© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 031/17 Verfassungsrechtliche Aspekte der bundesweit unterschiedlichen Festsetzung der Landesbasisfallwerte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 2 Verfassungsrechtliche Aspekte der bundesweit unterschiedlichen Festsetzung der Landesbasisfallwerte Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 031/17 Abschluss der Arbeit: 28. Juli 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage 4 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 6 3. Grundsatz der föderativen Gleichbehandlung 7 4. Sozialstaatsprinzip 7 5. Krankenhausträger als Normadressaten 8 5.1. Öffentliche Krankenhausträger 9 5.2. Private und freigemeinnützige Krankenhausträger 10 6. Grundrechte der Krankenhausträger 10 6.1. Allgemeiner Gleichheitssatz 10 6.2. Berufsfreiheit 12 6.2.1. Personeller und sachlicher Schutzbereich des Artikel 12 GG 12 6.2.2. Eingriff 13 6.2.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 13 6.2.3.1. Legitimer Zweck 14 6.2.3.2. Geeignetheit 14 6.2.3.3. Erforderlichkeit 15 6.2.3.4. Angemessenheit – Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 4 1. Ausgangslage Die Vergütung der voll- und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser erfolgt über das DRG (Diagnosis Related Groups)-System1 nach den Regelungen des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG2) und des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG3). Zur Deckung der anfallenden Betriebskosten pro Patient erhalten die Krankenhäuser für jeden Patienten eine sogenannte Fallpauschale von dessen Krankenkasse. Die genaue Höhe dieser Pauschale ergibt sich aus der jeweiligen Bewertungsrelation 4 und dem bundeslandspezifischen Preis, dies ist der sogenannte Landesbasisfallwert (vgl. § 10 KHEntgG). Dieser Wert wird jeweils für ein Jahr auf Landesebene zwischen den Krankenkassen und Vertretern der Krankenhäuser verhandelt und weist daher in den Bundesländern eine unterschiedliche Höhe auf. Damit differiert auch die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser im Vergleich der Bundesländer, da die Krankenhäuser mit einem niedrigeren Landesbasisfallwert insofern auch weniger Einnahmen für die Erbringung ihrer Leistungen erhalten . Dies wiederum kann zu Engpässen in den betroffenen Kliniken führen. Am 1. Januar 2016 trat das Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG) vom 10. Dezember 2015 in Kraft5. Ziel des Gesetzes ist es u. a., die Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser durch verschiedene Maßnahmen nachhaltig zu sichern6. Eine dieser Maßnahmen stellt die weitere Verminderung der Spannweite der Landesbasisfallwerte in den einzelnen Bundesländern dar. Die ersten Landesbasisfallwerte waren im Jahr 2005 auf der Grundlage des jeweiligen Ausgabevolumens für die stationäre Krankenhausversorgung in den einzelnen Bundesländern vereinbart worden. Daher divergierte die Höhe der Landesbasisfallwerte sehr stark. Keinen Einfluss auf die Höhe der Landesbasisfallwerte hat die 1 DRGS sind Patientenklassifikationssysteme, mit denen einzelne stationäre Behandlungsfälle anhand bestimmter Kriterien, wie z.B. Diagnose oder Schweregrad zu Fallgruppen zusammengefasst werden. Vgl. hierzu: http://www.aok-gesundheitspartner.de/bund/krankenhaus/drg/aktuell/index_09425.html#drgs (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 2 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung von Krankenhäusern und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG) vom 29. Juni 1972, BGBl I S. 1009, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2016, BGBl I S. 2986. 3 Krankenhausentgeltgesetz vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2986) geändert worden ist. 4 Die Bewertungsrelation fällt je nach Schwere oder Komplikation des Falles unterschiedlich hoch aus. 5 BGBl. I S. 2229. 6 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG), 30. Juni 2015, BT-Drs. 18/5372, S. 1 und 35, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/053/1805372.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 5 Verschiedenheit der Erkrankungen sowie deren Häufigkeit, da diese vom Grundsatz her bereits im DRG-System berücksichtigt werden7. Nach der Begründung im Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG) vom 17. März 20098 wird kein bundeseinheitlicher Basisfallwert vorgegeben, damit „Finanzierungsspielraum für landesbezogene Strukturunterschiede, auf die einige Länder derzeit verweisen, und ausreichend Zeit für deren Überprüfung durch entsprechende Forschungsaufträge“9 verbleiben. Die Bestimmung des § 10 Absatz 8 Satz 1 KHEntgG sieht deshalb – anstatt eines bundesweit einheitlichen oder durchschnittlichen Basisfallwerts – eine schrittweise Angleichung der unterschiedlich hohen Landesbasisfallwerte innerhalb eines einheitlichen Basisfallwertkorridors an einen einheitlichen Basisfallwert nach § 10 Absatz 9 KHEntgG vor. Dieser Basisfallwertkorridor bewegte sich nach § 10 Absatz 8 Satz 1 KHEntgG a. F. zwischen einem oberen Grenzwert in Höhe von +2,5 Prozent des im Gesetz genannten Basisfallwerts und einem unteren Grenzwert in Höhe von -1,25 Prozent des genannten Basisfallwerts. Die Angleichung erfolgte nach den Vorgaben des § 10 Absatz 8 Satz 1 bis 6 KHEntgG a. F. bereits in der Vergangenheit schrittweise innerhalb einer Konvergenzphase von fünf Jahren bis zum Jahr 2014. Mit der Neufassung des § 10 Absatz 8 KHEntgG durch das Krankenhausstrukturgesetz wurde die Angleichung der unterschiedlichen Landesbasisfallwerte an einen bundeseinheitlichen Basisfallwert fortgesetzt und damit die Spannweite der Landesbasisfallwerte ab dem Jahr 2016 durch eine weitere Annäherung an den einheitlichen Basisfallwertkorridor vermindert. Dadurch wurde die untere Korridorgrenze nach § 10 Absatz 8 Satz 1 KHEntgG von -1,25 Prozent auf -1,02 Prozent unterhalb des Bundesbasisfallwerts angehoben , während sich die obere Korridorgrenze dagegen – wie bereits nach § 10 Absatz 8 Satz 1 KHEntgG a. F. – bei +2,5 Prozent oberhalb des bundeseinheitlichen Basisfallwerts befindet10. Die Angleichung an die obere Korridorgrenze erfolgt dabei in sechs Schritten bis zum Jahr 2021, während die Verringerung des Abstands der unteren Korridorgrenze zum bundeseinheitlichen Basisfallwert und die Anhebung aller unterhalb des Korridors liegender Landesbasisfallwerte auf die neue Untergrenze im Jahr 2016 erfolgte11. 7 Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359 (361). 8 BGBl. I S. 534. 9 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG), 7. November 2008, BT-Drs. 16/10807, S. 32, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/16/108/1610807.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 10 Nähere Ausführungen siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Rechtliche Einzelfragen und Daten zur Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser vor dem Hintergrund des Krankenhausstrukturgesetzes , Ausarbeitung, WD 9 – 3000 – 094/15 vom 15. Januar 2016. 11 Tabelle Landesbasisfallwerte 2017, abrufbar über den Verband der Ersatzkassen (vdek) unter: https://www.vdek.com/vertragspartner/Krankenhaeuser/landesbasisfallwerte/_jcr_content/par/download _1/file.res/33_LBFW%20ab%2001%2001%202017_DMH.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 6 Der vorliegende Sachstand beschäftigt sich auftragsgemäß mit der Frage, welche verfassungsrechtlichen Aspekte bei der aktuellen Regelung zur Ausgestaltung des Basisfallwertkorridors mit der Konsequenz der Beibehaltung unterschiedlicher Landesbasisfallwerte in Frage stehen könnten . Neben der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, dem Grundsatz der föderativen Gleichbehandlung und dem Sozialstaatsprinzip wird dabei unter Berücksichtigung der Trägerschaft der Krankenhäuser auf einschlägige Grundrechte wie den allgemeinen Gleichheitssatz und die Berufsfreiheit eingegangen. 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Dem Bund obliegt gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 19a Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG12) die konkurrierende Gesetzgebung für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und damit für die Regelungen zur Finanzierung der Krankenhäuser13. Um diesem Gesetzgebungsauftrag nachzukommen, hat der Bund das KHG und das KHEntgG geschaffen. Der Bund darf in diesen Fällen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 72 Absatz 2 GG von seiner Kompetenz Gebrauch machen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Mit dem KHRG vom 17. März 2009 sollten die Bedingungen der Krankenhausfinanzierung konkretisiert werden, in dem u. a. die Krankenhäuser durch Einführung des Basisfallwertkorridors wirtschaftlich gestärkt werden sollten. Laut Gesetzesbegründung sind Regelungen zur Ausgestaltung des DRG-Vergütungssystems „auch durch landesrechtliche Regelungen nicht zu erreichen, da eine Gesetzesvielfalt auf Landesebene bei dem Entgeltsystem der Krankenhäuser zu einer Rechtszersplitterung mit gravierenden Folgen für die flächendeckende und gleichmäßige Anwendung des Entgeltsystems durch die Krankenhäuser und zu einer Beeinträchtigung des Fortbestandes eines einheitlichen Standards der Versorgung der Bevölkerung führt“14. Entsprechendes gilt ebenso für die Neufassung der Ausgestaltung des Basisfallwertkorridors in § 10 Absatz 8 KHEntgG, so dass von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auszugehen ist. Auch nach Ansicht der Literatur ist die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung in diesem Bereich unstrittig15. Die Regelung zum Basisfallwertkorridor diene dem Ziel, einen bundesweiten Angleichungsprozess im Bereich der 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist. 13 Krankenhausplanung und Krankenhausorganisation liegen demgegenüber im Kompetenzbereich der Länder, vgl. dazu Steiner in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, GG Art. 74 Rn. 12. 14 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG), 7. November 2008, BT-Drs. 16/10807, S. 23, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/16/108/1610807.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 15 Kuhla, Wolfgang, Gesetzgebungskompetenzen im Krankenhausrecht – Erörterung im Hinblick auf aktuelle Beispiele aus der Praxis – in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2014, S. 361 (362); Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359 (369). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 7 Krankenhausentgelte auf den Weg zu bringen16. Diese Gesetzgebungskompetenz umfasst die Krankenhäuser unabhängig von ihrer Trägerschaft17. 3. Grundsatz der föderativen Gleichbehandlung Durch die Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG, die von Bundesland zu Bundesland noch unterschiedliche Basisfallwerte zulässt, könnte der Gesetzgeber gegen den Grundsatz der föderativen Gleichbehandlung verstoßen haben. In ständiger Rechtsprechung entnimmt diesen das Bundesverfassungsgericht dem Bundesstaatsprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz18. Nach diesem Grundsatz kann eine bundesgesetzliche Regelung, auf deren Grundlage gleiche Tatbestände in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich behandelt werden, verfassungswidrig sein19. Nach dem Grundsatz föderativer Gleichbehandlung sind die Länder als prinzipiell gleichrangige staatliche Gebietskörperschaften zu verstehen und so ist zwischen der föderalen Solidargemeinschaft und ihrer Eigenstaatlichkeit ein Ausgleich zu schaffen. Dementsprechend findet er aber „keine Anwendung […], wenn ein Bundesgesetz nicht die Länder zu Adressaten hat“20. Normadressat ist grundsätzlich, wen die Norm mit Verbindlichkeitsanspruch anspricht21. Mit der aktuellen Norm zum Basisfallwertkorridor wird eine weitere Angleichung der Krankenhausentgelte geschaffen . Adressaten der Regelung in § 10 Absatz 8 sind damit die Krankenhausträger. Die Bundesländer sind nicht Adressaten der Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG; sie sind allenfalls mittelbar betroffen22. Dementsprechend verstößt die Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG nicht gegen den verfassungsrechtlich niedergelegten Grundsatz der föderativen Gleichbehandlung. 4. Sozialstaatsprinzip Aus dem in Artikel 20 Absatz 1 GG in Verbindung mit Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 GG verankerten Sozialstaatsprinzip folgt, dass der Staat eine flächendeckende und bürgernahe stationäre Krankenversorgung zu gewährleisten hat23. Insofern ist die öffentliche Verwaltung zur Erhaltung der 16 Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359 (369). 17 Spickhoff/Steiner, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, GG Art. 74 Rn. 12. 18 BVerfGE 72, 330 (331 f., 404); 119, 394 (410 f.). 19 Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359 (370). 20 BVerfG, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2009, S. 178 (181). 21 BVerfGE 90, 145. 22 Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359 (372). 23 Genzel/Degener-Hencke in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 80 Die Aufgaben der Krankenhäuser im gesundheitlichen Versorgungssystem Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 8 Krankenhäuser an sich verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips einen weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt24. Aus dem Sozialstaatsprinzip folgt keine unmittelbare Verpflichtung zum Erhalt einzelner Krankenhäuser25. Der Staat ist aber zu einer wirtschaftlich auskömmlichen Sicherung der Krankenhäuser verpflichtet , damit die aus dem Sozialstaatsprinzip folgende funktionsfähige Krankenhausversorgung gewährleistet ist. Entsprechend beschreibt auch § 1 KHG den Zweck des Gesetzes als die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten. An eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips wäre also insbesondere zu denken, wenn aufgrund niedriger Landesbasisfallwerte in einem Bundesland eine massenhafte Schließung der Krankenhäuser drohen würde. 5. Krankenhausträger als Normadressaten Um prüfen zu können, ob die Regelung zur Ausgestaltung des Basisfallwertkorridors in Grundrechte eingreift, ist es zunächst erforderlich zu klären, wer Normadressat dieser Regelung ist und wessen Grundrechte dementsprechend von Bedeutung sind. Wie oben festgestellt, sind Normadressaten des § 10 Absatz 8 KHEntgG die Krankenhausträger. Als Krankenhausträger kommen öffentliche , freigemeinnützige oder private Träger in Betracht26. Normadressaten des § 10 Absatz 8 KHEntgG sind dagegen nicht die Ärzte. Ihre Bezahlung, die sich nach Tarifverträgen richtet, steht nicht in direktem Zusammenhang mit der Höhe der Landesbasisfallwerte. Ärzte an kommunalen Krankenhäusern werden nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern 27, nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken oder nach den Tarifverträgen für private Klinikkonzerne28 bezahlt. 24 BVerfGE 1, 97 (105); Sommermann in: Mangoldt/Klein/Stark, GG Kommentar, Band 2, Art. 20-82, 6. Auflage 2010, Art. 20 Rn. 116. 25 Hintergrund dafür ist, dass das Sozialstaatsprinzip als Staatszielbestimmung grundsätzlich kein subjektives Recht gewährt, vgl. Sommermann in: Mangoldt/Klein/Stark, GG Kommentar, Band 2, Art. 20-82, 6. Auflage 2010, Art. 20 Rn. 103. 26 Detailliert hierzu auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Krankenhausträger in privater Trägerschaft – Rechtsgrundlagen, verfassungsrechtliche Vorgaben und Finanzierung, Ausarbeitung, WD 9 – 3000 – 095/13 vom 4. Februar 2014. 27 Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern, abrufbar unter: http://oeffentlicherdienst .info/aerzte/kommunal/ (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 28 Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken und Tarifverträge für private Klinikkonzerne abrufbar unter: https://www.marburger-bund.de/tarifpolitik/tarifvertraege (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 9 5.1. Öffentliche Krankenhausträger Die Rede ist von einem öffentlichen Krankenhausträger, wenn Betreiber des Krankenhauses eine Anstalt, Körperschaft oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist29. Zu nennen sind als solche der Bund, die Länder oder kommunalen Gebietskörperschaften, etwa die Gemeinden, Städte, Landkreise , Bezirke oder öffentlichen Zweckverbände30. Auch gemeint sind die von öffentlich-rechtlichen Institutionen betriebenen Krankenhäuser in privatrechtlicher Gesellschaftsform, wie etwa die „kommunale Krankenhaus GmbH“31. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nicht Grundrechtsträger32. Anderes gilt nur, wenn ihnen ein Bereich grundrechtlich geschützten Wirkens wie etwa den Universitäten durch Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 GG zugeordnet ist, sich die betreffende juristische Person grundsätzlich in einem staatsfernen Lebensbereich bewegt wie beispielsweise öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften oder aber sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts zulässigerweise auf ein Justizgrundrecht beruft33. Da hier keine dieser Ausnahmen für öffentlich-rechtliche Krankenhausträger vorliegt, sind sie durch § 10 Absatz 8 KHEntgG nicht in einem Grundrecht verletzt und die Norm ist insoweit verfassungskonform. In das in Artikel 28 Absatz 2 GG verankerte Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung, auf das sich öffentliche Krankenhausträger dagegen berufen können34, wird nicht eingegriffen. Zwar gehört die Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung 35. Dazu gehört auch die Pflicht, für eine ausreichende Sicherstellung der stationären Krankenversorgung zu sorgen. Davon zu trennen ist aber die Finanzierung der Krankenhäuser, deren Regelungskompetenz dem Bund obliegt. Wie das Bundesverfassungsgericht36 feststellt, wird „Art. 28 Absatz 2 GG […] nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber ein öffentliches Finanzierungs- 29 Dietz in: Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand April 2016, § 1 KHG, Anmerkung III 2. 30 Multmeier, Vanessa Christin, Rechtschutz in der Krankenhausplanung, Schriften zur Gesundheitspolitik und zum Gesundheitsrecht, Band 14, 2010, S. 23. 31 Dietz in: Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Stand April 2016, § 1 KHG Anmerkung III 2. 32 BVerfGE 21, 362 (369); 61, 82 (100 f.); 68, 193 (206). 33 Herdegen in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Art. 1 Absatz 3, Rn. 51. 34 Ipsen, Jörn, Verfassungsfragen der Krankenhausfinanzierung, in: Von der Kultur der Verfassung, Festschrift für Friedhelm Hufen zum 70. Geburtstag, 2015, S. 182 (184). 35 Friedrich/Leber in: Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Krankenhausrecht, 2. Auflage 2017, § 18 Kommunaler Sicherstellungsauftrag zur Krankenhausversorgung, Rn. 11. 36 BVerfG Beschluss vom 7. Februar 1991, 2 BvL 24/84, Rn. 78 ff, abrufbar unter: http://www.servat .unibe.ch/dfr/bv083363.html (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 10 system errichtet und dieses in staatliche Regie gegeben hat. […] Der Gesetzgeber hat die Schaffung des öffentlichen Finanzierungssystems zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser als erforderlich angesehen“37. 5.2. Private und freigemeinnützige Krankenhausträger Freigemeinnützige Krankenhausträger sind religiöse, humanitäre oder soziale Vereinigungen, die ein Krankenhaus auf der Grundlage der Freiwilligkeit im Sinne der Gemeinnützigkeitsregelungen der Abgabenordnung ohne die Absicht der Gewinnerzielung betreiben38. Ein privater Krankenhausträger betreibt ein Krankenhaus als natürliche Person, juristische Person des Privatrechts oder als (teil-)rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft des privaten Rechts nach gewerbswirtschaftlichen Grundsätzen, d.h. mit Gewinnerzielungsabsicht39. Bei juristischen Personen richtet sich die Eigenschaft als Grundrechtsträger danach, ob das betreffende Grundrecht seinem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar ist (Artikel 19 Absatz 3 GG). Damit können sich die privaten und freigemeinnützigen Krankenhausträger vom Grundsatz her auf die Grundrechte berufen. 6. Grundrechte der Krankenhausträger Die durch den Bundesgesetzgeber getroffene Regelung des § 10 Absatz 8 KHEntgG kann auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten vor allem in zweierlei Richtungen untersucht werden. Zum einen sind die noch verbleibenden Unterschiede der Landesbasisfallwerte im Lichte des Art. 3 GG zu betrachten. Zum anderen ist durch die strengen Vorgaben zu den Landesbasisfallwerten an eine Verletzung der Berufsfreiheit der privaten und freigemeinnützigen Krankenhausträger zu denken40. 6.1. Allgemeiner Gleichheitssatz Der in Artikel 3 Absatz 1 GG enthaltene allgemeine Gleichheitssatz stellt ein Grundrecht privater und freigemeinnütziger Krankenhausträger dar41. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet die un- 37 Vgl. insoweit die Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Gliederungspunkt 2. 38 Multmeier, Vanessa Christin, Rechtschutz in der Krankenhausplanung, Schriften zur Gesundheitspolitik und zum Gesundheitsrecht, Band 14, 2010, S. 24. 39 Quaas in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Auflage 2009, Kap. 12, Rn. 30. 40 Huster, Stefan/Kaltenborn, Markus, Krankenhausrecht, 2. Auflage 2017, § 2 Verfassungsrechtliche Vorgaben für das Krankenhausrecht, Rn. 7. 41 Ipsen, Jörn, Verfassungsfragen der Krankenhausfinanzierung in: Von der Kultur der Verfassung, Festschrift für Friedhelm Hufen zum 70. Geburtstag, 2015, S. 181 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 11 terschiedliche Behandlung verschiedener Normadressaten, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede bestehen, die dies rechtfertigen würden42. Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr er den Einzelnen als Person betrifft und umso mehr für gesetzgeberische Gestaltungen offen, als allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden43. Durch die unterschiedlichen Landesbasisfallwerte werden die Krankenhäuser zwar innerhalb des jeweiligen Bundeslandes gleich behandelt, nicht aber bezogen auf das Bundesgebiet. In der Regelung des § 10 Absatz 8 KHEntgG ist durch den bestehenden Basisfallwertkorridor und die damit verbundenen unterschiedlichen Landesbasisfallwerte eine Ungleichbehandlung insofern enthalten, da die Krankenhäuser von Bundesland zu Bundesland für die gleiche medizinische und pflegerische Leistung unterschiedliche Einnahmen erhalten. Dies gilt auch, wenn mit der aktuellen Fassung der Regelung eine stärkere Angleichung der Landesbasisfallwerte erreicht wird. Die Ungleichbehandlung ist damit nicht aufgehoben. Diese Ungleichbehandlung dürfte allerdings selbst nach dem strengeren Prüfungsmaßstab gerechtfertigt sein, da sachliche Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie diese rechtfertigen44. Die zwischen den Bundesländern bestehenden Unterschiede in der Versorgungs- und Kostenstruktur rechtfertigen den nunmehr verkleinerten, aber dennoch bestehenden Basisfallwertkorridor und damit die auseinanderfallenden Landesbasisfallwerte. 2011 führte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eine wissenschaftliche Untersuchung zu den Ursachen der unterschiedlichen Basisfallwerte der Länder durch45. Zusammengefasst kommt diese Studie für die Spannweite der Landesbasisfallwerte im Jahr 2007 zu dem Ergebnis, dass sich rund ein Drittel der Unterschiede mit Besonderheiten in der Versorgungs - und Kostenstruktur in den Ländern erklären lässt. Unterschiede in der Höhe der Versorgungs - und Kostenstruktur setzen sich aus mehreren Einflussfaktoren wie Kosten der Krankenhäuser durch regional unterschiedliche Löhne, Einkaufskosten für Material, aber auch Mengen, Krankenhausstruktur und Struktur der Umgebung, aber auch der unterschiedlichen Höhe der Investitionsförderung zusammen46. Mit dem KHSG ist der Basisfallwertkorridor auf der Grundlage 42 BVerfGE 122, 39 (52); Zuck in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Auflage 2014, § 2 Rn. 16. 43 Zuck in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, 3. Auflage 2014, § 2 Rn. 16; Steiner in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, Art. 3 GG, Rn. 1. 44 Vgl. in Bezug auf die vorherige Fassung der Regelung zum Basisfallwertkorridor auch Huster, Stefan/Kaltenborn , Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359. 45 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Wissenschaftliche Untersuchung zu den Ursachen der unterschiedlichen Basisfallwerte der Länder als Grundlage der Krankenhausfinanzierung, Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-projektberichte /PB_LBFW_Endbericht.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 46 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Wissenschaftliche Untersuchung zu den Ursachen der unterschiedlichen Basisfallwerte der Länder als Grundlage der Krankenhausfinanzierung, Dezember 2013, S. 27 ff, S. 44 ff, S. 71 ff, abrufbar unter: http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-projektberichte /PB_LBFW_Endbericht.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 12 der Studie des RWI entsprechend angepasst worden47. Unterschiede zwischen den Landesbasisfallwerten , die auf Ursachen außerhalb der unterschiedlichen Versorgungs- und Kostenstruktur der Bundesländer zurückzuführen sind, soll es danach nicht mehr geben. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist daher nicht erkennbar. Bedenken ergeben sich auch nicht aus der zeitlichen Vorgabe für die schrittweise Angleichung. Der nur für die Annäherung im oberen Bereich vorgesehene Zeitraum erstreckt sich laut Gesetzgeber auf sechs Jahre, um „den Krankenhäusern in den betroffenen Ländern ausreichend Zeit für eine Anpassung ihrer Organisationsstrukturen und ihrer Abläufe an die geänderten finanziellen Rahmenbedingungen zu geben“48. Während die Anpassung im unteren Bereich zu einer wirtschaftlichen Verbesserung der Krankenhäuser führt, ist die Anpassung im oberen Bereich mit finanziellen Einbußen verbunden, so dass die Regelung eines schrittweisen Prozesses nachvollziehbar ist und sinnvoll erscheint49. 6.2. Berufsfreiheit Nach Artikel 12 Absatz 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. 6.2.1. Personeller und sachlicher Schutzbereich des Artikel 12 GG Artikel 12 GG garantiert das Grundrecht der Berufsfreiheit und damit die Freiheit der Berufswahl und die freie Berufsausübung. Der Betrieb eines Krankenhauses ist ein Beruf im Sinne des Artikels 12 GG50, denn es handelt sich dabei um eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient51. Auf Artikel 47 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG), 30 Juni 2015, BT-Drs. 18/5372, S. 73, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/053/1805372.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017); Rau, Ferdinand, Das Krankenhausstrukturgesetz in der Gesamtschau, in: Das Krankenhaus (KH), 2015, S. 1121 (1133), abrufbar unter: http://www.dkgev.de/media/file/22161.DasKrankenhaus-12-15_Politik _Krankenhausstrukturgesetz_Rau.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 48 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG), 30. Juni 2015, BT-Drs. 18/5372, S. 73, 74, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/053/1805372.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 49 Vgl. in Bezug auf die vorherige Fassung der Regelung zum Basisfallwertkorridor auch Huster, Stefan/Kaltenborn , Markus, Die Einführung eines Basisfallwertkorridors durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) und seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2009, S. 359. 50 Sodan, Helge, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers im Hinblick auf Sparbeiträge von Krankenhäusern zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., April 2012, S. 9 ff. 51 Ruffert in BeckOK GG, 33. Edition 2017, Artikel 12, Vorbemerkungen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 13 12 Absatz 1 GG können sich sowohl die privaten als auch die freigemeinnützigen Krankenhausträger berufen52, sofern der Betreiber deutscher Staatsbürger ist beziehungsweise die juristische Person, die das Krankenhaus betreibt, ihren tatsächlichen Schwerpunkt in Deutschland hat53. In Artikel 12 Absatz 1 GG wird die Berufsfreiheit nämlich allen Deutschen garantiert54. Die Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG betrifft die Freiheit der Berufsausübung der grundrechtsberechtigten Krankenhausträger. Als Berufsausübungsfreiheit sind die Modalitäten der beruflichen Tätigkeit geschützt und damit bestimmte Einzelfreiheiten55, wie auch die beruflich genutzte Vertragsfreiheit 56. „Gesetzliche Vergütungsregelungen sind daher am Maßstab des Artikels 12 Absatz 1 GG zu messen […].“57 § 10 Absatz 8 KHEntgG betrifft den Vergütungsanspruch der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen und somit die dergestalt definierte Berufsausübungsfreiheit der privaten und freigemeinnützigen Krankenhausträger. 6.2.2. Eingriff Mit der Regelung des § 10 Absatz 8 KHEntgG wird in die Berufsausübungsfreiheit der Krankenhausträger auch eingeschränkt. Mit der Vergütungsregelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG, die durch die Annäherung an den Basisfallwertkorridor strenge Vorgaben macht, wird in die berufliche Vertragsfreiheit der Krankenhausträger eingegriffen. 6.2.3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden, das formell und materiell verfassungsgemäß ist58. In formeller Hinsicht hat bei Erlass des § 10 Absatz 8 KHEntgG der zuständige Bundesgesetzgeber gehandelt59. 52 Sodan, Helge, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers im Hinblick auf Sparbeiträge von Krankenhäusern zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., April 2012, S. 9 ff. 53 Scholz in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, 79. EL Dezember 2016, Art. 12, Rn. 107. 54 Wenn dieser Inlandsbezug beziehungswiese die Staatsbürgerschaft nicht gegeben ist, ist der Träger auf das Auffanggrundrecht des in Artikel 2 Absatz 1 GG gewährleisteten Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verwiesen . Vgl. hierzu Sodan, Helge, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers im Hinblick auf Sparbeiträge von Krankenhäusern zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., April 2012, S. 9 f. 55 Mann in: Sachs, GG-Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12, Rn. 79. 56 BVerfGE 117, 163 (181); 123, 186 (252 f.); 126, 286 (300). 57 BVerfGE 88, 145 (159). 58 BVerfGE 13, 181 (190). 59 Vgl. insoweit die Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Gliederungspunkt 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 14 Als Grenze der dem Gesetzgeber erteilten Regelungsmöglichkeit ist zudem stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten60. Danach muss die betreffende Regelung einen legitimen Zweck verfolgen, zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und schließlich angemessen sein61. 6.2.3.1. Legitimer Zweck Wird die Berufsausübung eingeschränkt, so muss dies geschehen aus vernünftigen Gemeinwohlerwägungen 62. Sinn und Zweck der Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG dürfte sein, den Grundsatz „weitestgehend gleiche Bezahlung für gleiche Leistung“ unter Berücksichtigung der Finanzierbarkeit des Krankenversicherungssystems einschließlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser zu verwirklichen. Das Bundesverfassungsgericht hat für das Gesundheitswesen festgestellt, dass im Rahmen eines Krankenversicherungssystems „auch dessen Finanzierbarkeit einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellt, von dem sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Systems und bei der damit verbundenen Steuerung des Verhaltens der Leistungserbringer leiten lassen darf“63. Mit der Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG wird durch die Angleichung an den Basisfallwertkorridor das Entgeltsystem im Krankenhauswesen und damit das Verhalten der Krankenhausträger als Empfänger der Entgelte auch unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit des Systems gesteuert. 6.2.3.2. Geeignetheit Eine Regelung ist geeignet, „wenn mit [ihrer] Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“64. Dem Gesetzgeber ist bei der Beurteilung dessen vor allem bei komplexen Aufgaben65 ein Gestaltungsspielraum eingeräumt66. Die Regelung zum Basisfallwertkorridor ist geeignet, das Ziel der „weitestgehend gleichen Bezahlung für gleiche Leistung“ unter Beachtung der Finanzierbarkeit des Systems (Absenkung auf die obere Korridorgrenze und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser (Anhebung auf die untere Korridorgrenze) zu erreichen. 60 BVerfGE 103, 332 (366f.). 61 BVerfGE 68, 272 (282). 62 BVerfGE 61, 291 (312). 63 BVerfG Beschluss vom 20. März 2001, 1 BvR 491/96, Rn. 35, abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht .de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2001/03/rs20010320_1bvr049196.html (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 64 BVerfGE 30, 292 (316). 65 BVerfG, Beschluss vom 20. 3. 2001 - 1 BvR 491/96, NJW 2001, S. 1779 – 1783, S. 1781. 66 Sodan, Helge, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten des Gesetzgebers im Hinblick auf Sparbeiträge von Krankenhäusern zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der deutschen Krankenhausgesellschaft e.V., April 2012, S. 23; BVerfG, Beschl. v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12, NVwZ 2015, S. 582 - 590, S. 587. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 031/17 Seite 15 6.2.3.3. Erforderlichkeit Die staatlicherseits zur Zweckerreichung getroffene Maßnahme muss darüber hinaus erforderlich sein. Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es an ihrer Stelle kein milderes, gleich effektives Mittel gibt. Milderes Mittel wäre allenfalls, Abweichungen von dem vorgegebenen Korridor zuzulassen oder diesen von vornherein weiter zu fassen. Jedoch wäre dies nicht in gleicher Weise effektiv im Hinblick auf das gesetzte Ziel, den Grundsatz „weitestgehend gleiche Bezahlung für gleiche Leistung“ unter Berücksichtigung der Finanzierbarkeit des Krankenversicherungssystems einschließlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser zu verwirklichen. Durch eine Verringerung des Abstands der unteren Korridorgrenze zum bundeseinheitlichen Basisfallwert und die Anhebung aller unterhalb des Korridors liegenden Landesbasisfallwerte auf die neue Untergrenze wird der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser Rechnung getragen, während die innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren erfolgende Anpassung oberhalb der oberen Korridorgrenze der Finanzierbarkeit des Systems dient. Auf der anderen Seite wäre die Einführung eines bundeseinheitlichen Wertes zwar effektiv, jedoch würde hierdurch noch stärker in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen als durch die erfolgte Einführung des Basisfallwertkorridors. Ein milderes, jedoch gleich effektives Mittel ist nicht denkbar. 6.2.3.4. Angemessenheit – Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Letztlich müsste die Regelung in § 10 Absatz 8 KHEntgG verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Zu prüfen ist also, ob „die als geeignet und erforderlich erkannte Maßnahme einer […] Kontrolle im Blick darauf [standhält], ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichten Rechtsgüterschutz stehen“67. Vorliegend ist das Fehlen einer solchen Zweck-Mittel-Relation nicht feststellbar. Der Grundsatz „weitestgehend gleiche Bezahlung für gleiche Leistung“ ist bereits mit Blick auf Artikel 3 GG bedeutsam. Es ist wichtig, die Unterschiede in der Vergütung dort gering zu halten, wo sie nicht sachlich begründet werden können, um die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser bundesweit vergleichbar zu halten. Die Vertragsfreiheit der Leistungserbringer hat zumindest insofern kein überragendes Gewicht, als mindestens für zwei Drittel der in der Vergangenheit ausgehandelten variierenden Landesbasisfallwerte kein ökonomischer Grund vorlag68. Eine unterschiedliche Finanzausstattung der Kassen scheidet als Grund aus, da sich mit dem Gesundheitsfonds die Finanzierungssituation der Krankenkassen anglich69. Zwar handelt es sich bei der Berufsausübungsfreiheit um ein bedeutsames Grundrecht, jedoch ist das mit § 10 Absatz 8 KHEntgG verfolgte Ziel ebenfalls bedeutsam, so dass die Regelung des § 10 Absatz 8 KHEntgG als verhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen sein dürfte. Eine Verletzung der Berufsfreiheit ist demnach nicht erkennbar. *** 67 BVerfGE 90, 145 (185). 68 Vgl. hierzu die in Gliederungspunkt 5.1. dargestellte Wissenschaftliche Untersuchung zu den Ursachen der unterschiedlichen Basisfallwerte der Länder als Grundlage der Krankenhausfinanzierung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Dezember 2013, abrufbar unter: http://www.rwi-essen.de/media/content /pages/publikationen/rwi-projektberichte/PB_LBFW_Endbericht.pdf (zuletzt abgerufen am 28. Juli 2017). 69 Kutlu in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 10 KHEntgG, Rn. 15.