© 2018 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 043/18 Informationen zur Schließung von Krankenhäusern während der letzten Jahre sowie zur Schließung von Geburtshilfeabteilungen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 2 Informationen zur Schließung von Krankenhäusern während der letzten Jahre sowie zur Schließung von Geburtshilfeabteilungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 043/18 Abschluss der Arbeit: 10. August 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Zur Entwicklung der Zahl der Krankenhäuser 4 2.1. Daten zur Zahl der Krankenhäuer und Betten 4 2.2. Gutachten zu Marktaustritten von Krankenhäusern 5 2.3. Zur Diskussion über die aktuelle Entwicklung 6 3. Zur Frage nach der Schließung von Geburtshilfestationen 7 3.1. Zahlenmaterial 7 3.2. Stellungnahmen 8 3.3. Lösungsansätze 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Die Sicherstellung einer flächendeckenden gut erreichbaren Versorgung im Gesundheitsbereich auf qualitativ hohem Niveau ist der Bundesregierung ein zentrales Anliegen. Dementsprechend haben die Koalitionäre im Koalitionsvertrag 2018 festgehalten: „Zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören für uns … auch eine wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort“; vgl. Ein neuer Aufbruch für Europa, Eine neue Dynamik für Deutschland, Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode , 12. März 2018, https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen /2018/03/2018-03-14-koalitionsvertrag.pdf;jsessionid =F051538B0F20BD572B8A036868FBFCD2.s5t2?__blob=publicationFile&v=6. Wesentliche Rechtsgrundlagen auf Bundesebene zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Krankenhäusern ist das Krankenhausfinanzierungsgesetz1. Darüber hinaus ist – mit dem Ziel, die stationären Einrichtung bedarfsgerecht zu unterstützen – am 1. Januar 2016 das Krankenhausstrukturgesetz2 in Kraft getreten. Die tatsächliche Sicherstellung der bedarfsgerechten stationären Versorgung ist jedoch Aufgabe der Länder, die jeweils die gesetzlichen Grundlagen in den Landeskrankenhausgesetzen regeln. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels auf der einen Seite und einer zunehmenden Urbanisierung andererseits wird seit mehreren Jahren diskutiert, ob Krankenhausschließungen und -zusammenlegungen, die häufig auf Grund von Auslastungsproblemen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfolgen, der richtige Weg sind. Dabei geht es auch um die Frage, inwieweit dies Raum schaffen kann für mehr Zentralisierung und Spezialisierung ober ob diese Strukturveränderungen nicht doch die wohnortnahe Versorgung gerade in ländlichen Gebieten gefährden. Diese Sorge wird in besonderer Weise im Hinblick auf die vielen Schließungen von Geburtshilfestationen geäußert. 2. Zur Entwicklung der Zahl der Krankenhäuser 2.1. Daten zur Zahl der Krankenhäuer und Betten Die Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes enthält Daten zur Entwicklung der Anzahl der Krankenhäuser und der Bettenzahlen für die Jahre 1991 bis 2016. Erfasst werden die Zahlen für ganz Deutschland sowie für die einzelnen Bundesländer, Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser, Fachserie 12, Reihe 6.1.1 – 2016, https://www.destatis .de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Krankenhaeuser/GrunddatenKrankenhaeuser .html;jsessionid=1221D655DA95DB1000B5A7DAB6BE991D.InternetLive2.3 Die Übersicht zeigt, dass sich die Zahl der Krankenhäuser stetig reduziert hat, von 2411 im Jahr 1991 auf 1951 1 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581). 2 Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2229. 3 Diese und die weiteren zitierten Fundstellen wurden zuletzt am 10. August 2018 abgerufen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 5 im Jahr 2016. Entsprechend haben sich die Zahlen in den einzelnen Bundesländern entwickelt, lediglich in Hamburg und in Schleswig-Holstein ist die Zahl der Krankenhäuser geringfügig gestiegen (in Hamburg von 42 auf jetzt 54, in Schleswig-Holstein von 103 auf jetzt 108). Bundesweit gesunken ist auch die Anzahl der aufgestellten Betten von rd. 666.000 im Jahr 1991 auf rd. 499.000 im Jahr 2016. Einen vergleichsweise geringen Rückgang gibt es in Schleswig-Holstein und in Hamburg sowie in Rheinland-Pfalz. Hier liegt der Rückgang bei 12,9 Prozent während er z.B. in Nordrhein-Westfalen rd. 25 Prozent beträgt. Eine weitere Übersicht des Statistischen Bundesamtes stellt für die Jahre 2003 bis 2012 jeweils die Anzahl der in Deutschland geschlossenen Krankenhäuser und die Summe der Betten der geschlossenen Krankenhäuser gegenüber, Statistisches Bundesamt, Geschlossene Krankenhäuser und eingebüßte Bettenkapazität in Deutschland in den Jahren von 2003 bis 2013, https://de.statista .com/statistik/daten/studie/319998/umfrage/geschlossene-krankenhaeuser-und-eingebuesstebettenkapazitaet -in-deutschland/. Danach wurden in diesem Zeitraum insgesamt 74 Krankenhäuser geschlossen. Entwicklungen im Detail innerhalb eines Bundeslandes lassen sich in den statistischen Berichten der Länder nachvollziehen, so z.B. für Nordrhein-Westfalen in jeweiligen Jahresberichten, z.B. für 2016: Landesbetrieb NRW Information und Technik, Geschäftsbereich Statistik: Statistische Berichte, Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen , https://webshop.it.nrw.de/gratis/A419%20201600.pdf (hier sind im Tabellenteil 1 die Zahl der Krankenhäuser sowie die der Betten nach Regierungsbezirken für alle Kreise und kreisfreien Städte aufgeführt, entsprechende Zahlen gibt es für die vorangegangen Jahre). Die Entwicklung der Krankenhausversorgung ist auch Gegenstand der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft veröffentlichten Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung in den Bundesländern – Stand: März 2017 -, https://www.dkgev.de/media /file/47471.2017-04-18_PM-Anlage-DKG-Bestandsaufnahme_Krankenhausplanung_Investitionsfinanzierung .pdf. Diese Veröffentlichung enthält neben einer Übersicht zur Entwicklung der Krankenhaus- und Bettenzahlen u.a. einen Vergleich zur Entwicklung der Trägerschaft der Krankenhäuser (S. 31), erläutert die unterschiedlichen Methoden zur Krankenhausplanung und erläutert die Krankenhausplanungen auch in den einzelnen Bundesländern. Der AOK Krankenhausreport 2018 befasst sich ebenfalls mit den grundlegenden Fragen der aktuellen Krankenhausversorgung. Schwerpunktthema des Berichts ist „Bedarf und Bedarfsgerechtigkeit “ (der Bericht wird zitiert in der Pressemitteilung der AOK, Krankenhausreport 2018 – Krankenhausstrukturen in Deutschland müssen zentralisiert werden, Pressekonferenz am 19. März 2018, http://aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2018/02__pressemitteilung _pk_khr_2018.pdf). Der Bericht enthält umfassendes Datenmaterial zum Stand der stationären Versorgung, zu Über- und Unterversorgung und erläutert diese auch an Beispielen einiger ausgewählter Fachrichtungen, wie z.B. der Notfallversorgung. 2.2. Gutachten zu Marktaustritten von Krankenhäusern Mit dem Thema der Krankenhausschließungen und deren möglichen Ursachen befasst sich ein Gutachten, das im Auftrag des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erstellt worden ist: Preusker, Uwe K., Müschenich, Markus, Preusker, Sven, Darstellung und Typologie Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 6 der Marktaustritte von Krankenhäusern, Deutschland 2003 – 2013, Mai 2014, zu Inhaltsverzeichnis und Zusammenfassung, S. 1-8), https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung _1/krankenhaeuser/gutachten_marktaustritt_krankenhaeuser/Gutachten_Marktaustritte _KH_07-2014_Textteil.pdf Anlage 1. Das Gutachten gibt einen Überblick über Krankenhausschließungen bzw. sog. „Marktaustritte“ und differenziert dabei danach, ob Einrichtungen vollständig geschlossen wurden oder aber fusioniert haben bzw. ihr Standort verlagert wurde. Die Analyse habe – so wird in dem Gutachten ausgeführt - ergeben, dass die offizielle Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes im Hinblick auf den dort festgestellten Rückgang der Zahlen relativiert werden müsse und dass sich vor allem gezeigt habe, dass von Schließungen gerade nicht der – wie vielfach befürchtet – dünn besiedelte ländliche Raum betroffen sei (S. 5-7). Die Ursachen für Marktaustritte lassen sich damit sechs Fallgruppen zuordnen: Langfristige Belegungsprobleme führen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und in der Folge zu Schließungen Schlechte Auslastung führt zu Schließung nach Privatisierung durch einen großen Klinikbetreiber Schlechte Auslastung führt ins Insolvenzverfahren und dann zur Schließung Wirtschaftliche Schwierigkeiten führen zur Kapazitätsreduktion, nach kurzfristig verbesserter Auslastung bei hohen Fixkosten droht die Schließung Marktaustritte durch Vorgaben der Landeskrankenhausplanung Schließung von Kleinst-Krankenhäusern. 2.3. Zur Diskussion über die aktuelle Entwicklung Der ehemalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, äußerte sich 2015 zur Frage der Krankenhausversorgung und brachte zum Ausdruck, er rechne in der Zukunft mit der Schließung kleiner Kliniken; vgl. Patientenbeauftragter Laumann rechnet mit Krankenhaus- Schließungen, in: Zeit-Online vom 9. Juli 2015, https://www.zeit.de/news/2015-07/09/gesundheit -patientenbeauftragter-laumann-rechnet-mit-krankenhaus-schliessungen-09005010. Die Gesundheitsministerin von Rheinland-Pfalz, Sabine Bätzing-Lichtenthaler, sieht ebenfalls die Gefahr der Schließung von Krankenhäusern, betont aber, der anstehende Strukturwandel müsse so gestaltet werden, dass die Versorgungssicherheit immer gewährleistet bleibe; vgl. Strukturfonds führt zu ersten Krankenhausschließungen, in: aerzteblatt.de vom 7. August 2017, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77462/Strukturfonds-fuehrt-zu-ersten-Krankenhausschliessungen . Aus Sicht der Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann, Die Linke., ist durch die Krankenhausschließungen die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen gefährdet. Längere Wege könnten für den Einzelnen lebensbedrohlich sein, s.: Bundesweit immer weniger Krankenhäuser, in: Zeit-Online vom 8. Februar 2018; s https://www.zeit.de/news/2018-02/08/bundesweit-immerweniger -krankenhaeuser-180208-99-979507. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 7 Demgegenüber wird im AOK-Krankenhausreport 2018 ausgeführt, Deutschland verfüge im internationalen Vergleich durchaus über eine flächendeckende Krankenhausversorgung (S. 80) und gerade auch die Krankenhausdichte ist außerordentlich hoch. So könne man etwa wegen der vergleichsweise gleichen Fläche und gleichen Einwohnerzahl die Niederlande mit Nordrhein-Westfalen gegenüberstellen, hier verfügten die Niederlande über 130 Krankenhäuser und Nordrhein- Westfalen über rd. 400 (AOK-Krankenhausreport S. 103). Der AOK-Bundesverband schlägt im Übrigen ein gemeinsames „Zielbild 2025“ vor, um festzulegen , wie die stationäre Versorgung zum Ende der nächsten Wahlperiode aussehen sollte Dabei sei nicht notwendig die Zahl der Kliniken im Blick zu halten, sondern sicherzustellen, dass künftig Kliniken mit mehr als 500 Betten die Regel und nicht die Ausnahme darstellen, vgl. AOK Bundesverband , Pressekonferenz zum Krankenhaus-Report 2018, AOK-Bundesverband und Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), 19. März 2018, http://aok-bv.de/imperia /md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2018/02__pressemitteilung_pk_khr_2018.pdf. 3. Zur Frage nach der Schließung von Geburtshilfestationen 3.1. Zahlenmaterial Die Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes erfasst regelmäßig auch die Bettenzahlen für die Fachabteilungen Frauenheilkunde und Geburtshilfe; vgl. Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, aktuell abrufbar unter www.gbe-bund.de. Die Übersicht zu den Zahlen für die Jahre 1995 bis 2016 deutschlandweit und in den Bundesländern zeigt, dass sich die Gesamtanzahl fast halbiert hat, von 57.800 im Jahr 1995 auf 30.128 im Jahr 2016. Dieser Trend spiegelt sich im Grundsatz in allen Bundesländern wider. Darüber hinaus erfasst das Statistische Bundesamt gemeinsam mit den Statistischen Ämtern der Länder die Zahlen für alle Kreise und kreisfreien Städte im Bundesgebiet ; verfügbar sind derzeit die Daten für die Jahre 2004, 2006, 2008 und 2010 bis 2015, s. www.regionalstatistik.de. Eine weitere Übersicht zu den Bettenzahlen in den einzelnen Bundesländern mit Zahlen zur Entwicklung auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte enthält die Tabelle der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, Deutschland 2018, s. https://www.regionalstatistik .de/genesis/online/data;jsessionid=8872A068479694D1130048D57C1747CF.reg1?operation =abruftabelleAbrufen&selectionname=23111-01-04-4&levelindex=1&levelid =1533885962838&index=3. Vergleicht man die Zahl der Betten im Bereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe für 2004 und 2015, so zeigt sich der gleiche Trend vielfach auf der Ebene der Kreise und zum Teil etwas geringer in den kreisfreien Städten (Beispiel Schleswig-Holstein: Landkreis Nordfriesland von 64 Betten auf 35 im Jahresdurchschnitt, in der Landeshauptstadt Kiel Reduzierung von 182 auf 119 Betten), zum Teil sind die Rückgänge auch geringer (Beispiel Nordrhein-Westfalen: Köln von 650 auf 528 Betten und im Landkreis Kleve von 168 auf 100 Betten ). Weitere Informationen zur Entwicklung der Zahl der Geburtshilfeabteilungen und zum Stand der wohnortnahen Versorgung enthält die Antwort der Bundesregierung vom 25. April 2018 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther u.a. und der Fraktion Bündnis Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 8 90/Die Grünen vom 27. April 2018, Angebote für klinische und außerklinische Geburtshilfe in Deutschland, BT-Drs 19/1924. Anlage 2 Das Bundesministerium für Gesundheit äußert sich neben den Hinweisen auf die aktuelle Datenlage u.a. zu den Ursachen für die Schließung von Geburtshilfestationen (s. Frage und Antwort Nr. 5) sowie zu den Kriterien, nach denen die Krankenhausplanung in der Ländern jeweils durchgeführt wird (Frage und Antwort Nr. 8). 3.2. Stellungnahmen Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) hat am 20. Januar 2018 in Berlin ein Neujahrsgespräch zum Thema Sicherstellung der klinischen geburtshilflichen Versorgung in Deutschland durchgeführt, s. die Pressemitteilung der DGGG, https://www.dggg.de/presse-news/pressemitteilungen/mitteilung/neujahrsgespraech-sicherstellung -der-klinischen-geburtshilflichen-versorgung-in-deutschland-697/. Hintergrund dieser Veranstaltung war eine Blitzumfrage, die die DGGG an Geburtshilfestationen durchgeführt hatte. Diese betraf die Frage nach Gründen für die Abweisung von Schwangeren für die Geburt. In fast zwei Drittel der Fälle war dies auf einen Mangel an Hebammenbetreuung zurückzuführen, fast genauso hoch – Mehrfachnennungen waren möglich – war die Anzahl der Abweisungen wegen Überlastung der neonatologischen Station sowie wegen fehlender Raumkapazitäten. Der Deutsche Hebammenverband, der an diesem Gespräch auch teilgenommen hat, weist auf seiner Internetseite auf sein Kartenmaterial hin. Zum Einen ist dort eine Karte veröffentlicht, die zeigt, welche Kreißsäle seit 2015 geschlossen wurden, welche Schließungen aktuell drohen und welche vorübergehend geschlossen wurden. Zum anderen ist darüber hinaus auf den „Landkarten der Unterversorgung“ – deutschlandweit und für alle Bundesländer – vermerkt, wo genau Hebeammen und für welche Betreuung (z.B. Schwangerenvorsorge, Hausgeburt) Hebammen fehlen, s. Deutscher Hebammenverband, Gegen die Schließung von Kreißsälen, https://www.unsere-hebammen .de/mitmachen/unterversorgung-melden/. Beispiel Ortenaukreis/Baden-Württemberg Der Hebammenverband Baden-Württemberg berichtet aktuell von der geplanten Schließung einer Geburtshilfestation im Landkreis Ortenau; vgl. Schließung von Geburtshilfestation in der Ortenau geplant, 18. Juni 2018, https://www.hebammen-bw.de/schliessung-von-geburtshilfestation-inder -ortenau-geplant/. Dort ist für 2020 die Zusammenlegung zweier Geburtshilfeabteilungen in der Stadt Achern und in der Stadt Oberkirch geplant, mit der Folge, dass eine der beiden Geburtshilfestationen aufgegeben wird (Entfernung zwischen beiden Städten: rd. 13 km, der Ortenaukreis ist aber der flächengrößte Landkreis in Baden-Württemberg, d.h. beide Städte und deren Infrastruktur sind von entscheidender Bedeutung für eine ganze Reihe von Gemeinden im ländlichen Raum). Der Hebammenverband befürchtet, dass die beabsichtigte Schließung eine weitere Schwächung des ländlichen Raums vor Ort zur Folge hat. Die damit verbundenen längeren Wege stellten eine Gefährdung für die Gebärenden und ihre Kinder dar. Neben dem Risiko, ein Kind etwa auf einer Bundesstraße in unhygienischer Umgebung und ohne angemessene Versorgung zur Welt zu bringen, bestehe gerade im ländlichen Raum die Gefahr, unmittelbar vor der Geburt Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 9 bei Dunkelheit in schlecht beleuchtetem Gelände und vielleicht auch ohne Handyempfang unterwegs zu sein. Auch der häufig gemachte Vorschlag, rechtzeitig die Klinik aufzusuchen, helfe hier nicht weiter, weil eine Geburt eben nicht planbar sei und die Kliniken aus Kapazitätsgründen Schwangere, die sich offensichtlich noch nicht in der allerletzten Phase vor der Entbindung befänden , wieder nach Hause entließen. Inzwischen hat der Kreistag Ortenau entschieden. Am 24. Juli 2018 beschloss er, drei Kliniken (Ettenheim, Oberkirch und Kehl) zu schließen bzw. in Gesundheitszentren mit Notfallversorgung umzuwandeln; vgl. Klinikschließungen in der Ortenau beschlossen, 24. Juli 2018, https://www.hebammen-bw.de/schliessung-von-geburtshilfestation-in-der-ortenau-geplant/. Diese Entscheidung ist Teil des Konzepts zur Neuordnung der Klinikstruktur in der Ortenau (Agenda 2030), das zu einer „optimalen Verzahnung von stationären Klinikangeboten, Notfallversorgung und ambulanter Versorgung im Ortenaukreis“ führen soll; s. Ortenau-Klinikum, Zukunftsplanung Ortenau-Klinikum: Kreistag entscheidet sich für vier stationäre Standorte ab dem Jahr 2030, https://www.ortenau-klinikum.de/aktuelles/mitteilungen-veranstaltungen-und-kalender /aktuelle-mitteilung/zukunftsplanung-ortenau-klinikum-kreistag-entscheidet-sich-fuer-vierstationaere -standorte-ab-dem-jah/. 3.3. Lösungsansätze Das Bundesministerium für Gesundheit hat in seiner Antwort auf die oben unter 3.1 zitierte Kleine Anfrage – im Anschluss an eine Abfrage in den Bundesländern – einzelne Maßnahmen erwähnt, die in einigen Ländern zum Ausbau geburtshilflicher Kapazitäten ergriffen worden sind (Anlage 2, S. 8). Hierzu gehören vor allem: Die Erhöhung von Ausbildungskapazitäten (entsprechende Antworten von Berlin, Brandenburg , Hamburg und Schleswig-Holstein), Die Erweiterung der Kreißsaalkapazitäten in Berlin und Schleswig-Holstein sowie Speziell in Schleswig-Holstein sog. Boarding-Angebote für Schwangere mit Wohnort auf einer der Inseln, auf denen es keine Geburtshilfestationen (mehr) gibt: Finanzierung einer Unterkunft auf dem Festland ab zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin in der Nähe einer gut ausgebauten Geburtsstation durch die Krankenkasse, s. Petsch, Dörte, Riskante Geburten wegen Kreißsaal-Schließungen, in NDR.de vom 24. März 2015, https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Riskante-Geburten-wegen-Kreisssaal- Schliessungen-,kreissaal100.html. Die Verbände, die bei dem oben unter Gliederungspunkt 3.2 erwähnten Neujahrsgespräch am 20. Januar 2018 zusammen gekommen sind, sehen nach wie vor vor allem Bedarf, Bedingungen zu schaffen, die die Betreuung der Gebärenden durch Hebammen verbessern. Dazu sollten folgende Maßnahmen umgesetzt werden: Eine Hebamme soll maximal zwei Frauen gleichzeitig während der Geburt betreuen Entlastung der Hebammen von fachfremden Aufgaben Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, d.h. angemessene Vergütung und mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie Verbesserung des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit von Hebammen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/18 Seite 10 Jutta Eichenauer, die Vorsitzende des Hebammenverbandes Baden-Württemberg, ist der Ansicht, anstelle der Zentralisierung in großen Kliniken müssten kleine Stationen vorgehalten werden und es müsse eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen ermöglicht werden, s. den unter Gliederungspunkt 3.2 zitierten Beitrag Schließung von Geburtshilfestation in der Ortenau geplant , https://www.hebammen-bw.de/schliessung-von-geburtshilfestation-in-der-ortenau-geplant /. Sie führt hierzu als Beispiel die Situation in Kalifornien an, da sei die Eins-zu-eins-Betreuung gesetzlich geregelt. Studien hätten dort gezeigt, dass diese Betreuung der Schwangeren ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisteten und Risiken minimieren würde. ***