WD 9 - 3000 - 040/20 (4. Mai 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Das Verfahren zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit beruht auf § 92 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)1. Darin wird der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) ermächtigt, die erforderlichen Richtlinien zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen ärztlichen Versorgung zu erlassen. Insbesondere wird er in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V auch dazu ermächtigt, Richtlinien zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zu erlassen. Die „Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie“ des GBA dient der Konkretisierung der Bewertungsmaßstäbe für die Beurteilung von Arbeitsunfähigkeit.2 In der Regel schafft die ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit die Voraussetzung für den Anspruch von Versicherten auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle oder Krankengeld. Die „Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie“ wurde erstmals am 20. März 2020 rückwirkend zum 9. März 2020 bis zum 4. Mai 2020 dahingehend geändert, dass die Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum bis zu sieben Kalendertagen auch „nach telefonischer Anamnese und zwar im Wege der persönlichen ärztlichen Überzeugung vom Zustand des Versicherten durch eingehende telefonische Befragung“ erfolgen darf. Dies gilt bei Versicherten mit Erkrankungen der oberen Atemwege, die keine schwere Symptomatik vorweisen, und die nicht die Kriterien des Robert Koch-Instituts 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung, Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 22. März 2020, BGBl. I S. 604. 2 Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie): Ausnahmeregelung zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund telefonischer Anamnese vom 20. März 2020, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Regelung des Verfahrens zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Kurzinformation Regelung des Verfahrens zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 für einen begründeten Verdacht auf eine Infektion mit COVID-19 erfüllen.3 Am 27. März 2020 erweiterte der Gemeinsame Bundesausschuss diese Regelung auf eine 14-tägige Krankschreibungsfrist befristet bis zum 19. April 2020.4 Nachdem diese Ausnahmeregelung mit Beschluss vom 17. April 2020 zunächst nicht verlängert worden war,5 wurde mit Beschluss vom 21. April 2020 wiederum eine Ausnahmeregelung für den Zeitraum 20. April 2020 bis 4. Mai 2020 geschaffen.6 Zuletzt hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 29. April 2020 eine Verlängerung der Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 5. bis 18. Mai 2020 beschlossen. Die aktuellen Beschlüsse des GBA über die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, die jeweils – wie üblich – mit „Tragenden Gründen“ erläutert werden, entsprechen dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren. Allerdings sind die Kompetenzen dieses Gremiums insgesamt weitreichend und stehen daher vielfach als nicht ausreichend demokratisch legitimiert in der Kritik.7 Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer Entscheidung vom 10. November 2015 die vorgebrachten „generellen und allgemeinen Zweifel an der demokratischen Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses“ als „durchaus gewichtig“ bezeichnet.8 *** 3 Gemeinsamer Bundesausschuss, Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie): Ausnahmeregelung zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund telefonischer Anamnese vom 20. März 2020, abrufbar unter https://www.g-ba.de/beschluesse/4203/ 4 Gemeinsamer Bundesausschuss, Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie): Feststellung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund telefonischer Anamnese für einen Zeitraum von bis zu 14 Kalendertagen, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4223/2020-03-27_AU-RL_COVID-19-telefonische-AU-14- Tage_BAnz.pdf 5 Gemeinsamer Bundesausschuss, Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie): Nicht-Verlängerung der Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vom 17. April 2020, abrufbar unter https://www.g-ba.de/beschluesse/4255/ 6 Gemeinsamer Bundesausschuss, Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie): Anpassung und Verlängerung der Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vom 21. April 2020, abrufbar unter https://www.g-ba.de/beschluesse/4259/ 7 Zur Debatte um die demokratische Legitimation des GBA vgl. stellvertretend die Zusammenfassung in jurisPK- SGB V, 3. Aufl. 2015, Rd. 31 f., ausführlich und kritisch: Becker/Kingren, SGB V, 6. Aufl. 2018, Rd. 7-19. 8 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2015 - 1 BvR 2056/12 -, Rn. 22.