© 2014 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 037/14 Verfahren zur Medikamentenzulassung und mögliche Auswirkungen eines Freihandelsabkommens mit den USA auf das deutsche Gesundheitswesen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 2 Verfahren zur Medikamentenzulassung und mögliche Auswirkungen eines Freihandelsabkommens mit den USA auf das deutsche Gesundheitswesen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 037/14 Abschluss der Arbeit: 28. April 2014 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zulassungsverfahren für Arzneimittel in den USA und der EU/Deutschland 4 1.1. Einführung 4 1.2. Literatur zu den Zulassungsverfahren in den USA sowie in der EU bzw. Deutschland 6 1.3. Artikel zu abweichenden Zulassungsentscheidungen der FDA und EMA 8 2. Auswirkungen des Transatlantisches Freihandelsabkommens auf den Gesundheitsbereich 8 2.1. Einführung 8 2.2. Literatur 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 4 1. Zulassungsverfahren für Arzneimittel in den USA und der EU/Deutschland 1.1. Einführung Die Zulassung von Arzneimitteln ist mit einem detailliert geregelten Prozess verbunden, der sich in Europa und in den USA historisch unterschiedlich entwickelt hat, der aber in den vergangenen Jahrzehnten bereits teilweise angeglichen worden ist. In den Vereinigten Staaten entstand bereits Anfang des 20. Jahrhunderts – in der Folge des „Pure Food and Drugs Act“ von 1906 – die Food and Drug Administration (FDA) als zentrale Behörde, die über die Zulassung von Medikamenten entscheidet.1 In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bestehen jeweils eigene, nationale Zulassungsverfahren, die auch im Zuge der Europäischen Einigung nicht abgeschafft worden sind. In Deutschland wurde – unter dem Eindruck des „Contergan“-Skandals – 1978 mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMRNOG2) ein Zulassungsverfahren eingeführt, mit dem drei Kriterien – Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit – als Prüfkriterien für Arzneimittel bestimmt wurden. Zuständig für die Zulassung von Humanarzneimitteln ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)3, die gesetzliche Grundlage für das Zulassungsverfahren bildet das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG4). Neben dem primären Ziel der Sicherheit für die Verbraucher wurde seitdem auch das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaindustrie und damit des Abbaus von nichttarifären Handelsschranken auf dem europäischen Binnenmarkt immer wichtiger. Eine Vereinheitlichung der Verfahren zur Medikamentenzulassung konnte erst in den 1990er Jahren verwirklicht werden. Meilenstein dieser Entwicklung war die Gründung der European Medicines Agency (EMA5) als zentrale europäische Zulassungsbehörde. Seit deren Gründung existieren für ganz Europa vier unterschiedliche Zulassungsverfahren: die zentrale Zulassung, bei der die Zulassung bei der EMA beantragt wird und für die gesamte EU gilt; die nationalen Zulassungsverfahren6, die zur Zulassung in den jeweiligen Staaten führen, und zwei gemeinschaftliche Verfahren, die zur Zulassung in zwei oder mehreren EU-Staaten füh- 1 Einzelheiten zum Zulassungsverfahren lassen sich auf der Internetseite der FDA abrufen unter http://www.fda.gov/Drugs/ResourcesForYou/Consumers/ucm143534.htm. 2 Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. August 1994 (BGBl. I S. 2071). 3 Für die Zulassung von Blutprodukten und Impfstoffen ist hingegen das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zuständig. 4 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 2a des Gesetzes vom 27. März 2014 (BGBl. I S. 261). 5 Die ursprüngliche Bezeichnung dieser Behörde lautete European Medicinal Evaluation Agency – EMEA. 6 Informationen zum nationalen Zulassungsverfahren in Deutschland sowie zu den übrigen Zulassungsverfahren in Europa lassen sich auf der Internetseite des BfArM abrufen unter http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/- zul/zulassungsverfahren/_node.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 5 ren: das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (mutual recognition procedure, MRP) und das dezentralisierte Verfahren (decentralized procedure, DCP). Grundsätzlich ist der Vertrieb von Arzneimitteln nur in den (europäischen) Ländern möglich, in denen eine Zulassung beantragt und erteilt wurde. Für bestimmte Medikamente ist allerdings eine zentrale Zulassung zwingend vorgeschrieben7, die auch zur Zulassung für die gesamte Europäische Union führt. Ansonsten erlaubt das Nebeneinander der verschiedenen Verfahren einem Pharmaunternehmen, eine nationale Zulassungsbehörde für seinen Antrag zu wählen – entweder mit Blick auf den gewünschten Absatzmarkt oder, sofern eine Zulassung für mehrere europäische Länder angestrebt wird, als Anlaufstelle für eines der gemeinschaftlichen Verfahren. Diese Wahl hängt dann nicht unwesentlich davon ab, wie effizient eine Zulassungsbehörde arbeitet, und setzt die nationalen Zulassungsstellen unter einen gewissen Druck, möglichst schnelle und erfolgreiche Verfahren anzubieten. Auch für die deutsche Zulassungsbehörde, das BfArM, wird unter dem Aspekt der Effizienz immer wieder Reformbedarf angemahnt. Sowohl in den Ländern der Europäischen Union als auch in den Vereinigten Staaten müssen Pharmahersteller vor dem Vertrieb neuer Arzneimittel deren Wirksamkeit und Sicherheit nachweisen . Insbesondere mit Blick auf international operierende Unternehmen gibt es seit langem Bemühungen, die Anforderungen für Zulassungsverfahren auch über den europäischen Raum hinaus anzugleichen. Bereits im Jahr 1990 wurde die International Conference on Harmonization of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) gegründet. Ihr gehören Vertreter der Zulassungsbehörden der Europäischen Union, der USA und Japans sowie Vertreter der jeweiligen Pharmaindustrieverbände an, die gemeinsam beraten, wie die wissenschaftlichen und technischen Anforderungen an die Arzneimittelzulassung einander angepasst werden können. Ein entscheidender Erfolg auf diesem Weg war die Einführung eines gemeinsamen Dossiers (Common Technical Document, CTD) zur Beantragung einer Zulassung, das (auch als elektronisches Dokument) seit 2003 in Europa, in Japan und in den USA verbindlich eingeführt wurde.8 Die Auswertung der eingereichten Dossiers lässt aber – trotz der durch die ICH eingeführten formalen Vereinheitlichung – grundsätzlich Spielräume für unterschiedliche Bewertungen der Fragen , ob die Qualität eines Arzneimittels angemessen, seine Wirksamkeit ausreichend und die schädlichen Wirkungen vertretbar sind. Im Zentrum dieser Bewertung steht stets die Abwägung eines Nutzen-Risiko-Verhältnisses, für die es keine absoluten Maßstäbe gibt. In der Praxis kommt es daher immer wieder zu unterschiedlichen Urteilen – nicht nur zwischen den Zulassungsbehörden der USA und der Europäischen Union, sondern auch zwischen den nationalen Zulas- 7 So muss für gentechnisch hergestellte Arzneimittel die Zulassung in Europa über das zentrale Verfahren erfolgen . Aber auch Arzneimittel, die einen neuen Wirkstoff enthalten und der Behandlung von Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen, Diabetes, erworbenes Immundefizienz-Syndrom, Viruserkrankungen oder Autoimmunerkrankungen und andere Immunschwächen dienen, sind ebenso wie Arzneimittel zur Behandlung seltener Krankheiten (sog. Orphan Drugs) im zentralen Verfahren zuzulassen. Weitere Arzneimittel können über das zentrale Verfahren zugelassen werden. Ausführlichere Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des BfArM unter http://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/zul/zulassungsverfahren/zVerf/_node.html. 8 Zu den qualitativen Standards vergl. ICH Harmonised Tripartite Guideline. Pharmaceutical Development Q8 (R2), August 2009, abrufbar unter http://www.gmp-compliance.org/eca_guideline_2060.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 6 sungsbehörden innerhalb der Europäischen Union. So wurde zum Beispiel das unter dem Namen Lemtrada vermarktete Arzneimittel gegen Multiple Sklerose zwar im September 2013 in Europa zugelassen, die FDA lehnte die Zulassung in den USA jedoch im Dezember desselben Jahres ab.9 Auch die Zulassung für das Diabetes-Arzneimittel Jardiance wurde in den USA von der FDA zunächst abgelehnt, während der Arzneimittelausschuss der EMA in Europa zu Beginn des Jahres 2014 die Zulassung empfohlen hat.10 Das Krebsmedikament Mylotarg hingegen wurde bereits im Jahr 2000 von der FDA in den USA zugelassen; in Europa wurde der Zulassungsantrag im Jahr 2008 von der EMA abgelehnt. Im Jahr 2010 wurde das Arzneimittel in den USA vom Markt genommen .11 Inwieweit jedoch komplette Arzneimittelgruppen in den USA zugelassen sind, nicht jedoch in Europa, ist nicht bekannt.12 1.2. Literatur zu den Zulassungsverfahren in den USA sowie in der EU bzw. Deutschland Bahlmann, Katrin, Die Arzneimittelzulassung in der Europäischen Union und den USA – ein Rechtsvergleich, VDM Verlag Dr. Müller Saarbrücken 2011. Dierks, Christian, Ähnlich aber nicht gleich – Rechtliche Aspekte biotechnologischer Nachfolgepräparate , in: NJOZ 2013, 1. Anlage 1 Franken, Andreas, USA, Europa und Deutschland – Regulatorische Aspekte der Zulassung von Arzneimitteln für Kinder, in: Pharm. Unserer Zeit 1/2009 (38), S. 44-49. Anlage 2 Göben, Jens, Arzneimittelzulassung in Deutschland und Europa: Harmonisierung oder Zentralisierung ? in: Die Implementierung der GCP-Richtlinie und ihre Ausstrahlungswirkungen, hg. von Erwin Deutsch u.a., Berlin, Heidelberg, 2011, S. 313-320. Anlage 3 Howie, J. Lynn u.a., A Comparison of FDA and EMA Drug Approval: Implications for Drug Development and Cost of Care, in: Oncology Journal, 15. Dezember 2013, im Internet abrufbar unter http://www.cancernetwork.com/oncology-journal/comparison-fda-and-ema-drug-approvalimplications -drug-development-and-cost-care. 9 Vergleiche hierzu http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2013/12/30/sanofi-vorerstkeine -us-zulassung-fuer-lemtrada/11756.html. 10 Vergleiche hierzu http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/pharmakonzern-boehringer-winkt-euzulassung -fuer-diabetes-arznei/9652868.html. 11 Vergleiche hierzu http://de.wikipedia.org/wiki/Gemtuzumab-Ozogamicin. 12 Ein entsprechender Vergleich konnte sowohl aufgrund der hohen Anzahl der jeweils zugelassenen Arzneimittel als auch durch die Tatsache, dass bestimmte Medikamente in den USA bzw. in Europa unter verschiedenen Namen vertrieben werden, im Rahmen der Auftragsbearbeitung nicht erfolgen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 7 Anlage 4 Lehmann, Birka, Überblick über die Entwicklung der europäischen Rechtsetzung zur Angleichung der Arzneimittelvorschriften, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 7, 2008, 51, S. 713-721. Anlage 5 Meencke, Hans-Joachim, Arzneimittelsicherheit: Die Rolle der Zulassungsbehörden, in: Aktuelle Neurologie 2002, 29, S. 47-49, im Internet abrufbar unter https://www.thiemeconnect .com/products/ejournals/html/10.1055/s-2002-27800. Anlage 6 Menges, Klaus, Die Harmonisierung des Zulassungsdossiers: Perspektiven einheitlicher Vorgaben – Arzneimittelprüfrichtlinien und Common Technical Document, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 7, 2008, 51, S. 748-756. Anlage 7 Nettesheim, Martin, Europarechtlicher Rahmen des Arzneimittelzulassungsrechts – Historie, Stand, Perspektiven, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 7, 2008, 51, S. 705-712. Anlage 8 Roll, K. u.a., Zulassung und Erstattung von Orphan Drugs im internationalen Vergleich, in: Gesundheitswesen 2011, 73. S- 504-514, im Internet abrufbar unter http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1765807. Anlage 9 Schlemminger, Manfred, The Proof of the Pudding – die Zulassung, in: Die Pharmaindustrie. Einblick – Durchblick – Perspektiven, hg. von Dagmar Fischer und Jörg Breitenbach, 4. Aufl. Berlin , Heidelberg, 2013, S. 145-157 Anlage 10 Schmucker, Rolf, Arzneimittelzulassung als Standortfaktor. Die Europäische Regulierung im internationalen Wettbewerb der Pharmaindustrie, in: Jahrbuch für kritische Medizin und Gesundheitswissenschaften , Band 43, 2006, S. 105-120, im Internet abrufbar unter http://www.med.unimagdeburg .de/jkmg/?attachment_id=2221. Anlage 11 Spalcke, Joachim, Arzneimittelzulassungsverfahren in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika. Entwicklung und Harmonisierung. Studien zum Internationalen, Europäischen und Öffentlichen Recht, hg. von Eibe Riedel, Bd. 16, Frankfurt 2004 [P 5107648]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 8 Tsoi, Bernice u.a., Harmonization of reimbursement and regulatory approval processes: a systematic review of international experiences, in: Expert Rev. Pharmacoecon. Outcomes Res. 13(4), 2013, S. 497-511. Anlage 12 1.3. Artikel zu abweichenden Zulassungsentscheidungen der FDA und EMA Boehringer winkt EU-Zulassung für Diabetes-Arznei, in: Handelsblatt online, 21. März 2014, im Internet abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/pharmakonzernboehringer -winkt-eu-zulassung-fuer-diabetes-arznei/9652868.html. Anlage 13 Sanofi: Vorerst keine US-Zulassung für Lemtrada, in: DAZ online, 30. Dezember 2013, im Internet abrufbar unter http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2013/12/30/- sanofi-vorerst-keine-us-zulassung-fuer-lemtrada/11756.html. Anlage 14 2. Auswirkungen des Transatlantisches Freihandelsabkommens auf den Gesundheitsbereich 2.1. Einführung Die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen ist aktuell wieder in den Focus öffentlichen Interesses gerückt: Im März 2014 sind die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) in eine neue Runde gegangen. Ziel dieser Verhandlungen, die im Laufe dieses Jahres intensiv fortgesetzt werden sollen, ist vor allem der Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen . Dazu gehören staatliche Regulierungsmaßnahmen, die in vielen Bereichen – auch im Gesundheitswesen – einen freien Zugang zu den jeweiligen Märkten erschweren. Im Bereich der Arzneimittel und Medizinprodukte steht hierbei insbesondere die Frage im Mittelpunkt, ob und inwieweit die Zulassungsentscheidungen der FDA in Europa bzw. der EMA in den USA anerkannt werden. Verbraucherschützer sowohl in Europa als auch in den USA fürchten, dass in diesen Bereichen Sicherheitsstandards abgebaut werden könnten, um Handelsschranken zu senken.13 Hinsichtlich der Medizinprodukte gibt es aus europäischer Sicht jedoch auch Stimmen, die vor einer Übernahme des in den USA praktizierten staatlichen Zulassungsverfahrens und damit einer Verlängerung der Verfahrensdauer um zwei bis drei Jahre warnen. Anders als in den USA bedürfen Medizinprodukte in der EU keiner staatlichen Zulassung.14 13 Vergleiche hierzu z.B. http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2014/02/25/a0110. 14 Vergleiche hierzu http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gesundheitspolitik_- international/article/843339/freihandelsabkommen-regierung-rechnet-schwierigen-verhandlungen.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 9 Ob und inwieweit die Furcht vor sinkenden Sicherheitsstandards berechtigt ist, ist derzeit allerdings nicht absehbar. Noch liegen keine offiziellen Vertragsentwürfe vor, die erkennen ließen, in welchen Bereichen beim Abschluss des Abkommens mit welchen konkreten Konsequenzen zu rechnen wäre. Das gilt auch für mögliche Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitswesen, also zum Beispiel die Verfahren zur Medikamentenzulassung, die Rezeptpflicht, Medikamentenpreise oder Abrechnungsmodalitäten bei Medikamenten und Gesundheitsleistungen. Die Szenarien für den Gesundheitsbereich, die in kritischen Veröffentlichungen für den Fall eines Abschlusses des TTIP entworfen werden, bleiben in der Regel abstrakt und warnen pauschal vor einer Senkung von Sicherheitsstandards und vor dem Eindringen multinationaler Unternehmen in den deutschen Gesundheitssektor. Im Deutschen Bundestag haben Abgeordnete der Fraktion „Die Linke“ eine Große Anfrage in den Deutschen Bundestag eingebracht, in der sie nach möglichen und zu erwartenden Konsequenzen des geplanten Freihandelsabkommens fragen (BT-Drs. 18/432 vom 30.1.2014). Eine Antwort der Bundesregierung steht noch aus. In einer Fragestunde im Deutschen Bundestag am 12. März 2014 beantwortete Brigitte Zypries, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, einzelne Fragen von Abgeordneten zum TTIP. Dabei versicherte sie, nach derzeitigem Kenntnisstand sei „keinerlei gegenseitige Anerkennung von Zulassungsentscheidungen oder sonstigen Bewertungen“ im Arzneimittelbereich vorgesehen.16 Auch Konsequenzen für den Zugang privater Unternehmen zur stationären Versorgung oder von Versicherungsunternehmen zum System der gesetzlichen Krankenversicherung seien ausgeschlossen. Bereits am 19. Juli 2013 äußerte sich die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf eine schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Dr. Marlies Volkmer zur Position der Europäischen Kommission bei den Verhandlungen zum TTIP im Arzneimittelbereich. Danach strebe die Europäische Kommission keine gegenseitige Anerkennung von Zulassungsentscheidungen an, setze sich jedoch für eine Verbesserung der Kooperation in internationalen Foren ein, für eine gegenseitige Anerkennung von Good-Manufacturing-Practices-Berichten, eine Verbesserung des Informationsaustauschs , eine Harmonisierung von Guidelines (etwa für Zulassungsstudien im Bereich Pädiatrie) und eine Kooperation bei der Bewertung von Zulassungsanträgen von Arzneimitteln und bei Zulassungsstudien ein. Im Medizinproduktebereich strebe die Europäische Kommission die Stärkung bestehender multilateraler Verpflichtungen und die Behandlung insbesondere der Bereiche Qualitätsmanagementsysteme, Harmonisierung der Qualitätsmanagementstandards, Inspektionen und den Austausch von Informationen an. Aus Sicht der Bundesregierung sei die 16 BT-Drs. 14/432. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 037/14 Seite 10 Zielsetzung der Europäischen Kommission grundsätzlich zu begrüßen, allerdings rechne sie aufgrund der verschiedenen Systeme für den Marktzugang von Medizinprodukten in der Europäischen Union (New Approach) und den USA (Pre-market-approval) mit schwierigen Verhandlungen .17 2.2. Literatur Deutscher Bundestag, Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 15. Juli 2013 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/14397 vom 19. Juli 2013. Anlage 15 Deutscher Bundestag, Große Anfrage der Fraktion „Die Linke“, Soziale, ökologische, ökonomische und politische Effekte des EU-USA Freihandelsabkommens, BT-Drucksache 18/432 vom 30. Januar 2014. Anlage 16 Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 19. Sitzung vom 12. März 2014, Plenarprotokoll 18/19, S. 1475-1477. Anlage 17 EU-USA-Freihandelsabkommen – Regierung rechnet mit schwierigen Verhandlungen, in: Ärzte Zeitung online, 1. August 2013, im Internet abrufbar unter http://www.aerztezeitung.de/politik_- gesellschaft/gesundheitspolitik_international/article/843339/freihandelsabkommen-regierungrechnet -schwierigen-verhandlungen.html. Anlage 18 Europäisches Gesundheitsforum Gastein: Freihandelsabkommen EU-USA hätte wichtige Auswirkungen auf Gesundheitssysteme, im Internet abrufbar unter http://www.kooperationinternational .de/detail/info/freihandelsabkommen-eu-usa-haette-wichtige-auswirkungen-aufgesundheitssysteme .html. Anlage 19 17 BT-Drs. 17/14397, S. 60.