© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 032/17 Zur Rolle der Kommunen bei der Finanzierung des Gesundheitssystems in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 032/17 Seite 2 Zur Rolle der Kommunen bei der Finanzierung des Gesundheitssystems in Deutschland Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 032/17 Abschluss der Arbeit: 27. Juli 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 032/17 Seite 3 An der Finanzierung der Ausgaben für Gesundheit und Krankenbehandlung (sog. Gesundheitsausgaben ) sind in Deutschland neben den Trägern der Sozialversicherung1 die privaten Krankenversicherungen , die öffentlichen Haushalte, die privaten Haushalte sowie die Arbeitgeber beteiligt . Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erstellt das Statistische Bundesamt für jedes Jahr eine Gesundheitsausgabenrechnung, in der die Gesundheitsausgaben nach Leistungen , Einrichtungen und Ausgabeträgern statistisch erfasst werden. Im Jahr 2015 beliefen sich die Gesundheitsausgaben auf insgesamt 344,2 Milliarden Euro, was einem Anteil von 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht.2 Zu den erfassten Leistungen gehören dabei Leistungen zu Prävention und Gesundheitsschutz, ärztliche Leistungen, Waren, Transporte, Unterkunft und Verpflegung sowie Verwaltungsaufwendungen.3 Einkommensleistungen, d.h. Entgeltfortzahlungen bei Krankheit und Mutterschaft, werden statistisch nicht als Gesundheitsausgaben erfasst. Die dafür im Jahr 2015 geleisteten 90,7 Milliarden Euro sind somit zusätzlich zu den Gesundheitsausgaben angefallen.4 Die Gesundheitsausgaben werden überwiegend von den Trägern der Sozialversicherungszweige getragen. Hauptausgabeträger war dabei die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), in der knapp 89 Prozent der Bevölkerung (pflicht-)versichert sind.5 Die in der GKV versicherten Personen haben Anspruch auf bestimmte gesetzlich oder in der Satzung der jeweiligen Krankenkasse festgelegte Gesundheitsleistungen, die wiederum von Leistungserbringern (wie z.B. Vertragsärzten , Krankenhäusern) erbracht und direkt, d.h. ohne Einbeziehung des Versicherten, zwischen Krankenkasse und Leistungserbringern abgerechnet werden. Im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung hat die GKV im Jahr 2015 circa 200 Milliarden Euro für Gesundheitsleistungen für ihre Versicherten ausgegeben und damit 58,1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben getragen . Weitere 28 Milliarden Euro – das entspricht einem Anteil von 8,1 Prozent der gesamten 1 In Deutschland existieren fünf Sozialversicherungszweige, die der Absicherung existentieller Risiken dienen. Hierzu zählen neben der gesetzlichen Krankenversicherung die soziale Pflegeversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung. 2 Statistisches Bundesamt, Gesundheitsausgaben im Jahr 2015 um 4,5 Prozent gestiegen, Pressemitteilung Nr. 061 vom 21. Februar 2017, im Internet abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2017/02/PD17_061_23611.html (Stand 27. Juli 2017). Eine ausführliche Darstellung der von den einzelnen Ausgabeträgern finanzierten Gesundheitsausgaben für das Jahr 2015 findet sich bei: Statistisches Bundesamt, Gesundheit – Ausgaben 2015, Fachserie 12 Reihe 7.1.1, erschienen am 21. Februar 2017, im Internet abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/- AusgabenGesundheitPDF_2120711.pdf?__blob=publicationFile (Stand 27. Juli 2017). 3 Vergleiche hierzu http://aok-bv.de/lexikon/g/index_06414.html (Stand 27. Juli 2017). 4 Statistisches Bundesamt, Gesundheitsausgaben im Jahr 2015 um 4,5 Prozent gestiegen, Pressemitteilung Nr. 061 vom 21. Februar 2017, im Internet abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2017/02/PD17_061_23611.html (Stand 27. Juli 2017). 5 In Deutschland besteht grundsätzlich eine Krankenversicherungspflicht. Personen, die nach den gesetzlichen Vorgaben nicht in der GKV pflichtversichert sind, können sich entweder freiwillig in der GKV oder privat krankenversichern. Der weit überwiegende Teil der Bevölkerung ist in der GKV versichert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 032/17 Seite 4 Gesundheitsausgaben – wurden von der sozialen Pflegeversicherung getragen.6 Die gesetzliche Unfallversicherung spielt ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung bei der Tragung der Gesundheitsausgaben eine vergleichsweise untergeordnete Rolle (1,6 bzw. 1,3 Prozent der Gesundheitsausgaben im Jahr 20147). Neben der GKV ist auch die private Krankenversicherung, in der rund elf Prozent der Bevölkerung krankenversichert sind, an der Tragung der Gesundheitsausgaben beteiligt. Für vertraglich vereinbarte Gesundheitsleistungen haben private Versicherungsunternehmen im Jahr 2015 insgesamt 30,5 Milliarden Euro ausgegeben; dies entspricht einem Anteil von 8,9 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. Nicht nur die Träger der Krankenversicherung bzw. die Sozialversicherungsträger sondern auch die privaten Haushalte tragen einen Teil der Gesundheitsausgaben. Im Jahr 2014 entfielen circa 46,1 Milliarden Euro bzw. 13,4 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben auf die privaten Haushalte, die damit nach der GKV und vor der privaten Krankenversicherung den zweitgrößten Ausgabeanteil getragen haben. Bei den von den privaten Haushalten finanzierten Leistungen handelt es sich vor allem um Zuzahlungen im Rahmen der GKV sowie um Kosten für individuelle Gesundheitsausgaben wie z.B. nicht rezeptpflichtige Arzneimittel oder andere nicht von der Krankenversicherung übernommene Leistungen.8 Die von den privaten Haushalten erbrachten Beiträge für die gesetzliche bzw. private Krankenversicherung werden nicht dem Ausgabeträger private Haushalte, sondern dem Ausgabeträger gesetzliche bzw. private Krankenversicherung zugerechnet. Darüber hinaus finanzieren auch die Arbeitgeber einen Teil der Gesundheitsausgaben, wobei es sich insbesondere um Ausgaben für den betrieblichen Gesundheitsdienst und Beihilfeausgaben der öffentlichen Arbeitgeber für Beamte handelt. Insgesamt trugen die Arbeitgeber im Jahr 2014 circa 4,3 Prozent der Gesundheitsausgaben. Ebenso wie bei den privaten Haushalten werden 6 Statistisches Bundesamt, Gesundheitsausgaben im Jahr 2015 um 4,5 Prozent gestiegen, Pressemitteilung Nr. 061 vom 21. Februar 2017, im Internet abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2017/02/PD17_061_23611.html (Stand 27. Juli 2017). 7 Tunder, Ralf (u. a.) (2017), Einführung in das deutsche Gesundheitssystem – Historie, Grundstrukturen und Basisdaten, S. 21. 8 Tunder, Ralf (u. a.) (2017), Einführung in das deutsche Gesundheitssystem – Historie, Grundstrukturen und Basisdaten, S. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 032/17 Seite 5 statistisch auch bei den Arbeitgebern lediglich die direkten Aufwendungen und nicht die Aufwendungen für die Sozialversicherungsbeiträge9 als Gesundheitsausgabe der Arbeitgeber klassifiziert ; der Arbeitgeberanteil zu den Krankenversicherungsbeiträgen bei gesetzlich Krankenversicherten wird dem Finanzierungsanteil der GKV zugerechnet.10 Auch die öffentlichen Haushalte – also Bund, Länder und Kommunen – tragen einen Teil der Ausgaben im Gesundheitsbereich. Im Jahr 2014 lag deren Anteil bei 4,5 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. Durch die öffentlichen Haushalte werden dabei insbesondere die für den Gesundheitsbereich zuständigen öffentlichen Verwaltungen wie Ministerien und Gesundheitsämter , die Vorhaltung von Ausbildungskapazitäten, Gesundheitskosten im Rahmen der Sozialhilfe sowie die Förderung von Investitionen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen finanziert . Für Krankenhäuser gilt in Deutschland der Grundsatz der dualen Finanzierung, d. h. es erfolgt eine Unterscheidung zwischen laufenden Betriebskosten und Investitionskosten und eine Übernahme dieser Kosten durch unterschiedliche Träger. Während die Betriebskosten der Einrichtungen von der GKV getragen werden, erfolgt die Finanzierung der Investitionskosten durch die Länder entsprechend der bundesrechtlichen Vorgaben und der näheren landesrechtlichen Detailregelungen. Für die Investitionsförderung der Krankenhäuser haben die Länder im Jahr 2014 insgesamt 2,78 Milliarden Euro aufgebracht.11 In welchem Umfang die einzelnen Kommunen an diesen Kosten beteiligt sind, richtet sich nach dem jeweiligen Landesrecht; zum Teil sind die Kommunen in erheblichem Umfang an der Mittelaufbringung beteiligt.12 Voraussetzung für die Förderung der Investitionskosten durch die öffentlichen Haushalte ist die Aufnahme des Krankenhauses in den jeweiligen Landeskrankenhausplan, der zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung von jedem Land erstellt wird. Ob es sich bei dem Krankenhaus um eine Einrichtung in öffentlicher, freigemeinnütziger oder privater Trägerschaft handelt oder in welcher Rechtsform es geführt wird, spielt für die Investitionsförderung hingegen keine Rolle. 9 Für versicherte Arbeitnehmer werden die Beiträge zur GKV grundsätzlich zur Hälfte vom Arbeitnehmer und zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen. Sofern die jeweilige Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt, ist dieser allein vom Arbeitnehmer zu tragen. Neben den Beiträgen der Versicherten zahlt der Bund einen jährlichen Zuschuss aus Steuermitteln an die GKV zur Abgeltung versicherungsfremder Leistungen (zum Beispiel beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten und Kindern). Im Jahr 2017 beträgt dieser 14,5 Milliarden Euro, vergleiche hierzu https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/finanzierung/finanzierungsgrundlagen -der-gesetzlichen-krankenversicherung.html (Stand 27. Juli 2017). 10 Tunder, Ralf (u. a.) (2017), Einführung in das deutsche Gesundheitssystem – Historie, Grundstrukturen und Basisdaten, S. 21. 11 Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionsfinanzierung in den Bundesländern, Stand August 2015, im Internet abrufbar unter http://www.dkgev.de/media /file/21258.Bestandsaufnahme_August_2015.pdf. Die Publikation der DKG enthält auch Zeitreihen und tabellarische Darstellungen zur Entwicklung der von den einzelnen Ländern sowie der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel zur Investitionsförderung, vergleiche hierzu insbesondere S. 67 und 107ff. Danach ist die Summe der zur Investitionsförderung von Krankenhäusern bereitgestellten Mittel während der letzten Jahrzehnte tendenziell stark gesunken; in der jüngeren Vergangenheit ist hingegen wieder ein Anstieg der bereitgestellten Förderungssumme zu verzeichnen. 12 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Krankenhäuser in privater Trägerschaft – Rechtsgrundlagen , verfassungsrechtliche Vorgaben und Finanzierung, WD 9 3000-095-13, S. 14. Die Ausarbeitung enthält u. a. eine detaillierte Darstellung der dualen Finanzierung von Krankenhäusern aber auch zu den möglichen Krankenhausträgern. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 032/17 Seite 6 Aufgrund des föderalen Staatsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland sind die Zuständigkeiten für gesetzliche Regelungen und Institutionen im Gesundheitsbereich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt. Dabei sind die Länder und Gemeinden nicht nur – wie erwähnt – für die Erstellung der Krankenhauspläne und damit für die Steuerung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Krankenhäusern zuständig, sondern zum Beispiel auch für die Rettungsdienste und für die Öffentlichen Gesundheitsdienste. Kennzeichnend für die Organisation des deutschen Gesundheitssystems ist die Delegation staatlicher Gestaltungshoheit auf Akteure, die – im Rahmen vorgegebener gesetzlicher Rahmenbedingungen und unter staatlicher Aufsicht – in eigener Verantwortung handeln. Zu diesen Akteuren, den selbstverwalteten Körperschaften des öffentlichen Rechts, gehören auch die gesetzlichen Krankenkassen und die kassenärztlichen Vereinigungen . Wie die Krankenhäuser in Deutschland organisiert und geführt sind, unterscheidet sich je nach Träger und Gesellschaftsform der jeweiligen Klinik. Es ist möglich, dass auch Vertreter von Kommunen als Mitglieder des Aufsichtsrates einer Klinik in wesentliche Entscheidungsprozesse einbezogen sind. Die konkreten Befugnisse dieses Kontrollgremiums richten sich dabei nach dem Gesellschaftsvertrag des Krankenhauses; dieser kann vorsehen, dass die Geschäftsführung vor der Durchführung bestimmter Maßnahmen und Rechtsgeschäfte die Zustimmung des Aufsichtsrates einholen muss. Diese Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates kann sich unter anderem auch auf die Änderung und Beendigung von Chefarztverträgen und Verträgen mit der Pflegedienstleitung, den Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Belegarztverträgen sowie die Bestellung und Abberufung des Ärztlichen Direktors beziehen. ***