© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 040/21 Wirksamkeit gesundheitspolitischer Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 Informationen zu aktuellen Studien (Stand: 4. Mai 2021) Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 2 Wirksamkeit gesundheitspolitischer Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV- 2 Informationen zu aktuellen Studien (Stand: 4. Mai 2021) Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 040/21 Abschluss der Arbeit: 5. Mai 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Studien und weitere Beiträge zur Wirksamkeit verschiedener gesundheitspolitischer Maßnahmen 5 3. Studien speziell zu Ausgangsbeschränkungen 9 4. Studien und weitere Beiträge speziell zu Schulschließungen und Homeoffice 11 5. Studien speziell zum Mund-Nasen-Schutz 13 6. Studien speziell zur Verwendung einer Warn-App 14 7. Beiträge speziell zur Risikokommunikation 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 4 1. Einleitung Deutschland befindet sich nunmehr in der dritten Welle der Corona-Pandemie. Zwar wird seit Ende Dezember 2020 in Deutschland gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Bevor ausreichend viele Menschen geimpft sein werden, bleiben aber gesundheitspolitische Maßnahmen, sogenannte nichtpharmazeutische Interventionen (NPI), wie beispielsweise die Beschränkung von Kontakten, von Kultur- und Sportveranstaltungen, von Übernachtungsangeboten, des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen sowie weiteren Dienstleistungsbetrieben und die Maskenpflicht in Kraft, um das Virus einzudämmen (vgl. § 28a Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, Infektionsschutzgesetz – IfSG1). Ausgehend von der seit diesem Jahr erheblichen Ausbreitung ansteckenderer Virusvarianten ist am 23. April 2021 das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite2 überwiegend in Kraft getreten. Es sieht durch die Aufnahme des neuen § 28b IfSG bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen gegen steigende Corona-Infektionszahlen vor: Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, greifen bundeseinheitliche Regelungen, wie z. B. die Schließung von Geschäften und Ausgangsbeschränkungen. Auch Regelungen für den Schulbetrieb und das Homeoffice werden getroffen. Die vorliegende Dokumentation stellt eine Auswahl an aktuellen wissenschaftlichen Studien und weiteren Beiträgen vor, die sich mit der Wirksamkeit von NPI befassen. Summarisch in den Blick genommen werden dabei Studien und Beiträge zur Wirksamkeit verschiedener gesundheitspolitischer Maßnahmen in der Zusammenschau wie auch konkret zur Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen , Schulschließungen, von einem Mund-Nasen-Schutz und der Warn-App. Abschließend werden Studien und weitere Beiträge zur Risikokommunikation angeführt. Diese Dokumentation setzt insofern eine Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 14. Juli 20203 fort. 1 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802) geändert worden ist. 2 BGBl. I S. 802. 3 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Gesundheitspolitische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2, Informationen zu aktuellen Studien (Stand: 11. Juli 2020), WD 9 – 3000 – 051/20, Dokumentation vom 14. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/710022/f0ec20d4b753b151cf09947d1621db6c/WD-9-051-20-pdf-data.pdf. In dem Zusammenhang wird auf eine weitere Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages hingewiesen: Zur Funktionalität von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) als Schutzmaßnahme bei der Bekämpfung der Corona- Pandemie, WD 9 – 3000 – 065/20, Ausarbeitung vom 27. August 2020, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/791826/0c7584268ca0016b47c79353124f83ab/WD-9-065-20-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 5 2. Studien und weitere Beiträge zur Wirksamkeit verschiedener gesundheitspolitischer Maßnahmen Cheng, Cindy/ Barceló, Joan/ Hartnett, Allison et al., Corona Net Research Project, 60.000 entries , 195 countries, 500+ researchers, letzte Aktualisierung: 29. April 2021, abrufbar unter: https://www.coronanet-project.org/ sowie COVID-19 Government Response Event Dataset (CoronaNet v.1.0), in: Nature Human Behaviour 4, S. 756–768 (2020), 23. Juni 2020, abrufbar unter : https://www.nature.com/articles/s41562-020-0909-7. Das Corona Net Research Projekt stellt nahezu regelmäßig aktualisiert4 in Zusammenarbeit mit mehr als 500 Forschern5 einen Datensatz zu den Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Maßnahmen , mit denen Regierungen und staatliche Stellen auf der nationalen und sub-nationalen Ebene auf die Pandemie reagiert haben, zur Verfügung. Bisher hat es in 195 Ländern über 60.000 Maßnahmen , die 18 Kategorien zugeordnet werden, identifiziert und kodiert. Der Datensatz ermögliche es, die Maßnahmen in Relation zu den Infektionsfallzahlen zu setzen und so ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Grenzschließungen und Social Distancing, wie Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen, Homeoffice und das Schließen von Läden und Restaurants, hätten am effektivsten gewirkt. Zu den am wenigsten effektiven Maßnahmen seien Kontaktverfolgungen und bestimmte Hygienemaßnahmen, wie das Desinfizieren von Oberflächen im öffentlichen Raum, zu zählen. Müller, Sebastian Alexander/ Charlton, William/ Conrad, Natasa Djurdjevac et al., MODUS-CO- VID Bericht vom 9. April 2021, Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik (VSP), Technische Universität Berlin (TU Berlin), abrufbar unter: https://depositonce.tu-berlin .de/handle/11303/12977. Die TU Berlin untersucht seit Mitte 2020 im Zusammenhang mit der Pandemie die zur Verfügung stehenden Mobilitätsdaten in Berlin, indem u. a. der Reproduktionswert (R-Wert) als Resultat bestimmter Maßnahmen gezeigt wird. In dem Bericht vom 9. April 2021 wird ein vollständiges Verbot privater Besuche als sehr wirksam eingeschätzt. Diese Maßnahme würde laut mathematischem Simulationsmodell die Infektionszahlen innerhalb von drei Wochen sehr deutlich senken. Wichtig seien ebenso gezielte Maßnahmen für Arbeit und Schule, wie Schnelltests, Maskenpflicht und eine Ausgangsbeschränkung. Angemahnt wird, dass selbst bei einer Impfrate von 80 Prozent der Bevölkerung eine Strategie zur Bekämpfung des Virus erforderlich sei, da die Impfung keinen vollumfassenden Infektionsschutz bieten könne. Brauner, Jan/ Mindermann, Sören/ Sharma, Mrinank et al., Inferring the effectiveness of government interventions against COVID-19, in: Science, 16. Februar 2021, Vol. 371, Issue 6531, abrufbar unter: https://science.sciencemag.org/content/371/6531/eabd9338. https://pubmed .ncbi.nlm.nih.gov/33323424/. 4 Die Aktualisierung erfolgt mit einer 5-tägigen Verzögerung zwischen Datenerfassung und Freigabe. 5 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Gemeint sind immer alle Geschlechter. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 6 In diesem Computermodell wurden sieben häufig verwendete NPI, wie sie in 34 europäischen und sieben nicht-europäischen Ländern Anwendung fanden, zu den länderspezifischen Infektionsfallzahlen und der Anzahl der an COVID-19 Verstorbenen des Coronavirus Resource Center der Johns Hopkins Universität in Baltimore in Beziehung gesetzt. Die Modellierung verwendete dabei Daten und NPI im Zeitraum von Januar bis Ende Mai 2020. Die Effektivität der NPI sei über die Verringerung des R-Wertes einschätzbar, indem die täglichen R-Werte über alle Tage und Länder hinweg mit den aktiven NPI in Beziehung gesetzt worden seien. Dabei sei die mediale Reduktion des R-Wertes in verschiedene Größen eingeteilt worden (klein bei einer medialen Reduktion von unter 17,5 Prozent und groß bei mehr als 35 Prozent). Die Länder setzten unterschiedliche Kombinationen von NPI zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Dies habe dazu beigetragen, die Wirkung der einzelnen Maßnahmen besser zu erkennen. Im Ergebnis seien ein Versammlungsverbot für mehr als zehn Personen sowie die Schließung von Schulen und Hochschulen (Verringerung des R-Wertes um mehr als 35 Prozent) besonders effektiv gewesen. Die Schließung der Geschäfte mit Ausnahme derer, die lebensnotwendige Dinge vertreiben, habe einen mäßigen Effekt (Verringerung des R-Wertes um 27 Prozent) gehabt, während die Schließung von Restaurants , Kinos und Fitnessstudios eine Verringerung des R-Wertes um 18 Prozent aufgezeigt habe. Ausgangsbeschränkungen hätten eine Reduzierung um 13 Prozent zur Folge gehabt. Hingewiesen wird darauf, dass es erhebliche Unterschiede bei der Wirksamkeit der Maßnahmen zwischen den Ländern gebe. Die gleichzeitige Umsetzung mehrerer Maßnahmen in den jeweiligen Ländern hätte zusammengenommen den R-Wert um 77 Prozent gesenkt. Bendavid, Eran/ Oh, Christopher/ Bhattacharya, Jay et al., Assessing mandatory stay- at- home and business closure effects on the spread of COVID- 19, in: European Journal of Clinical Investigation 2021;51:e13484, abrufbar unter: https://onlinelibrary .wiley.com/doi/epdf/10.1111/eci.13484 sowie kritisch dazu Glechner, Anna/ Stratil, Jan/ Bombana, Manuela et al., COVID-19-Pandemie: Sind harte Lockdowns unwirksam? Warum die Studie von Bendavid et al. dafür kein Beweis ist, in: Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 2021, 97 (3), abrufbar unter: https://www.online-zfa.de/fileadmin /pdfs-free/ZFA_03_2021_Besonderer_Artikel_.pdf. Untersucht wird in der erstgenannten Studie die erste Welle der Pandemie, in dem die Infektionszahlen bis April 2020 in acht Ländern und die jeweiligen NPI in Beziehung gesetzt werden. Gegenübergestellt wurden dabei acht Länder, in denen härtere Maßnahmen (England, Frankreich, Deutschland, Iran, Italien, die Niederlande, Spanien und die USA) und zwei Länder (Schweden und Südkorea), in denen leichtere Maßnahmen getroffen worden seien. Die Corona-Maßnahmen hätten in neun von zehn Ländern (ausgenommen Spanien) eine deutliche Reduktion der Fallzahlen bewirkt. Dabei sei aber nicht entscheidend gewesen, ob die Maßnahmen leicht oder hart gewesen seien. Als harte Maßnahmen seien etwa Schul- und Betriebsschließungen, Mobilitätseinschränkungen , Besuchsverbote und Versammlungsverbote größerer Gruppen gewertet worden. Während in Schweden und Südkorea unter anderem eine Empfehlung etwa für weniger Besuche und Reisen gegolten habe, sei dies in den anderen Ländern untersagt worden. Ein Absenken der Fallzahlen um bis zu 30 Prozent durch strenge Einschränkungen könne aber in einigen Ländern nicht ausgeschlossen werden. Gegen diese Studie geben andere Wissenschaftler zu bedenken, dass die Zuordnung von Schweden und Südkorea als Länder mit leichteren Maßnahmen nicht ohne Weiteres getroffen werden könne. In diesen Ländern habe es zu Beginn der Pandemie ebenfalls Interventionen gegeben, um Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 7 das Infektionsgeschehen einzudämmen, wie z. B. Empfehlungen für einen Mund-Nasenschutz (in Südkorea für manche Bereiche verpflichtend), Homeoffice, Schulschließungen, Verbot von öffentlichen Versammlungen, Einschränkung von Inlands- und internationalem Reiseverkehr, Teststrategien und eine konsequente Kontaktnachverfolgung. So habe Südkorea eine sehr restriktive Kontaktnachverfolgung unter Nutzung von persönlichen Bewegungsprofilen von Mobiltelefondaten durchgeführt. Dies habe zu besserer Kontaktnachverfolgung geführt6, die Infektionsraten gesenkt und möglicherweise das Verhalten der überwachten Personen beeinflusst. Überhaupt sei die generelle Bereitschaft der Bevölkerung, Regierungsmaßnahmen zu folgen, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Im Ergebnis stellen die Autoren fest: „Die Studie von Bendavid et al. weist schwerwiegende methodische Mängel auf. Die Studie wurde in vier von sieben Domänen mit einem hohen Verzerrungspotenzial bewertet. Einer der schwerwiegendsten Mängel betraf Störfaktoren, da die Länder, die verglichen wurden, Maßnahmen in unterschiedlicher Intensität anwendeten und diese je nach Ausgangssituation unterschiedlich wirksam waren. Wesentliche Informationen über die Kriterien für die Auswahl der Länder sowie eine klare Definition der Interventionen fehlten.“ Gesellschaft für Aerosolforschung, Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2 Infektionsgeschehen vom 17. Dezember 2020, abrufbar unter: https://ae00780f-bbdd-47b2-aa10-e1dc2cdeb6dd.filesusr .com/ugd/fab12b_bfb30105145649bb88fd7a9750e3eb00.pdf. Die Gesellschaft für Aerosolforschung betont, dass das Zusammenspiel der verschiedensten Maßnahmen nach derzeitigem Wissensstand der beste Weg zur Minimierung des Infektionsrisikos sei. Als wichtige Maßnahmen werden das Abstandhalten, das Tragen einer Maske und häufiges Stoßund Querlüften beim Aufenthalt in geschlossenen Räumen beschrieben. Auch könnten Luftreiniger einen sinnvollen Beitrag leisten, um die Partikel- und Virenkonzentration in einem Raum zu reduzieren. Im Freien dagegen fänden so gut wie keine Infektionen durch Aerosolpartikel statt. Baier, Lucas/ Kühl, Niklas/ Schöffer, Jakob et al., Utilizing Concept Drift for Measuring the Effectiveness of Policy Interventions: The Case of the COVID-19 Pandemic, Karlsruhe Institute of Technology (KIT, Hrsg.), Preprint7 vom 30. November 2020 abrufbar unter: https://e-healthcom .de/details-news/kit-studie-datenanalyse-zur-wirkung-von-corona-massnahmen/. Das Karlsruhe Service Research Institute und das Institute of Information Systems des KIT untersuchten auch mittels künstlicher Intelligenz vier NPI-Maßnahmen (die allgemeine Einschränkung von Versammlungen, das Reduzieren persönlicher sozialer Kontakte, Schulschließungen sowie 6 Zur Situation in Südkorea, siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Informationen zur Corona-Pandemie in China, im Iran und in Südkorea, (Stand: 13. April 2020), WD 9 – 3000 – 022/20, Dokumentation vom 15. April 2020, Gliederungspunkt 4., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/691404/287ae98a80337b81b7642406f87a6617/WD-9-022-20-pdf-data.pdf. 7 Als Preprints werden Arbeiten bezeichnet, die vor dem sogenannten Peer Review, einer Begutachtung durch Fachkollegen, und vor der Veröffentlichung in einem Fachmagazin bereits auf entsprechenden Plattformen veröffentlicht werden. Die Ergebnisse können dadurch schneller für die weitere Forschung genutzt und bewertet werden, gleichzeitig sind sie jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da eine Qualitätskontrolle durch Peer Review aussteht. Zur Diskussion um Preprints und die Qualität von Studien zu COVID-19, abrufbar unter: https://www.cochrane.de/de/news/zur-diskussion-um-preprints-und-die-qualit%C3%A4t-von-studien-zu-covid -19. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 8 einen Lockdown) im Verhältnis zu den zwischen dem 22. Januar und 12. Mai 2020 von der US-amerikanischen Johns Hopkins Universität erhobenen täglichen Fallzahlen aus Österreich, Belgien, Deutschland, Italien, Norwegen, Spanien, Schweden, der Schweiz und Großbritannien sowie 28 US-Bundesstaaten. Zusätzlich seien länderspezifische Merkmale, wie die Altersstruktur , Bevölkerungsdichte, medizinische Infrastruktur und das Klima, berücksichtigt worden. Danach sei bei den Schulschließungen ein signifikanter Effekt zu verzeichnen. Das Ergebnis der Effektivität von Schulschließungen bedeute jedoch nicht, dass andere NPI oder Faktoren, die nicht in das Modell einbezogen worden seien, nicht auch einen wesentlichen Einfluss auf die Eindämmung der Pandemie haben könnten. Im Schnitt dauere es zwei Wochen, bis eine Maßnahme Wirkung entfalte. Haug, Nils/ Geyrhofer, Lukas/ Londei, Alessandro et al., Ranking the effectiveness of worldwide COVID-19 government interventions, in: Nature Human Behaviour 4, S. 1303–1312 (2020), 16. November 2020, abrufbar unter: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33199859/. Untersucht wurden über 6.000 angewendete Maßnahmen in 79 Regionen, überwiegend in Europa und einzelnen Bundesstaaten in den USA, die zwischen Januar und Mai 2020 ergriffen wurden, und deren Auswirkungen auf den R-Wert. Dabei wurden mehrere statistische Methoden auch unter Einbeziehung künstlicher Intelligenz verwendet, um eine Wirksamkeitsbeurteilung zu erstellen . Im Ergebnis funktioniere Social distancing am besten. So sei der Studie zufolge die Schließung von Bildungseinrichtungen wirksam. Dies gelte auch für das Verbieten kleiner Zusammenkünfte , wie z. B. das Schließen von Geschäften und Restaurants oder die Durchführung von Homeoffice. Ebenfalls als effektiv werden danach auch Ausgangsbeschränkungen und Reiseeinschränkungen eingestuft. Eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie spiele ebenso eine gute Risikokommunikation. Allerdings sei keine Maßnahme allein wirksam genug, um den R-Wert unter eins zu senken. Zudem wird auf negative Folgen einzelner Maßnahmen hingewiesen. So würde durch Schulschließungen das Lernen unterbrochen. Weitere Folgeerscheinungen , wie schlechte Ernährung, Stress und soziale Isolation, seien möglich. Ausgangsbeschränkungen könnten in vielen Ländern zu stark vermehrter häuslicher Gewalt führen. Rutz, Samuel/ Mattmann, Mateo/ Crede, Ann-Kathrin et al., Wirksamkeit nicht-pharmazeutischer Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, Eine Übersicht, Grundlagen für die Wirtschaftspolitik Nr. 15, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (Hrsg.), Juli 2020 abrufbar unter: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Publikationen_Dienstleistungen/Publikationen _und_Formulare/Strukturwandel_Wachstum/Wachstum/wp_15_wirksamkeit _nicht_pharma_massnahmen_covid19.html. Der Studie zufolge werden auf Basis einer Meta-Analyse, zu der mehr als 60 Veröffentlichungen (siehe Anhang A und B) herangezogen wurden, evidenzbasierte Aussagen zur Wirksamkeit verschiedener NPI getroffen. Dazu werden international ergriffene Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie aufgeführt und anhand von Kriterien, wie dem Grad der Freiwilligkeit, den Adressaten , dem Umfang der Betroffenheit der Adressaten, der geografischen Differenzierung und der Implementierung in der Schweiz kategorisiert sowie die Auswirkungen auf den R-Wert bewertet. Die Relevanz für die Schweiz steht dabei im Mittelpunkt. Die Meta-Analyse kommt zu folgenden Ergebnissen: In der Kategorie der Mobilitätsmaßnahmen sind Quarantänemaßnahmen von hoher Wichtigkeit . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 9 Masken helfen, die Verbreitung des Virus zu reduzieren. Social Distancing-Maßnahmen haben einen starken Einfluss auf die Reduktion der Infektionen und werden von einigen Studien als die wichtigsten Maßnahmen überhaupt beurteilt . Beschränkungen und Verbote großer Menschenansammlungen leisten einen wichtigen Beitrag. Schulschließungen tragen zur Eindämmung der Pandemie bei. Die Heterogenität der Studienergebnisse bezüglich der konkreten Wirksamkeit ist allerdings hoch. Tracing- und Testing-Maßnahmen sind relativ effektiv und kostengünstig. Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung , StopptCOVID-Studie: Wie stoppt man eine Pandemie? Wirksamkeit und Wirkung von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen auf die COVID-19-Pandemie in Deutschland, abrufbar unter: https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/gesundheitswissenschaften/ag/ag2/forschung /stopptcovid.xml. Dieses vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte, noch laufende Kooperationsprojekt zwischen der Universität Bielefeld und dem Robert Koch-Institut analysiert den Effekt einzelner Maßnahmen systematisch. Dazu erarbeitet es eine Dokumentation der NPI zur Kontrolle der SARS-CoV-2-Pandemie in Deutschland, auf Ebene der Bundesländer und auf der Ebene besonders betroffener Landkreise, um die relative Bedeutung von assoziierten Faktoren (Risiko- und schützende Faktoren) zu quantifizieren und eine Bewertung der Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie in Deutschland vorzunehmen. 3. Studien speziell zu Ausgangsbeschränkungen Dimeglio, Chloé/ Miedougé, Marcel/ Loubes, Jean-Michel et al., Side effect of a 6 p.m curfew for preventing the spread of SARS-CoV-2: A modeling study from Toulouse, France, in: Journal of infection, Mai 2021 (82), S. 186-230 abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC7847700/. Dieser Veröffentlichung liegt die Untersuchung der Auswirkungen der Ausgangssperre in Toulouse zugrunde. Dabei wurden einerseits der Zeitraum vom 1. Januar bis 15. Januar 2021 mit einer Ausgangssperre ab 20 Uhr und andererseits der Zeitraum vom 20. Januar bis 24. Januar 2021 mit einer Ausgangssperre bereits ab 18 Uhr in den Blick genommen und mit dem Anstieg der positiven PCR-Tests im Rahmen einer Modellierung in Beziehung gesetzt. Die nächtliche Ausgangssperre ab 20 Uhr habe dazu beigetragen, die Verbreitung von Sars-CoV-2 zu verringern . Demgegenüber habe die bereits um 18 Uhr beginnende Ausgangssperre einen gegensätzlichen Effekt gehabt. Als möglicher Grund wird angegeben, dass durch die frühere Ausgangssperre kurz vor deren Inkrafttreten größere Gruppen von Menschen in Geschäften und Supermärkten aufeinander treffen könnten. De Haas, Samuel/ Georg, Götz/ Heim, Sven, Measuring the effects of COVID-19-related night curfews : Empirical evidence from Germany, vorläufige Ergebnisse vom 28. April 2021 abrufbar unter : https://www.uni-giessen.de/fbz/fb02/fb/professuren/vwl/goetz/forschung/publikationenordner /arbeitspapiere/Curfews. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 10 Diese Untersuchung hat die Wirksamkeit nächtlicher Ausgangssperren in Hessen in den Blick genommen. Verglichen wurde die Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenzen von hessischen Kreisen und kreisfreien Städten, in denen Ausgangssperren verhängt wurden, mit jenen, in denen das nicht der Fall war und zwar im Zeitraum vom 18. November 2020 bis 28. Februar 2021. In 15 der 26 hessischen Landkreise hatten innerhalb des Beobachtungszeitraums zeitweise nächtliche Ausgangssperren mit einer durchschnittlichen Dauer von 28 Tagen gegolten. Ein signifikanter Effekt sei laut den vorläufigen Studienergebnissen jedoch nicht nachzuweisen, wenn schon andere Maßnahmen implementiert seien. Nächtliche Ausgangssperren hätten demnach nicht zu einer Abnahme der Inzidenzen beigetragen. Di Domenico, Laura/ Sabbatini, Chiara/ Pullano, Giulia et al., Impact of January 2021 curfew measures on SARSCoV-2 B.1.1.7 circulation in France, in: Eurosurveillance, Volume 26, Issue 15, 15. April 2021, abrufbar unter: https://www.eurosurveillance.org/content /10.2807/1560-7917.ES.2021.26.15.2100272. Die Studie untersucht die Auswirkungen einer Ausgangssperre, die in weiten Teilen Frankreichs seit Mitte Dezember 2020, je nach Region ab 18 Uhr bzw. 20 Uhr galt. Betrachtet wurden dabei die Ausbreitung des Virus wie auch die Anzahl der Krankenhauseinweisungen. Die Ausgangssperre sei demnach im Januar 2021 bei der Eindämmung der Verbreitung des ursprünglichen SARS-CoV-2-Stranges hilfreich gewesen. Allerdings, so die Forscher, reichten sie zusammen mit anderen Maßnahmen im Bereich Social Distancing nicht aus, die Verbreitung der aggressiveren britischen Mutante B.1.1.7 einzudämmen. Ghasemi, Amir/ Daneman, Nick/ Berry, Isha et al., Impact of a nighttime curfew on overnight mobility, Preprint vom 7. April 2021, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content /10.1101/2021.04.04.21254906v1.full.pdf. Diese Studie bezieht sich auf die Auswirkungen einer nächtlichen Ausgangssperre, die am 9. Januar 2021 in Québec eingeführt wurde. In den Blick genommen wird dazu die Bevölkerung von Ontario (einschließlich Toronto), in der keine Ausgangssperre galt und Québec (einschließlich Montreal) in der Zeit vom 1. Dezember 2020 bis zum 23. Januar 2021. Im Ergebnis sei die Einführung der Ausgangssperre mit einer sofortigen Verringerung der nächtlichen Mobilität verbunden gewesen und zwar sei die nächtliche Mobilität in Québec im Vergleich zur Nachbarprovinz Ontario ohne Ausgangssperre um 31 Prozent niedriger gewesen. Asik, Gunes A./ Ozen, Efsan Nas: It takes a curfew: The effect of Covid-19 on female homicides, in: Economics Letters 200, 109761, März 2021, abrufbar unter: https://www.sciencedirect .com/science/article/pii/S0165176521000380#. Die hier erläuterte türkische Studie nimmt einen etwas anderen Blickwinkel auf Ausgangssperren und Mobilitätsbeschränkungen während der Pandemie ein. Die Wissenschaftler griffen, ausgehend davon, dass geschlechtsbezogene Gewalt ein globales Phänomen ist, die Frage auf, wie sich Schutzmaßnahmen, wie eine Ausgangssperre, auf Gewalt- und Tötungsdelikte gegen Frauen in der Türkei auswirkten. Im Ergebnis konnten die Forscher feststellen, dass die Fälle von nichttödlicher , häuslicher Gewalt zwar zugenommen, Tötungsdelikte hingegen jedoch abgenommen haben. Hierbei kämen zwei Erklärungsansätze in Betracht: Zum einen verließen Frauen in Pandemiezeiten seltener gewalttätige Beziehungen und so käme es hierdurch zu einer geringeren An- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 11 zahl von Tötungsdelikten. Zum anderen werde vermutet, dass viele der Täter aufgrund der Ausgangssperre weniger Zugangsmöglichkeiten zu den Opfern hätten. Der Täterkreis bestehe vielfach aus Ex-Partnern, die organisierte Begegnungen (bspw. Besuch der gemeinsamen Kinder) für ein Tötungsdelikt ausnutzten. 4. Studien und weitere Beiträge speziell zu Schulschließungen und Homeoffice Berger, Ursula/ Fritz, Cornelius/ Kauermann, Göran, Schulschließungen oder Schulöffnung mit Testpflicht? Epidemiologisch-statistische Aspekte sprechen für Schulöffnungen mit verpflichtenden Tests, in: CODAG Bericht Nr. 14, 30. April 2021, S. 6 ff., abrufbar unter: https://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/pdfs/codag_bericht_14.pdf. Wissenschaftler der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) haben eine Analyse des Infektionsgeschehens in bayerischen Schulen durchgeführt. Als Basis wählten die Statistiker die Datenlage in 96 Kreisen in Bayern in der 15. Kalenderwoche, also der Woche nach den Osterferien . Die Datenlage könne als natürliches Experiment betrachtet werden, da alle Schulkinder während der Osterferien in den zwei vorhergehenden Wochen nicht in die Schule gegangen seien. Neuinfektionen bei Schulkindern, die bis Freitag der 15. Kalenderwoche gemeldet worden seien, seien nicht (oder zumindest nur in vernachlässigbarem Umfang) auf Ansteckungen im Präsenzunterricht bzw. in den Schulen zurückzuführen, sondern seien vorher während der Osterferien übertragen worden. Neuinfektionen in dieser Kalenderwoche hätten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in einem Infektionsumfeld außerhalb der Schule stattgefunden. Vergleiche man damit die Entwicklung der Neuinfektionen in Kreisen, in denen Präsenzunterricht mit Testpflicht stattfinden konnte, mit einer Kontrollgruppe aus Kreisen mit Distanzunterricht aber ohne Reihentestung, könne man statistisch nachweisbare Unterschiede auf das unterschiedliche Testgeschehen zurückführen. Aus den Ergebnissen ließe sich ableiten, dass Schulöffnungen für den Präsenzunterricht mit Testpflicht (unter Einhaltung notwendiger Hygienemaßnahmen und ggf. im Wechsel) helfen können, symptomlose Infektionen aufzudecken, um Infektionsketten zu unterbrechen und so einen Beitrag zur Pandemiebewältigung zu leisten. Heudorf, Ursel/ Steul, Katrin/ Walczok, Antoni et al., Kinder und COVID-19: Kontaktpersonen- Surveillance in Frankfurter Kitas und Schulen (August bis Dezember 2020), in: Monatsschrift Kinderheilkunde, 4/2021, 169: S. 322–334, abrufbar unter: https://link.springer.com/content /pdf/10.1007/s00112-021-01134-8.pdf. Untersucht wurden die Anzahl und die Inzidenzen der SARS-CoV-2-Meldungen in Frankfurt von März bis Ende 2020. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass von Kindern keine höhere Ansteckungsgefahr ausgehe als von Erwachsenen. Im Gegenteil: Sie wiesen eine unterdurchschnittliche Infektionsquote im Verhältnis zum Bevölkerungsdurchschnitt auf. Dies gelte insbesondere in Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 12 der Gruppe von Kindern unter zehn Jahren. Weiterhin seien in den Kindertagesstätten und Schulen nur geringe Infektionsgeschehen zu verzeichnen gewesen.8 Dies könne etwa darauf zurückzuführen sein, dass in den Einrichtungen strenger auf die Einhaltung der umfassenden Hygienemaßnahmen geachtet werde. Aufgrund der Datenlage halten es die Autoren für vertretbar, bei einem Ausbruch nur gegenüber engen Kontaktpersonen eine Quarantäne zu verhängen, während anderen Kontaktpersonen mit entsprechenden Hygienemaßnahmen weiterhin ein Schulbesuch ermöglicht werden sollte. Hierbei wird auch das strukturierte Testen als sinnvolle Methode angesehen , um Infektionsketten zu unterbrechen und Superspreading-Events auszuschließen. Buonsenso, Danilo/ Graglia, Benedetta, High rates of SARS‐CoV‐ 2 transmission in a high‐ school class, in: Journal of Paediatrics and Child Health, Februar 2021, 57(2): S. 299–300, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8014165/. Untersucht wurde die Ausbreitung des Virus anhand eines Falles einer Schulklasse in Italien mit 26 Jugendlichen, in der im September 2020 zunächst ein 16-jähriger Schüler positiv getestet wurde. Bei weiteren fünf Schülern wurde die Infektion mit Symptomen und bei weiteren drei Schülern ohne Symptome festgestellt. Im Klassenraum hätten die Schüler medizinische Masken getragen, ein Mindestabstand sei aber nicht eingehalten worden. Da Schüler jedenfalls im Jugendalter die Infektion verbreiten könnten, sei es notwendig, strenge Abstandsregeln ebenso wie das Maskentragen und Handhygiene durchzuführen. Gabler, Janos/ Raabe, Tobias/ Röhrl, Klara et al., Der Effekt von Heimarbeit auf die Entwicklung der Covid-19-Pandemie in Deutschland, Institute of Labor Economics (Institut zur Zukunft der Arbeit - IZA, Hrsg.) Standpunkte Nr. 100, Januar 2021, abrufbar unter: http://ftp.iza.org/sp100.pdf. Die Studie nutzt ein Simulationsmodell, um den Einfluss von höheren Homeofficequoten und Schulschließungen auf den Verlauf der Covid-19-Pandemie abzuschätzen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Homeoffice-Regelungen einen großen Effekt auf die Senkung der Infektionszahlen haben. So lasse sich der große Effekt, den Schulschließungen bei isolierter Betrachtung für sich in Anspruch nähmen, zu einem Großteil auf die damit für Eltern einhergehenden Restriktionen zurückführen. Daher wird angemahnt, wenn ein wesentlicher Effekt der Schulschließungen über die Restriktionen für Eltern wirke, so solle eine Reduktion der Fallzahlen auch über andere Instrumente erreichbar sein, wie zum Beispiel eine Pflicht zum Homeoffice. 8 Anmerkung: Das Robert Koch-Institut weist in seinem – laufend aktualisierten – Epidemiologischen Steckbrief unter Gliederungspunkt 16 zu Kindern und Jugendlichen darauf hin, dass die Infektiosität im Kindesalter bislang selten untersucht worden sei und daher nicht abschließend bewertet werden könne, der Steckbrief ist abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Steckbrief.html. Siehe im Übrigen zur Situation bei Kindern und Jugendlichen: Zur Rolle von Kindern im Corona-Pandemiegeschehen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages , WD 8 - 3010 - 035/21, Ausarbeitung vom 25. März 2021, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/dokumente/analysen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 13 Alipour, Jean-Victor/ Fadinger, Harald/ Schymik, Jan, My Home is My Castle – The Benefits of Working from Home During a Pandemic Crisis, Dezember 2020, abrufbar unter: http://fadinger .vwl.uni-mannheim.de/Research_files/WFHCovid19_R1.pdf. Dieser Beitrag untersucht die Auswirkungen von Homeoffice auf das Infektionsgeschehen in Deutschland anhand administrativer Daten zu SARS-CoV-2-Infektionen, Umfragen unter Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf Firmen- und Arbeitnehmerebene sowie Handy-Tracking-Daten zu Mobilitätsmustern. Im Ergebnis reduziere Homeoffice das Infektionsgeschehen deutlich. Ein Prozent mehr Arbeitnehmer im Homeoffice könne die Infektionsrate um bis zu acht Prozent verringert . In Bereichen mit höherem Anteil an Jobs, die für das Homeoffice geeignet seien, sei die Zahl der Covid-19-Infektionen strukturell niedriger. Daher solle das Homeoffice-Gebot so lange wie möglich aufrechterhalten werden. 5. Studien speziell zum Mund-Nasen-Schutz Hemmer, Christoph Joseph/ Hufert, Frank/ Siewert Stefan et al., Protection from COVID-19 – the efficacy of face masks, in: Deutsches Ärzteblatt International 2021; 118, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/217465/Schutz-vor-COVID-19-Wirksamkeit-des-Mund-Nasen- Schutzes. Diese Meta-Analyse von 29 Studien zu Infektionen nicht nur mit SARS-CoV-2, sondern auch mit SARS-CoV oder mit MERS-CoV, kommt zu dem Ergebnis, dass das Tragen von Masken vom Typ N95 (entspricht etwa FFP2) und von chirurgischen Masken beziehungsweise ähnlicher mehrlagiger Baumwollmasken das Infektionsrisiko des Trägers bedeutend verringern kann. Die Schutzwirkung resultiere aus der Reduzierung potenziell infektiöser Tröpfchen. Darüber hinaus würden auftretende Erkrankungen milder verlaufen. Diese Schutzwirkung könne aber meist nicht isoliert von zusätzlichen Schutzmaßnahmen (Abstandsregeln, Hygienekonzepte) betrachtet werden, was eine Limitation der eingeschlossenen Arbeiten darstelle. Howard, Jeremy/ Huang,Austin/ Li, Zhiyuan et al., An evidence review of face masks against COVID-19, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), 26. Januar 2021, 118 (4) e2014564118, abrufbar unter: https://www.pnas.org/content /118/4/e2014564118?fbclid=IwAR0jN0sXO46tpZbzBJrw0KnHkv61GXNRnD218gO7rYBieqNj EonifdtvI2I. Diese Meta-Analyse, die mehr als 100 Veröffentlichungen untersucht und vergleicht, beschäftigt sich mit der Effektivität einer Maskenpflicht. Die vorliegenden Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass die nahezu flächendeckende Verwendung selbst von nichtmedizinischen Masken in der Öffentlichkeit in Kombination mit ergänzenden Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens den R-Wert auf unter eins senken und damit die Ausbreitung in der Bevölkerung reduzieren könne, wenn diese Maßnahmen aufrechterhalten werden. Ein entscheidender Faktor für eine effektive Schutzwirkung sei die flächendeckende Bereitschaft in der Bevölkerung, eine Maske zu tragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 14 6. Studien speziell zur Verwendung einer Warn-App Munzert, Simon/ Selb, Peter/ Gohdes, Anita et al., Tracking and promoting the usage of a CO- VID-19 contact tracing app, in: Nature Human Behaviour 5, S. 247-255 (2021), abrufbar unter: https://www.nature.com/articles/s41562-020-01044-x.9 Dieser Untersuchung zur Nutzung und Nutzungssteigerung der Corona-Warn-App in Deutschland lag eine Verknüpfung einer Online-Panel-Befragung und die Nutzung mobiler Tracking-Daten bzw. als dritte Gruppe eine Kombination von beiden in Bezug auf über 2.000 Personen zugrunde . Betrachtet wurde der Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte September 2020. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in der Stichprobe eine stärkere Nutzung der App durch ältere Personen oder Personen mit Vorerkrankungen, Personen mit Digitalkompetenz, Personen mit Vertrauen in staatliche Einrichtungen und die Wissenschaft sowie Personen mit einem höheren Bildungsniveau stattgefunden habe. Die persönliche Betroffenheit scheine die Nutzungsbereitschaft zu steigern, da Personen, in deren Umfeld es Corona-Ausbrüche gab oder die sich einem höheren Ansteckungsrisiko (bspw. in öffentlichen Verkehrsmitteln) ausgesetzt sahen, die App eher verwendeten . Die Autoren nahmen neben der Nutzung auch eine weitere Steigerung der Downloadzahlen in den Blick. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine weitere Aufklärung oder Werbung keinen signifikanten Effekt auf die Inanspruchnahme der App hätte. Kleine finanzielle Anreize (1-5 €) hingegen, welche den Probanden im Rahmen der Studie zur Verfügung gestellt worden sind, hätten einen positiven Effekt auf die Nutzungsbereitschaft der App gehabt. Klein, Andreas/ Nihalani, Katrin/ Wollmann, Christina, Corona-Warn-App-Akzeptanz in der Bevölkerung für eine digitale Lösung zur Pandemiebekämpfung, in: Gesundheit und Warnpolitik 74 (2020), S. 27-33, abrufbar unter: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1611-5821-2020-6- 27/corona-warn-app-akzeptanz-in-der-bevoelkerung-fuer-eine-digitale-loesung-zur-pandemiebekaempfung -jahrgang-74-2020-heft-6. In der Studie wurden Teilnehmer einer Stichprobe (511 Probanden) in der Zeit von Ende August 2020 bis Anfang Oktober 2020 zu der Corona-Warn-App befragt. Die Fragen bezogen sich dabei unter anderem darauf, wie die Probanden auf die App aufmerksam geworden seien, welche Gründe für die Installierung eine Rolle gespielt hätten. Daneben wurden auch Nichtnutzer (157 der Probanden) zu den Gründen befragt, warum sie sich gegen die Installation der App entschieden hätten. Als Gründe für die Installation hätten ca. 85 Prozent angegeben, als Gemeinschaft zu einer schnellen Eindämmung der Pandemie beitragen zu wollen. Zudem spiele das Gefühl der eigenen Sicherheit bei fast der Hälfte der Nutzer eine wichtige Rolle. Als hauptsächliche Gründe gegen die Nutzung wurden die Angst vor dem Austausch falscher Daten sowie datenschutzrechtliche Bedenken genannt. Auf Grundlage der Befragung schlagen die Autoren der Studie vor, eine erneute Werbekampagne für die App in Gang zu setzen, da ein Großteil der Nutzer von der App im Radio und im Fernsehen erfahren hätten. Zudem solle ein Fokus auf eine internationale Vernetzung der App gelegt werden. Schlussendlich wird auf die weitere Notwendigkeit der Aufklärung in datenschutzrechtlicher Hinsicht hingewiesen. 9 Informationen zu einer angekündigten Studie, welche die Bewertung des Datenschutzes der Corona-Warn-App und der Luca-App untersucht: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2021-04/corona-warn-app-luca-appdatenschutz -sicherheit-smartphone/komplettansicht. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 15 7. Beiträge speziell zur Risikokommunikation Loss, Julika/ Boklage, Evgeniya/ Jordan, Susamme et al., Risikokommunikation bei der Eindämmung der COVID-19-Pandemie: Herausforderungen und Erfolg versprechende Ansätze, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2021, 3, S. 294-303, abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-021-03283-3. Das Thema „Risikokommunikation“ gehört zu einem der wichtigsten Aspekte bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, da von der Unterrichtung der Bevölkerung und der Erklärung von Schutzmaßnahmen vielfach die Akzeptanz und Effektivität dieser Maßnahmen abhänge. Der Beitrag liefert einen Überblick über wichtige Aspekte, die bei der Risikokommunikation Berücksichtigung finden sollten. Dabei sei ein Ausgleich zwischen einer umfassenden Information einerseits und der Verhinderung einer zu großen Beruhigung zu finden. Denn obwohl es auf der einen Seite wichtig sei, bestehende Unsicherheiten aufgrund einer sich ständig verändernden und wissenschaftlich noch nicht erschlossenen Faktenlage zu kommunizieren, sei es andererseits unerlässlich , irrationalen Ängsten und Risikoeinschätzungen entgegenzutreten. Dabei stünden u. a. Politik , Wissenschaft und Behörden vor einer besonderen Aufgabe, da das Vertrauen der Bevölkerung in diese Institutionen zu Krisenzeiten sinke. Folglich sollten Kommunikationsstrategien engmaschig evaluiert und an die sich ständig wandelnde Lage angepasst werden. Hinzu trete, dass Gruppen, bei denen aufgrund unterschiedlicher Faktoren eine Kommunikation erschwert sei, eine besondere Betrachtung erfahren müssten. Abhilfe leisten könne hier die Einbindung von Vertretungen der jeweiligen Gruppen, die als Multiplikator für die Botschaften dienen könnten. Der Beitrag beschränkt sich nicht nur auf die Darstellung von Aspekten, die einer Risikokommunikation zuträglich sein können, sondern stellt Studien vor, welche die Kommunikationsstrategien in der Corona-Pandemie untersuchen: Universität Erfurt, Robert Koch-Institut, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leibniz- Institut für Psychologie, Science Media Center, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Yale Institute for Global Health, COSMO — COVID-19 Snapshot Monitoring, abrufbar unter: https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/web/. Dieses Gemeinschaftsprojekt verschiedener Institutionen hat zum Ziel, wiederholt einen Einblick zu erhalten, wie die Bevölkerung die Corona-Pandemie wahrnimmt. Dies soll es erleichtern, Kommunikationsmaßnahmen und die Berichterstattung so auszurichten, dass der Bevölkerung korrektes, hilfreiches Wissen angeboten werde und Falschinformationen und Aktionismus vorgebeugt würde. Robert Koch-Institut, Risk communication and community engagement (ongoing project), abrufbar unter: https://www.rki.de/EN/Content/Institute/International/COVID_ZIG_en/COVID_Riskcommunication -and-community-engagement_en.html. In dem Projekt untersucht das Zentrum für Internationalen Gesundheitsschutz des Robert Koch- Instituts gemeinsam mit internationalen Partnerorganisationen und Wissenschaftseinrichtungen die Risikokommunikation im Rahmen der Pandemie in den Ländern Nigeria, Guinea, Singapur und Deutschland. Hierbei liege der Fokus nicht nur auf der breiten Masse, sondern insbesondere auch auf solchen Bevölkerungsgruppen, die aufgrund unterschiedlicher Faktoren einen erschwerten Zugang zu Informationen und Kommunikationsvorgängen haben. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 040/21 Seite 16 Robert Koch-Institut, Universität Bielefeld, Messung der Gesundheitskompetenz von Jugendlichen (MOHLAA) – Teil 2, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring /Themen/Praevention/FP_gesundheitskompetenz.html sowie unter: http://www.hlca-consortium .de/?page_id=2871. In dem Projekt wird die erste Erhebung zur allgemeinen Gesundheitskompetenz bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland durchgeführt. Ziel ist es, aufzuzeigen, auf welche Art und Weise Jugendliche welche Informationen zu SARS-CoV‑2, COVID-19 und Infektionsschutzmaßnahmen suchen und erhalten, wie sie diese verstehen und bewerten, erleben und anwenden sowie ob und wie das Thema innerhalb ihrer Familie und Peergruppe kommuniziert wird. Damit soll das Projekt zur Klärung beitragen, ob die Risikokommunikation klar, vertrauenswürdig und bedarfsgerecht wahrgenommen wurde. ***