© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 042/20 Zur ärztlichen Schweigepflicht bei Einstellungsuntersuchungen Extremismusprävention Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 2 Zur ärztlichen Schweigepflicht bei Einstellungsuntersuchungen Extremismusprävention Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 042/20 Abschluss der Arbeit: 19. Mai 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Umfang der ärztlichen Schweigepflicht 5 3. Entbindung von der Schweigepflicht, Offenbarungspflichten und -rechte 5 3.1. Entbindung von der Schweigepflicht 5 3.2. Gesetzliche Offenbarungs- bzw. Meldepflichten 6 3.3. Offenbarungsrechte 6 4. Ärztliche Schweigepflicht bei Einstellungsuntersuchungen 6 5. Vereinbarkeit mit Punkt 105 der „Leitlinie zur Extremismusprävention in den Bundeswehr- Dienstleistungszentren der Bundeswehr (BwDLZ)“ 7 6. Übertragbarkeit auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes sowie private Unternehmen 8 6.1. Öffentlicher Dienst 8 6.2. Private Unternehmen 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 4 1. Einleitung Die ärztliche Schweigepflicht geht zurück auf den Eid des Hippokrates im 4. Jh. v. Chr.1 und gibt dem Patienten die Möglichkeit, offen und im Vertrauen mit dem Arzt über seine Probleme zu sprechen2: „Was immer ich sehe und höre, bei der Behandlung oder außerhalb der Behandlung, im Leben der Menschen, so werde ich von dem, was niemals nach draußen ausgeplaudert werden soll, schweigen, indem ich alles Derartige als solches betrachte, das nicht ausgesprochen werden darf.“3 Im Laufe der Jahrhunderte wurde ein umfassender Schutz der ärztlichen Schweigepflicht entwickelt . So gibt es heute diverse Rechtsgrundlagen, die unter anderem im Verfassungsrecht (durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz4 (GG)) 5, im Standesrecht (§ 9 MBO-Ä6 in der jeweiligen Fassung der Landesärztekammern)7, im Strafrecht in § 203 Strafgesetzbuch 8 (StGB) und im Zivilrecht (ergibt sich als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag) 9 zu finden sind. Der vorliegende Sachstand befasst sich nach einer kurzen Darstellung der ärztlichen Schweigepflicht mit der Frage, wie diese mit Punkt 105 der „Leitlinie zur Extremismusprävention in den Bundeswehr-Dienstleistungszentren der Bundeswehr (BwDLZ)“ vereinbar ist. Dabei wird ein Vergleich zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sowie privaten Unternehmen gezogen. 1 Müller, Zimmermann, et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefässchirurgie 2020, 129 (130), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. 2 Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, Ärztliche Offenbarungsrechte und -pflichten hinsichtlich sensibler Patienteninformationen mit Drittschädigungspotenzial, in: Zeitschrift für Medizinrecht (MedR) 2017, 199 (200). 3 Auszug aus dem hippokratischen Eid, siehe https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/40merkblaetter /20recht/10gesetze/hippoeid.pdf (Stand: 14. Mai 2020). 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist. 5 BVerfGE 65, 1, Leitsätze. 6 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung der Beschlüsse des 121. Deutschen Ärztetages 2018 in Erfurt, geändert durch Beschluss des Vorstandes der Bundesärztekammer am 14. Dezember 2018. 7 Rudolf Ratzek et al., Kommentar zur (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte - MBO-Ä 1997, 7. Auflage, § 9 Rn. 3. 8 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. März 2020 (BGBl. I S. 431) geändert worden ist. 9 Müller, Zimmermann et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefässchirurgie 2020, 129 (130), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 5 2. Umfang der ärztlichen Schweigepflicht Die ärztliche Schweigepflicht gilt umfassend und bezieht sich nicht ausschließlich auf Erkenntnisse , die aus der Behandlung selbst gewonnen werden. So sind neben der Identität des Patienten sämtliche Informationen, die der Arzt während der Behandlung erfährt, geheim zu halten. Die Kenntniserlangung muss allerdings im inneren Zusammenhang mit der Behandlung stehen, eine rein private Kenntniserlangung ist nicht erfasst.10 Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Geheimnis aus der Sicht des Arztes „moralisch“ schutzwürdig ist, weshalb sich beispielsweise auch Straftäter auf die Schweigepflicht berufen können.11 Auch Amtsärzte und Betriebsärzte unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.12 3. Entbindung von der Schweigepflicht, Offenbarungspflichten und -rechte 3.1. Entbindung von der Schweigepflicht Eine Entbindung von der Schweigepflicht ist durch eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Patienten möglich. Diese muss auf einer freien Entscheidung des Patienten beruhen und hinreichend konkret bestimmt sein. Es darf nicht schon zu Beginn der Behandlung eine pauschale Vereinbarung für sämtliche Fälle getroffen werden. 13 Ist der Patient nicht mehr in der Lage, eine Entscheidung zu treffen, beispielsweise aufgrund einer Bewusstlosigkeit, so kann auch eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht kommen.14 10 Müller, Zimmermann et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefäßchirurgie 2020, 129 (130), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. 11 Müller, Zimmermann et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefäßchirurgie 2020, 129 (130), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. 12 MüKoStGB/Cierniak/Niehaus, 3. Aufl. 2017, StGB § 203 Rn. 78f. 13 Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis , S. 2, Deutsches Ärzteblatt, 9. März 2018, abrufbar unter http://daebl.de/YC26. 14 Müller, Zimmermann et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefäßchirurgie 2020, 129 (131), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 6 3.2. Gesetzliche Offenbarungs- bzw. Meldepflichten Offenbarungs- bzw. Meldepflichten für Ärzte müssen ausdrücklich gesetzlich geregelt werden.15 Strafrechtlich ist dies in den §§ 138, 139 StGB geschehen. Weitere Offenbarungs- bzw. Meldepflichten finden sich unter anderem im Infektionsschutzgesetz (IfSG)16 oder im Bundesmeldegesetz (BMG)17 in § 32.18 3.3. Offenbarungsrechte Weiterhin gibt es in bestimmten Fällen Offenbarungsrechte. Zunächst kann das Notstandsrecht gemäß § 34 StGB herangezogen werden, wenn eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut besteht. Dabei muss stets eine Abwägung zwischen dem gefährdeten Rechtsgut und der Preisgabe der Patienteninformationen erfolgen.19 Diese Wertung ist auch in § 9 Abs. 2 MBO-Ä zu finden.20 Zudem gibt es spezialgesetzliche Offenbarungsrechte wie beispielsweise § 4 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz21.22 4. Ärztliche Schweigepflicht bei Einstellungsuntersuchungen Zu erörtern ist die Frage, wie sich die ärztliche Schweigepflicht bei Einstellungsuntersuchungen auswirkt. Diese dienen zum einen dem Arbeitgeber, sich ein Bild über die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zu machen, zum anderen wird dadurch gewährleistet, dass der Bewerber die Gesundheit der anderen Mitarbeiter nicht gefährdet.23 15 Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, Ärztliche Offenbarungsrechte und –pflichten hinsichtlich sensibler Patienteninformationen mit Drittschädigungspotenzial, in: MedR 2017, 199 (203). 16 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) geändert worden ist. 17 Bundesmeldegesetz vom 3. Mai 2013 (BGBl. I S. 1084), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 166) geändert worden ist. 18 Müller, Zimmermann et al., Ärztliche Schweigepflicht, in: Gefäßchirurgie 2020, 129 (132), abrufbar unter https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00772-020-00623-6. 19 Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, Ärztliche Offenbarungsrechte und –pflichten hinsichtlich sensibler Patienteninformationen mit Drittschädigungspotenzial, in: MedR 2017, 199 (201). 20 Hinweise und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis , S. 4, Deutsches Ärzteblatt, 9. März 2018, abrufbar unter http://daebl.de/YC26. 21 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2975), das zuletzt durch Artikel 20 Absatz 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist (KKG). 22 Ebd. 23 Karb, in: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst (Hrsg.: Conze, Karb, Wölk, Reidel), 6. Auflage 2020, Rn. 114. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 7 Festzustellen ist zunächst, dass die ärztliche Schweigepflicht auch in diesen Fällen zur Anwendung kommt.24, 25 Dabei ist es nicht notwendig, dass konkrete Gesundheitsdaten weitergegeben werden, auch die Aussage „geeignet“/“ungeeignet“ unterfällt grundsätzlich der Schweigepflicht .26 Ein Abweichen ist daher nur in den oben dargestellten Fällen möglich. Mangels gesetzlicher Grundlagen ist der Arbeitgeber auf eine Einwilligung des Bewerbers angewiesen.27 Teilweise wird in den Fällen der ausschließlichen Weitergabe des Ergebnisses, z. B. „geeignet“/“ungeeignet “, eine konkludente Einwilligung des Bewerbers gesehen. Diese wird damit begründet, dass der Bewerber sich freiwillig der Untersuchung unterzieht.28 Wird die Einwilligung verweigert, hat dies in der Regel nachteilige Folgen für den Bewerber, der Arbeitgeber wird keinen Arbeitsvertrag mit ihm schließen.29 5. Vereinbarkeit mit Punkt 105 der „Leitlinie zur Extremismusprävention in den Bundeswehr -Dienstleistungszentren der Bundeswehr (BwDLZ)“ Fraglich ist, wie sich dieses Ergebnis mit dem Punkt 105 der Leitlinie zur Extremismusprävention vereinbaren lässt. Die Leitlinie verfolgt das Ziel, schon bei der Einstellung von Bundeswehrangehörigen Extremismus vorzubeugen und zu bekämpfen.30 Die Punkte 102 und 103 der Leitlinie beziehen sich auf § 37 Soldatengesetz31 (SG), der als Voraussetzung für die Einstellung die charakterliche Eignung des Bewerbers sowie den Eintritt für die freiheitliche demokratische 24 Aligbe: Die Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers bei Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, in: Arbeitsrecht Aktuell (ArbR), 2015, 155, (117). 25 Dies gilt auch für die Ärzte der Bundeswehr, da auch sie den Berufsordnungen für Ärzte unterliegen. In § 9 MBO-Ä sowie jeweils in § 9 der Berufsordnungen der Landesärztekammern ist die Schweigepflicht geregelt. https://wehrmed.de/article/2812-sanitaetsdienst-zwischen-medizinethik-militaerischem-auftrag1.html (Stand: 14. Mai 2020). 26 Aligbe: Die Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers bei Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, in: ArbR, 2015, 115 (117). 27 Ebd. 28 Hülsemann: Die Schweigepflicht des Betriebsarztes, in: ArbR, 2015, 192 (193); Keller: Die ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, in: NZA 1988, 561 (563); abweichend Aligbe, der eine konkludente Einwilligung nur bei dem Ergebnis „geeignet“ annimmt: Die Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers bei Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, in ArbR, 2015, 115 (117) . 29 BeckOK ArbR/Joussen BGB § 611a, 55. Ed., Rn. 140; BeckOK TVöD/Stier, 52. Ed., TVöD-AT § 3 Rn. 42. 30 Beschrieben unter „Ausgangssituation“ auf Seite 2 der „Leitlinie zur Extremismusprävention in den Bundeswehr -Dienstleistungszentren der Bundeswehr (BwDLZ)“. 31 Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten, in der Neufassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 (BGBl. I S. 1482), das zuletzt durch Artikel 64 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 8 Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes fordert. Denn für alle öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse gilt die Verfassungstreuepflicht, die sich aus dem Berufsbeamtentum i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG herleitet und an zahlreichen Stellen wie z. B. in § 8 SG gesetzlich festgehalten wurde.32 Danach müssen sich auch Soldaten zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Gefordert wird eine Distanzierung von „(…) Gruppen und Bestrebungen (…), die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.“33 Dabei ist das bloße Haben einer anderen Überzeugung unschädlich, solange sich diese Einstellung nicht derart äußert, dass nach außen hin gegen die Verfassungstreue verstoßen wird.34 Die Leitlinie konkretisiert damit die Verfassungstreuepflicht aus Art. 33 Abs. 5 GG, indem sie den BwDLZ einen Leitfaden an die Hand gibt, der für Handlungssicherheit sorgen soll.35 Punkt 105 nennt als „wichtige Quellen“ für Erkenntnisse unter anderem auch ärztliche Untersuchungen . Denkbar ist das Entdecken von Tattoos oder Piercings, die einen Rückschluss auf eine extremistische Gesinnung zulassen. Punkt 110 der Leitlinie stellt fest, dass bei erkennbaren Tätowierungen mit eindeutig verfassungsfeindlichen Symbolen von einer Nichteignung auszugehen ist. Liegt eine Einwilligung des Bewerbers vor, ist das Ergebnis der Nichteignung mitzuteilen. Wird die Einwilligung nicht erteilt, kann eine Eignung nicht festgestellt werden, es wird auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande kommen.36 Auch sind entsprechende Äußerungen der Bewerber möglich. Dabei sind vor allem die §§ 138, 139 StGB zu beachten, die eine Offenbarungspflicht beinhalten.37 6. Übertragbarkeit auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes sowie private Unternehmen 6.1. Öffentlicher Dienst Die oben getroffenen Feststellungen lassen sich auf andere Bereiche des öffentlichen Dienstes übertragen, auch hier gilt der Grundsatz der Verfassungstreuepflicht.38 Geringfügig anders zu beurteilen ist dies nur bei Tarifbeschäftigten. Hier hängt es von der Position des Beschäftigten ab, wie weit die Pflicht zur Verfassungstreue geht. Zu beachten ist jedoch, dass auch die Tarifbeschäftigten sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes 32 Siems, Der Umgang mit Extremismus im öffentlichen Dienst, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2014, 338 (339). 33 BVerfGE 39, 334, Leitsätze- Extremistenbeschluss; Siems, Der Umgang mit Extremismus im öffentlichen Dienst, in: DÖV 2014, 338 (339). 34 Siems, Der Umgang mit Extremismus im öffentlichen Dienst, in: DÖV 2014, 338 (339). 35 Beschrieben unter „Ausgangssituation“ auf Seite 2 der „Leitlinie zur Extremismusprävention in den Bundeswehr -Dienstleistungszentren der Bundeswehr (BwDLZ)“. 36 Siehe oben, unter 4. 37 Siehe oben, unter 3.2. 38 Siems, Der Umgang mit Extremismus im öffentlichen Dienst, in: DÖV 2014, 338 (339). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 9 bekennen müssen.39 Für Beschäftigte nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst40 gilt, dass Einstellungsuntersuchungen zulässig sind.41 Eine Verweigerung wird auch hier regelmäßig dazu führen, dass kein Arbeitsvertrag zustande kommt,42 wobei die Regelungen zur ärztlichen Schweigepflicht Anwendung finden.43 Zudem muss die Untersuchung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, d. h. es dürfen nur Aspekte untersucht werden, die für den Arbeitgeber von Bedeutung sind. Durch die Untersuchung dürfen keine Informationen bekannt werden, die in einem Bewerbungsgespräch als Frage unzulässig wären.44 Für den Öffentlichen Dienst gilt jedoch, dass Fragen hinsichtlich extremistischer Einstellungen aufgrund der Verfassungstreuepflicht im Bewerbungsgespräch zulässig sind.45 6.2. Private Unternehmen Auch private Unternehmen führen häufig Einstellungsuntersuchungen durch.46 Eine gesetzliche Pflicht zur Untersuchung gibt es in den seltensten Fällen, beispielsweise in § 32 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)47.48 39 Ebd. 40 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, der zuletzt durch den Änderungstarifvertrag Nr. 17 vom 30. August 2019 geändert worden ist (TVöD), abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads /DE/veroeffentlichungen/themen/oeffentlicher-dienst/tarifvertraege/tvoed.pdf?__blob=publication- File&v=7 (Stand: 18. Mai 2020). 41 Karb, in: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst (Hrsg.: Conze, Karb, Wölk, Reidel), 6. Auflage 2020, Rn. 113; Weber/Wocken, Mitbestimmung bei Einstellungsuntersuchungen im öffentlichen Dienst, in: NZA 2012, 191 (191). 42 BeckOK TVöD/Stier, 52. Ed., TVöD-AT § 3 Rn. 42. 43 Ergibt sich aus Karb, in: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst (Hrsg.: Conze, Karb, Wölk, Reidel), 6. Auflage 2020, Rn. 107. 44 BeckOK TVöD/Stier, 52. Ed., TVöD-AT § 3 Rn. 41. 45 BayVGH, Beschluss vom 24. November 2005 - 15 BV 03.3017 -; Siems, Der Umgang mit Extremismus im öffentlichen Dienst, in: DÖV 2014, 338 (341). 46 Littig, StichwortKommentar Arbeitsrecht (Hrsg. Grobys/Panzer-Heemeier), 3. Auflage 2020, Bewerbung Rn. 10. 47 Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2522) geändert worden ist. 48 Fuhlrott/Hoppe: Einstellungsuntersuchungen und Gentests von Bewerbern, in: ArbR, 2010, 183 (185). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 042/20 Seite 10 Liegt keine solche Pflicht vor, kann eine Untersuchung nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, wobei ein Verweigern wohl nachteilig für den Bewerber ist.49 Die Einstellungsuntersuchungen müssen arbeitsplatzbezogen und verhältnismäßig sein.50 Zudem orientiert sich die Zulässigkeit an den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zu Fragen in Bewerbungsgesprächen entwickelt hat.51 Bezüglich der Schweigepflicht kann auch hier nach oben verwiesen werden, es ist jeweils eine gesonderte Entbindung von dieser notwendig.52 Mitunter kann auch hier bei freiwilligen Untersuchungen eine konkludente Einwilligung in die Weitergabe des Ergebnisses „geeignet“/“ungeeignet “ angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich der Untersuchung unterzieht.53 Eine Verfassungstreuepflicht, wie sie im öffentlichen Dienst besteht, gilt jedoch grundsätzlich nicht für private Unternehmen. Ein Arbeitsvertrag wird regelmäßig gemäß § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)54 geschlossen, woraus sich verschiedenste Pflichten für beide Parteien ergeben. Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist die Erbringung der Arbeitsleistung.55 Zudem „bewirkt die besondere persönliche Bindung der Vertragspartner im Arbeitsverhältnis (…) für beide Parteien des arbeitsvertraglichen Schuldverhältnisses (…) eine nicht abschließend aufzählbare, je nach den Umständen näher zu bestimmende Vielzahl von Pflichten, deren Erfüllung unumgänglich ist, um den Austausch der Hauptleistungen sinnvoll zu ermöglichen.“56 Ob auch die Pflicht zur Verfassungstreue eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis begründet, hängt daher vom Arbeitsverhältnis ab, woran sich auch die Einstellungsuntersuchung zu orientieren hat.57 Somit kann die Frage nach dem Umgang mit extremistischen Gesinnungen in privaten Unternehmen nicht einheitlich beantwortet werden. *** 49 BeckOK ArbR/Joussen BGB § 611a, 55. Ed., Rn. 140. 50 Littig, StichwortKommentar Arbeitsrecht (Hrsg. Grobys/Panzer-Heemeier), 3. Auflage 2020, Bewerbung Rn. 10. 51 Ebd. 52 Littig, StichwortKommentar Arbeitsrecht (Hrsg. Grobys/Panzer-Heemeier), 3. Auflage 2020, Bewerbung Rn. 14. 53 Hülsemann: Die Schweigepflicht des Betriebsarztes, in: ArbR, 2015, 192 (193). 54 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 541) geändert worden ist. 55 ErfK/Preis, 20. Auflage 2020, BGB § 611a Rn. 639. 56 BAG NZA 2017, 183-187, Rn. 26. 57 Littig, StichwortKommentar Arbeitsrecht (Hrsg. Grobys/Panzer-Heemeier), 3. Auflage 2020, Bewerbung Rn. 10.