© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 040/19 Zur Arbeitssituation von Hebammen in der stationären Geburtshilfe Vergleich der Situation in Deutschland mit der in ausgewählten europäischen Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 2 europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 040/19 Abschluss der Arbeit: 14. August 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zur Situation in Deutschland 5 2.1. Angaben zu Klinikgeburten, zur Anzahl der Kliniken und Hebammen 5 2.2. Untersuchungen 7 2.2.1. Baden-Württemberg 7 2.2.1.1. Bericht für den Runden Tisch Geburtshilfe in Baden-Württemberg 7 2.2.1.2. Zu den Arbeitszeiten 7 2.2.1.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen, Ausbildungskapazitäten und Betreuungsschlüssel 8 2.2.1.4. Beschluss des Runden Tisches 8 2.2.2. Sachsen 9 2.2.2.1. Hebammenstudie Sachsen 9 2.2.2.2. Zu den Arbeitszeiten 9 2.2.2.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen und Betreuungsschlüssel 10 2.2.2.4. Zu den Handlungsempfehlungen 11 2.2.3. Bayern 11 2.2.3.1. Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat Bayern 11 2.2.3.2. Zu den Arbeitszeiten 11 2.2.3.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen und Betreuungsschlüssel 12 2.2.3.4. Zu den Handlungsempfehlungen 12 2.2.4. Sachsen-Anhalt 13 2.2.4.1. Hebammenstudie Sachsen-Anhalt 13 2.2.4.2. Zu den Arbeitszeiten 13 2.2.4.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen, Ausbildungskapazitäten und Betreuungsschlüssel 14 2.2.4.4. Zu den Handlungsempfehlungen 14 2.2.5. Berlin 15 2.2.6. Hessen 15 3. Frankreich 16 4. Norwegen 16 5. Schweiz 18 6. Türkei 19 7. Ungarn 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland wird seit mehreren Jahren diskutiert, wie der hohen Arbeitsbelastung der Hebammen durch bessere Arbeitsbedingungen und insbesondere eine höhere Personalausstattung begegnet werden könnte. Besonderer Bedarf wird in der klinischen Geburtshilfe gesehen. Hier betreuen Hebammen in der Praxis nach wie vor oftmals mehrere Frauen gleichzeitig während der Geburt.1 Diese hohe Belastung führt teilweise zu einem Rückzug von Hebammen aus der Geburtshilfe .2 Mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen für Hebammen in der stationären Geburtshilfe zu verbessern, hat der Bundesrat während des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, PpSG), das Ende 2018 beschlossen wurde3, in seiner Stellungnahme vom 21. September 2018 darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Versorgung durch Hebammen vor vergleichbaren Problemen stehe wie die Pflege. Vor dem Hintergrund steigender Geburtenzahlen und zu weniger bzw. nicht besetzter Hebammenplanstellen in den Krankenhäusern4 seien Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene Hebammenbetreuung während der Geburt sicherzustellen. Etwa eine vollständige Refinanzierung jeder zusätzlichen Hebammenstelle im Krankenhaus sowie eine verbesserte Vergütung könnten eine Entlastung der Hebammen und damit eine Sicherstellung der Versorgung in der Geburtshilfe zur Folge haben.5 Auf Hebammen wurde das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz jedoch nicht ausgeweitet. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages legten im Februar 2017 einen Sachstand zur Frage der Sicherstellung einer angemessenen personellen Ausstattung mit Hebammen in stationären Geburtshilfeeinrichtungen in ausgewählten Ländern vor.6 Diese Arbeit wird mit 1 Vgl. hierzu die Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Zum Betreuungsschlüssel von Hebammen in der klinischen Geburtshilfe, Kurzinformation, WD 9 – 3000 – 039/19 vom 21. Juni 2019. 2 Vgl, hierzu Picker Institut Deutschland gGmbH, Die Arbeitssituation von angestellten Hebammen in Kliniken, Hebammenbefragung 2015, S. 7, abrufbar unter: https://www.hebammen-nrw.de/cms/fileadmin/redaktion/Aktuelles /pdf/2016/DHV_Hebammenbefragung_Nov_2015_final.pdf (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt am 13. August 2019 abgerufen): „Hebammen, die dauerhaft eine große Anzahl von Frauen gleichzeitig betreuen müssen, denken häufiger darüber nach, den Arbeitgeber zu verlassen.“ (S. 9). 3 BGBl. I S. 2394. Das Gesetz ist überwiegend am 1. Januar 2019 in Kraft getreten. 4 Vgl. hierzu auch Deutsches Krankenhausinstitut, Blum, Karl/Löffert, Sabine/Offermanns, Matthias/Steffen, Petra, KrankenhausBarometer, Umfrage 2018, S. 24, abrufbar unter https://www.dki.de/sites/default/files/downloads /2018_11_kh_barometer_final.pdf: „Die größten Stellenbesetzungsprobleme bestehen bei den fest angestellten Hebammen. Mehr als 41 % der Krankenhäuser mit einer geburtshilflichen Abteilung haben das Problem, offene Stellen zu besetzen.“ 5 Stellungnahme des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG), Bundesrats-Drucksache 376/18 (Beschluss) vom 21. September 2018, abrufbar unter: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/0301-0400/376-18(B).pdf?__blob=publication- File&v=1. 6 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Frage der Sicherstellung einer angemessenen personellen Ausstattung mit Hebammen in stationären Geburtshilfeeinrichtungen in ausgewählten Ländern, Sachstand , WD 9 – 3000 – 079/16 vom 24. Februar 2017, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/498952/e6d987867d45ea04396edc12a38aa6d3/WD-9-079-16-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 5 vorliegendem Sachstand auftragsgemäß insbesondere mit Blick auf die Entwicklung in Deutschland seit Erstellung der vorgenannten Arbeit aktualisiert. Dabei werden neue Untersuchungen zum Thema Hebammenversorgung in einzelnen Bundesländern u. a. bezogen auf die Arbeitsbedingungen von Hebammen in der stationären Geburtshilfe vorgestellt. Anschließend werden – soweit vorhanden – entsprechende Informationen aus den Ländern Frankreich, Norwegen, Schweiz, Türkei und Ungarn aufgezeigt. 2. Zur Situation in Deutschland 2.1. Angaben zu Klinikgeburten, zur Anzahl der Kliniken und Hebammen In Deutschland kommen fast alle Kinder in einem Krankenhaus zur Welt, in der Regel ca. 98 Prozent . In den Jahren 2017 und 2015 waren es fast 99 Prozent, die im Krankenhaus geboren wurden .7 Die Anzahl der Krankenhäuser, die Entbindungen durchführen, ist zwischen 2015 und 2017 um rund fünf Prozent (von 709 auf 672) zurückgegangen, von 2000 bis 2017 um rund 36 Prozent (von 1.048 auf 672), siehe Statistisches Bundesamt, Entbindungen in Krankenhäusern in Deutschland (Anzahl und Prozent), 2000 bis 2017. Anlage 1 Zur Stärkung der Krankenhausversorgung in ländlichen Gebieten wurden kürzlich Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser entwickelt. Zum Abrechnungssystem von Geburtshilfestationen in Krankenhäusern über das Diagnosis Related Groups-System (DRG-System) und die Gewährung von Sicherstellungszuschlägen wird auf eine Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste verwiesen : Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Geburtshilfe, Zur ärztlichen Betreuung und Hebammenhilfe im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge sowie zur Abrechnungspraxis von, Geburtshilfestationen, Sachstand WD 9 - 3000 - 042/18 vom 18. Juli 2018.8 Sicherstellungszuschläge können für bedarfsnotwendige Krankenhäuser vereinbart werden, die wegen zu geringer Fallzahlen nicht auskömmlich wirtschaften können, insgesamt ein Defizit aufweisen und deren Leistungen nicht von einem anderen Krankenhaus in zumutbarer Entfernung ohne Zuschlag erbracht werden können.9 Für die Geburtshilfe ist eine flächendeckende Versorgung dann als gefährdet einzustufen, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – bei einer Schließung des 7 Statistisches Bundesamt, Geburten Daten der Lebendgeborenen, Totgeborenen, Gestorbenen und der Gestorbenen im 1. Lebensjahr, 2014 bis 2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt /Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/lebendgeborene-gestorbene.html im Verhältnis zu Gesundheitsberichterstattung des Bundes, In Krankenhäusern geborene Kinder (Anzahl). Gliederungsmerkmale: Jahre, Region, lebendgeboren /totgeboren, abrufbar unter: http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys 921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_aid=59566724&nummer=582&p_sprache =D&p_indsp=99999999&p_aid=92233464. 8 Die Arbeit ist abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/568206/0053800742d5a33c90063fa8e7481984/WD-9-042-18-pdf-data.pdf. 9 Vgl. § 5 Absatz 2 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 6 betreffenden Krankenhauses in dünn besiedelten Gebieten Pkw-Fahrzeiten von mehr als 40 Minuten notwendig sind, um bis zum nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus zu gelangen.10 Ab dem Jahr 2020 sollen voraussichtlich 120 Kliniken den Sicherstellungszuschlag erhalten.11 Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung kommt dagegen im Rahmen einer auf eine Modellregion bezogenen Simulation zum Ergebnis, dass die Region mit 14 statt den aktuell 38 Akutkrankenhäusern eine bessere Versorgung bieten könne, ohne dass die Patienten im Durchschnitt viel längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten. Für die Geburtshilfe wurde allerdings lediglich eine Reduzierung um vier Standorte vorgesehen.12 Die hohe Reduzierung der Krankenhäuser insgesamt begegnet von anderer Seite Bedenken, da es sich bei einem Großteil der Versorgung in den Krankenhäusern um medizinische Grundversorgung wie Geburten handele, die möglichst familien - und wohnortnah in erreichbaren Krankenhäusern erbracht werden müssten.13 Die Anzahl der in Krankenhäusern tätigen festangestellten Hebammen und Entbindungspfleger ist von 9.081 im Jahr 2015 auf 9.385 im Jahr 2017 um etwas mehr als drei Prozent angestiegen, bezogen auf den Zeitraum 2000 bis 2017 beläuft sich der Anstieg auf rund 22 Prozent (von 7.686 auf 9.385). Der Anstieg der Beleghebammen und Belegentbindungspfleger fällt geringfügiger aus (von 1.838 im Jahr 2015 auf 1.848 im Jahr 2017, Anstieg um ca. 0,5 Prozent bzw. von 1.726 im Jahr 2000 auf 1.848 im Jahr 2017 um ca. sieben Prozent). Auch die Zahl der in Krankenhäusern geborenen Kinder ist im Zeitraum von 2015 und 2017 um fast 6,5 Prozent von 730.800 auf 777.820 angestiegen, im Zeitraum von 2000 (mit 759.488 Kindern) bis 2017 nur um fast 2,5 Prozent . Der Anteil der in Teilzeit beschäftigten festangestellten Hebammen ist allerdings hoch. Während er zwischen 2015 und 2017 geringfügig von 72,5 Prozent auf 71,7 Prozent gesunken ist, 10 Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen gemäß § 136c Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) (Sicherstellungszuschläge-Regelungen), zuletzt geändert am 19. April 2018, S. 3 ff., abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1596/SiRe- RL_2018-04-19_iK_2018-05-23.pdf. Vgl. auch die Berichterstattung im Deutschen Ärzteblatt, News vom 20. April 2018, Sicherstellungszuschläge: Geburtshilfe zählt zu relevanten Basisleistungen, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/94605/Sicherstellungszuschlaege-Geburtshilfe-zaehlt-zu-relevanten- Basisleistungen sowie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., Geburtshilfe und ökonomische Anreize, Drucksache 19/4283 vom 11. September 2018, S. 15 f. und die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Angebote für klinische und außerklinische Geburtshilfe in Deutschland, Drucksache 19/1924 vom 27. April 2018, S. 2. 11 Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) zum Sicherstellungszuschlag, 120 Kliniken erhalten Sicherstellungszuschlag , Mitteilung vom 8. Juli 2019, abrufbar unter: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/120-klinikenerhalten -sicherstellungszuschlag/. Wie hoch dabei die Anzahl der Kliniken mit einer Geburtshilfestation ist, ist nicht erkennbar. 12 Loos, Stefan/Albrecht, Martin/Zich, Karsten, Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.), Zukunftsfähige Krankenhausversorgung , Simulation und Analyse einer Neustrukturierung der Krankenhausversorgung am Beispiel einer Versorgungsregion in Nordrhein-Westfalen, Juli 2019, abrufbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin /files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/VV_Bericht_KH-Landschaft_final.pdf. 13 DKG zur Krankenhausstruktur-Studie der Bertelsmann-Stiftung, Kahlschlag in der Gesundheitsversorgung, Mitteilung vom 15. Juli 2019, abrufbar unter: https://www.dkgev.de/dkg/presse/details/kahlschlag-in-der-gesundheitsversorgung /. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 7 lag er im Jahr 2000 erst bei knapp 52 Prozent, siehe Statistisches Bundesamt, Krankenhausstatistik 1991 bis 2017, Beleghebammen/-entbindungspfleger, Anzahl. Anlage 2 2.2. Untersuchungen Im Juni 2018 forderte die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) den Bund auf, unter Beteiligung der Länder und deren Erkenntnisse ein Gutachten zur Versorgungssituation und zu erforderlichen Maßnahmen in der Geburtshilfe und Hebammenversorgung in Auftrag zu geben.14 In einzelnen Bundesländern wurden in jüngster Zeit eigene Untersuchungen zur Thematik Hebammenversorgung in Auftrag gegeben und zum Teil daraus folgende politische Maßnahmen beschlossen . 2.2.1. Baden-Württemberg 2.2.1.1. Bericht für den Runden Tisch Geburtshilfe in Baden-Württemberg Das dem dortigen Universitätsklinikum zugeordnete Heidelberger Institut für Global Health erstellte im Auftrag des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg in 2018 einen Bericht für den Runden Tisch Geburtshilfe in Baden-Württemberg: Entwicklung und aktuelle Versorgungssituation in der Geburtshilfe in Baden-Württemberg.15 Herangezogen wurden Daten verschiedener Institutionen wie dem GKV-Spitzenverband und Ergebnisse aus Befragungen z. B. des Hebammenverbandes Baden-Württemberg im Jahr 2017. Danach habe Baden-Württemberg im Jahr 2016 die höchste Geburtenrate seit über 40 Jahren (mit 98,5 Prozent Klinikgeburten) erlebt. Im Jahr 2015 habe es 87 Geburtskliniken in Baden-Württemberg gegeben. Elf Geburtskliniken seien seit 2010 geschlossen worden. 2.2.1.2. Zu den Arbeitszeiten Ein großer Anteil der Fachkräfte in der Geburtshilfe arbeite in Teilzeit, insbesondere berufserfahrene Hebammen. Konkret heißt es zu den in Krankenhäusern angestellten Hebammen: „Der Anteil der in Teilzeit angestellten Hebammen betrug 74 % im Jahr 2015 und 73 % im Jahr 2010. In den Jahren von 2011 bis 2015 ging die Anzahl der in Vollzeit angestellten Hebammen im Vergleich zu 2010 vorübergehend um bis zu 6 % zurück, während die Teilzeitbeschäftigung um vorübergehend bis zu 4 % zugenommen hat.“ (S. 23) Zur Arbeitszeit der Hebammen allgemein: „Die Wochenarbeitszeit der befragten Hebammen variierte von 24 Wochenstunden oder weniger 14 Gesundheitsministerkonferenz, Beschlüsse der 91. GMK (2018), TOP: 10.8 Geburtshilfe und Hebammenversorgung sichern, abrufbar unter: https://www.gmkonline.de/Beschluesse.html?id=717&jahr=2018. 15 Kohler Stefan/Bärnighausen Till, Entwicklung und aktuelle Versorgungssituation in der Geburtshilfe in Baden- Württemberg: Bericht für den Runden Tisch Geburtshilfe in Baden-Württemberg, Heidelberger Institut für Global Health, 2018, abrufbar unter: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/msm /intern/downloads/Downloads_Runder-Tisch-Geburtshilfe/Bericht_Entwicklung-Versorgungssituation-Geburtshilfe -BW_2018.pdf. Befragt wurden 628 Hebammen, 65 Krankenhäuser und 1886 Mütter. Die Befragung der Hebammen war dabei nicht auf im Krankenhaus tätige Hebammen beschränkt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 8 bis zu 55 Wochenstunden und mehr. Etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmerinnen (52 %) gab einen Arbeitszeitumfang von 35 Wochenstunden oder höher an, etwas weniger als die Hälfte (48 %) gab einen Arbeitszeitumfang von bis zu 34 Wochenstunden ohne Bereitschaftszeit an.“ (S. 57, wobei sich die Angaben auf alle befragten und nicht nur die in der stationären Geburtshilfe beschäftigten Hebammen beziehen.) Von 15 werdenden Hebammen, die Vollzeit in den Hebammenberuf einsteigen, hätten elf werdende Hebammen den Wunsch geäußert, fünf bis zehn Jahre nach dem Berufseinstieg in Teilzeit arbeiten zu wollen. Der Großteil der befragten, freiberuflich tätigen Hebammen berichte von mehr Anfragen nach Hebammenleistungen als sie annehmen könnten, sowohl für die Betreuung vor, während und nach der Geburt. Sieben von zehn befragten Hebammen berichteten von einem Anstieg oder sogar deutlichen Anstieg der Arbeitszeit in den letzten fünf Jahren. Am häufigsten und auch deutlichsten werde ein Anstieg der Arbeitszeit von freiberuflichen Hebammen mit Belegtätigkeit berichtet. Fast alle befragten Hebammenschülerinnen seien mit ihrer Berufswahl zufrieden oder sehr zufrieden. Weniger als ein Prozent sei unzufrieden mit der Berufswahl, aber über ein Viertel der befragten Hebammenschülerinnen in Baden-Württemberg äußere Unzufriedenheit mit den Berufsaussichten. 2.2.1.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen, Ausbildungskapazitäten und Betreuungsschlüssel Zum Zeitpunkt der Befragung berichteten die Kliniken von durchschnittlich nahezu zwei unbesetzten Vollkraftstellen für angestellte Hebammen, im Mittel würden 25 Wochen für eine Stellenbesetzung benötigt. Die Ausbildungskapazität für Hebammen und Entbindungspfleger in Baden- Württemberg werde in den nächsten Jahren von derzeit 480 Ausbildungsplätzen auf 601 Ausbildungsplätze steigen. Im Rahmen der klinischen Geburtshilfe würden regelmäßig zwei oder mehr Geburten gleichzeitig betreut. Je vier von zehn befragten, im Krankenhaus angestellten Hebammen hätten angegeben, einmal monatlich oder öfter vier oder mehr Geburten gleichzeitig zu betreuen.16 2.2.1.4. Beschluss des Runden Tisches Am 10. Mai 2019 beschloss der Runde Tisch Geburtshilfe in Baden-Württemberg, die Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe in den Kliniken mitarbeiter- und familienfreundlicher zu gestalten . Dazu gehörten auch eine bestmögliche Vereinbarung von Familie und Beruf, verlässliche Arbeitszeiten sowie eine angemessene personelle Ausstattung und Planung. Eine konkrete Umset- 16 Ausführlicher zum Betreuungsschlüssel: Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Zum Betreuungsschlüssel von Hebammen in der klinischen Geburtshilfe, Kurzinformation, WD 9 – 3000 – 039/19 vom 21. Juni 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 9 zung der mitarbeiter- und familienfreundlichen Geburtshilfe stelle auch die Förderung von Hebammenkreißsälen 17 dar, da diese zu höherer Arbeitszufriedenheit beim Personal führe und Schwangeren eine hebammengeführte Geburtshilfeeinrichtung innerhalb der Klinik ermögliche.18 2.2.2. Sachsen 2.2.2.1. Hebammenstudie Sachsen Nach einer im Jahr 2019 vom Forschungs- und Beratungsinstitut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES Institut) für das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz (SMS) veröffentlichten Hebammenstudie Sachsen, Studie zur Erfassung der Versorgungssituation mit Hebammenleistungen in Sachsen sowie zur Möglichkeit der kontinuierlichen landesweiten Erfassung von Daten über Hebammenleistungen gebe es derzeit keinen flächendeckenden Versorgungsmangel an Hebammen, jedoch punktuelle Engpässe vor allem in den sächsischen Städten.19 Für diese Studie wurden Hebammen, Mütter und Krankenhäuser in Bezug auf ihre Erfahrungen im Jahr 2017 befragt. 2.2.2.2. Zu den Arbeitszeiten Zum Beschäftigungsumfang der Hebammen insgesamt und nicht nur begrenzt auf die stationäre Geburtshilfe heißt es: „Im Jahr 2017 arbeitete von den ausschließlich freiberuflichen Hebammen der größte Anteil (68 %, n = 149) in Vollzeit, d. h. 38,5 Stunden pro Woche oder mehr […], während nur 44,3 % der ausschließlich angestellten Hebammen (n = 39) in Vollzeit tätig waren […]. Weniger als zehn Stunden pro Woche arbeiteten nur sehr geringe Anteile der ausschließlich angestellten (1 %) und ausschließlich freiberuflichen Hebammen (5 %). Von den Hebammen, die kombiniert angestellt und freiberuflich tätig waren, gaben 13 % an (n = 20), dass sie die Angestelltentätigkeit in Vollzeit ausüben und 5,8 % (n = 9) gaben eine freiberufliche Tätigkeit von 38,5 Stunden oder mehr an. Rund 49 % aller Hebammen (n = 76), die kombiniert angestellt und freiberuflich in diesem Beruf tätig waren, gingen der freiberuflichen Tätigkeit weniger als zehn Stunden die Woche nach.“ (S. 25) Zu den Überstunden heißt es: „Die Hebammen, die ausschließ- 17 Der Hebammenkreißsaal ist ein neues Betreuungsmodell, in dem Hebammen eigenverantwortlich ohne ärztliche Geburtshilfe gesunde Schwangere bei der Geburt ihrer Kinder in der Klinik betreuen, siehe Deutscher Hebammenverband , Hebammenkreißsäle in Deutschland, abrufbar unter: https://www.hebammenverband.de/familie /hebammen-kreisssaele/. 18 Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, Runder Tisch Geburtshilfe, Beschlüsse am 10. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.hebammen-bw.de/wp-content/uploads/5.1_190518_RunderTisch_Beschluss _Liste.pdf. 19 Sander, Monika/Albrecht, Martin/Temizdemir, Ender, Hebammenstudie Sachsen, Studie zur Erfassung der Versorgungssituation mit Hebammenleistungen in Sachsen sowie zur Möglichkeit der kontinuierlichen landesweiten Erfassung von Daten über Hebammenleistungen, Studie für das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz, Berlin April 2019, abrufbar unter: https://www.sms.sachsen.de/download/sms-hebammenstudie -freistaat-sachsen-2019.pdf. An der Befragung nahmen 517 Hebammen, 1.508 Mütter und 23 Krankenhäuser teil. Die Befragung der Hebammen war dabei nicht auf im Krankenhaus tätige Hebammen beschränkt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 10 lich angestellt tätig waren, hatten im Jahr 2017 durchschnittlich 15 Überstunden pro Monat geleistet (n = 88, SD20 = 14 Stunden pro Monat), während die Hebammen, die kombiniert freiberuflich und angestellt tätig waren, durchschnittlich 13 Überstunden pro Monat erbracht haben (n = 150, SD = 9 Stunden pro Monat). Die angestellten Hebammen in Vollzeit leisteten dabei mit durchschnittlich 16 Stunden pro Monat (n = 58, SD = 15 Stunden pro Monat) mehr Überstunden als die angestellten Hebammen in Teilzeit mit durchschnittlich 13 Überstunden pro Monat (n = 171, SD = 9,5 Stunden pro Monat).“ (S. 26 f.) Auch die Verteilung der Arbeitszeit auf verschiedene Tätigkeiten war Gegenstand der Befragung.21 So entfielen etwa 26 Prozent der Arbeitszeit von Hebammen im Angestelltenverhältnis auf die Betreuung von Frauen in Wehen, ca. 13 Prozent auf Verwaltungsaufgaben und ca. acht Prozent auf Reinigungsarbeiten. Fast zwölf Prozent der angestellten und fast neun Prozent der freiberuflichen Hebammen gingen im Jahr 2017 noch mindestens einer anderen bezahlten Tätigkeit nach. Der Umfang der hebammenfremden Tätigkeiten habe monatlich bei einer angestellten Tätigkeit durchschnittlich 92 Stunden und bei einer freiberuflichen Tätigkeit 84 Stunden betragen. Rund drei Viertel sowohl der freiberuflich als auch der angestellt tätigen Hebammen arbeiteten derzeit mehr als gewünscht, weil sie sich in den vergangenen Jahren gezwungen gesehen hätten, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Gründe seien die steigenden Geburtenzahlen, aber auch Personalmangel . Trotz dieser Arbeitszeitausweitung meinte mehr als jede zweite angestellt tätige und jede fünfte freiberuflich tätige Hebamme, Frauen nicht so betreuen zu können, wie sie es für richtig hielten. In ähnlicher Anzahl berichteten sie von deutlich angestiegener Arbeitsbelastung. Diese angespannte Situation habe zur Folge, dass mehr als jede fünfte freiberuflich tätige Hebamme oft und sogar sehr oft daran denke, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Jede Siebte überlege sogar, ganz aufzugeben. Bei den angestellten Hebammen wäre es jede Dritte, die an weniger Arbeitszeit denke, und jede Vierte, die über einen Ausstieg nachdenke. Weitere Motive für diese Überlegungen seien hohe Sozialabgaben, Unvereinbarkeit von Arbeit und Familie, aber auch ein zu geringes Einkommen. 2.2.2.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen und Betreuungsschlüssel Durchschnittlich fünf Prozent der Planstellen für festangestellte Hebammen in den Kliniken seien vakant gewesen. 17 der 20 Kliniken, die im Jahr 2017 angestellte Hebammen beschäftigten, gaben Auskunft darüber, wie lange es durchschnittlich dauere, eine freie Stelle mit einer angestellten Hebamme zu besetzen: Im Mittel waren es mehr als sieben Monate. Mehr als die Hälfte der festangestellten Hebammen und mehr als 70 Prozent der ausschließlich freiberuflichen Hebammen gaben an, während einer durchschnittlichen Schicht zwei Gebärende zur gleichen Zeit zu betreuen. 20 Standardabweichung. 21 Hierzu heißt es: „Der Arbeitszeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten konnte oftmals nur geschätzt werden, da viele Aufgaben parallel erledigt werden. Die Aussagekraft der Auswertungsergebnisse ist daher in dieser Hinsicht eingeschränkt.“ (S. 28 der Hebammenstudie Sachsen). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 11 2.2.2.4. Zu den Handlungsempfehlungen Die Studie schlägt insgesamt 14 Maßnahmen vor, die das SMS eigenen Angaben zufolge alle umsetzen wolle. Darunter findet sich z. B. die Erhebung und Bekanntmachung von Best-Practice- Ansätzen in den Kliniken, um die Arbeitszufriedenheit der Hebammen in den Kreißsälen zu erhöhen und die Arbeitsbelastung zu senken. Denkbar sei dies durch Befreiung der Hebammen von bestimmten Tätigkeiten, wie Reinigungsarbeiten, um die bestehenden Hebammenkapazitäten stärker auf die Versorgung der Gebärenden zu konzentrieren. Empfohlen wird auch, das Konzept eines hebammengeleiteten Kreißsaals zu prüfen. 2.2.3. Bayern 2.2.3.1. Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat Bayern Eine 2018 ebenfalls vom IGES Institut veröffentlichte Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat Bayern für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, in der Mütter, Hebammen und Krankenhäuser über ihre Situation befragt wurden, kommt zum Ergebnis, dass nicht flächendeckend, aber in Teilbereichen Versorgungsengpässe bestünden.22 Die Hälfte der Hebammen , die eine Beleggeburtshilfe mit Eins-zu-eins-Betreuung anbieten würden, könnten entsprechende Anfragen nicht erwidern. 2.2.3.2. Zu den Arbeitszeiten Hierzu wird ausgeführt: „Von den ausschließlich angestellten Hebammen arbeitete der größte Anteil (66 %, n = 48) im Jahr 2016 in Vollzeit, d. h. 38,5 Stunden pro Woche oder mehr, während von den ausschließlich freiberuflichen Hebammen nur 57 % (n = 417) angaben, in Vollzeit tätig gewesen zu sein […]. Bei den ausschließlich angestellten oder freiberuflichen Hebammen arbeitete nur ein geringer Anteil weniger als zehn Stunden die Woche.“ (S. 42) Die angestellten Hebammen hätten im Jahr 2016 durchschnittlich 13,5 Überstunden pro Monat geleistet. Der Zeitaufwand angestellter Hebammen habe jeweils 27 Prozent für die Betreuung von Frauen in Wehen bzw. für Verwaltungsaufgaben, logistische Arbeiten, Reinigungsarbeiten und Assistenztätigkeiten betragen.23 Zum Umfang von Nebentätigkeiten heißt es in der Studie: „Im Jahr 2016 gingen 13 % (n = 99) der freiberuflichen und jeweils 9 % (n = 14 bzw. n = 7) der sowohl freiberuflich als auch angestellt bzw. der ausschließlich angestellt tätigen Hebammen neben der Hebammentätigkeit noch mindestens einer anderen bezahlten Tätigkeit nach. Insgesamt gaben damit 12 % (n = 120) der befragten und im Jahr 2016 aktiven Hebammen eine hebammenfremde bezahlte Tä- 22 Sander, Monika/Albrecht, Martin/Loos, Stefan/Stengel, Verena, Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat Bayern, Studie für das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Berlin Juli 2018, abrufbar unter : https://www.iges.com/sites/iges.de/myzms/content /e6/e1621/e10211/e22175/e23263/e23264/e23266/attr_objs23269/IGES_HebammenversorgungimFreistaat- Bayern_Langfassung_072018_ger.pdf. An der Befragung beteiligten sich 1.084 Geburtshelferinnen sowie 1.346 Mütter, die zwischen 2016 und 2017 ein Kind zur Welt gebracht haben. Die Befragung der Hebammen war dabei nicht auf im Krankenhaus tätige Hebammen beschränkt. Es nahmen zudem 44 Geburtskliniken teil. 23 Hierzu heißt es: „Für die Hebammen war es schwierig, den Aufwand (in Stunden) für einzelne Tätigkeiten anzugeben , da viele Aufgaben parallel erledigt würden. Die Auswertungen können daher nur als Annäherung verstanden werden, […].“ (S. 73). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 12 tigkeit an. […] Der Umfang der hebammenfremden Tätigkeiten war mit monatlich durchschnittlich fünf Stunden in Anstellung und vier Stunden in freiberuflicher Tätigkeit relativ gering.“ (S. 115) Fast jede zweite der angestellten Hebammen und rund 60 Prozent der freiberuflich tätigen Hebammen hätten 2016 oft bis sehr oft daran gedacht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Im Bereich Geburtshilfe plane jede zehnte Hebamme, Beleggeburtshilfe im Schichtdienst einzuschränken. Als häufigste Gründe seien eine zu hohe Arbeitsbelastung, ein zu geringes Einkommen, aber auch mangelnde Anerkennung ihrer Arbeit sowie zu viele fachfremde Tätigkeiten genannt worden. Die Hebammen hätten zudem Unzufriedenheit über ihre Arbeit geäußert. Insbesondere angestellte Hebammen hätten lediglich zu sieben Prozent angegeben, dass sie bei der Arbeit genug Zeit hätten , die Frauen so zu betreuen, wie sie es für richtig hielten. Bei den freiberuflich tätigen Hebammen betrage der Anteil rund 31 Prozent. 2.2.3.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen und Betreuungsschlüssel Krankenhäuser hätten Schwierigkeiten, Hebammenstellen zu besetzen. Zum Zeitpunkt der Befragung seien in fünf Kliniken nahezu fünf Planstellen für angestellte Hebammen unbesetzt gewesen . Nach Angaben der Kliniken dauere es zwei bis sechs Monate (im Mittel 4,7 Monate), um eine freie Stelle mit einer angestellten Hebamme zu besetzen. Die Hebammen betreuten nach eigenen Angaben zu mehr als 50 Prozent zwei Gebärende und zu rund einem Drittel drei Gebärende gleichzeitig. 2.2.3.4. Zu den Handlungsempfehlungen Um die Versorgung mit Hebammenleistungen in der bayerischen Geburtshilfe zu sichern, empfiehlt die Studie, eine Ausweitung der Anzahl der Ausbildungsplätze in Betracht zu ziehen. Dies könne zu einer Entlastung der derzeitig aktiven Hebammen führen, die Arbeitsbelastung senken und so den Beruf grundsätzlich wieder attraktiver machen. Darüber hinaus solle die Option geprüft werden, Klinikträger, die sich in der Hebammenausbildung engagieren, gezielt finanziell zu fördern, um die Anzahl an Absolventinnen zu erhöhen. Einen weiteren Ansatzpunkt, die Geburtshilfe für Hebammen attraktiver zu machen, biete das Konzept eines hebammengeleiteten Kreißsaals. Es könne darauf hinwirken, mehr Hebammen eine berufliche Tätigkeit in der Geburtshilfe zu ermöglichen bzw. zu vermeiden, dass sich Hebammen aus der Geburtshilfe zurückzögen, insofern sich im Rahmen eines solchen Konzepts eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen effektiver organisieren lasse. Angemahnt werde zudem eine bessere Vergütung der Hebammenleistungen sowie eine grundlegende Verbesserung der Datenlage über das Leistungsangebot freiberuflicher Hebammen, etwa bei den bayerischen Gesundheitsämtern. Nur so könne ein Monitoring der Versorgungssituation erreicht werden, auf dessen Grundlage Engpässe rechtzeitig erkannt und Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergriffen werden könnten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 13 2.2.4. Sachsen-Anhalt 2.2.4.1. Hebammenstudie Sachsen-Anhalt Das IGES Institut veröffentlichte im Jahr 2018 eine weitere Studie für das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen‐Anhalt, die Hebammenstudie Sachsen‐Anhalt, Regionale Bedarfe und deren Deckung durch Leistungen der Geburtshilfe inklusive der Vor‐ und Nachsorge.24 Einerseits wurden Hebammen und Krankenhäuser befragt und andererseits Daten von den Gesundheitsämtern zur Anzahl freiberuflich tätiger Hebammen und von den gesetzlichen Krankenkassen zur Inanspruchnahme von Hebammenleistungen eingeholt. Ein Ergebnis der Studie ist, dass sich in der Hebammenversorgung bereits bestehende Lücken in Sachsen-Anhalt in spätestens zehn bis fünfzehn Jahren weiter verschärfen könnten. Dann drohe, dass junge Hebammen altersbedingt ausscheidende Kolleginnen nicht mehr vollständig ersetzen könnten. 2.2.4.2. Zu den Arbeitszeiten Zur Arbeitszeit der Hebammen in Sachsen-Anhalt wird ausgeführt: „Im Jahr 2017 arbeitete von den ausschließlich freiberuflichen Hebammen der größte Anteil (84 %, n = 27) in Vollzeit, d. h. 38,5 Stunden pro Woche oder mehr, während rund 55 % (n = 17) der ausschließlich angestellten Hebammen in Vollzeit tätig waren (Abbildung 8).“ (S. 42) Die Hebammen im Angestelltenverhältnis gaben an, dass sie im Krankenhaus durchschnittlich 32 Stunden pro Woche arbeiteten. Ausschließlich angestellt tätige Hebammen hätten im Jahr 2017 durchschnittlich 13 Überstunden pro Monat geleistet, während die sowohl freiberuflich als auch angestellt tätigen Hebammen durchschnittlich 14 Überstunden pro Monat erbracht hätten. Die angestellten Hebammen in Vollzeit hätten dabei mit durchschnittlich 15 Stunden pro Monat durchschnittlich 2 Überstunden mehr als die angestellten Hebammen in Teilzeit mit durchschnittlich 13 Überstunden pro Monat geleistet . Zum Zeitaufwand für verschiedene Tätigkeiten: „Die meiste Zeit betreuten die angestellten Hebammen Frauen mit Wehen, bei und nach der Geburt, wobei diese Tätigkeit durchschnittlich rund ein Fünftel ihrer Arbeitszeit ausmachte […]. Durchschnittlich etwa 12 % der Arbeitszeit der Hebammen im Angestelltenverhältnis entfielen auf Verwaltungsaufgaben und rund 10 % der Arbeitszeit auf die Betreuung von Frauen bei Geburtseinleitung. Insgesamt entfielen durchschnittlich rund 17 % der Arbeitszeit auf Tätigkeiten, die nicht die direkte Hebammenbetreuung der Frauen betraf, wie logistische Tätigkeiten (z. B. Bestellungen, Instrumentenpflege, Gerätewartung , Hol- und Bringdienste), Reinigungsarbeiten sowie Assistenzen bei ärztlichen Tätigkeiten.“ 24 Sander, Monika/Temizdemir, Ender/Albrecht, Martin, Hebammenstudie Sachsen‐Anhalt, Regionale Bedarfe und deren Deckung durch Leistungen der Geburtshilfe inklusive der Vor‐ und Nachsorge, Studie für das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen‐Anhalt, Berlin November 2018, abrufbar unter : https://www.iges.com/sites/iges.de/myzms/content /e6/e1621/e10211/e22175/e23517/e23518/e23520/attr_objs23522/IGES_HebammenstudieSachsen-Anhalt _112018_ger.pdf. An der Befragung nahmen 120 Hebammen und 17 Krankenhäuser teil. Die Befragung der Hebammen war dabei nicht auf im Krankenhaus tätige Hebammen beschränkt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 14 (S. 44)25 15 Prozent der befragten und im Jahr 2017 aktiven Hebammen gaben eine hebammenfremde bezahlte Tätigkeit an. Der Umfang der hebammenfremden Tätigkeiten habe monatlich durchschnittlich 132 Stunden in Anstellung und 90 Stunden in freiberuflicher Tätigkeit betragen . Viele Hebammen klagten über hohe Arbeitsbelastung und darüber, aus Zeitgründen Frauen insbesondere in den Geburtskliniken nicht wie gewünscht betreuen zu können. So habe mehr als die Hälfte von den befragten ausschließlich angestellt tätigen Hebammen angegeben, dass ihre tägliche Arbeitsbelastung in den letzten fünf Jahren deutlich angestiegen sei, mehr als ein weiteres Drittel berichtete von einer Zunahme. Der Anteil der deutlichen Zunahme der durchschnittlichen täglichen Arbeitsbelastung habe bei der freiberuflichen Tätigkeit mit rund 31 Prozent niedriger gelegen, während 53 Prozent der freiberuflich tätigen Hebammen eine Zunahme angab. Verschärfend komme hinzu, dass 40 Prozent der derzeitig tätigen Hebammen planten, ihre Arbeitszeit in den kommenden fünf Jahren teilweise stark zu reduzieren. Knapp jede fünfte angestellte oder freiberufliche Hebamme habe im vergangenen Jahr oft oder sogar sehr oft daran gedacht, den Beruf ganz aufzugeben. Dies sei unter anderem eine Folge davon, dass viele Hebammen in den vergangenen Jahren ungewollt ihre Arbeitszeit erhöht hätten, um Schwangere und Mütter zu versorgen . Ursache seien steigende Geburtenzahlen und Personalmangel in Kliniken. Mehr als die Hälfte der befragten Hebammen habe moniert, nicht genug Zeit zu haben, Frauen so zu betreuen, wie sie es für richtig hielten. 2.2.4.3. Zu weiteren Punkten wie Vakanzen, Ausbildungskapazitäten und Betreuungsschlüssel Den Klinken falle es zunehmend schwer, freie Hebammenstellen zu besetzen. Im Mittel hätten sie knapp fünf Monate, einige bis zu einem Jahr, für eine Besetzung benötigt. Ein Ausbau der Ausbildungskapazitäten sei geplant, nämlich insbesondere der außerplanmäßige Start eines Ausbildungsjahrgangs im September 2019. In einer üblichen Schicht betreuten sowohl die meisten angestellten Hebammen (76 Prozent) als auch die Beleghebammen (50 Prozent) zwei Gebärende gleichzeitig. 2.2.4.4. Zu den Handlungsempfehlungen Die Studie empfiehlt, ein verlässliches Monitoring über Zahl und Leistungen von Hebammen aufzubauen, um Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Auch solle über einen Ausbau der Ausbildungsplätze nachgedacht und ein entsprechender Studiengang in Sachsen-Anhalt etabliert werden, um den Nachwuchs zu sichern. Schließlich sei es nötig, die Arbeitssituation von Hebammen in Kliniken zu verbessern, etwa über Best-practice-Ansätze in den Kliniken (z. B. Befreiung der Hebammen von bestimmten Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten, um die bestehenden 25 Hierzu heißt es: „Der Arbeitszeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten konnte oftmals nur geschätzt werden, da viele Aufgaben parallel erledigt werden. Die Aussagekraft der Auswertungsergebnisse ist daher in dieser Hinsicht eingeschränkt.“ (S. 44 der Hebammenstudie Sachsen-Anhalt) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 15 Hebammenkapazitäten zielgerichtet für die Versorgung zu nutzen) oder den Einsatz von Praxisanleiterinnen in den Kliniken, so dass die Hebammen im Dienst von der zusätzlichen Arbeit durch die Betreuung von Auszubildenden befreit wären. 2.2.5. Berlin In Berlin tagte in den Jahren 2017 und 2018 auf Initiative der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ein Runder Tisch Geburtshilfe. Eine Ergebnisdarstellung einer Umfrage unter den Berliner Geburtskliniken vom August 2017 mit Daten und Fakten zum Geburtenanstieg und zu räumlichen und personellen Kapazitätsfragen der Geburtskliniken diente als Grundlage. Danach seien im Jahr 2015 in den Berliner Krankenhäusern grob gerundet ein Drittel der Hebammen vollzeitbeschäftigt und zwei Drittel teilzeit- oder geringfügig beschäftigt gewesen. Die Krankenhäuser wendeten verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit von Hebammen an. An 16 von 19 Standorten würden die Hebammen von berufsfremden Aufgaben wie Putzdiensten oder Bürokratie entlastet, vier Standorte wollten die Vertretungen in Personalengpässen , neun die Überstunden reduzieren. 26 Im Februar 2018 beschloss der Runde Tisch u. a. die Arbeitsbedingungen für die Hebammen zu verbessern. Dazu gehöre eine Kultur der Wertschätzung auf den Geburtsstationen, aber auch die Entlastung von arbeitsfremden Tätigkeiten und eine ausreichende Personalausstattung. Best-practice -Beispiele in Krankenhäusern sollten den Weg weisen, wie sich in allen Berliner Geburtskliniken die Arbeitsbedingungen für Hebammen verbessern könnten. Eine Kampagne der Berliner Krankenhäuser mit Unterstützung des Berliner Hebammenverbandes, die für mehr Hebammen in den Kliniken werben solle, würde unterstützt. Auch würden Ausbildungskapazitäten und Studienplätze um 130 Plätze bis zum Jahr 2020 erhöht. Das Land Berlin würde dann künftig 332 Ausbildungsplätze vorhalten, 64 Prozent mehr als zum Zeitpunkt der Berichterstellung.27 2.2.6. Hessen Im Mai 2019 trafen sich auf Initiative des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration Vertretungen von Hebammen, Geburtskliniken und -häusern, Eltern, Hebammenschulen, Geburtshelfern , der Ärzteschaft, Krankenkassen und Kommunalen Spitzenverbänden zur konstituierenden Sitzung des Runden Tisches Zukunftsprogramm Geburts- und Hebammenhilfe in Hessen mit dem Ziel, Maßnahmen zu entwickeln, um die Hebammenversorgung zu verbessern und 26 Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Entwicklung und aktuelle Situation in der Geburtshilfe , Ergebnisse der Umfrage vom August 2017 in Berliner Krankenhäusern mit Geburtshilfe, 2017, u. a. S. 10, 12, abrufbar über die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Abteilung Gesundheit unter: https://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/stationaere-versorgung/krankenhaus-versorgung/. 27 Berliner Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt Beschluss „Runder Tisch Geburtshilfe“ vom 1. Februar 2018, abrufbar über die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung unter: https://www.berlin.de/sen/gesundheit/themen/stationaere-versorgung/krankenhaus-versorgung/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 16 die geburtshilfliche Versorgung zu sichern.28 Vor diesem Hintergrund wird momentan ein Gutachten zur Situation der Hebammenhilfe in Hessen erstellt, entsprechende Befragungen von Hebammen und Müttern sind angelaufen.29 3. Frankreich In Frankreich werden die Kinder ganz überwiegend im Krankenhaus geboren (zu 99 Prozent).30 Die Zahl der Krankenhäuser mit einer Geburtsstation ist von 816 im Jahr 1995 auf 517 im Jahr 2016 um mehr als 35 Prozent gesunken. Nach aktueller Presseberichterstattung gibt es derzeit 497 Krankenhäuser mit Geburtsstationen, was einem Rückgang von fast vier Prozent seit 2016 entspricht.31 Im Jahr 2016 arbeiteten insgesamt 22.787 Hebammen in Frankreich. Davon arbeiteten 71 Prozent im Angestelltenverhältnis und 29 Prozent selbstständig. Im Jahr 2011 wurde die Verweildauer im Beruf auf 30 Jahre geschätzt. Aktuell wurde im Juli 2019 ein Gesetz zur Organisation und Umgestaltung des Gesundheitssystems beschlossen. Es sieht unter anderem eine Studienreform in den Gesundheitsberufen vor, wonach der Zugang (Numerus Clausus) für die weitere Ausbildung nach Abschluss des ersten Studienjahres ab dem Jahr 2020 für das Studium der Medizin, aber auch das Hebammenstudium erleichtert wird. Damit soll die Anzahl der Studierenden erhöht werden. Ebenso ist eine entsprechende Evaluation dazu gesetzlich verankert. Festgeschrieben wurde auch die regelmäßige Zertifizierung von Angehörigen der Gesundheitsberufe einschließlich Hebammen während ihrer Berufspraxis.32 4. Norwegen Nahezu alle Frauen in Norwegen bringen ihr Kind in einem Krankenhaus zur Welt (99 Prozent im Jahr 2018), während die anderen Kinder auf dem Weg dorthin oder zu Hause geboren werden .33 In komplikationslosen Fällen leitet überwiegend eine Hebamme, ohne Beisein eines Arz- 28 Hessische Landesregierung, Geburts- und Hebammenhilfe, Konstituierende Sitzung des Runden Tisches Zukunftsprogramm Geburts- und Hebammenhilfe in Hessen, Pressemitteilung vom 16. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.hessen.de/presse/pressemitteilung/konstituierende-sitzung-des-runden-tisches-zukunftsprogramm -geburts-und-hebammenhilfe-hessen. 29 Hochschule für Gesundheit Bochum, Wie ist die Situation der Hebammenhilfe in Hessen?, Aktuelle Meldung vom 14. April 2019, abrufbar unter: https://www.hs-gesundheit.de/de/standard/startseite/aktuelle-meldungen /news/article/wie-ist-die-situation-der-hebammenhilfe-in-hessen-1/. 30 Die Geburtenzahl betrug im Jahr 2018 ca. 758.000. 31 Le Monde, Le nombre de femmes qui vivent à plus de 45 min d’une maternité a doublé en 20 ans, 21. März 2019, der Anfang des Artikels ist abrufbar unter: https://www.lemonde.fr/societe/article/2019/03/21/le-nombrede -femmes-qui-vivent-a-plus-de-45-mn-d-une-maternite-a-double-en-vingt-ans_5439049_3224.html. 32 N° 1681, Assemblée Nationale, Constitution du 4 Octobre 1958, Quinzième Législature, Enregistré à la Présidence de l’Assemblée nationale le 13 février 2019, Projet de loi, relatif à l’organisation et à la transformation du système de santé, (Procédure accélérée) abrufbar unter: http://www.assemblee-nationale.fr/15/projets /pl1681.asp. Die endgültigen Fassung mit Stand vom 24. Juli 2019 ist abrufbar unter: https://www.legifrance .gouv.fr/jo_pdf.do?id=JORFTEXT000038821260. 33 Die Geburtenzahl betrug im Jahr 2018: 55.908. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 17 tes, die Geburt. In den letzten zwei Jahren gab es keine Veränderungen bei der Anzahl der Kliniken . Es gibt in Norwegen nach wie vor 40 Kliniken mit Geburtshilfe. Dabei haben die Kliniken teilweise mehrere Standorte, so dass 45 stationäre Geburtshilfestationen gezählt werden. Dazu kommen sechs hebammengeleitete Geburtshilfeeinrichtungen im Falle komplikationsloser Schwangerschaften bei gesunden Frauen, die organisatorisch und teilweise auch räumlich an ein Krankenhaus angegliedert sind. Im Bedarfsfall erfolgt eine Verlegung in ein Krankenhaus.34 Aktuell steht in Norwegen die Diskussion um die Schließung einer stationären Entbindungsstation in der Stadt Kristiansund im Fokus. Zahlreiche Proteste bildeten sich gegen die Schließung, die aufgrund eines größeren Neubaus, der sowohl Kristiansund als auch die Stadt Molde versorgen sollte35, geplant war. Befürchtungen bestanden unter anderem in der teils weiteren Entfernung zum geplanten neuen Krankenhaus. Seitens der Gesundheitsbehörden wurde dagegen angeführt, dass die Qualität in der neuen, größeren Entbindungsstation besser sei als in der bestehenden kleineren Station und dass ein größeres berufliches Umfeld qualifiziertere Ärzte und Krankenschwestern anziehen und halten werde.36 Die Entscheidung über die Schließung der Entbindungsstation in Kristiansund wurde inzwischen vertagt. Die Anzahl der in Krankenhäusern tätigen Hebammen ist nach stetigem Anstieg bis zum Jahr 2016 gesunken und zwar von 2.240 im Jahr 2016 auf 2.157 im Jahr 2018. Dabei hat sich entsprechend die Anzahl der Vollzeitäquivalente von 1.878 (2016) auf 1.807 (2018) nach unten entwickelt . Die Zahl der in den Gemeinden tätigen Hebammen dagegen ist ausgebaut worden und zwar von 362 Vollzeitäquivalenten im Jahr 2016 auf 464 im Jahr 2018. Hebammen in Norwegen sind ganz überwiegend angestellt und nur in seltenen Fällen selbstständig tätig. In den Sommermonaten und in den Ferien sind in einigen Krankenhäusern Hebammen von Zeitarbeitsfirmen beschäftigt . Diese Hebammen werden hauptsächlich aus Schweden und Dänemark angeworben. In den Jahren 2016 und 2017 arbeiteten rund ein Viertel der Hebammen in Vollzeit und drei Viertel in Teilzeit. Die seit 2010 in Norwegen bestehende Vorgabe, dass eine Hebamme nicht mehr als eine Geburt betreuen darf, wurde zunächst nicht nachverfolgt. Nach einer im Jahr 2016 durchgeführten Umfrage der „Norwegian Nurses Organisation“ (Norwegischer Verband der Krankenschwestern und Krankenpfleger) unter Hebammen konnten fast 40 Prozent der Hebammen in der Praxis keine Eins-zu-eins-Betreuung durchführen. Daraufhin wurden die Krankenhäuser seitens des für Gesundheit zuständigen Ministeriums zu einer Dokumentation aufgefordert. Im Ergebnis berichteten sowohl die nördliche als auch die westliche Region, dass einige ihrer Kliniken die Vorgabe einer Eins-zu-eins-Betreuung nicht hätten einhalten können. 34 Zu den möglichen Geburtsorten siehe das Portal des öffentlichen Gesundheitswesens in Norwegen, www.helsenorge.no, Slik søker du fødeplass, abrufbar unter: https://helsenorge.no/fodsel/fodested#Kvinneklinikk ,-f%C3%B8deavdeling-eller-f%C3%B8destue (in norwegischer Sprache). 35 Beide Städte haben weniger als 30.000 Einwohner. 36 Siehe Pressemitteilung in englischer Sprache, Bunads turn into new battle gear vom 2. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.newsinenglish.no/2019/05/02/bunads-turn-into-new-battle-gear/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 18 5. Schweiz Auch wenn die Geburten in Geburtshäusern leicht zugenommen haben, werden schätzungsweise 97,5 Prozent der Kinder im Krankenhaus, ca. zwei Prozent im Geburtshaus und 0,5 Prozent zu Hause geboren.37 Die Anzahl der Krankenhäuser mit mindestens einem Geburtssaal reduzierte sich von 91 im Jahr 2015 auf 87 im Jahr 2017. Die Zahl der Geburtshäuser ist mit 23 gleich geblieben . Die Anzahl der in Kranken- und Geburtshäusern angestellten Hebammen ist von 2593 (entspricht 1767 Vollzeitstellen) im Jahr 2015 auf 2676 (entspricht 1849,8 Vollzeitstellen) im Jahr 2017 angestiegen . Die Zahlen weisen einen durchschnittlichen Beschäftigungsgrad von 68 bzw. 69 Prozent auf. Weitere Daten zur Verteilung von Vollzeit und Teilzeit bei Hebammen werden in der Schweiz nicht erhoben. Die Anzahl der in den Kranken- und Geburtshäusern tätigen freiberuflichen Hebammen ist von 88 im Jahr 2015 auf 111 im Jahr 2017 gestiegen. Die Berufsverweildauer für Hebammen wird im Nationalen Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe von 2016 auf 20 Jahre grob geschätzt.38 Laut Presseberichterstattung kann nicht von einem grundsätzlichen Mangel an Hebammen gesprochen werden. In einer 2014 veröffentlichten Studie wird der künftige , gesamte Hebammenbedarf im Jahr 2025 allerdings auf rund 58 Prozent mehr als zum Zeitpunkt 2014 prognostiziert.39 Auch heute gebe es Randregionen in der Schweiz, wo zu wenige freie Hebammen verfügbar seien und große Gesundheitszentren fänden aus unterschiedlichen Gründen zu wenig Hebammen, so der Schweizerische Hebammenverband in einem Presseartikel. Dadurch, wie auch durch den vermehrten administrativen Aufwand und der relativ schlechten Bezahlung sei eine Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt nicht mehr garantiert.40 37 Die Geburtenzahl betrug im Jahr 2018: 88.232. 38 Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) und Nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit (OdASanté), Nationaler Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe 2016 Nachwuchsbedarf und Massnahmen zur Personalsicherung auf nationaler Ebene, S. 42, abrufbar unter: https://www.gdk-cds.ch/fileadmin/docs/public/gdk/themen/gesundheitsberufe/nichtun._gesundheitsberufe /versorgungsbericht/versorgungsbericht_2016-de-v2.2-web.pdf. 39 Rüesch, Peter/Bänziger, Andreas/Dutoit, Laure/Gardiol, Lucien/Juvalta, Sibylle/Volken, Thomas/Künzi, Kilian, Gesundheit Prognose, Gesundheitsberufe, Ergotherapie, Hebammen und Physiotherapie 2025, S. 45, abrufbar unter: https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/87/1/685793435.pdf. 40 Basellandschaftliche Zeitung (bz Basel), Darum könnte es in der Schweiz bald zu wenig Hebammen geben, 8. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.bzbasel.ch/wirtschaft/darum-koennte-es-in-der-schweiz-bald-zu-wenig -hebammen-geben-134448083. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 040/19 Seite 19 6. Türkei In der Türkei werden 99 Prozent der Kinder in Krankenhäusern geboren. Die Anzahl der Hebammen ist um fast 2,5 Prozent von 52.471 im Jahr 2014 auf 53.741 im Jahr 2017 gestiegen. 91 Prozent von ihnen arbeiten in öffentlichen Krankenhäusern, acht Prozent in Privatkliniken und ein Prozent in Universitätskliniken. Sie sind angestellt und arbeiten in Vollzeit.41 7. Ungarn In Ungarn kommen fast alle Kinder im Krankenhaus zur Welt (ca. 98 Prozent).42 Zwei Prozent werden zu Hause (im Jahr 2015 waren es 383 Kinder) oder auf dem Weg in ein Krankenhaus geboren . Die Krankenhäuser in Ungarn haben ganz überwiegend Geburtshilfeabteilungen. Die Anzahl der Krankenhäuser insgesamt ist von 176 im Jahr 2000 auf 167 im Jahr 2015 gesunken. Im Jahr 2017 existierten 164 Krankenhäuser, davon waren 27 Privatkliniken. Im Jahr 2017 arbeiteten in Ungarn 1.556 Hebammen als Vollzeitangestellte und acht freiberufliche Hebammen Vollzeit in Krankenhäusern. 45 Hebammen arbeiteten als Angestellte in Teilzeit und zwei freiberuflich in Teilzeit. Die Anzahl unbesetzter Hebammen-Stellen in Krankenhäusern betrug in dem Jahr 45. Zwar gehen Hebammen mit 64 Jahren in den Ruhestand. Aufgrund des Personalmangels ist es aber möglich, auf Antrag länger zu arbeiten. Entsprechende Anträge sind bei dem für Gesundheit zuständigen Ministerium einzureichen. Für die in öffentlichen Krankenhäusern angestellten Hebammen gelten die gesetzlichen Regelungen zu Überstunden, wonach pro Kalenderjahr nicht mehr als 250 Überstunden angeordnet werden können. Dazu können weitere 150 Überstunden auf freiwilliger Basis kommen. *** 41 Siehe auch Deutscher Hebammenverband, Üzel, Nesibe, Personalanhaltszahlen – Hebammen in der Türkei, abrufbar unter: https://www.hebammenverband.de/hebammenkongress/xiv-hebammenkongress/hauptkongress /programmuebersicht-montag-252016/plenum-personalanhaltszahlen-hebammen-in-der-tuerkei/. Danach geben auch in der Türkei inzwischen einige Hebammen ihren Beruf aus verschiedenen Gründen, wie z. B. einem Mangel an Pflegekräften, auf. 42 Im Jahr 2017 wurden 91.577 Kinder lebend in einem Krankenhaus geboren.