© 2016 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 043/16 Zur Diskussion eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 2 Zur Diskussion eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 043/16 Abschluss der Arbeit: 27. Juli 2016 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Arzthaftung 4 3. Zum Verlauf der parlamentarischen Diskussion 6 4. Rechtsgutachten und Entwurf eines Modells des Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds (PatEHF) für Schäden durch medizinische Behandlungen 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 4 1. Einleitung Seit einigen Jahren wird die Einführung eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds (PatEHF) diskutiert. Er soll geschädigten Patienten eine Entschädigung bieten, wenn keine haftungsrechtliche Möglichkeit dazu besteht. Diese Dokumentation beschreibt kurz die rechtlichen Grundsätze der Arzthaftung, bevor sie den aktuellen Stand der politischen Diskussion darstellt. Schließlich bietet sie eine Zusammenfassung eines aktuellen Rechtsgutachtens, das ein Modell zur Einführung eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds vorschlägt. 2. Arzthaftung Unter Arzthaftung wird die zivilrechtliche Verantwortlichkeit eines Arztes gegenüber seinem Patienten bei Verletzung der Sorgfaltspflichten verstanden1. Eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten können Behandlungsfehler, Aufklärungsfehler oder Organisationsfehler sein2. Die rechtliche Beziehung zwischen Arzt und Patient ist als privatrechtlicher Behandlungsvertrag nach den §§ 630 a ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)3 ausgestaltet, so dass sich die Haftung aus diesem Vertrag oder aus der sogenannten Deliktshaftung4 ergeben kann. Im Weiteren wird die vertragliche Haftung betrachtet. Rechtliche Grundlage für die Geltendmachung eines vertraglichen Schadensersatzes ist § 280 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Schadensersatz wegen Pflichtverletzung . Danach sind die Voraussetzungen für eine Arzthaftung: Verletzung einer Sorgfaltspflicht, das Vorliegen einer Rechtsgutverletzung in Form einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeeinträchtigung bis hin zum Tod (Schaden) die Verursachung der Rechtsgutverletzung durch die Verletzung der Sorgfaltspflicht (Kausalität ) sowie ein Verschulden. 1 Greiner in: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage 2014, Einleitung Rn. 1. 2 Quaas in Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Auflage 2014, § 14 Rn. 66. 3 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. Mai 2016 (BGBl. I S. 1190) geändert worden ist. 4 Die Deliktshaftung ist eine Haftung aus unerlaubter Handlung und in den §§ 823 ff BGB geregelt. Nach § 823 Absatz 1 BGB ist schadensersatzpflichtig, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit , die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Beide Haftungsansprüche – vertragliche sowie deliktische – bestehen nebeneinander und unterscheiden sich nicht wesentlich; Schadensersatz wird im Ergebnis einmal gewährt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 5 Das Kernproblem bei der Geltendmachung einer Arzthaftung stellt die Beweisführung dar5. Grundsätzlich hat jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Norm überzeugend darzulegen und im Streitfall zu beweisen6. Damit obliegt dem Patienten in der Regel die Beweislast 7. Eine Ausnahme macht § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB, in dem das Verschulden der Pflichtverletzung durch den Arzt vermutet wird. Für die Kausalität zwischen Verletzung der Sorgfaltspflicht und Schaden gilt grundsätzlich das strenge Beweismaß nach § 286 Zivilprozessordnung (ZPO)8. Danach muss das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob es eine Behauptung für wahr oder für nicht wahr hält. Es darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit zufrieden geben9. Der Beweis ist nach herrschender Meinung und Rechtsprechung geführt, wenn ein „für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit besteht, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“10. Die Voraussetzungen müssen „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nachgewiesen werden11. Die Beweisführung zur Kausalität ist im Arzthaftpflichtprozess besonders schwierig, da gesundheitliche Beeinträchtigungen des Patienten im Zuge einer medizinischen Behandlung auf Arztfehler zurückgehen können, aber auch auf der Krankheit selbst oder auf sonstigen Umständen beruhen können, für die der Arzt nicht haftbar gemacht werden kann12. Die Rechtsprechung hat Beweiserleichterungen und Beweislastumkehrungen zugunsten der Patienten entwickelt13, die mit dem Patientenrechtegesetz vom 20. Februar 201314 normiert worden sind - in folgenden wesentlichen Punkten: So greift bei der Kausalität zwischen Verletzung der Sorgfaltspflicht in Form eines Behandlungsfehlers und dem Schaden nach § 630c Absatz 5 BGB eine Beweislastumkehr, wenn ein grober Behandlungsfehler festgestellt ist. In diesem Fall muss der Arzt darlegen und beweisen, dass der eingetretene Schaden nicht auf seinem Fehler beruht. 5 Lafontaine/K.Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann, jurisPK-BGB Band 2, 7. Auflage 2014, § 630 h BGB Rn. 7; Katzenmeier in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 2. Auflage 2015; Kapitel XI: Beweisrecht, Rn. 46. 6 BGHZ 53, 245,250; Quaas in Quaas/Zuck Medizinrecht, 3. Auflage 2014, § 14 Rn. 109. 7 Katzenmeier in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 2. Auflage 2015; Kapitel XI: Beweisrecht, Rn. 50. 8 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 5. Juli 2016 (BGBl. I S. 1578) geändert worden ist. 9 Greiner in: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Auflage 2014, B. Haftung aus Behandlungsfehler, II. Kausalität, Rn. 190. 10 BGH NJW 1994, 801; BGH NJW 1989, 2948; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 12. Auflage 2013, Rn. 593; Greiner in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 839, Rn. 122. 11 vgl. Stellungnahmen für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten am 22.10.2012, S. 11. 12 Katzenmeier in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 2. Auflage 2015; Kapitel XI: Beweisrecht, Rn. 47. 13 BGHZ 159, 48; Katzenmeier in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 2. Auflage 2015; Kapitel XI: Beweisrecht, Rn. 51. 14 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 277. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 6 Auch im Fall der Behauptung einer unterlassenen Aufklärung ist der Arzt gemäß § 630h Absatz 2 BGB beweispflichtig. Er muss darlegen und beweisen, dass er seinen Patienten ordnungsgemäß und rechtzeitig aufgeklärt hat. Im Fall einer lückenhaften Dokumentation findet ebenfalls eine Beweislastumkehr nach § 630h Absatz 3 BGB zu Gunsten des Patienten statt. Dennoch verbleiben Fälle, in denen schwerwiegende Schädigungen von Patienten durch Arztfehler – etwa durch Aufklärungs- oder durch Behandlungsfehler – wahrscheinlich sind, aber nicht mit der für eine Arzthaftung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können15. Hier setzt die Diskussion um die Einführung eines PatEHF an. 3. Zum Verlauf der parlamentarischen Diskussion 2011 legten die Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg -Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz vor, das auch die Errichtung eines Härtefallfonds für Opfer von Behandlungsfehlern vorsah. Die Kosten sollten durch ein Mischmodell aus Steuermitteln, aus Beiträgen der Haftpflichtversicherer der Leistungserbringer, aus den bereits zu erbringenden Zuzahlungen der gesetzlich Versicherten zum Krankenhausaufenthalt und aus einer analogen Abgabe der PKV-Versicherten finanziert werden. Einzelheiten dazu sind abrufbar unter: http://www.hamburg.de/contentblob/3152232/data/bgv-patientenrechte-eckpunktepapier.pdf (Stand: 27.07.2016). Im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Patientenrechtegesetz hatte der Bundesrat die Bundesregierung am 6. Juli 2012 gebeten, eine Bund-Länder Arbeitsgruppe einzurichten, die die rechtlichen Grundlagen und die mögliche Ausgestaltung eines Patientenentschädigungsfonds prüfe. Zur Begründung hieß es:16 „Das Vorhaben verlangt die Klärung grundsätzlicher Fragen, die vor allem das Problem der Finanzierung sowie das Verhältnis zum bestehenden Haftungssystem betreffen, das vom Prinzip der Individualhaftung geprägt ist. Bislang existiert kein Konzept für einen solchen Fonds. Ein solches wäre zu erarbeiten und auf seine rechtliche, finanzielle und politische Realisierbarkeit hin zu prüfen.“ Die Bundesregierung lehnte jedoch die Einrichtung einer entsprechenden Arbeitsgruppe ab – mit folgender Begründung:17 15 Wenner, Ulrich, Patientenrechte im Krankenversicherungsrecht, Zum Inkrafttreten des neuen Patientenrechtegesetzes : Sachlicher Fortschritt oder bürokratische Antworten auf alte Probleme? in: SGb 2013, 162. 16 Vgl. dazu: Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten,Bundesrats-Drs. 312/12 (Beschluss) vom 06.07.2012, Ziffer 42, abrufbar unter: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2012/0301-0400/312-12(B).pdf?__blob=publication- File&v=1 (Stand: 27.07.2016). 17 Vgl. dazu: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, Deutscher Bundestag Drs. 17/10488 vom 15.08.2012, S. 59, abrufbar unter: http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/104/1710488.pdf Stand: 27.07.2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 7 „Ein Entschädigungsfonds widerspricht dem deutschen Haftungssystem, das eine individuelle Haftung des Schädigers vorsieht. Der Schädiger hat für den von ihm verursachten Schaden einzustehen . Diese individuelle Verantwortlichkeit ist zu Recht eine wesentliche Säule des deutschen Schadensersatzrechts, da sie zugleich Präventivfunktion hat. Die Aussicht auf individuelle Fehlerhaftung stellt einen wirksamen Anreiz zur Fehlervermeidung dar. Mit einem Entschädigungsfonds würde das Haftungssystem überwiegend seine Präventivwirkung verlieren. Gegen die Einrichtung eines Fonds spricht außerdem, dass völlig ungeklärt ist, wie ein solcher Fonds finanziert werden könnte, damit die geschädigten Patienten eine angemessene Entschädigung erhalten .“ Mit einem Antrag „Patientenrechte wirksam verbessern“ forderte die SPD-Fraktion am 16. Oktober 2012 die Auflegung eines Härtefallfonds zur Unterstützung der Opfer von Behandlungsfehlern , wenn es keinen sicheren Nachweis der Schadensursache oder des Verschuldens gebe. Zunächst solle dieser Fonds für Behandlungen in Krankenhäusern eintreten und von Haftpflichtversicherern z. B. der Ärzte und Krankenhäuser, aus den Zuzahlungen der gesetzlich Versicherten zum Krankenhausaufenthalt, durch eine analoge Abgabe der privat Krankenversicherten sowie aus Steuermitteln finanziert werden. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Text ist abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/110/1711008.pdf (Stand: 27.07.2016). Auch die Stellungnahmen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit am 22. Oktober 2012 sind abrufbar über den Deutschen Bundestag: Wortprotokoll 87. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit gemeinsam mit der 97. Sitzung des Rechtsausschusses, unter http://webarchiv .bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=3223&id=1223 (Stand: 27.07.2016). Mit der Verabschiedung des Patientenrechtegesetzes war die Diskussion um einen Härtefallfonds nicht beendet. So forderte am 8. Dezember 2015 der Bayerische Landtag die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines Patientenentschädigungs- und Härtefallfonds zu starten. Dieser Fonds solle als bundesunmittelbare Stiftung öffentlichen Rechts aus Haushaltsmitteln des Bundes finanziert werden. Die entsprechenden Landtags-Drucksachen sind abrufbar unter https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Folgedrucksachen /0000006500/0000006542.pdf bzw. https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage _WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000005000/0000005056.pdf (Stand: 27.07.2016). Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, erklärte Anfang 2015, dass sich in den Diskussionen zum Patientenrechtegesetz keine praktikable Lösung für einen Härtefallfonds gefunden habe. Zudem müsse die Haftung beim Verursacher bleiben. Ein entsprechendes in der Fachzeitschrift Helth&CareManagement (HCM) erschienenes Interview ist abrufbar unter : http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahU- KEwi04IXBj__NAhVEkRQKHQH7BuIQFggoMAE&url=http%3A%2F%2Fwww.holzmann-medienshop .de%2Fgo%2F%3Faction%3DDocDownload %26doc_id%3D1201741&usg=AFQjCNGqyv0a3am3r9U2lC1dAUOTL5pnkQ&bvm=bv.12717 8174,d.d24 (Stand: 27.07.2016). Erneut erhob die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2016 die Forderungen nach Einführung eines PatEHF, abrufbar unter https://www.gruene-bundestag.de/themen/gesundheit /von-betroffenen-zu-beteiligten-02-03-2016.html sowie unter https://www.gruene-bundestag .de/presse/pressemitteilungen/2016/maerz/patientenrechte-staerken-haertefallfonds-einfuehren .html (Stand: 27.07.2016). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 8 4. Rechtsgutachten und Entwurf eines Modells des Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds (PatEHF) für Schäden durch medizinische Behandlungen Im August 2013 präsentierte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks ein Rechtsgutachten , das die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg in Auftrag gegeben hatte. Das Gutachten ist abrufbar unter: http://www.hamburg .de/contentblob/4096038/1d1a8e6d82ad047053c09e0728e158f0/data/gutachten-patientenentschaedigung .pdf (Stand: 27.07.2016). Der - gemeinsam mit Robert Francke - beauftragte Rechtswissenschaftler Dieter Hart hat die wesentlichen Aspekte des Gutachtens in einem Vortrag zusammengefasst, den er im September 2014 in Berlin gehalten hat. Der Text ist abrufbar unter http://www.medizinrechts-beratungsnetz.de/medizinrechtstag/2014-berlin/hart-dmrt-2014-berlin .pdf (Stand: 27.07.2016). Das in diesem Gutachten vorgeschlagene Konzept orientiert sich am Modell eines „Medizinschadenfonds “, wie er in Österreich und in Frankreich besteht. Es berücksichtigt die Erfahrungen mit anderen, in Deutschland bestehenden Fondslösungen zum Ausgleich von Medizinschäden, so zum Beispiel mit der „Conterganstiftung für behinderte Menschen“, der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ oder mit dem früheren „Hilfsfonds für Dopingopfer “. Die Autoren des Gutachtens, die auch einen entsprechenden Gesetzentwurf präsentieren, schlagen die Einführung eines PatEHF im Rahmen eines zehnjährigen Modellprojekts vor. In dieser Zeit sollen durch eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation Informationen über die Anzahl der Fälle, den Gesamtumfang und das Verfahren einschließlich der Bewährung der erforderlichen Leistungsvoraussetzungen gewonnen werden, um auf dieser Basis einen tragfähigen und dauerhaften PatEHF zu schaffen. Der Modell-Fonds soll in der Form einer bundesunmittelbaren rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts eingeführt werden, die über einen Stiftungsrat und einen Stiftungsvorstand verfügt. Die Gesetzgebungskompetenz dafür sehen die Autoren nach Artikel 74 Absatz 1 Nr. 7 Grundgesetz (GG) sowie nach Artikel 72 Absatz 2 GG 18 beim Bund, da es sich hier um öffentliche Fürsorge handele und eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich sei. Die Finanzierung der Stiftung soll durch den Bund erfolgen.19. Allerdings empfehlen die Autoren , eine Mitfinanzierung durch die Länder, die Gesetzliche sowie Private Krankenversicherung oder andere Sozialversicherungsträger zu prüfen. Auch die Frage einer finanziellen Beteiligung der Versicherungswirtschaft wird aufgeworfen. Hochrechnungen zur erforderlichen jährlichen 18 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist. 19 Dies folgt aus dem in Artikel 87 Absatz 3 Satz 1 GG verwendeten Begriff „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, der einen Sammelbegriff darstellt und auch die nicht ausdrücklich genannte Stiftung öffentlichen Rechts umfasst ; vgl. BT-Drs. 13/1298 vom 09.05.1995 – HIVHG, S. 8 und Suerbaum in: Beck´scher Online- Kommentar zum GG, Epping/Hillgruber, 29. Stand 2016, Artikel 87 Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 043/16 Seite 9 Finanzierungssumme schwanken zwischen 125 Mio. und 500 Mio. €. Danach schätzen die Autoren , dass eine jährliche Summe von 125 Mio. bis 250 Mio. € vertretbar sei. Ein Anspruch kommt nach dem Rechtsgutachten dann in Betracht, wenn eine Person in Deutschland in einem Krankenhaus medizinisch behandelt wurde und dadurch einen Schaden erlitten hat. Erforderlich sind zudem ein überwiegend wahrscheinlicher Behandlungs- oder Organisationsfehler oder eine unbekannte Komplikation, eine erhebliche Verletzung der Rechtsgüter (Schaden), ein Schaden, der überwiegend wahrscheinlich durch die Behandlung (nicht den Fehler) verursacht wurde, eine nachhaltige Belastung der Lebensführung oder -situation des Geschädigten bzw. seiner Angehörigen (im Falle des Todes). Entscheidend sei die Lockerung der Wahrscheinlichkeitsanforderung mit „überwiegend wahrscheinlich “, die sich damit von der „mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ im Arzthaftungsrecht abhebt. Zudem sei im Unterschied zum Arzthaftungsrecht nicht Voraussetzung einer Entschädigung, dass der Schaden durch Verletzung der Sorgfaltspflicht entstanden sei, sondern schon durch die Behandlung. Das Erfordernis der nachhaltigen Belastung der Lebensführung oder -situation beschränke die Leistung des Fonds auf schwere Beeinträchtigungen der Lebenssituation . Da der PatEHF das Haftungsrecht nur ergänzen und nicht ersetzen soll, trete der PatEHF nur subsidiär ein. Liege also ein haftungsrechtlicher Schadensersatzanspruch vor, greife der PatEHF nicht. Eine Entschädigungskommission soll die Voraussetzungen für eine Entschädigung durch den Fonds prüfen und dem Stiftungsvorstand eine Empfehlung zur Entscheidung geben. Dabei solle die Geldleistung auf höchstens 100.000 €, in besonders schweren Fällen auf 200.000 €, begrenzt sein; Schmerzensgeld werde nicht gezahlt. Der Kölner Jurist Christian Katzenmeier setzt sich kritisch mit diesem Modell auseinander: 20 Er gibt zu bedenken, dass der durch eine Gesundheitsschädigung verursachte Bedarf zumindest teilweise durch Leistungen der Sozialversicherungsträger, durch Beihilfeleistungen der öffentlichen Dienstherrn oder Zahlungen privater Krankenversicherer gedeckt sei; zudem bestehe die Gefahr, dass die Geschädigten davon abgehalten würden, ihnen zustehende Ansprüche klageweise geltend zu machen. Eine durch den PatEHF erfolgende Privilegierung gegenüber anderen Unfallopfern überzeuge nicht. Ende der Bearbeitung 20 Patientenentschädigungsfonds – rechtspolitische Forderungen und rechtsdogmatische Erwägungen, in: Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR) 2014, S. 405, beigefügt als Anlage 1.