© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 045/17 Zur Umnutzung der Mittel im Pflegevorsorgefonds Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 2 Zur Umnutzung der Mittel im Pflegevorsorgefonds Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 045/17 Abschluss der Arbeit: 24. Oktober 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zum Pflegevorsorgefonds 5 3. Künftige Umnutzung der Fondsmittel 6 3.1. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes 9 3.2. Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG 10 3.3. Vertrauensschutz nach Artikel 20 Absatz 3 GG 12 4. Rechtliche Absicherung der Fondsmittel 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 4 1. Einleitung Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und damit verbundenen deutlich steigenden Leistungsausgaben wurde mit dem am 19. Dezember 2014 in Kraft getretenen Ersten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz - PSG I)1 der Pflegevorsorgefonds als Fünfzehntes Kapitel des Sozialgesetzbuches Elftes Buch (SGB XI - Soziale Pflegeversicherung)2 eingeführt (§§ 131 bis 139 SGB XI). Gemäß § 132 SGB XI dient der Pflegevorsorgefonds der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Ergänzend dazu führt die Gesetzesbegründung3 aus, dass mit ihm die Finanzierung der Ausgaben gerechter auf die Generationen verteilt werden und so auch der Gefahr einer Beschränkung des Leistungsniveaus der Pflegeversicherung begegnet werden solle. Der demografische Wandel zieht ebenso eine steigende Zahl Pflegebedürftiger und damit einen hohen Bedarf an Pflegepersonal nach sich4. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Rahmen der Pflegereform. Diese Neuerung vergrößert ebenfalls den Kreis der Pflegebedürftigen5. Eine Verbesserung des Pflegealltags mit dem Ziel einer am Pflegebedürftigen orientierten menschenwürdigen Versorgung, die das Pflegepersonal nicht übermäßig belastet, muss ein zentrales Anliegen einer humanen Gesellschaft sein6. In dem Zusammenhang wird aktuell die Forderung 1 BGBl. I S. 2222. 2 Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015), das durch Artikel 9 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757) geändert worden ist. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz – 5. SGB XI-ÄndG) vom 23. Juni 2014, BT-Drs. 18/1798, S. 42, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/18/017/1801798.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 4 Näheres siehe Robert-Koch-Institut (RKI), (Hrsg) (2015) Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf Gesundheit und Gesundheitsversorgung?, Ziffer 9.3, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloads- GiD/2015/09_gesundheit_in_deutschland.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 5 Näheres siehe Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Fragen und Antworten zum Pflegestärkungsgesetz II, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/die-pflegestaerkungsgesetze/faq-psg-ii.html (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 6 Näheres siehe Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Geschäftsstelle der Initiative Neue Qualität der Arbeit, Zeitdruck in der Pflege reduzieren, 2. Auflage Juni 2010, abrufbar unter: https://www.inqa.de/SharedDocs/PDFs/DE/Publikationen/pflege-hh1-zeitdruck.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 5 erhoben, den bestehenden Pflegevorsorgefonds in einen Pflegepersonalfonds umzuwandeln7 bzw. Mittel des Pflegevorsorgefonds zur Verbesserung der Personalausstattung in der Pflege zu verwenden8. Der vorliegende Sachstand stellt den Pflegevorsorgefonds vor und geht der Frage nach, ob die Ausgestaltung des Pflegevorsorgefonds unter verfassungsrechtlichen Aspekten zugriffssicher ist oder ob eine Umnutzung der Mittel des Fonds während der Ansparphase, z. B. zur Finanzierung von Pflegepersonal, möglich ist. 2. Zum Pflegevorsorgefonds Der Pflegevorsorgefonds bildet gemäß § 131 SGB XI ein (kapitalgedecktes) Sondervermögen und ergänzt das umlagefinanzierte System der sozialen Pflegeversicherung9. Das Sondervermögen ist von dem übrigen Vermögen der sozialen Pflegeversicherung getrennt zu halten10. Die Verwaltung einschließlich der Anlage der Mittel des Sondervermögens werden der Deutschen Bundesbank übertragen (§ 134 SGB XI). Ab dem Jahr 2015 bis Ende des Jahres 2033 wird der Kapitalstock nach § 135 SGB XI über einen Zeitraum von 19 Jahren durch Zuführung von 0,1 Prozent der vorjährigen Beitragseinnahmen aufgebaut (Ansparphase). Nach Darstellung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) werden dem Pflegevorsorgefonds jährlich rund 1,2 Milliarden Euro zugeführt 11. Ab dem Jahr 2035 können die Mittel des Pflegevorsorgefonds zur Sicherung der Beitragsstabilität verwendet werden (Entnahmephase), vgl. § 136 SGB XI. Hierzu werden Mittel des 7 Siehe z. B. Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., Gute Arbeit in der Pflege ‒ Personalbemessung in der Altenpflege einführen, BT-Drs. 18/9122 vom 7. Juli 2016, S. 3, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/091/1809122.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Der Antrag wurde abgelehnt, siehe hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 28. Februar 2017, BT-Drs. 18/11347, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/113/1811347.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Siehe weiterhin Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 31. Mai 2017, Ausschussdrucksache 18(14)0262(8), abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/508812/47d7cb9be24fac952114f1717c3ab0dc/18_14_0262-8-_pflegelobby _verdi-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 8 Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Eine Lobby für die Pflege – Arbeitsbedingungen und Mitspracherechte von Pflegekräften verbessern, BT-Drs. 18/11414 vom 8. März 2017, S. 4 und 5, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/114/1811414.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Der Antrag wurde abgelehnt, siehe hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 21. Juni 2017, BT-Drs. 18/12841, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/128/1812841.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 9 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 131 Rn. 1. 10 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Sechster Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 18/10707, S. 67, abrufbar über: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/107/1810707.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 11 Darstellung des BMG, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/onlineratgeber -pflege/die-pflegeversicherung/finanzierung.html#c4208 (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 6 Sondervermögens vom Bundesversicherungsamt angefordert und dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung (§ 65 SGB XI) zugeführt. Die Gesetzesmaterialien gehen von einem Entnahmezeitraum von 20 Jahren aus12. Um diesen Entnahmezeitraum zu gewährleisten, sieht § 136 Satz 2 SGB XI eine Obergrenze für die jährliche Mittelentnahme vor13. Eine Übertragung von Mitteln auf spätere Jahre ist zulässig, soweit in einem Jahr kein Abruf der Mittel erfolgt. Nach § 139 SGB XI gilt das Sondervermögen nach Auszahlung seines Vermögens als aufgelöst. Die in § 132 in Verbindung mit § 136 SGB XI14 getroffenen Bestimmungen zum Zweck und zur Verwendung des Sondervermögens stellen sicher, dass die Mittel des Pflegevorsorgefonds nur zur Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung genutzt werden können15. Dieser Verwendungszweck ist einzuhalten, so lange diese gesetzliche Regelung Bestand hat16. Eine Verwendung der Mittel für Leistungsverbesserungen wird durch § 136 Satz 1 zweiter Halbsatz ausdrücklich ausgeschlossen. Damit stehen die Mittel des Fonds nicht zur Verfügung für Einzelprojekte oder Beitragserhöhungen, mit denen spezifische Leistungsverbesserungen finanziert werden. Auch können die Mittel deshalb nicht zur Finanzierung von Personalstellen im Pflegebereich verwendet werden. Sinn und Zweck der Regelungen zum Pflegevorsorgefonds ist eine gleichbleibend stabile Finanzierung des allgemeinen Leistungsspektrums17. 3. Künftige Umnutzung der Fondsmittel Bereits im Gesetzgebungsverfahren werden Zweifel geäußert, ob die Mittel des Pflegevorsorgefonds dauerhaft vor anderweitiger Verwendung gesichert werden können. So äußerte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Rahmen des Anhörungsverfahrens, der Pflegevorsorgefonds müsse wirksam vor vorzeitigem politischem Zugriff geschützt und 12 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz – 5. SGB XI-ÄndG) vom 23. Juni 2014, BT-Drs. 18/1798, S. 43, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/18/017/1801798.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 13 Altmiks in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 136 Rn. 6. 14 So spricht § 136 Satz 1 SGB XI ausdrücklich davon, dass das Sondervermögen verwendet werden kann „zur Sicherung der Beitragsstabilität der sozialen Pflegeversicherung, wenn ohne eine Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht auf über eine allgemeine Dynamisierung der Leistungen hinausgehende Leistungsverbesserungen beruht.“ 15 Altmiks in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 136 Rn. 14; Wilcken in: Beck OnlineKommentar Sozialrecht, SGB XI, 45. Ed. 2016, § 136 Rn. 1. 16 Dalichau, Gerhard, Bildung eines Vorsorgefonds in der Pflegeversicherung (SGB XI) in: Wege zur Sozialversicherung (WzS), 2016, S. 35 (36). 17 Koch in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht SGB V, SGB XI, 1. Auflage 2015, § 136 SGB XI, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 7 dauerhaft angelegt werden18. Auch weitere Sachverständige wiesen darauf hin, dass der Fonds nicht zugriffssicher sei19. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di forderte im Rahmen der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages dazu auf, anstelle in den Vorsorgefonds in die Pflegeausbildung zu investieren20. Daneben kritisierten u. a. der Volkssolidarität Bundesverband e. V., der Sozialverband Deutschland e. V. und der Deutsche Gewerkschaftsbund, die in den Vorsorgefonds fließenden Mittel fehlten bei der Leistungsverbesserung der Pflegeversicherung 21. Laut dem Volkssolidarität Bundesverband e. V könnte eine Leistungsverbesserung u. a. durch eine bessere Vergütung der Pflegekräfte erreicht werden. Auch von der Opposition wurde die Forderung erhoben, den Pflegevorsorgefonds nicht einzuführen. Dem Umlageverfahren werde 18 BDA, Pflegeversicherung immer weniger zukunftsfest, Stellungnahme zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz, BT-Drs. 18/1798), Ausschussdrucksache 18(14)0049(19) zur Anhörung am 24. September 2014 im Ausschuss für Gesundheit, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/330042/046089a67e89db97ecbfcf0aa4eb81e6/18_14_0049-19-_bundesvereinigung -der-deutschen-arbeitgeberverbaende--bda--pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). Die Forderung nach Aufsetzung des Fonds auf Dauer begründet der BDA auf S. 3 wie folgt: „Es ist nicht sinnvoll , den Fonds nur bis zum Jahr 2033 zu dotieren und Entnahmen bereits für das Jahr 2035 zu ermöglichen, obwohl das Zahlenverhältnis von Beitragszahlern zu Pflegebedürftigen sich absehbar auch noch in der Zeit danach weiter verschlechtern wird.“ 19 Rothgang, Heinz, Zentrum für Sozialpolitik, Stellungnahme zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz, BT-Drs. 18/1798), Ausschussdrucksache 18(14)0049(28) zur Anhörung am 24. September 2014 im Ausschuss für Gesundheit, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/330174/23b82212e59eefab95cf832aba4d828d/18_14_0049-28-_esv-prof--dr-- heinz-rothgang-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Volkssolidarität Bundesverband e. V. Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 24. September 2014, Ausschussdrucksache 18(14)0049(2), S. 10, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/297192/7f840d96f4421eade29b126e69ae31ff/volkssolidaritaet-bundesverband-e--v--data.pd (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 20 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 24. September 2014, Ausschussdrucksache 18(14)0049(9) zur Anhörung am 24. September 2014 im Ausschuss für Gesundheit, S. 10, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/330048/3d1a6abdfb 0908a14bc026a23651ffe6/18_14_0049-9-_ver-di---vereinte-dienstleistungsgewerkschaft-e--v--pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 21 Volkssolidarität Bundesverband e. V. Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 24. September 2014, Ausschussdrucksache 18(14)0049(2), S. 9 ff, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/297192/7f840d96f4421eade29b126e69ae31ff/volkssolidaritaet-bundesverband -e--v--data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Sozialverbands Deutschland (SoVD), Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen durch den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 24. September 2014, Ausschussdrucksache 18(14)0049(8), S. 12, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/330046/30766dbd58e2380efa76ff283e66a195/18_14_0049-8-_sozialverbanddeutschland -e--v---sovd--pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Anhörung des Bundestagsausschusses für Gesundheit am 24. September 2014, Ausschussdrucksache 18(14)0049(31), S. 8, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/330408/1a65e3f879c98b084633506a7be59a04/18_14_0049-31-_deutscher-gewerkschaftsbund--dgb-- pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017) . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 8 auf diesem Wege dringend benötigtes Geld entzogen22. Ferner schlug der Bundesrat – letztlich ohne Erfolg - im Gesetzgebungsverfahren vor, die Mittel ebenso für einen noch zu schaffenden Ausbildungsfonds im Pflegebereich zu verwenden23. Die Deutsche Bundesbank gab bereits in ihrem Monatsbericht vom März 2014 zu bedenken, dass Rücklagen bei den Sozialversicherungen Begehrlichkeiten entweder in Richtung höherer Leistungsausgaben oder auch zur Finanzierung von Projekten des Bundes wecken könnten24. Auch wies die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Opposition vom 7. Mai 2014 lediglich auf den einfachgesetzlichen Schutz des Pflegevorsorgefonds hin25. Auftragsgemäß wird der Frage nachgegangen, ob die Mittel des nun bestehenden Fonds vor einer künftigen Änderung der Zweckbestimmung geschützt sind oder ob eine anderweitige Mittelverwendung in Folge von Gesetzesänderungen denkbar ist. Grundsätzlich kann der in § 132 in Verbindung mit § 136 SGB XI verankerte Zweck jederzeit durch den Bundesgesetzgeber geändert werden. Auf diesem Wege könnten die im Fonds angesparten Mittel in Gänze, also auch die zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung eingezahlten Mittel, anderweitig verwendet werden26. Dabei sind Änderungen der Zweckbestimmung insgesamt bzw. eine Erweiterung der jetzigen Zweckbestimmung um z. B. eine Mittelverwendung für Personalstellen27, also Modifizierungen der §§ 132 und 136 SGB XI, vorstellbar, während die Ansparphase fortgesetzt wird. Möglich ist es aber auch, 22 Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke., Menschenrecht auf gute Pflege verwirklichen – Soziale Pflegeversicherung solidarisch weiterentwickeln, BT-Drs. 18/1953 vom 1. Juli 2014, vor allem S. 3 und 5, abrufbar unter: http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/18/019/1801953.pdf (zuletzt abgerufen am 4. Oktober 207). 23 Siehe hierzu Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds, BR-Drs. 223/14 (Beschluss), hier zu Nr. 19, S. 29, abrufbar unter: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2014/0201-0300/223-14%28B%29.pdf?__blob=publication- File&v=1 (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017) sowie Unterrichtung durch die Bundesregierung, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Leistungsausweitung für Pflegebedürftige , Pflegevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz – 5. SGB XI-ÄndG), BT-Drs. 18/1798 vom 20. August 2014, S. 13 und 19, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/023/1802379.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 24 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2014, S. 10, abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte /2014/2014_03_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 25 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Reform der sozialen Pflegeversicherung – Aufbau eines Pflegevorsorgefonds, Drs. 18/1519 vom 23. Mai 2014, S. 7, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/015/1801519.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 26 Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass für einen gesetzlich bestimmten Zweck angesparte Finanzmittel in der Folge mittels Gesetzesänderung anderweitig verwendet wurden. Siehe hierzu Beispiele wie die Änderung des Besoldungsgesetzes in Niedersachsen, wonach eine durch Verzicht der Beamten auf Besoldungserhöhung geschaffene Versorgungsrücklage wieder dem Zugriff des Haushaltsgesetzgebers zugeführt wurde. Dies und weitere Beispiele in: Reuther, Florian, Ziel und Struktur einer geförderten Privaten Pflegezusatzversicherung, Gesundheit und Pflege (GuP), 2012, S. 90 (92 ff). 27 Für ein Beispiel einer Erweiterung der Zweckbestimmung siehe auch den Beschluss des Bundesrates unter Fn. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 9 alle Normen zum Pflegevorsorgefonds einschließlich der Regelung zur Ansparphase aufzuheben und die Verwendung der bis dahin eingezahlten Mittel gesondert gesetzlich zu regeln (z. B. zur Finanzierung zusätzlicher Personalstellen in der Pflege28). Denkbar ist darüber hinaus, die Regelungen zum Pflegevorsorgefonds nach den §§ 131 ff SGB XI neu zu fassen, in dem zwar ein Pflegepersonalfonds gebildet wird, aber auch die Ansparphase modifiziert wird29. Insoweit stellt sich aber die Frage, ob und inwieweit verfassungsrechtliche Gründe formeller und materieller Art schon einer bloßen Zweckumwidmung des derzeit bestehenden Pflegevorsorgefonds entgegenstehen . 3.1. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes Nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)30 erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung31 des Bundes 28 Dies könnte durch die Aufsetzung eines gesetzlich verankerten Förderprogramms erfolgen, durch das Personalstellen finanziert werden. Eine Zuführung dagegen zu den in § 63 SGB XI geregelten Betriebsmitteln der Pflegekassen hat zur Voraussetzung, dass die Finanzierung von Pflegepersonal zu den gesetzlichen Aufgaben der Pflegekassen zählt. Als gesetzliche Aufgaben definiert § 12 Absatz 1 Satz 1 SGB XI die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung. Da die Pflegekassen dazu nach § 77 Absatz 2 SGB XI bei Bedarf auch selbst Pflegekräfte anstellen können, kann eine Zuführung der bisherigen Mittel aus dem Pflegevorsorgefonds zu den Betriebsmitteln in Betracht gezogen werden. Die Betriebsmittel werden aber auch für die sonstigen Ausgaben der Pflegekassen verwendet. Eine alleinige Verwendungsmöglichkeit der bis zu einer Gesetzesänderung im derzeitigen Personalvorsorgefonds angesparten Mittel für Personalkosten dürfte daher fraglich sein. Zu den Betriebsmitteln siehe Baierl in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 63 Rn. 14 ff. 29 Als Beteiligte für die Ansparung der Mittel kämen neben den Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, die Bundesländer und die private Pflegeversicherung in Betracht. Siehe hierzu sowie zum Vorschlag eines Übergangszeitraums für die Verwendung der Mittel aus einem Pflegepersonalfonds bis zum 30. Juni 2020 zur Finanzierung für neu eingestelltes Personal in stationären Einrichtungen und einer sich daran anschließenden Subventionierung des Personalausbaus bzw. einer Reduzierung der Eigenanteile der Pflegebedürftigen Greß, Stefan/Stegmüller, Klaus, Gesetzliche Personalbemessung in der stationären Altenpflege, pg-papers 01/2016, S. 32, abrufbar unter: http://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/368 (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). In Österreich wurde im Jahr 2011 ein Pflegefonds eingerichtet. Der österreichische Pflegefonds ist ein Zweckzuschuss an die Länder zur Sicherung und zum bedarfsgerechten Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes in der Langzeitpflege. Ziel ist die Verbesserung des Pflegeangebotes sowie die Finanzierung von qualitätssichernden Maßnahmen und innovativen Projekten. Näheres dazu siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Pflegevorsorge in Österreich, Leistungen, Finanzierung und Ausgaben, Ausarbeitung, WD 9 – 3000 – 077/16 vom 7. Februar 2017, ab S. 33 ff, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/527414/7ef76be36495db95d506ac0df715c2a4/wd-9-077-16-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 30 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist. 31 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder nach Artikel 72 Absatz 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Das heißt, gebraucht der Bund rechtmäßig seine Zuständigkeit zur Gesetzgebung, tritt eine Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung ein. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 10 auf das Gebiet der Sozialversicherung, zu der nach § 1 Absatz 1 SGB XI auch die soziale Pflegeversicherung gehört. Unstreitig ist, dass sich diese Gesetzgebungskompetenz auch auf die Regelungen der Finanzierung der Sozialversicherung erstreckt32. Mit dem Pflegevorsorgefonds wird das umlagefinanzierte Pflegeversicherungssystem um ein kapitalgedecktes Element erweitert33. Da sich der Verfassungsgeber bei der Finanzierung der Sozialversicherung nicht auf ein bestimmtes Finanzsystem (Umlage- bzw. kapitalgedeckte Finanzierung) festlegen wollte34, unterfällt auch die Einrichtung des Pflegevorsorgefonds der Gesetzgebungskompetenz des Bundes35. Änderungen dieser Regelungen unterliegen also ebenso der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 GG, wenn sich eine anderweitige Verwendung der Mittel aus dem Pflegevorsorgefonds im System der Sozialversicherung und nicht des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs bewegt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellt fest: „Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ist ausgeschlossen.“36 3.2. Eigentumsgarantie nach Artikel 14 GG Das Grundrecht in Artikel 14 GG schützt das Eigentum als vermögenswertes Gut eines Rechtsträgers . Die Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nach § 46 Absatz 2 Satz 1 SGB XI und können sich daher als Teil der Staatsverwaltung nicht auf das Grundrecht auf Eigentum berufen37. Die Versicherten bzw. Beitrags zahler können sich auf Artikel 14 GG berufen, wenn ihnen die in den Pflegevorsorgefonds bereits eingezahlten Beträge eine Rechtsposition verschaffen würden, die der eines Eigentümers 32 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF2/01 in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2006, 559 (560), Beschluss auch abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2005/07/fs20050718_2bvf000201.html (insbesondere Rz. 83, zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Degenhart in: Sachs, GG, 7. Auflage 2014, Artikel 74 Rn. 57, 59. 33 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 131 Rn. 1. 34 Butzer, Hermann, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 206, dort insbesondere Fn. 315; Schulin, Bertram, Die soziale Pflegeversicherung des SGB XI – Grundstrukturen und Probleme in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 1994, 433 (434). 35 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 131 Rn. 15. 36 BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 – 2 BvR 909/82 in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1987, 3115 (3116), Beschluss auch abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv075108.html (Rz. 168, zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017). 37 BVerfG, Beschluss vom 20. September 1995 – 1 BvR 597/95 in: NJW 1996, 1588; Papier in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 14 Rn. 206; Bassen in: Udsching, SGB XI, 4. Auflage 2015, Vorbemerkung zu §§ 131-139 Rn 8; Altmiks in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 136 Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 11 entspricht38. In dem Fall wäre das durch die Beiträge aufgebaute Sondervermögen vom Schutzbereich des Artikels 14 GG umfasst. Zu den von der Eigentumsgarantie geschützten Rechtspositionen können auch öffentlich-rechtliche Ansprüche und Anwartschaften gehören39. Sie unter fallen dem Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die „nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen “40. Die Beiträge fließen dem Pflegevorsorgefonds nur unspezifisch zu, so dass der „einzelne Versicherte kein individualisierbares ‚Pflegevorsorgekonto‘ aufbaut, aus dem ihm Rechte erwachsen , die ihm privatnützig zugeordnet werden können. Außerdem wird kein konkreter Leistungsgegenstand finanziert, vielmehr sollen die Mittel die demografische Entwicklung in der Pflegeversicherung in der Zukunft beitragsregulierend beeinflussen. Demnach ist die Rechtsposition des Versicherten nur schwerlich mit der eines Eigentümers vergleichbar.“41 In der Literatur wird teilweise auch vertreten, dass pflegeversicherungsrechtliche Ansprüche generell nicht dem Eigentumsschutz unterfallen, da es an einer Äquivalenz zwischen der Höhe des Beitrags und der Höhe der Leistung fehle42. Höhere Beiträge haben nicht höhere Leistungen zur Folge. Unabhängig davon wären Eingriffe in das Recht auf Eigentum aufgrund übergeordneter öffentlicher Interessen, „die dem Erhalt der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Sozialsystems dienen“, möglich43. Dies ist vor dem Hintergrund, dass dem Gesetzgeber innerhalb der Sozialversicherung eine große Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird, zu sehen44. Daher sind auch finanzielle Verlagerungen auf andere Sozialversicherungsträger denkbar45. Bedenken könnten allenfalls bei einer sozialversicherungsfremden und unverhältnismäßigen Verwendung der Mittel 38 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 7. 39 Als Beispiel für eine solche Rechtsposition, die dem Schutzbereich des Artikel 14 GG unterfällt, seien hier Rentenanwartschaften genannt, vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 BvR 713/13 in: NJW 2017, 876. 40 BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1998 – 1 BvR 1318/86 und 1 BvR 1484/86 in: NJW 1998, S. 3109, auch abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/1998/02/rs19980218_1bvr131886.html (Rz. 60, zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Altmiks in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 136 Rn. 16; Axer in: BeckOnline Kommentar GG, 34. Edition, Stand August 2017, Artikel 14 Rn. 56. 41 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 8. So auch Bassen in: Udsching, SGB XI, 4. Auflage 2015, Vorbemerkung zu §§ 131-139 Rn. 8. 42 Axer, Peter/Wiegand, Britta, Eigentumsschutz und Vertrauensschutz in der sozialen Pflegeversicherung in: Die Sozialgerichtsbarkeit (SGB) 2015, 477 (479). 43 Dies hat das BVerfG für die entsprechende Konstellation von Rentenpositionen mehrfach entschieden; siehe z. B. BVerfG, Urteil vom 28, Februar 1980 - 1 –BvL 17/77 in: NJW 1980, 692 (693); 44 Papier in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 14 Rn. 138; Wendt in: Sachs, GG, 7. Auflage 2014, Artikel 14 Rn. 119, 141. 45 Bassen in: Udsching, SGB XI, 4. Auflage 2015, Vorbemerkung zu §§ 131-139 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 12 bestehen46. Einen legitimen und angemessenen Zweck hat das BVerfG beispielsweise darin gesehen, dass durch die Maßnahme die Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Sozialleistungssystems „im Interesse aller erhalten, verbessert und veränderten wirtschaftlichen Bedingungen“ angepasst wird47. Demnach steht Artikel 14 GG einer Gesetzesänderung mit dem Ziel der Umwidmung der Fondsmittel im Sinne einer anderweitigen sozialversicherungsrechtlichen Nutzung nicht entgegen. 3.3. Vertrauensschutz nach Artikel 20 Absatz 3 GG Aus dem in Artikel 20 Absatz 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip wird das Prinzip des Vertrauensschutzes hergeleitet48. Gesetzesänderungen können daher im Einzelfall gegen die Verfassung verstoßen, wenn der Bürger auf die gegenwärtige Rechtslage in schützenswerter Weise vertrauen kann. Änderungen der Rechtslage für Sachverhalte der Zukunft49 werden grundsätzlich als nicht schutzwürdig eingeordnet, da der Bürger nicht ohne Weiteres auf den Fortbestand der gegenwärtigen Rechtslage vertrauen kann50. Andernfalls würde die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig verkürzt51. Entsprechend wird gefolgert: „Sollte die Zweckrichtung des Vorsorgefonds bereits in der Ansparphase, etwa erst mit Wirkung für die Auszahlungsphase (also die Zukunft) abgeändert werden, bestünden demnach keine Beschränkungen.“52 Etwas Anderes gelte nur, wenn der Gesetzgeber mit einer Regelung einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat53. Einen solchen Vertrauenstatbestand in der Zweckbestimmung nach § 132 in Verbindung mit § 136 SGB XI zu sehen, wonach konkrete Festlegungen für die Zukunft ab dem Jahr 2035 getroffen wurden, wird in der Literatur abgelehnt54. Die Regelungen über den Vorsorgefonds sollten gerade keine Individualansprüche schaffen, sondern der Beitragsstabilität 46 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 8; Bassen in: Udsching, SGB XI, 4. Auflage 2015, Vorbemerkung zu §§ 131-139 Rn. 8; siehe hierzu auch Gliederungspunkt 3.1. 47 BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 1 BvL 10/00 in: Juristische Schulung (JuS) 2007, 787 (788). 48 Grzesizick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 20 Rn. 69. 49 In diesen Fällen – eine Rechtsnorm entfaltet erstmalig oder veränderte Rechtswirkungen nur für die Zukunft, erfasst aber Sachverhalte und Rechtsbeziehungen, die bereits vor ihrer Verkündung entstanden sind – wird von unechter Rückwirkung gesprochen. Im Gegensatz dazu spricht man von echter Rückwirkung, wenn ein Gesetz vor seiner Verkündung bereits abgeschlossene Rechtsbeziehungen nachträglich veränderten Bedingungen unterwirft . Letzteres ist im Interesse des Vertrauensschutzes nachteilig Betroffener grundsätzlich unzulässig. Siehe hierzu Grzesizick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 20 Rn. 76 ff. 50 Grzesizick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 20 Rn. 71. 51 Sachs in: Sachs, GG, 7. Auflage 2014, Artikel 20 Rn. 139. 52 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 9. 53 Vgl. allgemein zum Vertrauenstatbestand: BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96, Rz. 96 ff, abrufbar unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2000/03/ls20000315_1bvl001696.html (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017); Grzesizick in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Artikel 20 Rn. 71. 54 Altmiks in: Schlegel/Voelzke, JurisPraxiskommentar, SGB XI, 2. Auflage 2017, § 136 Rn. 20; Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 045/17 Seite 13 dienen. Zudem gehe das BVerfG nur in seltenen Fällen von einem Vertrauenstatbestand bei zukünftig wirkenden Gesetzesänderungen aus, etwa, wenn Bürger bereits Dispositionen im Vertrauen auf die geltende Rechtslage getätigt hätten. Im Fall des Pflegevorsorgefonds gelte: „Die einzelnen Versicherten treffen jedoch gerade keine Dispositionen, sie zahlen vielmehr lediglich ihre Beiträge. Dass diese sich (leicht) erhöhen, fällt unter dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel nur schwach ins Gewicht.“55 Danach steht auch der Vertrauensschutz einer gesetzlichen Umwidmung der Fondsmittel während der Ansparphase nicht entgegen. 4. Rechtliche Absicherung der Fondsmittel In der Literatur wird zum Teil diskutiert, dass ein künftiger Zugriff auf Fondsmittel durch Verankerung des Fonds im GG verhindert bzw. deutlich erschwert werden könnte. Auf diesem Wege könnten die Mittel nicht mehr durch einfaches Bundesrecht entzogen werden56. Änderungen im GG bedürfen nach Artikel 79 Absatz 2 GG einer Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Im Falle des Pflegevorsorgefonds schlägt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände z. B. eine Absicherung der Fondsmittel durch Treuhandverträge vor. Solche Verträge würden zwischen der Bundesbank als Treuhänder und dem Bundesversicherungsamt als Treugeber abgeschlossen. „Durch eine Verwaltungstreuhand müsste gewährleistet werden, dass die der Bundesbank zur Verwaltung übertragenen Mittel ausschließlich und unwiderruflich zur künftigen Stabilisierung der Beitragssatzentwicklung in der Pflegeversicherung verwendet werden dürfen, und durch eine Sicherungstreuhand sollte zudem gewährleistet werden, dass der GKV-Spitzenverband – stellvertretend für die Mitglieder der Pflegeversicherung – entsprechend der definierten Vorgaben einen Anspruch auf Auszahlung der angesparten Mittel hat.“57 Solche Möglichkeiten – Verankerung im GG bzw. Absicherung durch Treuhandverträge – wären ebenso bei einer veränderten Nutzung der Fondsmittel und der Frage ihrer Absicherung in Betracht zu ziehen. *** 55 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 10. 56 Rolfs in: Hauck/Noftz, SGB XI, Werksstand Dezember 2015, § 132 Rn. 9. 57 Hansen, Volker, BDA, Pflegeversicherung immer weniger zukunftsfest! in: Highlights Magazin, Reform der Pflegeversicherung (I), Das Onlinemagazin zur Gesundheitspolitik, Ausgabe 09/14, S. 16 (18), abrufbar unter: http://www.letv-verlag-gesundheitspolitik.de/letv/highlights_magazin?pagecount=11 (zuletzt abgerufen am 24. Oktober 2017).