WD 9 - 3000 - 044/17 (10. Oktober 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Vollzeitpflege steht an der Schnittstelle zwischen Familien- und Jugendhilferecht und damit zwischen privatem und öffentlichem Recht.1 Dabei regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)2 vor allem die damit zusammenhängenden familienrechtlichen Fragen wie die sorge- und umgangsrechtlichen Verhältnisse zwischen Eltern, Pflegeeltern und Kind. Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe)3 beschreibt die Formen der Vollzeitpflege und die Ausgestaltung der Beziehungen zum Jugendamt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Fragen, die durch Vorschriften in beiden Gesetzeswerken geregelt werden. Vollzeitpflege kann freiwillig in Anspruch genommen werden, und sie kann infolge eines familiengerichtlichen Entzugs der elterlichen Sorge oder als Unterbringung bei der Krisenintervention im Rahmen einer Inobhutnahme eingeleitet werden. Es gibt eine Reihe von Gestaltungen: als Kurzzeit-, Langzeit- oder Dauerpflege, als Verwandten- oder Fremdpflege, als Bereitschaftspflege , in sozial-, sonder- und heilpädagogischen Pflegestellen oder in Erziehungsstellen. In rechtlichen Kategorien unterscheidet man Vollzeitpflege - als Hilfe zur Erziehung (§§ 27,33 u. a. SGB VIII) - als Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII) - als Hilfe für junge Volljährige (§§ 41, 33 u. a. SGB VIII) 1 Vgl. dazu: Handbuch Pflegekinderkinderhilfe, hg. von Heinz Kindler u. a., München, Deutsches Jugendinstitut 2011, hier Teil B1: Rechtliche Grundlagen und Formen der Vollzeitpflege, S.3. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787). 3 Das Achte Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Regelungen zur Vollzeitpflege und zur Inobhutnahme Kurzinformation Regelungen zur Vollzeitpflege und zur Inobhutnahme Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 - im Rahmen eines privaten Pflegeverhältnisses (§§ 1688 BGB, ggf. §44 SGB VIII) - im Rahmen einer Inobhutnahme (§ 42 oder §§ 27, 33 SGB VIII) oder - als Adoptionspflege (§§1744ff. BGB)4. Ist eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet , gewährt § 27 SGB VIII den Eltern einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung. Eine solche Hilfe kann u. a. durch Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII gewährt werden. Die Vollzeitpflege soll – dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen entsprechend – eine Verbesserung der Erziehungsbedingungen außerhalb der Herkunftsfamilie herstellen. Die Vollzeitpflege nimmt in der Reihe der Hilfen zur Erziehung insofern eine Sonderrolle ein, als sie im privaten Raum unter Beteiligung des Jugendamtes stattfindet und in der Regel von Personen erbracht wird, die keine Ausbildung für diese Tätigkeit besitzen5. Nach § 44 SGB VIII bedürfen die Pflegepersonen (wenn die Vollzeitpflege nicht durch das Jugendamt selbst vermittelt wird) einer Erlaubnis durch das Jugendamt. Die einzige Bedingung dafür ist die erforderliche Eignung, die sich am Wohl des Kindes oder des Jugendlichen orientiert und die im Einzelfall geprüft wird. Nach gängiger Auslegung – und unter Berücksichtigung ergänzender landesrechtlicher Vorschriften – setzt eine Eignung passende äußere Rahmenbedingungen ebenso voraus wie die persönliche Eignung einer Pflegeperson. Zu den äußeren Rahmenbedingungen zählen aus-reichende kindgerechte Räumlichkeiten sowie stabile wirtschaftliche und familiäre Verhältnisse; zu den Anforderungen an die Persönlichkeit gehören erzieherische Kompetenz und Erfahrung, Reflexionsfähigkeit (Toleranzbereitschaft) sowie die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Kooperation mit dem Jugendamt, der Herkunftsfamilie und allen am Pflegeverhältnis Beteiligten 6. Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie, so ist die Pflegeperson nach § 1688 BGB berechtigt, über Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge zu vertreten. Zudem kann das Jugendamt nach § 42 SGB VIII ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut nehmen und bei einer Privatperson, in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform vorläufig unterbringen, wenn dies erforderlich ist. Die Voraussetzungen dafür können sein, dass das Kind um Obhut bittet oder dass eine dringende Gefahr für sein Wohl besteht und eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig ergehen kann bzw. die Sorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht widersprechen. Eine weitere Voraussetzung für eine Inobhutnahme kann sein, dass ein Kind oder Jugendlicher unbegleitet aus dem Ausland nach Deutschland kommt und sich dort weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte aufhalten. An die Eignung sind dieselben Anforderungen 4 Zur Adoptionspflege vgl.: „Adoption“, Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, WD 7-122/17 vom 28. September 2017. 5 Vgl. Nellissen zu Verwaltungsgericht Regensburg, 4. Kammer, Urteil vom 10. November 2015 – RO 4 K 15.287 in: juris PraxisReport Sozialrecht (PR-SozR) 10/2016, Anmerkung 6. 6 Vgl. Stähr in: Hauck/Noftz SGB VIII, Stand Dezember 2014, § 33, Rn. 20-21. Kurzinformation Regelungen zur Vollzeitpflege und zur Inobhutnahme Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 zu stellen wie bei den Pflegepersonen nach § 33 SGB XIII7. Die Pflegepersonen sind ebenfalls nach § 1688 Absatz 1 BGB analog berechtigt, Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge zu vertreten8. *** 7 Einer Einrichtung oder Wohnform muss dagegen eine Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII erteilt worden sein, vgl. Bohnert in: Hauck/Noftz SGB VIII, Stand Mai 2016, § 42, Rn. 29. 8 Bohnert in: Hauck/Noftz SGB VIII, Stand Mai 2016, § 42, Rn. 30.