteme und -politik) veröffentlicht für alle europäischen Gesundheitssysteme Länderberichte . Diese enthalten auch die jeweiligen Pro-Kopf-Ausgaben im Bereich der Langzeitpflege im Verhältnis zu den entsprechenden Ausgaben im EU-Durchschnitt. Die Länderberichte des European Observatory on Health Systems and Policies, Country Health Profiles 2019 sind abrufbar unter: http://www.euro.who.int/en/about-us/partners/observatory/publications/healthsystem -reviews-hits/country-health-profiles. Die EU-Kommission veröffentlichte Anfang Juni 2019 einen Bericht über die europäischen Gesundheits- und Pflegesysteme und ihre fiskalische Nachhaltigkeit. Der Bericht enthält länderspezifische Analysen, die die Mitgliedstaaten dabei unterstützen sollen, ihre Gesundheits- und Pflegesysteme zukunftsorientiert auszurichten. Der wachsende Druck auf die europäischen Gesundheits- und Pflegesysteme steige angesichts des demografischen Wandels, der hohen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 5 öffentlichen Ausgaben und Schulden sowie des technologischen Fortschritts, so die EU-Kommission . Deswegen müsse die Tragfähigkeit der Systeme durch strukturelle Reformen und fiskalpolitische Maßnahmen gesichert werden. Der Bericht der Europäischen Kommission, Joint Report on Health Care and Long-Term Care Systems & Fiscal Sustainability, Country Documents, 2019 Update ist abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/ip105_en.pdf. Die Europäische Kommission veröffentlichte darüber hinaus speziell zur Langzeitpflege länderspezifische Berichte mit Stand 2018, die die Systeme der Langzeitpflege mit ihren gesetzlichen Grundlagen und Reformen, aber auch anstehende Herausforderungen – etwa zur Qualität und zur finanziellen Nachhaltigkeit – beschreiben sowie Zahlen zu Pflegebedürftigen, der Art ihrer Versorgung und teilweise zum Pflegebudget enthalten. Darüber hinaus werden Empfehlungen zu den anstehenden Herausforderungen abgegeben. Die länderspezifischen Berichte sind abrufbar über die Europäische Kommission, Beschäftigung, Soziales und Integration, Langzeitpflege unter: https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=792&langId=de&moreDocuments=yes. 3. Studien und weitere Publikationen Lehmann, Yvonne/Schaepe, Christiane/Wulff, Ines/Ewers, Michael, Pflege in anderen Ländern: Vom Ausland lernen?, Stiftung Münch (Hrsg.), 2019. Das Buch stellt die Pflegeorganisation in Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Schweden sowie Kanada vor und analysiert, welche Erkenntnisse und Erfahrungen in diesen Ländern Anregungen für Deutschland bieten können. Dabei steht insbesondere die Gewinnung von Pflegepersonal im Vordergrund. Österreichisches Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Zukünftige Finanzierung der Langzeitpflege, Ansatzpunkte für Reformen, 2019, abrufbar unter: https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationId=727. Ein Schwerpunkt dieser ländervergleichenden Studie erläutert – neben der Darstellung des jeweiligen Pflegesystems – die Finanzierung der Pflege in den Ländern Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Spanien und leitet daraus Ansätze für Reformen in Österreich ab. Trinationales Kompetenzzentrum für Ihre Gesundheitsprojekte (TRISAN), Die Pflege älterer Personen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, 2018, abrufbar unter: https://www.trisan .org/fileadmin/user_upload/Themenheft_TRISAN_Die_Pflege_%C3%A4lterer_Personen.pdf. Die Veröffentlichung stellt Zahlen, Fakten, Strukturen und Finanzierungsmodalitäten zur Pflege in Deutschland, Frankreich und der Schweiz vor. Ein zentraler Aspekt sind pflegende Angehörige , die oftmals durch die Pflege materielle Einbußen erleiden. Vorgestellt werden in dem Zusammenhang finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten. Pichlbauer, Ernest, Das österreichische Pflegesystem: Ein europäischer Sonderfall, 2018, abrufbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/das-oesterreichische -pflegesystem-ein-europaeischer-sonderfall. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 6 Der Autor dieses Beitrags mahnt eine aktivierende statt kompensatorische Pflege an und sieht dabei Dänemark als Vorbild an, das – im Gegensatz zum familienbasierten Modell – überwiegend eine professionelle Pflegeversorgung gewährt. Auch wenn die Pflegekosten dadurch höher ausfielen , schlage sich dies in den Gesamtausgaben im Bereich Gesundheit nicht nieder: „Dänemark investiert die Ressourcen in der Langzeitversorgung unter tertiärpräventiven Aspekten und reduziert damit die Folgekosten im Bereich der Akutversorgung, sodass über die Gesamtausgaben betrachtet , bei Kostenneutralität, mehr gesunde Lebensjahre erzielt werden.“ Auth, Diana, Pflegearbeit in Zeiten der Ökonomisierung, 2017. Die Studie vergleicht den Wandel der Pflegepolitik und der Pflegegesetzgebung in Deutschland, Großbritannien und Schweden. Im Fokus steht dabei das Ziel einer geschlechtergerechten Bewältigung des „Care-Defizits“. Weiterer zentraler Punkt ist die Prekarisierung von Pflegearbeit. Landolt, Hardy, Schweizerisches Pflegefinanzierungssystem – eine kritische Standortbestimmung in: Zeitschrift für Schweizerisches Recht, Band I 35 (2016), S. 493. Der Beitrag beschreibt das Pflegefinanzierungssystem in der Schweiz, das Leistungen für Pflegebedürftige einerseits und staatliche Finanzhilfen für Pflegedienstleistungsunternehmen andererseits bereithält. Das dortige überproportionale Pflegekostenwachstum zwingt nach Ansicht des Verfassers zu einer grundlegenden Reform, die Anreize für wirtschaftliche Versorgungsmodelle schaffe, unter denen Pflegebedürftige auswählen könnten. Geyer, Johannes/Korfhage, Thorben/Schulz, Erika, Andere Länder, andere Wege: Pflege im internationalen Vergleich, in: Gesundheit und Soziales 2016, S. 52, abrufbar unter: https://pdfs.semanticscholar .org/8b37/fc8fbe1c2a62035fa15cc26fc7bea51f70c7.pdf?_ga=2.45824932.1237302 337.1591267514-874792494.1591267514. Der Artikel gibt einen Überblick zu wesentlichen Elementen der Pflegesysteme in Dänemark, Frankreich und der Tschechischen Republik. Grundsätzliche Unterschiede werden darin gesehen , dass – im Gegensatz zum familienbasierten Pflegesystem – Dänemark einen servicebasierten Ansatz aufweist. Thiel, Marie-Jo, Rahmenbedingungen der Altenpflege in Frankreich, Situation und ethische Fragen , in: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften (JCSW) 57 (2016), S. 61 ff., abrufbar unter: https://www.uni-muenster.de/Ejournals/index.php/jcsw/article/view/1761. Der Beitrag stellt die Entwicklung der politischen und rechtlichen Grundlagen des Pflegesystems sowie Daten zu Ausgaben und Pflegestrukturen in Frankreich vor. Die Autorin beanstandet das französische Pflegesystem, dessen Finanzierungsdruck nicht nur zunehme, sondern auch verstärkt auf den Einzelnen übertragen werde, statt strukturelle Veränderungen vorzunehmen. Heintze, Cornelia, Auf der Highroad – der skandinavische Weg zu einem zeitgemäßen Pflegesystem , Ein Vergleich zwischen fünf nordischen Ländern und Deutschland, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), 2015, abrufbar unter: https://library.fes.de/pdf-files/wiso/11337.pdf. Die Studie vergleicht die Ausgestaltung der Pflege in Deutschland mit der in den Ländern Dänemark , Finnland, Island, Norwegen und Schweden und zeigt auf, welche Grundentscheidungen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 7 das jeweilige System geprägt haben. Mit dem skandinavischen, service-basierten Pflegesystem begebe sich die Volkswirtschaft insgesamt, so die Autorin, auf einen höheren Beschäftigungspfad („High Road“), in dem ein öffentliches Pflegesystem statt privater Pflege vorherrsche. Ranci, Costanzo/Pavolini, Emmanuele, Not all that glitters is gold: Long-term care reforms in the last two decades in Europe in: Journal of European Social Policy 2015, Vol. 25 (3) 270-285, abstract, abrufbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0958928715588704. Die Veröffentlichung erläutert die Ergebnisse der Pflegereformen der 1990er Jahre bis in die frühen 2010er Jahre sowie ihre Hintergründe wie Kostensenkungsdruck und verstärkte Nachfrage in den Ländern Dänemark, Schweden, England, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und der Tschechischen Republik. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Das System der Pflege in den Niederlanden , Sachstand WD 9 3000-080/19 vom 30. Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/681190/343bdb798f4b31be0bb7adf2a1e41deb/WD-9-080-19-pdf-data.pdf. Die Arbeit setzt sich mit dem System der Langzeitpflege in den Niederlanden sowie den zugrundeliegenden Pflegereformen auseinander. Sie wirft darüber hinaus einen Blick auf die Finanzierung von Pflegeleistungen sowie die Gewinnerzielungsabsicht von in der Pflege tätigen Privatunternehmen . Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Pflegevorsorge in Österreich, Leistungen, Finanzierung und Ausgaben, Ausarbeitung WD 9 3000-077/16 vom 7. Februar 2017, abrufbar unter : https://www.bundestag.de/resource/blob/527414/7ef76be36495db95d506ac0df715c2a4/WD- 9-077-16-pdf-data.pdf. Die Ausarbeitung stellt die Ausgestaltung des Pflegesystems in Österreich dar und beschreibt verschiedene Unterstützungsleistungen und ihre Finanzierung sowie den Pflegefonds des Bundes. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Pflegevollversicherung, Zur Diskussion in Deutschland und zur Situation in einigen ausgewählten Ländern, Sachstand WD 9 3000-035/19 vom 22. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/650462/e8c573e5e5741752d1ea972a80ac025a/WD-9-035-19-pdf-data.pdf. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Pflegeversicherung in Luxemburg und stellt die Pflegevorsorge in den skandinavischen Ländern Dänemark, Norwegen und Schweden vor. Darüber hinaus wird die Diskussion über eine Pflegevollversicherung in Deutschland, die auch zur finanziellen Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen gefordert wird, dargestellt. 4. Beiträge zur Armut bei pflegenden Angehörigen und bei Pflegebedürftigkeit Knauthe, Katja/Deindl, Christian, Altersarmut von Frauen durch häusliche Pflege, Gutachten im Auftrag des Sozialverband Deutschland e. V., 2019, abrufbar unter: https://www.sovd.de/fileadmin /downloads/pdf/sonstiges/SoVD_Gutachten_Altersarmut_Frauen2019.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 8 Das Gutachten zeigt den Eintritt eines Pflegefalls innerhalb der Familie mit den damit verbundenen Zeiten der Erwerbsunterbrechungen und etwaigen Wiedereinstiegen in den Beruf als Risikofaktor für die Altersarmut von Frauen auf. Basierend auf seit dem Jahr 2000 veröffentlichten, deutsch- und englischsprachigen, wissenschaftlichen Publikationen, Studien, Berichten sowie aktuellen Daten wurde eine Literaturanalyse vorgenommen, die sich auch auf die häusliche Pflege durch Angehörige in Deutschland und Europa bezog. Benz, Benjamin, Armut im Familienkontext in: Huster, Ernst-Ulrich/Boeckh, Jürgen/ Mogge-Grotjahn, Hildegard (Hrsg.), Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung, 3. Auflage 2018, S. 381, abrufbar unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-531-90906-6.pdf. Eine erste Ursache familienbedingter Armut wird darin gesehen, aufgrund von familiärer Sorgearbeit auch durch Pflegeaufgaben kein oder zu wenig Markteinkommen erzielen zu können. Für Deutschland wird dabei die Schaffung der Sozialen Pflegeversicherung als zentrale Maßnahme gegen familienbedingte Armut eingestuft: „Denn gestiegene Pflegebedarfe zusammen mit unzureichenden Mitteln im Alter für deren Bezahlung führten zuvor nicht nur zu einer immer stärkeren Bedeutung der Pflegeleistungen im Rahmen der Sozialhilfe, sondern auch zu verstärktem Rückgriff auf die Einkommen der Nachkommen Pflegebedürftiger. Diese erhielten umgekehrt für die Pflege von Familienmitgliedern keine Unterstützungen.“ Es wird aber auch festgehalten, dass sich das Problem der Vereinbarkeit der Pflege von Angehörigen mit eigener Berufstätigkeit trotz der Pflegeversicherung verschärft: „Eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige analog des Elterngeldes gibt es hier allerdings nicht.“ Rohrmann, Eckhard, Zwischen selbstbestimmter sozialer Teilhabe und fürsorglicher Ausgrenzung – Lebenslagen und Lebensbedingungen von Menschen, die wir behindert nennen in: Huster , Ernst-Ulrich/Boeckh, Jürgen/Mogge-Grotjahn, Hildegard (Hrsg.), Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung, 3. Auflage 2018, S. 400, abrufbar unter: https://link.springer.com/content /pdf/10.1007%2F978-3-531-90906-6.pdf sowie Bölicke, Claus, Krank, einsam und arm durch Pflege – die Situation pflegender Angehöriger in Deutschland in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2017, S. 471. Auch in diesen Beiträgen wird die Pflegebedürftigkeit trotz Pflegeversicherung als ernsthaftes Armutsrisiko eingestuft. Bölicke, Claus, Krank, einsam und arm durch Pflege – die Situation pflegender Angehöriger in Deutschland in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2017, S. 471. European Institute for Gender Equality (Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen), Poverty, gender and intersecting inequalities in the EU Review of the implementation of Area A: Women and Poverty of the Beijing Platform for Action, 2016, abrufbar unter: https://eige.europa.eu/publications /poverty-gender-and-intersecting-inequalities-in-the-eu. Der Bericht analysiert das Armutsrisiko in der EU und kommt zum Ergebnis, dass besonders Frauen von Armut bedroht seien, die entweder im Rentenalter sind oder einer unbezahlten Haushalts - bzw. Pflegetätigkeit nachgehen. Es lasse sich speziell in der Haus- und Pflegearbeit ein signifikanter Unterschied in der Armutsgefährdung zwischen Männern und Frauen ablesen. Ein Prozent der Männer und 20 Prozent der Frauen seien hierdurch im Durchschnitt EU-weit von Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 048/20 Seite 9 Armut bedroht. Dabei sei das Armutsrisiko im Hinblick auf unbezahlte Haus- bzw. Pflegetätigkeit in Dänemark und Schweden äußerst gering, während es auf Malta und in Italien bei rund 60 bzw. über 40 Prozent läge. ***