© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 036/21 Gesundheitsgefahren durch Tabakkonsum Ausgewählte Studien und Beiträge Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 2 Gesundheitsgefahren durch Tabakkonsum Ausgewählte Studien und Beiträge Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 036/21 Abschluss der Arbeit: 20. April 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Übergreifende Beiträge 4 3. Studien 5 3.1. Zigaretten 5 3.2. Elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) 8 3.3. Tabakerhitzer / Tobacco Heating Systems 9 3.4. Zigarren 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 4 1. Vorbemerkung Vor dem Hintergrund des aktuell geplanten Tabaksteuermodernisierungsgesetzes1, mit dem sogenannte Heat-not-Burn-Produkte (auch Tabakerhitzer oder Tobacco Heating Systems) nunmehr wie Zigaretten besteuert und nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten dem Geltungsbereich der Tabaksteuer unterworfen werden, werden die Gefahren von Tabakprodukten derzeit verstärkt öffentlich diskutiert. Auch im Ausland besitzt das Thema Medienberichten zufolge Aktualität: Neuseeland plant, bis 2025 ein rauchfreies Land zu werden. Aktuell wird der Vorschlag diskutiert, das Mindestalter zum Kauf und Konsum von Zigaretten und Tabakwaren zu erhöhen und schließlich den Verkauf an Personen, die nach 2004 geboren wurden, zu verbieten.2 In den USA plant die Regierung, die Menge von Nikotin in Zigaretten zu begrenzen.3 Die Forschung zu den Gefahren von Tabakprodukten und Nikotin ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten weit fortgeschritten. Während das Forschungsgebiet lange Zeit von herstellerfinanzierten Studien geprägt war, die die Gesundheitsgefahr oft als niedrig bewerteten, haben mittlerweile Forscher und Institutionen in Deutschland und weltweit unabhängige Studien durchgeführt . In Deutschland hat sich insbesondere das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit den Auswirkungen des Rauchens befasst4; auf internationaler Ebene stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung.5 Die vorliegende Arbeit stellt Studien zu einzelnen tabak- und nikotinhaltigen Produkten vor, die sich mit den Gesundheitsgefahren und insbesondere der Aufnahme von Nikotin beim Rauchvorgang befassen. Sie beschränkt sich dabei aufgrund der großen Anzahl von Quellen auf ausgewählte Studien und Beiträge der letzten Jahre. 2. Übergreifende Beiträge Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hebt in ihrem aktuellen Bericht Health at a Glance 2020 hervor, Deutschland sei Schlusslicht bei der Tabakre- 1 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Tabaksteuerrechts (Tabaksteuermodernisierungsgesetz – TabStMoG), Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19. April 2021, BT-Drs. 19/28655. 2 McClure, Tess, An end to cigarettes? New Zealand aims to create smoke-free generation, The Guardian, 16. April 2021, abrufbar unter: https://www.theguardian.com/world/2021/apr/16/new-zealand-aims-to-create-smokefree -generation-cigarettes, dieser und alle weiteren Online-Nachweise zuletzt abgerufen am 20. April 2021. 3 Maloney, Jennifer, Biden Administration Considering Rule to Cut Nicotine in Cigarettes, Wall Street Journal, 19. April 2021, abrufbar unter: https://www.wsj.com/articles/biden-administration-considering-rule-to-cut-nicotine -in-cigarettes-11618859564?mod=hp_lead_pos1. 4 Vgl. etwa DKFZ, Informationen zur Tabakkontrolle, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Informationen _zur_Tabakontrolle.html, sowie DKFZ, Rauchen und Gesundheitsschutz, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/index.html. 5 Vgl. etwa WHO, Factsheets Tobacco, abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tobacco oder WHO, Health Topics – Tobacco, abrufbar unter: https://www.who.int/health-topics/tobacco#tab=tab_1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 5 gulation. Das Rauchen sei einer der Hauptrisikofaktoren für die häufigste Todesursache der Europäer : Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und die dadurch entstehenden Herzinfarkte und Schlaganfälle, vgl. den Beitrag: OECD: Wo Deutschlands Nachbarn bei der Gesundheit besser abschneiden , in: aerzteblatt.de vom 20. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt .de/nachrichten/119361/OECD-Wo-Deutschlands-Nachbarn-bei-der-Gesundheit-besser-abschneiden . Der Tabakatlas 2020 (3. Auflage), den das DKFZ herausgibt, befasst sich mit Fragen zum Tabakkonsum , zu dessen Auswirkungen und zu evidenzbasierten Maßnahmen zur Verringerung des Konsums. Er enthält Ausführungen zu den verschiedenen Produkten und vor allem auch zu gesundheitlichen Einschätzungen, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download /Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/Tabakatlas-Deutschland-2020.pdf. Das Robert Koch-Institut (RKI) stellt im Internet unter der Rubrik „Gesundheitsmonitoring“ eine Reihe von Beiträgen zum Thema „Rauchen“ vor, darunter die Ergebnisse sieben bundesweiter Gesundheitssurveys 1991 bis 2015, Zeitliche Trends beim Rauchverhalten Erwachsener in Deutschland, abrufbar unter: https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/6281/Zeiher2018_Article _ZeitlicheTrendsBeimRauchverhal.pdf?sequence=1&isAllowed=y. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlicht auf seiner Internetseite Stellungnahmen und gesundheitliche Bewertungen, so auch zum Thema „Rauchen“, siehe: https://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/rauchen-4907.html. 3. Studien 3.1. Zigaretten „Der Zigarettenkonsum ist in den Industrieländern das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache frühzeitiger Sterblichkeit“, so das DKFZ, siehe: dkfz., Tabakkonsum und gesundheitliche Folgen, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/Tabakkonsum _und_gesundheitliche_Folgen.html. Die WHO schätze, dass weltweit jährlich acht Mio. Menschen vorzeitig an den Folgen des Zigarettenkonsums sterben würden. Das DKFZ warnt im Übrigen vor den Gefahren des Passisvrauchens. Es erhöhe das Risiko für Lungenkrebs, sehr wahrscheinlich auch das Brustkrebsrisiko bei jungen Frauen sowie das Risiko für weitere schwere und lebensgefährdende Erkrankungen. Eine besondere Gefahr bestehe für Kinder, die eine höhere Atemfrequenz und ein weniger effizientes Entgiftungssystem hätten, siehe: Passivrauchen und gesundheitliche Folgen, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle /Passivrauchen_und_gesundheitliche_Folgen.html. Im September 2015 wurde in The Lancet über eine Metastudie berichtet, die an der Harvard School of Public Health in Boston Ergebnisse von 88 Studien zusammengeführt hat, die sich mit dem Risiko für Raucher, an Diabetes-Typ 2 zu erkranken, befasst haben. Das Risiko starker Raucher steige um das 1,57-fache und dies gelte insbesondere für Männer ab dem 40. Lebensjahr. Siehe hierzu: Pan, An, Wang Yeli, u. a., Relations of active, passive and quitting smoking with incident type 2 diabetes: a systematic review and meta-analysis, in: The Lancet, 1. Dezember 2015, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/pdfs/journals/landia/PIIS2213- 8587(15)00316-2.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 6 Anfang 2017 wurde eine Metastudie zahlreicher US-amerikanischer Forscher veröffentlicht, die sich mit dem Einfluss von Nikotin auf Entwicklungsprozesse beim Menschen auseinandersetzt. Die Autoren gehen dabei auf zahlreiche verschiedene Krankheitsbilder und Entwicklungsstörungen ein, etwa auf Auswirkungen des Nikotinkonsums in der Schwangerschaft, wie Hirnschäden bei Föten, Hörschäden, Lungen- und kognitive Schäden. Ein weiterer Abschnitt widmet sich den Auswirkungen des Nikotinkonsums bei Jugendlichen, deren körperliche und kognitive Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, England, Lucinda/ Aagard, Kjersti et al., Developmental toxicity of nicotine: A transdisciplinary synthesis and implications for emerging tobacco products, Neuroscience and biobehavioral reviews, Ausgabe 72 (2017), S. 176-189, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5965681/. Im Jahr 2018 berichtet die Deutsche Herzstiftung von einer gemeinsamen Studie von fünf finnischen Universitäten, die das Risiko des passiven Rauchens für Kinder näher untersucht haben, siehe: Ulmer, Herbert, Passives Rauchen: Schädlich für Kinder? in: herzblatt 2018, Heft 4, S. 50f., abrufbar unter: https://www.herzstiftung.de/system/files/2020-05/HB0418-studie-passives-rauchen -kinder.pdf. Insgesamt seien rund 2500 Kinder rauchender Eltern über einen Zeitraum von 26 Jahren auf kardiovaskuläre Schäden hin untersucht worden. Arterioskletorische Einlagerungen in den Gefäßen der Halsschlagader hätten sich insbesondere bei den Kindern gezeigt, deren Mütter Dauerraucherinnen seien. Dies könne damit zusammenhängen, dass viele Mütter die Kinder über einen längeren Einwirkungszeitraum um sich hätten. Der Autor des Beitrags hebt im Übrigen hervor, dass auf Grund der Studie davon ausgegangen werden müsse, dass die gegenwärtigen Strategien offenbar nicht ausreichten, rauchende Erwachsene mit Kindern in ihrem Umfeld vom Rauchen abzuhalten. Im Januar 2018 wird in medizinischen Fachzeitschriften eine Metastudie vorgestellt, die 55 Veröffentlichungen zu insgesamt 141 Kohortenstudien analysiert, siehe: Hackshaw, Allan, Morris, Joan, u. a., Low cigarette consumption and risk of coronary heart desease and stroke: meta-analysis of 141 cohort studies in 55 study reports, in: BMJ, 24. Januar 2018 (erste Veröffentlichung), abrufbar unter: https://www.bmj.com/content/bmj/360/bmj.j5855.full.pdf. Ziel der Untersuchung war es, Aufschlüsse über die Risiken von koronaren Herzerkrankungen bei Wenigrauchenden zu erzielen. Alarmierendes Ergebnis sei gewesen, dass bereits das Rauchen einer Zigarette am Tag das Risiko, eine entsprechende Herzerkrankung zu erleiden, stärker steigen würde, als man dies erwartet habe, es sei immerhin halb so hoch wie das Risiko derjenigen, die 20 Zigaretten am Tag rauchen würden. Im Juli 2019 wurde in Großbritannien auf der Internetseite des Clinical Research & Innovation Office, einer Partnerschaft zwischen der Universität Sheffield und der Sheffield Teaching Hospitals NHS Stiftung über eine Studie berichtet, die in South Yorkshire in den Jahren 2009 bis 2014 mit insgesamt über 3000 Teilnehmern durchgeführt worden sei. Siehe hierzu: Young women who smoke face highest risk of major heart attack, 8. Juli 2019, abrufbar unter: https://www.sheffieldclinicalresearch.org/news/2019/07/08/young-women-who-smoke-face-highest -risk-of-major-heart-attack/. Das Risiko, an einem sog. ST-Hebungsinfarkt6 zu erkranken, sei für alle Raucher grundsätzlich erhöht, bei Frauen sei es höher als bei Männern. Die größten Unterschiede gebe es in der Altersgruppe der 50- bis 64-jährigen Raucher, besonders alarmierend 6 Großer Infarkt, der die gesamte Herzmuskelwandschicht umfasst. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 7 sei, dass der Risikoanstieg bei den 18- bis 49-Jährigen so hoch sei, bei Frauen in dieser Altersgruppe liege das Risiko um mehr als 13-mal höher als bei vergleichbaren Nichtraucherinnen. Die Studie habe aber auch gezeigt, dass sich das Risiko, an diesem Infarkt zu erkranken, wesentlich reduziere, wenn mit dem Rauchen aufgehört würde, denkbar sei, dass es bereits nach einem Monat dem Risiko entspreche, das für einen Nichtraucher, der niemals geraucht habe, gelte. Ebenfalls im Juli 2019 berichtet die Australian National University von einer Langzeitstudie, die über viele Jahre mit insgesamt rund 270.000 Rauchern und Nichtrauchern im Alter von 45 Jahren und älter durchgeführt wurde, siehe: Banks, Emily, Joshy, Grace u. a., Tobacco smoking and risk of 36 cardiovascular disease subtypes: fatal and non-fatal outcomes in a large prospective Australian study, abrufbar unter: https://bmcmedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12916-019- 1351-4. Rauchen töte mindestens 17 Australier pro Tag auf Grund von Herzanfällen bzw. –infarkten und anderen kardiovaskulären Erkrankungen. The Lancet berichtete im Oktober 2019 über eine Langzeitstudie an der Columbia University New York mit mehr als 25.000 Teilnehmern. Siehe: Oelsner, Elizabeth, Balte, Pallavi, u. a., Lung function decline in former smokers and low-intensity in current smokers: a secondary data analysis of NHLBI Pooled Cohorte Study, in: The Lancet, 1. Januar 2020, abrufbar unter: https://www.thelancet .com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(19)30276-0/fulltext. Die Untersuchung habe gezeigt , dass auch bei ehemaligen Rauchern und solchen, die nur wenig rauchen würden, der Alterungsprozess der Lunge beschleunigt werde und das Ausmaß des Konsums gar nicht entscheidend sei. Im Mai 2020 wurde in der medizinischen Fachpresse eine Studie vorgestellt, die die Katholische Universität von Korea in Seoul durchgeführt hat. Ziel war es, das Risiko für Lungenkrebs-Patienten , an Lungenentzündung zu erkranken, zu identifizieren. Siehe: Heo, Jung Won, Yeo, Chang Dong u. a., Smoking is associated with pneumonia development in lung cancer patients, in: BMC Pulmonary Medicine, 1. Mai 2020, abrufbar unter: https://bmcpulmmed.biomedcentral.com/articles /10.1186/s12890-020-1160-8. An der Studie seien 413 Lungenkrebs-Patienten beteiligt gewesen . Die Untersuchung habe gezeigt, dass das Rauchen und die Erkrankung an Neutropenia7 entscheidende Risikofaktoren für die Entwicklung von Lungenentzündungen seien, fast 30 Prozent der Patienten seien an Lungenentzündung erkrankt. Im Februar 2021 wird in der deutschen Presse eine Studie aus Cleveland/Ohio zitiert, die sich mit dem Zusammenhang von Tabakkonsum und schweren Verläufen bei einer Covid-19-Erkrankung befasst habe. Siehe: Corona und Rauchen, Covid-19 und Rauchen: Schockierende Studie belegt höheres Risiko, in: inFranken.de vom 10. Februar 20021, abrufbar unter: https://www.infranken.de/ratgeber/gesundheit/coronavirus/corona-rauchen-sterberisiko-lungebegleiterkrankungen -art-5156568. Mehr als 1000 Raucher (aktive und ehemalige) seien untersucht worden. Rund ein Drittel von ihnen hätte über 30 Jahre lang geraucht. Erschreckendes Ergebnis sei gewesen, dass das Risiko, im Falle einer Covid-19-Erkrankung auf eine Krankenhaus- 7 Die krankhafte Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut, die wiederum wichtig sind für die Abwehr von Infektionen (Neutropenie - Ursachen, Symptome & Behandlung | MedLexi.de). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 8 behandlung angewiesen zu sein, um fast 5 Prozent höher liege als bei Niemalsrauchern, sie müssten doppelt so oft auf Intensivstationen behandelt werden und ihr Sterberisiko sei um das 6,2-fache erhöht. 3.2. Elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) Das Rauchen von elektronischen Zigaretten (Dampfen/Vapen) wird seit einigen Jahren als Alternative zur Zigarette vermarktet. E-Zigaretten verzichten auf die Verbrennung von Tabak; stattdessen werden sogenannte Liquids batteriebetrieben erhitzt, so dass der entstehende Dampf eingeatmet werden kann. Liquids sind in verschiedenen Geschmacksrichtungen und sowohl mit als auch ohne Nikotinanteil erhältlich, vgl. BfR, Infografik E-Zigarette, Aufbau, Funktion und Risiken , abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-verbrauchermonitor-2019-spezial-ezigaretten .pdf. Eine repräsentative Befragung im Rahmen des BfR-Verbrauchermonitors 2019 ergab, dass 6 Prozent der Befragten E-Zigaretten nutzten. Zigaretten rauchten demgegenüber 25 Prozent der Befragten . 4 Prozent der Befragten verwenden beide Produkte, so dass nur 2 Prozent der Befragten zwar E-Zigaretten, aber keine klassischen Zigaretten konsumierten. Die Befragten schätzten die Gesundheitsgefahr von E-Zigaretten dabei mehrheitlich als geringer oder gleich wie bei Zigaretten ein; bei den Verwendern der E-Zigaretten war dieser Effekt am stärksten ausgeprägt, BfR-Verbrauchermonitor 2019, Spezial E-Zigaretten, Befragung im Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-verbrauchermonitor-2019-spezial-e-zigaretten.pdf. Zu beachten ist, dass Gesundheitsgefahren bei E-Zigaretten nicht allein aufgrund des enthaltenen Nikotins gesehen werden. So seien in den Liquids verschiedene krebserregende und reizende Schadstoffe enthalten, die beim Einatmen des Aerosols zu Entzündungsreaktionen führen könnten, vgl. etwa DKFZ, E-Zigaretten, 2018, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle /download/Publikationen/FzR/FzR_2018_E-Zigaretten.pdf sowie DKFZ, E-Zigaretten und Tabakerhitzer, Ein Überblick, Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle /download/Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/E-Zigaretten-und-Tabakerhitzer-Ueberblick _Oktober_2020.pdf. Auch das BfR hat in einer aktuellen Stellungnahme Gesundheitsgefahren betont, die von bestimmten Zusatzstoffen in Liquids ausgehen können, BfR, Zusatzstoffe in Tabak und E-Zigaretten : Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, Stellungnahme Nr. 008/2021 vom 4. März 2021, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/343/zusatzstoffe-in-tabak-und-e-zigaretten -hinweise-auf-gesundheitliche-beeintraechtigungen.pdf. Eine im Jahr 2017 veröffentlichte italienische Studie hat dreieinhalb Jahre lang neun Erwachsene beobachtet, die täglich E-Zigaretten nutzten, aber zuvor nie geraucht hatten. Sechs der Teilnehmer verwendeten nikotinhaltige Liquids, drei von ihnen verwendeten solche ohne Nikotin. Es wurde bei keinem Teilnehmer eine Verschlechterung der spirometrischen Indizes festgestellt. Die Probanden zeigten auch keine respiratorischen Symptome oder Entzündungsmarker in der Atemluft. Hochauflösende CT-Scans ergaben keine Anzeichen für Lungenschäden. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass es im späteren Zeitverlauf zu Gesundheitsschädigungen kommen könne; die Studie habe aber keine negativen Effekte von E-Zigaretten auf relativ junge Nichtraucher gezeigt. Zu bedenken ist hier die geringe Stichprobengröße, Polosa, Riccardo/ Ci- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 9 bella, Fabio et al., Health impact of E-cigarettes: a prospective 3.5-year study of regular daily users who have never smoked, 17. November 2017, Sci Rep 7, 13825 (2017), https://doi.org/10.1038/s41598-017-14043-2. Der Hauptautor dieser Studie hat sich im Jahr 2015 in einem Kommentar mit der Frage auseinandergesetzt , ob ein Umstieg auf E-Zigaretten durch Raucher geeignet sei, Lungenschäden rückgängig zu machen. Demzufolge seien E-Zigaretten nach bisher verfügbaren Studien bis zu 96 Prozent weniger schädlich als konventionelle Zigaretten und könnten das individuelle Risiko stark senken . Zwar seien Langzeitstudien zwingend erforderlich; jedoch zeigten sich erste Anzeichen, dass Gesundheitsverbesserungen durch den Umstieg zu erwarten seien, Polosa, Riccardo, Electronic cigarette use and harm reversal: emerging evidence in the lung, BMC Medicine 13, 54, 18. März 2015, abrufbar unter: https://doi.org/10.1186/s12916-015-0298-3. Im Jahr 2015 analysierten Forscher der Universität Aix-Marseille acht Studien zum Nikotin- und Cotininspiegel nach dem Konsum von E-Zigaretten mit nikotinhaltigen Liquids. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Höchstwert der Nikotinkonzentration stark von der Dosierung des Liquids und vom Nutzungsverhalten abhinge. Er sei aber ähnlich hoch wie bei klassischen Zigaretten , werde jedoch verzögert erreicht. E-Zigaretten könnten hiernach geeignet sein, um Entzugserscheinungen beim Verzicht auf klassische Zigaretten zu lindern. Zudem zeigten Studien ein geringeres Suchtpotential gegenüber klassischen Zigaretten, Marsot, Amélie / Simon, N., Nicotine and Cotinine Levels With Electronic Cigarette: A Review, International Journal of Toxicology. 2016, 35(2), S. 179-185, 16. Dezember 2015, abrufbar unter: https://doi.org/10.1177/1091581815618935. Einer Studie aus dem Jahr 2014 zufolge bestehen im Hinblick auf die Nikotinaufnahme Unterschiede je nach verwendetem Gerät. So sei die Nikotinaufnahme bei neueren Geräten deutlich effizienter, also stärker, als bei Geräten der ersten Generation, aber immer noch deutlich langsamer als bei konventionellen Zigaretten. So hätte die verwendete Kombination aus Gerät und Liquid nach fünf Minuten der Verwendung etwa ein Drittel bis ein Viertel so viel Nikotin geliefert, wie eine Tabakzigarette. Die Studie spricht sich dabei für die Zulassung von Liquids mit einem höheren Nikotingehalt aus, damit der Umstieg von Zigarette zur E-Zigarette erleichtert werde, Farsalinos, Konstantinos/ Spyrou, Alketa, Nicotine absorption from electroniccigarette use: comparison between firstand new-generation devices, Scientific Reports, 26. Februar 2014, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3935206/pdf/srep04133.pdf. Zu den Effekten der Nikotinaufnahme siehe bereits Abschnitt 3.1. 3.3. Tabakerhitzer / Tobacco Heating Systems Bei sogenannten Tabakerhitzern oder Tobacco Heating Systems (THS) handelt es sich um batteriebetriebene Systeme, die durch elektrische Erhitzung von Tabak nikotinhaltige Dämpfe erzeugen . Im Gegensatz zur E-Zigarette werden dafür Tabakstränge in ein stiftähnliches Gerät platziert und auf etwa 250-350 Grad Celsius erwärmt. Dabei entstehen nikotinhaltige Emissionen, die über ein Mundstück oder Filtersegment inhaliert werden. Das BfR kommt in einer vorläufigen Risikobewertung zum Ergebnis, dass die in den Dämpfen erreichbaren Nikotingehalte etwa in der gleichen Größenordnung wie bei herkömmlichen Tabakzigaretten lägen und dass daher von einem vergleichbaren Suchtpotential auszugehen sei. Zwar Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 10 seien die Gehalte gesundheitsschädlicher Stoffe im Inhalat erheblich reduziert, wozu auch Substanzen gehörten, die im Tabakrauch für die Entstehung von Krebserkrankungen von Bedeutung seien. Dennoch verblieben nach Auffassung des BfR erhebliche gesundheitliche Risiken, da mutagene Wirkungen – wenn auch schwächer als bei Zigarettenrauch – für die Emissionen von THS dokumentiert seien, die für Dämpfe von E-Zigaretten nicht nachweisbar seien; Bundesinstitut für Risikobewertung, Vorläufige Risikobewertung von Tobacco Heating-Systemen als Tabakprodukte, Mitteilung Nr. 015/17 des BfR vom 27. Juli 2017, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/343/vorlaeufige-risikobewertung-von-tobacco-heating-systemen-alstabakprodukte .pdf. Die Datenlage zu derartigen Produkten, wie sie derzeit vertrieben werden, sei bislang sehr eingeschränkt und beschränke sich auf Untersuchungen im Auftrag oder mit Finanzierung der Hersteller . So habe der Hersteller des Produktes IQOS, Philip Morris International Inc., im Oktober 2017 die Ergebnisse bisheriger herstellerfinanzierter Studien zusammengestellt. Wenig überraschend betont das Papier die reduzierte Aufnahme von schädlichen und potentiell schädlichen Substanzen gegenüber traditionellen Zigaretten, Smith, Maurice/ Haziza, Christelle et al, The Science behind the Tobacco Heating System – A Summary of Published Scientific Articles, PMI Science , abrufbar unter: https://www.pmiscience.com/resources/docs/defaultsource /Library_Documents_latest/pmi-science-ths-executive-summary 20e4a5852f88696a9e88ff040043f5e9.pdf. Im Oktober 2018 haben Wissenschaftler des BfR in einem Bericht die Ergebnisse unabhängiger Studien, von Herstellerstudien sowie einer eigenen Untersuchung erörtert. Hierbei wurde der geringere Gehalt gesundheitsschädlicher Stoffe in den Emissionen bestätigt. Auch die Luftqualität in Innenräumen werde deutlich weniger stark belastet. Gesundheitliche Risiken seien dennoch nicht auszuschließen, da gewisse Stoffe auch in geringen Mengen eine mutagene Wirkung haben könnten. Der Nikotingehalt in den Emissionen liege zudem im gleichen Bereich wie die Nikotinemissionen von konventionellen Zigaretten, wodurch von einem vergleichbaren Suchtund Abhängigkeitspotenzial auszugehen sei. Es fehlten für eine abschließende Bewertung allerdings Langzeitstudien, Pieper, Elke/ Mallock, Nadja et al., Tabakerhitzer als neues Produkt der Tabakindustrie: Gesundheitliche Risiken, Bundesgesundheitsblatt 61, S. 1422–1428, 4. Oktober 2018, abrufbar unter: https://doi.org/10.1007/s00103-018-2823-y. 3.4. Zigarren Bei der Bewertung der Nikotinaufnahme durch das Rauchen von Zigarren ist zunächst zwischen klassischen Zigarren und Zigarillos zu differenzieren. Letztere ähneln in der Form eher einer Zigarette und werden auch mit Filter hergestellt. Eine von US-Gesundheitsbehörden unterstützte Studie zur Nikotinaufnahme beim Rauchen von Zigarillos und Filterzigarillos kommt zu dem Ergebnis, dass zwar pro Zug eine ähnliche Menge an Nikotin aufgenommen wird wie bei herkömmlichen Zigaretten. Pro Stück sei aber die Nikotinaufnahme deutlich höher als bei Zigaretten. Ob die Zigarillos einen Filter aufgewiesen hätten, sei zur Überraschung der Studienautoren für das Ergebnis – anders als bei Zigaretten - nicht relevant gewesen, Goel, Reema/ Trushin, Neil et al. A Survey of Nicotine Yields in Small Cigar Smoke: Influence of Cigar Design and Smoking Regimens, Nicotine & Tobacco Research, Band 20, Ausgabe 10, Oktober 2018, S. 1250–1257, abrufbar unter: https://doi.org/10.1093/ntr/ntx220. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 036/21 Seite 11 Auch im Hinblick auf klassische Zigarren kommt eine Studie unter Rauchern, die sowohl Zigaretten als auch Zigarren konsumierten, zu dem Ergebnis, das sowohl Zigaretten als auch Zigarren den Nikotinspiegel und den Kohlenstoffmonoxidanteil im Blut erhöhten. Zwar hätten Zigaretten mehr Nikotin pro Gramm Tabak und pro Liter eingezogener Luft geliefert. Allerdings sei die Zahl der Züge, ihr Volumen und ihre Geschwindigkeit ebenso wie die Dauer des Rauchens bei Zigarren deutlich höher gewesen und der Zeitabstand zwischen den Zügen geringer. Auch wurde beobachtet , dass signifikante Mengen an Rauch inhaliert worden waren, was die Annahme widerlege , dass das Rauchen von Zigarren weniger schädlich sei als das Rauchen von Zigaretten, da Zigarettenraucher ihr Rauchverhalten anpassten, Rosenberry, Zachary/ Pickworth, Wallace et al, Large Cigars: Smoking Topography and Toxicant Exposure, Nicotine & Tobacco Research, Band 20, Ausgabe 2, Februar 2018, S. 183–191, https://doi.org/10.1093/ntr/ntw289. Eine Metastudie zu Mortalitätsrisiken beim Rauchen von Zigarren, die 22 ausgewählte Studien zum Thema auswertet, kommt zu dem Ergebnis, dass das Rauchen von Zigarren ähnliche Risiken aufweisen kann wie das Rauchen von Zigaretten. Die Risiken schwanken jedoch mit der Exposition , also der Zahl an Zigarren pro Tag sowie insbesondere in Bezug auf die Inhalation. So könnten Raucher, die viele Zigarren konsumieren und den Rauch inhalieren, sogar ein höheres Sterberisiko haben als solche, die konventionelle Zigaretten rauchten, Chang, Cindy/ Corey, Catherine et al., Systematic review of cigar smoking and all cause and smoking related mortality. BMC Public Health 15, 390, 24. April 2015, abrufbar unter: https://doi.org/10.1186/s12889-015-1617-5. ***