© 2013 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 048/13 Ökonomischer Nutzen von Schutzimpfungen Auswertung verschiedener Studien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 2 Ökonomischer Nutzen von Schutzimpfungen Auswertung verschiedener Studien Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 048/13 Abschluss der Arbeit: 18. Juni 2013 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Impfungen im Kindesalter in den USA 4 3. (Pertussis-) Impfung in der Bundesrepublik Deutschland 6 4. Hepatitis-B-Impfung in der Bundesrepublik Deutschland 9 5. Weitere Studien 10 5.1. Masern-Mumps-Röteln 10 5.2. Humane Papillomaviren (HPV) 10 6. Literatur 11 7. Anlagenverzeichnis 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 4 1. Einleitung Impfungen schützen vor Infektionskrankheiten, indem sie Immunität gegenüber deren jeweiligen Krankheitserregern erzeugen. Im Rahmen der Gesundheitsberichtserstattung des Bundes hat das Robert Koch Institut (RKI) eine Broschüre zum Thema Schutzimpfungen1 herausgegeben, in der diese als effektivste und kostengünstigste Maßnahmen der modernen Medizin bezeichnet werden . Schutzimpfungen wiesen demnach neben dem Individual- und Kollektivschutz eine günstige Kosten-Nutzen-Relation auf, wodurch sie zu einer erheblichen Kostensenkung im Gesundheitswesen beitrügen. In diesem Zusammenhang trifft das RKI verschiedene konkrete Aussagen zum ökonomischen Nutzen von Schutzimpfungen, die auf den Ergebnissen verschiedener Studien zu dieser Thematik beruhen; diese werden im Folgenden – insbesondere im Hinblick auf die den jeweils ermittelten Ergebnissen zugrundeliegenden Annahmen und Ausgangswerte – im Einzelnen betrachtet und deren Ergebnisse in Kürze dargestellt. Den einzelnen Ausführungen wird dabei zunächst die vom RKI getroffene Aussage vorangestellt, bevor anschließend die jeweils zugrundeliegenden Originalquellen im Einzelnen ausgewertet werden.2 Anschließend werden ausgewählte weitere Studien und Untersuchungen zum Kosten-/Nutzenverhältnis von Schutzimpfungen benannt. 2. Impfungen im Kindesalter in den USA Nach Angabe des RKI ergab ein Vergleich der Kosteneffektivität von 500 lebensrettenden Maßnahmen in den USA, dass die empfohlenen Impfungen im Kindesalter weniger als ein US-Dollar pro gerettetes Lebensjahr kosten.3 Grundlage für diese Aussage ist ein im Jahr 1994 unter dem Titel „500 lebensrettende Maßnahmen und ihre Kosteneffektivität“ veröffentlichter Artikel4, in dessen Rahmen Informationen zur Kosteneffektivität von insgesamt 587 verschiedenen Maßnahmen zusammengetragen und ausgewertet wurden. Betrachtet wurden hierbei Maßnahmen aus den Bereichen Reduktion von tödlichen Verletzungen, Schadstoffkontrolle und Medizin; zu letzteren zählten auch verschiedene Impfungen. Speziell eingegangen wurde hierbei auf Impfungen von Kindern gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Masern, Mumps, Röteln und Polio sowie auf Grippeschutz- und Pneumonie-Impfungen. Bei den von den Autoren im Hinblick auf die Kosteneffektivität dieser Maßnahmen ausgewerteten Quellen handelte es sich überwiegend um Artikel aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften sowie um von staatlichen Behörden erstellte Analysen der Effektivität von Maßnahmen. Darüber hinaus wurden auch interne Mitteilungen der Regierung , von Forschungsorganisationen herausgegebene Berichte sowie unveröffentlichte Manuskripte für die Auswertung herangezogen. Zur Verbesserung der Vergleichbarkeit der Kosteneffektivitätsverhältnisse definierten die Autoren sieben Ziele und überarbeiteten – soweit nötig und machbar – öffentliche Schätzungen, um diesen zu entsprechen. Zu den definierten Zielen zählten die Angabe der Kosten/Effektivitäts- 1 RKI (2004). 2 Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 1-3. 3 RKI (2004), S. 8. 4 Tengs (1995), beigefügt als Anlage 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 5 schätzungen als „Kosten pro gerettetes Lebensjahr5“, die Beurteilung von Kosten und Effektivität aus gesellschaftlicher Perspektive, die ausschließliche Berücksichtigung direkter Kosten6 sowie die Angabe von Netto-Werten7. Darüber hinaus mussten künftig anfallende Kosten und künftig gerettete Lebensjahre auf den zum Zeitpunkt der Betrachtung geltenden Wert umgerechnet8 werden und die Kosten/Effektivitätsverhältnisse marginal oder „zunehmend“ sein, wobei Kosten und Effektivität jeweils bezogen auf eine klar definierte, alternative Basismaßnahme beurteilt wurden. Letztes Kriterium war die Angabe der Kosten in Dollar (Stand 1993) unter Berücksichtigung des allgemeinen Verbraucher-Preisindexes. Nach Angaben der Autoren ist es in einigen Fällen nicht gelungen, die Schätzungen mit den definierten Zielen in Einklang zu bringen; zum Teil sei z.B. die Ermittlung von Nettowerten nicht möglich gewesen. Die Autoren gehen davon aus, dass diese Unterlassungen zum Teil von Bedeutung sind, in anderen Fällen jedoch angesichts der relativen Höhe der Kosten- und Effektivitäts-Schätzungen keine größeren Auswirkungen haben.9 Es erfolgt keine Kennzeichnung der Maßnahmen, die von diesen Abweichungen betroffen sind bzw. bei denen diese relevant sind. Insofern ist nicht nachvollziehbar, inwieweit der für die einzelnen Maßnahmen jeweils angegebene Wert den Vorgaben der Autoren entspricht und eine Vergleichbarkeit nur bedingt gegeben ist. Der sich unter Berücksichtigung dieser Kriterien ergebende Differenzbetrag von Kosten und Einsparungen , dessen genaue Berechnung sich o.g. Artikel nicht entnehmen lässt, wurde für die einzelnen Maßnahmen im Anhang zum veröffentlichten Artikel in tabellarischer Form als „Kosten pro gerettetes Lebensjahr“ angegeben.10 Sofern die Einsparungen durch die Maßnahme die mit deren Durchführung entstandenen Kosten überstiegen, ergab sich ein negatives Ergebnis. In diesen Fällen ist den jeweiligen Maßnahmen jedoch lediglich die Angabe zugeordnet, dass die Kosten pro gerettetes Lebensjahr ≤ 0 betrugen; eine Angabe des konkreten negativen Wertes – und damit der tatsächlich realisierten Ersparnis durch die jeweilige Maßnahme pro gerettetes Lebensjahr – erfolgte nicht.11 Für die einzelnen Maßnahmen im Bereich Impfung wurden – bezogen auf das Jahr 1993 – die nachfolgend dargestellten Ergebnisse ermittelt. Für die betrachteten Impfungen von Kindern gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Masern, Mumps, Röteln und Polio wurden die Kosten pro gerettetes Lebensjahr mit ≤ 0 angegeben. Teil- 5 Die Schätzwerte für Kosten/gerettete Lebensjahre mussten in Kosten/Lebensjahr transformiert werden; hierzu wurde die durchschnittliche Anzahl geretteter Lebensjahre in Betracht gezogen, wenn ein vorzeitiger Tod verhindert wurde. Wie die durchschnittliche Anzahl geretteter Lebensjahre konkret ermittelt wurde, kann der Veröffentlichung nicht entnommen werden. 6 Indirekte Kosten, wie z.B. Einnahmeverluste, wurden nicht berücksichtigt. 7 Zur Ermittlung der Netto-Werte mussten die durch Maßnahme erzielten Einsparungen finanzieller Mittel oder Mortalitätsrisiken abgezogen werden. 8 Die Autoren sprechen hierbei von einer auf fünf Prozent gerundeten „Herunterrechnung“. 9 Vergleiche hierzu Tengs (1995), S. 6 f. 10 Darüber hinaus ermittelten die Autoren – bezogen auf die drei Kategorien Reduktion von tödlichen Verletzungen , Schadstoffkontrolle, Medizin – Durchschnittswerte zur Kosteneffektivität, die jedoch für die betrachtete Fragestellung irrelevant sind und insofern nicht gesondert betrachtet werden, Tengs (u.a.) S. 4 ff. 11 Zur Ermittlung konkreter Werte wäre insofern die Auswertung der jeweils von den Autoren angegebenen zugrundegelegten Quelle erforderlich. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 6 weise wurde nur ein Wert für mehrere Impfungen angegeben, zum Teil beziehen sich die Werte auf Kinder einer bestimmten Altersklasse.12 Demnach lagen die Kosten für Impfungen von Kindern gegen die genannten Krankheiten unter den erzielten Einsparungen. Insgesamt ergab sich für diese Impfungen ein Netto-Einsparbetrag, der sich jedoch aufgrund fehlender konkreter Angaben nicht beziffern lässt. Im Gegensatz dazu überstiegen bei Grippeschutzimpfungen die Kosten die erzielten Einsparungen. So lagen die Kosten pro gerettetes Lebensjahr bei Grippeschutzimpfungen für alle Bürger bei 140 US-Dollar. Für den Personenkreis der Hochrisiko-Personen wurden die Kosten pro gerettetes Lebensjahr mit 570 US-Dollar angegeben; für Personen ab dem fünften Lebensjahr ergaben sich Kosten in Höhe von 1.300 US-Dollar pro gerettetes Lebensjahr.13 Deutlich über diesen Werten lagen die Kosten einer Pneumonie-Impfung, die in Abhängigkeit von der betrachteten Altersgruppe zwischen 1.800 und 170.000 US-Dollar betrugen. Je nach zugrundeliegender Quelle wurden zum Teil für dieselbe Altersgruppe unterschiedliche Werte ermittelt . So lagen die Kosten in der Altersgruppe ab dem 65. Lebensjahr zwischen 1.800 und 2.200 Dollar, für Kinder der Altersgruppe zwei bis vier Jahre wurden Kosten zwischen 160.000 und 170.000 US-Dollar ermittelt.14 Unabhängig von diesen Schwankungen waren die Kosten pro gerettetes Lebensjahr den vorliegenden Angaben zufolge umso höher, je jünger die betrachtete Altersgruppe war. Wie bereits dargestellt wurde, kann der vorliegenden Veröffentlichung nicht entnommen werden, wie die einzelnen Werte konkret berechnet wurden. So ist weder bekannt, welche Kosten bzw. Einsparungen konkret einbezogen wurden noch wie die Berechnung im Einzelnen erfolgte. 3. (Pertussis-) Impfung in der Bundesrepublik Deutschland Auch für die Bundesrepublik Deutschland gibt es nach Darstellung des RKI konkrete Zahlen zur Höhe der eingesparten Kosten durch Impfungen. So würden für jede einzelne Mark, die für Polio- Schluckimpfungen ausgegeben werde, 90 Mark an Krankenhaus-, Rehabilitations- und Wiedereingliederungskosten eingespart. Bezogen auf die Masern-Impfung wird ein Kosten-Nutzen-Index von 1:32 angegeben, für die azelluläre Pertussis-Impfung wird von einer jährlichen Einsparung an direkten Krankenhauskosten in Höhe von circa 450 Millionen DM ausgegangen, zu denen noch die indirekten Kosten für den Arbeitsausfall der Eltern hinzuzurechnen seien.15 Als Quelle hierfür wird eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2003 zur Akzeptanz von Schutzimpfungen 16 angegeben. Allerdings ist darin, anders als es die Darstellung des RKI zunächst vermuten lässt, lediglich eine Aussage zum Einsparpotenzial der azellulären Pertussis-Impfung enthalten ; die übrigen Aussagen zum Kosten-Nutzen-Index anderer Impfungen können dieser Veröffentlichung nicht entnommen werden. Die Herkunft der vom RKI angegebenen Kosten-Nutzen- Indexe bezogen auf die Polio- bzw. Masernimpfung ist demnach unbekannt. Insofern wird im Folgenden ausschließlich betrachtet, auf Grundlage welcher Daten das Einsparpotenzial der 12 Vergleiche hierzu Tengs (1995), S. 18 (Anhang A). 13 Vergleiche hierzu Tengs (1995), S. 23 (Anhang A). 14 Vergleiche hierzu Tengs (1995), S. 24 f. (Anhang A). 15 RKI (2004), S. 8. 16 Schmitt (2003). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 7 azellulären Pertussis-Impfung konkret ermittelt wurde. Da der vom RKI zitierten Quelle – abgesehen von der Bezifferung dieses Einsparpotenzials auf circa 450 Millionen DM – keine weiteren entsprechenden Informationen entnommen werden können, stützen sich die folgenden Ausführungen auf die Originalquelle. Bei dieser handelt es sich um eine 1998 veröffentlichte Studie17, in deren Rahmen verschiedene Strategien zur Impfung gegen Pertussis (Keuchhusten) hinsichtlich ihrer Kosten und möglichen Einsparpotenziale untersucht wurden. Betrachtet wurden dabei zwei verschiedene Pertussis-Impfstoffe mit unterschiedlich hohen Wirkungsgraden , für die verschiedene Szenarien errechnet und einander gegenübergestellt wurden – auch im Vergleich zu einem Verzicht auf ein Impfprogramm zur Bekämpfung von Keuchhusten. Bei den betrachteten Impfstoffen handelte es sich zum einen um einen Ganzkeimimpfstoff (whole cell vaccine) mit einem angenommenen Wirkungsgrad von 90 Prozent und zum anderen um einen azellulären Impfstoff, der mit 85 Prozent einen etwas geringeren Wirkungsgrad aufwies . Während für den Ganzkeimimpfstoff lediglich ein Szenario mit einer Durchimpfungsrate (coverage rate) von 45 Prozent betrachtet wurde, wurden für den azellulären Impfstoff zwei verschiedene Szenarien erstellt, die auf unterschiedlich hohen Durchimpfungsraten (45 bzw. 90 Prozent) beruhten. In sämtlichen Szenarien wurden die erwarteten Effekte (Krankheitswahrscheinlichkeit, Komplikationen und Sterblichkeit) sowie die erwarteten Kosten einer Pertussisimpfung für 809.000 Neugeborene für einen Zeitraum von sechs Jahren18 errechnet. In Ermangelung zuverlässiger Daten hinsichtlich der Krankheitswahrscheinlichkeit sowie der Zahl der auftretenden Krankheitskomplikationen für Deutschland wurden entsprechende Daten auf Grundlage anderer Studien ermittelt. Für ungeimpfte Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren wurde eine jährliche Inzidenz einer Erkrankung von mehr als 20 Prozent errechnet. Darüber hinaus wurde davon ausgegangen, dass 69 Prozent der ungeimpften Kinder im Alter von sechs Jahren mit Pertussis infiziert worden wären. Es wurde davon ausgegangen, dass sämtliche Spätschäden einer Pertussis-Infektion einer Krankenhausbehandlung bedürfen; die Zahl der Todesfälle wurde bei Kindern im Alter von unter 6 Monaten auf 1,3 Prozent, für ältere Kinder auf 0,04 Prozent geschätzt. Auch für die verschiedenen möglichen Nebenwirkungen der Impfung wurden jeweils eigene Häufigkeiten angegeben .19 Die Kosten wurden auf der Basis des Preisindexes des Jahres 1994 ermittelt; berücksichtigt wurden dabei sowohl die direkten medizinischen als auch indirekte Kosten. Zu den direkten medizinischen Kosten zählten neben den Impfkosten, den medizinischen Kosten für die Behandlung von Keuchhusten und der mit einer Erkrankung verbundenen Komplikationen auch direkte medizinische Kosten für die Behandlung von Nebenwirkungen der Impfung. Für an Keuchhusten erkrankte Kinder, die keine Spätschäden erlitten, wurden durchschnittliche Behandlungskosten in Höhe von 210 DM angesetzt. Sofern eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, wurde bei einem durchschnittlichen Aufenthalt von 6,5 Tagen von durchschnittlichen Kosten in Höhe von knapp 3.500 DM ausgegangen. Trat aufgrund der Keuchhustenerkrankung eine Lungenentzündung (Pneumonia) auf, wurden durchschnittlich 15 Krankenhaustage und Kosten in Höhe von 17 Tormans (1998), beigefügt als Anlage 2. 18 Der Zeitraum von sechs Jahren wurde gewählt, da nahezu sämtliche Todes- und schwere Spätschadenfälle aufgrund von Keuchhusten in dieser Altersgruppe auftreten. 19 Vergleiche hierzu Tormans (1998), S. 397. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 8 circa 7.700 DM angesetzt; verursachte die Erkrankung eine Entzündung des Gehirns (Enzephalopathie ) und Konvulsionen (tonisch-klonische Krämpfe der Körpermuskulatur), wurden bei angenommenen 19 Krankenhaustagen insgesamt etwas mehr als 10.000 DM an Behandlungskosten angesetzt. Kosten für den Ganzkeimimpfstoff wurden in Höhe von 15 DM sowie von 40 DM für den azellulären Impfstoff veranschlagt20; administrative Kosten für die Verabreichung21 wurden hinzugerechnet. Die Autoren gingen davon aus, dass die meisten Nebenwirkungen der Impfung keine weitere ärztliche Behandlung erfordern. Für die übrigen Fälle wurde von Kosten in Höhe von 50 DM für das Aufsuchen eines Kinderarztes bzw. 7,20 DM für eine telefonische Konsultation ausgegangen.22 In Abhängigkeit vom betrachteten Impfstoff bzw. der betrachteten Durchimpfungsrate wurden der zahlenmäßige Rückgang der Erkrankungsfälle, die Zahl der gewonnenen Lebensjahre, die damit einhergehenden Einsparungen sowie das Nutzen-Kosten-Verhältnis23 errechnet. Die sog. herd immunity24 wurde dabei zunächst nicht berücksichtigt. Im Ergebnis wurde für den Ganzkeimimpfstoff bei einer Durchimpfungsrate von 45 Prozent eine Ersparnis in Höhe von circa 252,67 Millionen DM errechnet. Für den azellulären Impfstoff ergab sich bei einer Durchimpfungsrate von 45 Prozent eine etwas geringere Ersparnis in Höhe von circa 216 Millionen DM. Sofern eine Durchimpfungsrate von 90 Prozent zugrundegelegt wurde, lag die Ersparnis bei Anwendung des azellulären Impfstoffes mit etwas mehr als 432 Millionen DM deutlich über den vorgenannten Werten. Unter Berücksichtigung der für die Impfung anfallenden Kosten ergab sich ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 6,83 für den Ganzkeimimpfstoff bzw. 4,46 für den azellulären Impfstoff jeweils bezogen auf eine Durchimpfungsrate von 45 Prozent, d.h. für jede in die Impfung investierte DM wurden 6,83 DM bzw. 4,46 DM an Einsparungen erzielt. Darüber hinaus führten die Autoren verschiedene Sensitivitätsanalysen durch, die dem Vergleich des ökonomischen Nutzens beider Impfstoffe bei verschieden hohen Durchimpfungsraten und der Ermittlung der ökonomisch sinnvollsten Impfstrategie diente.25 In weiteren Analysen wurden darüber hinaus die Herdenimmunität sowie indirekte Kosten bei der Ermittlung des ökonomischen Nutzens der Pertussis-Impfung berücksichtigt, die jeweils zu deutlich höheren Einsparungen führten. So ergab sich zum Beispiel ein Einsparvolumen in Höhe von 456 Millionen DM, 20 Die angegebenen Werte geben die tatsächlichen Preise der zum Zeitpunkt der Untersuchung in Deutschland erhältlichen Impfstoffe wieder. 21 Aufgrund der Verabreichung des Pertussis-Impfstoffes in Kombination mit den Impfstoffen gegen Diphterie und Tetanus wurde nur ein Drittel dieser Kosten berücksichtigt. 22 Vergleiche hierzu Tormans (1998), S. 397. 23 Dieses wurde durch Division der aufgrund von Impfungen eingesparten direkten Behandlungskosten von Keuchhustenerkrankungen durch die Kosten der Immunisierung einschließlich der Kosten für die Behandlung auftretender Nebenwirkungen ermittelt. 24 Die sog. Herdenimmunität (teilweise auch Herdimmunität genannt) bezeichnet den Effekt, bei der die durch Impfung erzeugte oder durch Infektion erworbene Immunität gegen einen Krankheitserreger innerhalb einer Population (der "Herde") so verbreitet ist, dass sich der Erreger nicht ausbreiten kann und somit in der Population auch nicht-immune Individuen geschützt sind. 25 Auf die Darstellung der einzelnen Szenarien wird im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet, vergleiche hierzu Tormans (1998), S. 398 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 9 sofern der Produktivitätsverlust durch einen krankheitsbedingten Arbeitsausfall in Höhe von 100 DM pro Tag in die Berechnung einbezogen wurde.26 4. Hepatitis-B-Impfung in der Bundesrepublik Deutschland Nach Angaben des RKI hat die im Jahr 1995 erfolgte Umsetzung der WHO-Empfehlung zur Impfung aller Säuglinge, Kinder und Jugendlichen gegen Hepatitis B zehn Jahre nach Impfbeginn – unter Berücksichtigung direkter und indirekter Kosten – zu Kosteneinsparungen geführt.27 Als Quelle für diese Angaben werden zwei verschiedene Veröffentlichungen angeben, die sich mit dem Kosten-Nutzen-Aspekt der Hepatitis-B-Impfung bzw. der Kostenstruktur der Hepatitis-B- Infektion auseinandersetzen.28 Im Rahmen der Studie zur Kostenstruktur der Hepatitis-B-Infektion29 wurden die durchschnittlichen , jährlichen, verlaufsformspezifischen30 Kosten, die bei der Behandlung eines mit Hepatitis- B-infizierten bzw. an Hepatitis-B-erkrankten Patienten anfallen, ermittelt. Neben den direkten Kosten, zu denen die Ausgaben für die Diagnose, Medikation, Hospitalisation und Rehabilitation zählten, flossen indirekte Kosten, die die Autoren als Minderung der volkswirtschaftlichen Produktion durch die aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht erstellten Güter und Dienstleistungen definierten, in die Berechnung ein. Intangible Kosten, d.h. immaterielle Einbußen z.B. an Lebensqualität, wurden nicht berücksichtigt. Die den Berechnungen zugrundegelegten Daten – insbesondere zu Dauer, Art und Kosten der Behandlung – wurden im Rahmen einer Ärztebefragung erhoben.31 Die Preise diagnostischer Maßnahmen wurden nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM32) gemittelt; die Medikamentenpreise wurden der Roten Liste33 entnommen. Als Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen wurde der mittlere Tagessatz für Rehabilitationsaufenthalte und für Hospitalisationen der durchschnittliche tägliche Pflegesatz angesetzt. Die indirekten Kosten wurden auf Basis des Bruttoinlandsprodukts je Erwerbstätigen errechnet. Das Bezugsjahr für die Ermittlung der Kosten war das Jahr 1995. Unter Berücksichtigung der im Rahmen der Ärztebefragung gewonnenen Daten wurden für die zwei Verlaufsformen und deren verschiedene Krankheitsstadien jeweils Durch- 26 Tormans (1998), S. 399. 27 RKI (2004), S. 8. 28 Szucs (1997), beigefügt als Anlage 3, sowie Windorfer/Dreesman (1998), beigefügt als Anlage 4. 29 Szucs (1997). 30 Die Berechnungen wurden jeweils für akute und chronische Erkrankungen durchgeführt. 31 Mit Hilfe eines strukturierten Fragebogens wurden 30 Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen befragt, die verhältnismäßig häufig Patienten mit Hepatitis-B behandeln. Zu Einzelheiten zur Erhebung der Daten vergleiche Szucs (1997), S. 10 f. 32 Hierbei handelt es sich um ein Verzeichnis, nach dem vertragsärztlich erbrachte, ambulante Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden. 33 Hierbei handelt es sich um ein Arzneimittelverzeichnis, das u.a. die Preise der aufgenommenen Arzneimittel auflistet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 10 schnittswerte in den einzelnen Kostenkategorien ermittelt.34 Im gewichteten Durchschnitt errechneten die Autoren der Studie Kosten für eine akute Hepatitis-B-Erkrankung von rund 26.600 DM pro Jahr und Patient. Für chronische Hepatitis-B-Erkrankungen wurden durchschnittliche Kosten in Höhe von 17.500 pro Jahr und Patient ermittelt. Bezogen auf eine Hepatitis-B allgemein betrugen die Kosten durchschnittlich etwa 21.400 DM pro Jahr und Patient. Weitere Berechnungen, wie zum Beispiel die Kosten einer Immunisierung der gesamten Bevölkerung oder einiger bestimmter Personengruppen, wurden im Rahmen dieser Studie nicht vorgenommen . Insofern können ihr weder Angaben zum Kosten-Nutzen-Verhältnis allgemein noch innerhalb bestimmter Zeiträume ab erfolgter Hepatitis-B-Impfung entnommen werden. Soweit ersichtlich ist, stammt die vom RKI getroffene Aussage zu Kosteneinsparungen aufgrund der im Jahr 1995 erfolgten Umsetzung der WHO-Empfehlung zur Impfung aller Säuglinge, Kinder und Jugendlichen gegen Hepatitis B zehn Jahre nach Impfbeginn nicht aus dieser Studie. Anders verhält es sich mit der zweiten vom RKI zitierten Quelle. Der im Jahr 1998 veröffentlichte Artikel zum Kosten-Nutzen-Aspekt am Beispiel der Hepatitis-B-Impfung bzw. Hepatitis-B- Krankheit35 enthält Angaben, nach welcher Zeitspanne durch die Hepatitis-B-Impfung Kostenvorteile entstehen. Danach lägen innerhalb der ersten zehn Jahre die Impfkosten noch deutlich über den Einsparungen, während nach zehn Jahren Einspareffekte erzielt würden. Noch deutlicher fielen die Einspareffekte nach Angaben der Autoren nach Ablauf von 20 Jahren aus.36 Die Grundlage für diese Feststellungen ist nach Angaben der Autoren eine Studie zum Kostenaspekt von Hepatitis-B-Erkrankungen. Abgesehen von Berechnungen zur geschätzten Inzidenz von Hepatitis- B-Infektionen in Niedersachsen in den Jahren 1986 bis 1990 sowie 1990 bis 1996 enthält der Artikel lediglich den Hinweis, dass die dargestellten Berechnungsergebnisse mit dem sog. Entscheidungsbaummodell ermittelt wurden. Konkrete Berechnungsgrundlagen können der Veröffentlichung nicht entnommen werden. Ob diese überhaupt veröffentlicht wurden, ist nicht bekannt . Der vom RKI zitierte Artikel enthält keine Quellenangaben. Eine genauere Darstellung der vorgenommenen Berechnungen kann insofern nicht erfolgen. 5. Weitere Studien 5.1. Masern-Mumps-Röteln Rosian-Schikuta, Ingrid (u.a.) (2007), Die Masern-Mumps-Röteln-Impfung aus gesundheitspolitischer und ökonomischer Sicht, HTA-Bericht 62, Köln 2007, im Internet abrufbar unter http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta138_bericht_de.pdf 5.2. Humane Papillomaviren (HPV) Banz, K. (u.a.), The cost-effectiveness of routine childhood varicella vaccination in Germany, in: Vaccine 21 (2003), S. 1256-1267, im Internet abrufbar unter http://www.sc-eco.univ-nantes.fr/- 34 Auf die Darstellung der einzelnen Beträge wird im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet, vergleiche hierzu Szucs (1997), S. 12 ff. 35 Windorfer/Dreesman (1998). 36 Windorfer/Dreesman (1998), S. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 11 ~tvallee/Calcul/doc/The%20cost-effectiveness%20of%20routine%20childhood%20varicella- %20vaccination%20in%20Germany.pdf. Damm, Oliver (u.a.) (2009), Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) zur Prävention HPV 16/18 induzierter Zervixkarzinome und derer Vorstufen, HTA-Bericht 83, Köln 2009, im Internet abrufbar unter http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta234_bericht_de.pdf. Zechmeister, Ingrid (u.a.) (2007), Ökonomische Evaluation der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV-Impfung) in Österreich – Endbericht, HTA-Projektbericht 2007, Wien, im Internet abrufbar unter http://eprints.hta.lbg.ac.at/760/2/HTA-Projektbericht_009.pdf. 6. Literatur Banz, K. (u.a.) (2003), The cost-effectiveness of routine childhood varicella vaccination in Germany , in: Vaccine 21 (2003), S. 1256-1267, Elsevier RKI (2004), Gesundheitsberichtserstattung des Bundes Heft 1 – Schutzimpfungen, Heft 01/00, überarbeitete Neuauflage 2004. Schmitt, Heinz-Josef (2003), Akzeptanz von Schutzimpfungen, in: Schutzimpfungen 2003, S. 17- 37. Szucs, T.D. (u.a.) (1997), Die Kostenstruktur der Hepatitis-B-Infektion, in: Fortschritte der Medizin , 115. Jahrgang, Nr. 1/1997, S. 9-15. Tengs, Tammy O. (u.a.) (1995), 500 lebensrettende Maßnahmen und ihre Kosteneffektivität, in: Risk Analysis, Vol. 15 Nr. 3. 1995, S. 1-33. Tormans, G. (u.a.) (1998), Economis evaluation of pertussis prevention by whole-cell and acellular vaccine in Germany, in: Eur J Pediatr (1998), 157, S. 395-401, Springer-Verlag. Windorfer, Adolf/Dreesman, Johannes (1998), Impfen als primäre Prävention: Kosten-Nutzen- Aspekt am Beispiel Hepatitis-B-Impfung bzw. Hepatitis-B-Krankheit, in: Kinderärztliche Praxis, Sonderheft Impfen, S. 50-52, Kirchheim-Verlag Mainz, 1998. 7. Anlagenverzeichnis Tengs, Tammy O. (u.a.) (1995), 500 lebensrettende Maßnahmen und ihre Kosteneffektivität Anlage 1 Tormans, G. (u.a.) (1998), Economis evaluation of pertussis prevention by whole-cell and acellular vaccine in Germany Anlage 2 Szucs, T.D. (u.a.) (1997), Die Kostenstruktur der Hepatitis-B-Infektion Anlage 3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 048/13 Seite 12 Windorfer, Adolf/Dreesman, Johannes (1998), Impfen als primäre Prävention: Kosten-Nutzen- Aspekt am Beispiel Hepatitis-B-Impfung bzw. Hepatitis-B-Krankheit Anlage 4