© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 042/19 Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 2 Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 042/19 Abschluss der Arbeit: 10. Juli 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Definition von Übergewicht und Adipositas 4 1.1. Definition von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nach dem deutschen Referenzsystem von Krohmeyer-Hauschild 4 1.2. Definition von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nach internationalen Referenzsystemen 5 2. Statistische Daten zur Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland 6 2.1. Datengrundlage 6 2.2. Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach dem deutschen Referenzsystem von Krohmeyer-Hauschild 8 2.3. Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach internationalen Referenzsystemen 9 3. Quellen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 4 1. Definition von Übergewicht und Adipositas Sowohl Übergewicht als auch Adipositas werden definiert als eine Erhöhung des Körpergewichts durch eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfettanteils.1 Von Adipositas wird jedoch nur dann gesprochen, wenn der Körperfettanteil der Gesamtkörpermasse für das Alter und Geschlecht pathologisch (gesundheitsgefährdend) erhöht ist. Zur Bestimmung, ob im Einzelfall Übergewicht bzw. Adipositas vorliegt, ist demnach der Fettanteil des Köpers zu ermitteln . Da dies jedoch aufwendig und kostenintensiv ist, wird zur Abschätzung des Körperfettanteils in der Regel der sog. Body-Mass-Index (BMI), d. h. der Quotient aus dem Körpergewicht (in Kilogramm) und dem Quadrat der Körpergröße (in Metern), herangezogen.2 Bei erwachsenen Personen gelten bestimmte Grenzwerte, bei deren Überschreiten Übergewicht bzw. Adipositas vorliegt. So sind Erwachsene, die einen BMI von über 25 bzw. 30 aufweisen, übergewichtig bzw. adipös. Im Gegensatz dazu ist es bei Kindern und Jugendlichen aufgrund ihrer dynamischen körperlichen Entwicklung nicht möglich, feste BMI-Grenzwerte zur Bestimmung von Übergewicht bzw. Adipositas festzulegen. Vielmehr sind die Grenzen bei Kindern und Jugendlichen alters- und geschlechtsabhängig , so dass eine rein statistische Definition der Grenzwerte erfolgt. Die Bewertung , ob ein Kind bzw. Jugendlicher übergewichtig oder adipös ist, erfolgt auf der Grundlage von Referenzsystemen. Danach liegt Übergewicht bzw. Adipositas vor, wenn bezogen auf eine Referenzpopulation , der BMI oberhalb eines bestimmten alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils zu finden ist.3 Es existieren verschiedene Referenzsysteme, nach denen eine entsprechende Einordnung stattfinden kann, dabei ist in Deutschland die Anwendung des Referenzsystems von Krohmeyer-Hauschild üblich. Im Ausland bzw. auf internationaler Ebene finden häufig die Referenzsysteme der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) sowie der International Obesity Task Force (IOTF) Anwendung, daher werden diese ebenso wie das deutsche Referenzsystem nachfolgend in Kürze dargestellt. 1.1. Definition von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nach dem deutschen Referenzsystem von Krohmeyer-Hauschild Seit dem Jahr 2001 erfolgt in Deutschland die Beurteilung, ob bei Kindern und Jugendlichen Übergewicht bzw. Adipositas vorliegt, nach den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) unter Anwendung des Referenzsystems von Krohmeyer- Hauschild. Danach werden Kinder und Jugendliche als übergewichtig bzw. adipös eingestuft, deren BMI sich oberhalb eines gewissen alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils bewegt. 1 Robert Koch-Institut (RKI), Gesundheitsberichterstattung des Bundes, im Internet abrufbar unter http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=0&p_knoten=FID&p_sprache =D&p_suchstring=9394::Uebergewicht (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Unter dem angegebenen Link sind darüber hinaus Informationen zu verschiedenen Arten von Übergewicht verfügbar. 2 Vergleiche hierzu Informationen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA), im Internet abrufbar unter http://www.aga.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=39 (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). 3 Kurth/Schaffrath Rosario (2010), S. 643. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 5 Übergewicht bzw. Adipositas liegt also dann vor, wenn der individuelle BMI des jeweiligen Kindes bzw. Jugendlichen höher ist als der BMI eines bestimmten Prozentsatzes der jeweiligen Alters - und Geschlechtsgruppe. Die Grundlage für die Bildung der BMI-Kategorien nach Krohmeyer -Hauschild bildet dabei ein gepoolter Datensatz von BMI-Werten für insgesamt 32.422 Kinder und Jugendliche im Alter von null bis 18 Jahren. Die Referenzwerte wurden im Rahmen von 17 verschiedenen Studien gewonnen, die in den Jahren 1985 bis 1999 durchgeführt wurden.4 Dabei spricht man bei Kindern und Jugendlichen von Übergewicht, wenn deren BMI höher als bei 90 Prozent der gleichaltrigen gleichgeschlechtlichen Kinder und Jugendlichen ist; übersteigt der BMI den Wert von 97 Prozent der Referenzgruppe, wird das Kind bzw. der Jugendliche als adipös eingestuft. Von extremer Adipositas spricht man, sofern der BMI des Kindes oder Jugendlichen höher als bei 99,5 Prozent der Referenzgruppe ist.5 1.2. Definition von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nach internationalen Referenzsystemen Die Bewertung, ob Kinder und Jugendliche übergewichtig bzw. adipös sind, ist, wie bereits dargestellt , anders als bei Erwachsenen nur mit Hilfe von Referenzsystemen möglich. Während in Deutschland in der Regel das bereits dargestellte Referenzsystem nach Krohmeyer-Hauschild Anwendung findet, erfolgt die Bewertung im Ausland mit Hilfe anderer Systeme. Auf internationaler Ebene sind dabei die Systeme der WHO sowie der IOTF am gebräuchlichsten. Durch die Anwendung internationaler Referenzsysteme wird der Vergleich der Prävalenzen von Unter- und Übergewicht und Adipositas zwischen verschiedenen Ländern – auch im Zeitablauf als Trend – ermöglicht. Das Referenzsystem der WHO unterscheidet zwischen Kindern im Alter von unter fünf Jahren sowie Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis 19 Jahren. Zur Bewertung, ob Kinder im Alter von unter fünf Jahren übergewichtig oder adipös sind, wendet die WHO nicht den BMI in Bezug auf das Alter sondern stattdessen einen eigens festgelegten Wachstumsstandard an. Dieser beruht auf Querschnitt- und Längsschnittdaten aus der sog. Multi Growth Reference Study (MGRS) und bezieht die Körpergröße auf das Körpergewicht sowie diese beiden Werte auf das Alter des Kindes. Die MGRS wurde im Zeitraum von 1997 bis 2003 in den USA, Brasilien, Oman, Norwegen, Ghana und Indien durchgeführt; einbezogen wurden dabei insgesamt 8.440 Kinder.6 Das Referenzsystem der WHO für Kinder ab fünf Jahren basiert ebenfalls auf dem BMI, wobei die entsprechenden Referenzwerte auf der Grundlage von Daten des National Center for Health Statistics der USA festgelegt wurden. Diese zugrundeliegenden Daten wurden im Zeitraum von 1963 4 Vergleiche hierzu Kromeyer-Hauschild (u.a.) (2001). Eine knappe Einordnung des Referenzsystems von Kromeyer -Hauschild findet sich – ebenso wie kurze Informationen zu weiteren Referenzsystemen – bei Kurth/Schaffrath Rosario (2010), S. 644. 5 Vergleiche hierzu Informationen der AGA, im Internet abrufbar unter http://www.aga.adipositas-gesellschaft .de/index.php?id=39 (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). 6 Die MGRS kann in englischer Sprache im Internet abgerufen werden unter https://www.who.int/childgrowth /mgrs/fnu/en/ (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 6 bis 1975 von 22.000 Kindern und Jugendlichen bzw. jugendlichen Erwachsenen im Alter von einem bis 24 Jahre erhoben.7 Sowohl der Wachstumsstandard als auch die BMI-Referenzwerte beruhen auf alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilkurven. Für Kinder unter fünf Jahren ist Übergewicht definiert als Verhältnis von Körpergewicht zur Körpergröße im Perzentil 97,7 bzw. Adipositas im Perzentil 99,9. Bei älteren Kindern und Jugendlichen liegt Übergewicht bzw. Adipositas vor, wenn der BMI im Verhältnis zum Alter im Perzentil über 84,0 bzw. 97,7 liegt.8 Die IOTF hat ebenfalls ein eigenes Referenzsystem zur Bewertung, ob Kinder und Jugendliche übergewichtig bzw. adipös sind, entwickelt. Basis dieses Systems sind Querschnittsstudien aus den USA, Brasilien, Großbritannien, Hongkong, den Niederlanden sowie Singapur, in die mehr als 10.000 Teilnehmer9 im Alter von null bis 24 Jahren einbezogen wurden. Aus den individuellen BMI-Werten der Kinder im Alter von zwei bis 18 Jahren wurden Wachstumskurven erstellt und Grenzwerte festgelegt, die an die entsprechenden Grenzwerte für Erwachsene gekoppelt wurden .10 2. Statistische Daten zur Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2.1. Datengrundlage Da in Deutschland keine Statistik zur Verbreitung von Übergewicht und Adipositas geführt wird, liegen hierzu keine offiziellen Daten vor. Es gibt jedoch Studien, in deren Rahmen entsprechende Daten erhoben wurden und die Rückschlüsse auf die entsprechenden Prävalenzen zulassen. Die erste umfassende und bundesweit repräsentative Datenerhebung zum Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen wird seit dem Jahr 2003 vom Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt . Im Rahmen dieser als Langzeitstudie angelegten sog. Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS11) wurden seit Beginn der Studie in verschiedenen Erhebungsquellen eine Vielzahl an Daten zum Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen erhoben. Während zunächst mit Hilfe von Befragungen und Untersuchungen eine Basiserhebung durchgeführt wurde, folgten anschließend telefonische Befragungen (KiGGS Welle 1) sowie weitere Befragungen und Untersuchungen (KiGGS Welle 2). 7 Ausführlichere Informationen zur Entwicklung des Referenzsystems und dem zugrundeliegenden Datensatz finden sich bei De Onis (2007). 8 Eine kurze Darstellung des Referenzsystems der WHO findet sich u.a. bei Schienkiewitz (2018a) sowie Kurth/Schaffrath Rosario (2010), S. 644. 9 Andere Quellen sprechen von etwa 200.000 einbezogenen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, vergleiche hierzu Kurth/Schaffrath Rosario (2010), S. 644. 10 Ausführlicher hierzu Schienkiewitz (2018a). 11 Ausführliche Informationen zum Aufbau der Studie, den erhobenen Daten und Auswertungen dieser Daten sowie verschiedene Veröffentlichungen zur KiGGS-Studie des RKI lassen sich im Internet abrufen unter http://www.kiggs-studie.de/ (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 7 Im Rahmen der KiGGS-Basiserhebung, die im Zeitraum zwischen Mai 2003 und Mai 2006 stattfand , wurden insgesamt 17.641 Kinder im Alter von null bis 17 Jahren (davon 8.656 Mädchen und 8.985 Jungen) in die Studie einbezogen. Dabei fanden neben einer Befragung der Teilnehmer Laboranalysen und körperliche Untersuchungen zur Erfassung verschiedener Parameter statt, unter anderem wurden so die Körpergröße sowie das Gewicht der Teilnehmer ermittelt. In den Jahren 2009 bis 2012 fand die erste Folgeerhebung zur KiGGS-Basiserhebung statt. Im Gegensatz zur Basiserhebung wurden die Daten im Rahmen der sog. KiGGS Welle 1 (KiGGS 1) durch Befragungen erhoben. Insofern liegen für diesen Berichtszeitraum ausschließlich selbstberichtete Angaben zur Körpergröße und -gewicht vor; lediglich für eine Unterstichprobe wurden die entsprechenden Werte gemessen. Um die Vergleichbarkeit der Angaben mit den Messwerten der Basiserhebung zu ermöglichen, erfolgte eine Anpassung der Selbstangaben mit einer Korrekturformel .12 Mit Hilfe der gemessenen Werte für die Unterstichprobe und dieses Korrekturverfahrens konnten unverzerrte Prävalenzschätzungen für Übergewicht und Adipositas berechnet werden .13 Im Rahmen der zweiten Folgeerhebung (KiGGS Welle 2 – KiGGS 2) wurden in den Jahren 2014 bis 2017 erneut Daten mit Hilfe einer kombinierten Querschnitt- und Kohortenstudie gewonnen. Dabei wurden für insgesamt 3.567 teilnehmende Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren standardisierte Messungen der Körpergröße sowie des Körpergewichts vorgenommen. Insgesamt wurden so für 3.561 Kinder und Jugendliche – 1.799 Mädchen sowie 1.762 Jungen – gültige Messwerte gewonnen. Aus diesen Werten wurde anschließend der jeweilige BMI ermittelt. Auch wenn die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen aus insgesamt 167 repräsentativ ausgewählten Städten und Gemeinden stammten, erfolgte die Auswertung unter Berücksichtigung eines Gewichtungsfaktors, um Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur auszugleichen .14 Neben der vom RKI durchgeführten KiGGS gibt es weitere Datengrundlagen, die eine Einschätzung der Verbreitung von Übergewicht und Adipositas in Deutschland – zumindest bezogen auf bestimmte Altersgruppen – ermöglichen können. Hierzu zählen zum Beispiel die jährlich in sämtlichen Bundesländern durchgeführten Schuleingangsuntersuchungen. Da diese jedoch nicht zwangsläufig die Ansprüche an epidemiologische Studien erfüllen, wird hier auf eine detaillierte Darstellung verzichtet.15 12 Schienkiewitz (2018), S. 17. 13 RKI (2015), S. 206. 14 Ausführlichere Informationen zu den verschiedenen Datenerhebungen einschließlich der erreichten Teilnehmerkreise lassen sich im Internet abrufen unter http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien /Kiggs/kiggs_node.html sowie http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien /Kiggs/Kiggs_w1/kiggs_welle1_broschuere.pdf?__blob=publicationFile, S. 10f. 15 Vergleiche hierzu Kurth/Schaffrath Rosario (2010), S. 646. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 8 2.2. Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach dem deutschen Referenzsystem von Krohmeyer-Hauschild Die im Rahmen der KiGGS-Studie erhobenen Daten wurden im Hinblick auf die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas ausgewertet. Zur Einordnung der ermittelten BMI-Werte diente das bereits dargestellte Referenzsystem von Krohmeyer-Hauschild16. In die Auswertung flossen dabei lediglich die Daten der ab dreijährigen Kinder und Jugendlichen ein, da für jüngere Kinder zusätzliche methodische Probleme einen Vergleich mit den Referenzwerten erschwerten.17 Zum Zeitpunkt der Datenerhebung der KiGGS-Basiserhebung waren 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren übergewichtig. Davon waren circa 40 Prozent adipös ; dies entsprach einem Anteil von 6 Prozent der in der Studie berücksichtigten Kinder und Jugendlichen. Hochgerechnet auf Deutschland gab es demnach 1,9 Millionen übergewichtige Kinder und Jugendliche, von denen circa 800.000 adipös waren.18 Jugendliche waren danach häufiger übergewichtig als Kinder. Während 18 Prozent der Jugendlichen im Alter von elf bis 17 Jahren übergewichtig waren, traf dies nur auf zwölf Prozent der Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren zu.19 Bezogen auf den Zeitraum, in dem die Referenzwerte erhoben wurden, hat sich der Anteil der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen von zehn auf 15 Prozent um die Hälfte erhöht; der Anteil der adipösen Heranwachsenden hat sich im gleichen Zeitraum von drei auf sechs Prozent verdoppelt.20 Ähnliche Prävalenzwerte für Übergewicht und Adipositas ergeben sich bei Auswertung der im Rahmen der KIGGS 2 gewonnenen Daten. Danach waren zum Untersuchungszeitpunkt 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig und 5,9 Prozent adipös, wobei keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verzeichnen waren. Allerdings stiegen die Werte mit zunehmendem Alter an. So waren lediglich 10,8 Prozent der Mädchen und 7,3 Prozent der Jungen im Alter von drei bis sechs Jahren übergewichtig, während in der Altersgruppe der Sieben- bis Zehnjährigen bereits 14,9 bzw. 16,1 Prozent übergewichtig waren. Die höchsten Werte wurden mit 20,0 Prozent der Mädchen bzw. 21,1 Prozent der Jungen für die Altersgruppe der 11- bis 13-Jährigen ermittelt. Im Vergleich zur Basiserhebung wurde somit kein weiterer Anstieg der Prävalenzen verzeichnet; allerdings liegen die Werte weiterhin auf dem im Zuge der Basiserhebung ermittelten hohen Niveau.21 Bereits die im Rahmen der KiGGS 1 erhobenen Selbstangaben zum Gewicht der befragten Kinder und Jugendlichen gaben erste Hinweise 16 Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 1.1. 17 Somit fanden zum Beispiel im Hinblick auf die KiGGS-Basiserhebung die Daten von 14.836 Kindern und Jugendlichen der insgesamt 17.641 teilnehmenden Kinder und Jugendlichen Eingang in die Auswertung. Ausführlicher hierzu Kurth/Schaffrath Rosario (2007), S. 737. 18 Kurth/Schaffrath Rosario (2007), S. 737. 19 Lampert (u.a.) (2010), S. 31f. sowie 44f. 20 Kurth/Schaffrath Rosario (2007), S. 737. 21 Schienkiewitz (2018), S. 19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 9 darauf, dass sich der Anstieg von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nicht fortgesetzt hat.22 Die dargestellten Ergebnisse decken sich mit der Auswertung anderer Datengrundlagen – z. B. aus Schuleingangsuntersuchungen oder aus in kinderärztlichen Praxen und Behandlungszentren erhobenen Daten – wonach ebenfalls kein weiterer Anstieg der Prävalenzen für Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen war. Als möglicher Erklärungsansatz für die Stagnation der Werte werden sowohl methodisch bedingte Einflüsse als auch bevölkerungsweite Interventionen und Präventionsmaßnahmen in Betracht gezogen.23 2.3. Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach internationalen Referenzsystemen Angaben zur Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen lassen sich wie bereits dargestellt nach verschiedenen Referenzsystemen ermitteln. Je nachdem, welches System dabei Anwendung findet, weichen die ermittelten Prävalenzen sowohl zwischen den internationalen Referenzsystemen als auch im Vergleich zum deutschen System – durchaus deutlich – voneinander ab.24 So ergibt die Bewertung der Daten aus KiGGS 2 nach dem WHO-Referenzsystem eine um drei Viertel höhere Häufigkeit von Übergewicht, als sich aus der Anwendung des deutschen Referenzsystems ergibt; auch die Prävalenz von Adipositas liegt über dem nach Krohmeyer-Hauschild ermittelten Wert. Nach dem WHO-Referenzsystem sind 3,2 Prozent der Kinder unter fünf Jahren übergewichtig, wobei Mädchen mit einer Prävalenz von 5,9 Prozent deutlicher häufiger von Übergewicht betroffen sind als Jungen mit einer Prävalenz von 0,7 Prozent. Adipös sind danach 0,1 Prozent der Kinder unter fünf Jahren. Im Hinblick auf diese Altersgruppe ist jedoch zu beachten , dass in das Referenzsystem der WHO Daten für Kinder von null bis unter fünf Jahren eingeflossen sind. Im Gegensatz dazu wurden im Rahmen der KiGGS nur Messwerte für Kinder ab drei Jahren berücksichtigt, so dass Daten lediglich für die untersuchten drei- und vierjährigen Kinder vorliegen. Insgesamt weise die Bewertung der entsprechenden Prävalenzen nach dem System der WHO in dieser Altersklasse große statistische Unsicherheiten auf.25 In der Altersgruppe der fünfbis 17-Jährigen ergibt sich nach dem WHO-Referenzsystem eine Prävalenz von 26,3 Prozent für Übergewicht sowie 8,8 Prozent für Adipositas. In dieser Altersklasse sind deutlich mehr Jungen betroffen. Bei beiden Geschlechtern wurden die höchsten Werte in der Gruppe der 11- bis 13-Jährigen ermittelt. So waren 35,6 Prozent der Jungen und 29,3 Prozent der Mädchen in dieser Altersklasse übergewichtig. Hinsichtlich der Adipositasprävalenzen wurden hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede festgestellt. Auch die nach dem Referenzsystem der IOTF ermittelten Prävalenzen liegen – zumindest im Hinblick auf Übergewicht – über den nationalen Referenzwerten, die für Adipositas ermittelten Werte sind hingegen niedriger. Insgesamt weisen nach dem System der IOTF 19,3 Prozent der 22 Schienkiewitz (2018), S. 17, RKI (2015), S. 206. 23 So z. B. Schienkewitz (2018), S. 20. 24 Ausführlicher zu den Unterschieden und deren Ursachen Schienkiewitz (2018a). 25 Schienkiewitz (2018a), S. 65f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 042/19 Seite 10 Kinder und Jugendlichen Übergewicht auf, 4,7 Prozent sind adipös und bei einem Prozent liegt extreme Adipositas vor. Statistisch signifikante Geschlechterunterschiede wurden nicht festgestellt . Allerdings steigt auch bei der Bewertung der vorliegenden Daten nach dem Referenzsystem der IOTF die Prävalenz für Übergewicht mit zunehmendem Alter an. Dieser Anstieg ist jedoch lediglich bei den Jungen statistisch signifikant. Die höchste Prävalenz ergibt sich auch bei diesem Bewertungssystem für die Gruppe der elf bis 13-jährigen Kinder, von denen 23,9 Prozent der Mädchen und 28,4 Prozent der Jungen übergewichtig waren. 3. Quellen De Onis, Mercedes (u.a.) (2007), Development of a WHO growth reference for school-aged children and adolescents, in: Bulletin of the World Health Organization 2007, S. 660–667, im Internet abrufbar unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2636412/pdf/07-043497.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Krohmeyer-Hauschild, K. (u.a.) (2001), Perzentile für den Body-mass-Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben, in: Monatsschrift Kinderheilkunde , August 2001, S. 807–818, im Internet abrufbar unter https://link.springer.com/content /pdf/10.1007%2Fs001120170107.pdf (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Kurth, B.-M./Schaffrath Rosario, A., Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland Ergebnisse des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS), in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2007, 50, S. 736–743, im Internet abrufbar unter https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/- 557/20pyWvIPNYV52.pdf?sequence=1&isAllowed=y (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Robert Koch Institut (RKI) (Hrsg.) (2015), Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von RKI und Destatis – Gesundheit in Deutschland, im Internet abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/Ges InDtld/gesundheit_in_deutschland_2015.html;jsessionid=B20F52D9A16DBDAC- 64F036DEA2E5D598.2_cid372?nn=2379316 (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Schienkiewitz, Anja (2018), Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends, im Internet abrufbar unter https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/3031.2/JoHM_01_2018_Adipositas_KiGGS- Welle2.pdf?sequence=7&isAllowed=y (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). Schienkiewitz, Anja (2018a), Prävalenz von Untergewicht, Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Einordnung der Ergebnisse aus KiGGS Welle 2 nach internationalen Referenzsystemen (2018), im Internet abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBE- DownloadsJ/ConceptsMethods/JoHM_03_2018_Gewicht_Referenzsysteme_KiGGS- Welle2.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 10. Juli 2019). ***