© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 030/20 Entwicklung einer Tracing-App zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Deutschland (Stand: 22. April 2020) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 030/20 Seite 2 Entwicklung einer Tracing-App zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Deutschland (Stand: 22 April 2020) Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 030/20 Abschluss der Arbeit: 22. April 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 030/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Entwicklung einer nationalen Tracing-App 4 1.1. Allgemeine Anwendungs- und Funktionsweise 4 1.2. Zentrales System: Projekt PEPP-PT 4 1.3. Dezentrales System: Projekt DP-3T 5 2. Technische Anforderung zur erfolgreichen Umsetzung 5 3. Faktische Anforderungen zur erfolgreichen Umsetzung 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 030/20 Seite 4 1. Entwicklung einer nationalen Tracing-App 1.1. Allgemeine Anwendungs- und Funktionsweise Nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn soll „im Laufe des Mai“ auch in Deutschland eine Handy-App zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zur Anwendung kommen , siehe: Spahn zu Corona-Krise Einschränkungen noch "über Monate", in Tagesschau vom 20. April 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/spahn-lockdown-101.html (alle Links zuletzt abgerufen am 22. April 2020). Diese App sollen die Nutzerinnen und Nutzer freiwillig aus den App Stores von Apple und Google auf Ihre Smartphones herunterladen können. Stehen die App-Nutzer für mindestens 15 Minuten in einem Abstand von zwei Metern voneinander in Kontakt, sollen ihre Smartphones zufällig generierte und ständig wechselnde Identifikationsnummern mit Hilfe des Funkstandards Bluetooth Low Energie (BLE) austauschen und diese lokal auf den jeweiligen Geräten abspeichern . Durch die Erstellung der laufend generierten IDs soll die App gewährleisten, dass keine Rückschlüsse auf die Nutzer möglich werden; Auch würden die gespeicherten Daten nach 21 Tagen automatisch gelöscht, siehe: Der Anti-Corona-App droht ein Glaubenskrieg unter Forschern, in: Süddeutsche Zeitung vom 20. April 2020, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/digital /coronavirus-pepp-pt-dp-3t-smartphone-app-streit-1.4882612. Im Fall einer positiven COVID-19-Diagnose, die offiziell von einem Arzt oder Gesundheitsamt bestätigt werden muss, kann der infizierte App-Nutzer sodann die Liste seiner gespeicherten Kontaktpersonen freigeben. Diejenigen Personen, mit denen der Infizierte in den letzten 14 Tagen in Kontakt stand sollen daraufhin gewarnt und aufgefordert werden, siehe: "Ich wette darauf, dass in Deutschland alle mitmachen", in Zeit Online vom 18. April 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2020-04/corona-app-it-unternehmen-hans-christianboos /komplettansicht. Die Frage über die anzuwendende technische Methodik zur Ermittlung dieser Kontaktpersonen spaltete die Entwickler der Tracing-App in zwei Lager. Einerseits wird ein zentraler Ansatz nach dem Konzept des Projekts PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing) und anderersiets ein dezentraler Ansatz nach dem Projekt DP-3T (Decentralized Privacy Preserving Proximity Tracing) vertreten, siehe: Corona-Tracing-App: Probleme und Richtungsstreit bei Pepp- PT, in Computerbase vom 19. April 2020, abrufbar unter: https://www.computerbase.de/2020- 04/corona-tracing-app-pepp-pt-problemen/. 1.2. Zentrales System: Projekt PEPP-PT Nach dem zentralen Ansatz von PEPP-PT wird die anonyme Kontaktliste des Infizierten auf eine zentrale Datenbank – beispielsweise auf einen gesicherten Server des Robert-Koch Instituts – hochgeladen. Dieser zentrale Server fungiert als Schaltstelle, der die übertragenen IDs sammelt und anschließend Push-Nachrichten an die hinterlegten Risiko-Kontaktpersonen verschickt, siehe: Den Tracing-App-Entwicklern laufen die Partner weg, in Spiegel Netzwelt vom 20. April 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/pepp-pt-in-corona-krise-den-tracingapp -entwicklern-laufen-die-partner-weg-a-017f50eb-c1e2-4097-8182-53708ca6db59c. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 030/20 Seite 5 Kritiker wenden ein, dass eine zentrale Datenspeicherung die Gefahr einer möglichen Re-Identifizierung der pseudonymisierten Daten berge, siehe: Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit verlässt Corona-App-Konsortium, in Handelsblatt vom 20. April 2020, abrufbar unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kampf-gegen-corona-helmholtz-zentrumfuer -informationssicherheit-verlaesst-corona-app-konsortium/25754666.html?ticket=ST-435088- WIKNpcgdNyEFOQgpcOQS-ap3. 1.3. Dezentrales System: Projekt DP-3T In einem offenen Brief vom 19. April 2020 haben sich global mehr als 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen den zentralen Ansatz von Pepp-PT und zugunsten des dezentralen Ansatz von Projekt DP-3T ausgesprochen, siehe dazu: https://drive.google.com/file/d/1OQg2dxPu-x-RZzETlpV3lFa259Nrpk1J/view. Bei dem dezentralen System verschickt die App des Infizierten alle seine jeweiligen Identifikationsnummern direkt an sämtliche Smartphones, deren Codes auf seinem Smartphone zu finden sind, so dass jeder Empfänger selbst überprüfen kann und muss, ob er mit einem Infizierten in Kontakt stand, siehe: Wissenschaftler warnen vor "beispielloser Überwachung", in Zeit Online vom 10 April 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2020-04/corona-app-initiativepepp -pt-datenschutz-warnung-forscher. 2. Technische Anforderung zur erfolgreichen Umsetzung Bis zur Veröffentlichung der Tracing-App müsse diese noch zahlreiche Testreihen durchlaufen, so der Projektsprecher Chris Boos. Die BLE-Signalstärke der Tracing-App variiere je nach Smartphone -Modell und werde etwa von Antennen-Technik oder dem Gehäuse des Smartphones beeinflusst , siehe: "Ich wette darauf, dass in Deutschland alle mitmachen", in Zeit Online vom 18. April 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2020-04/corona-app-it-unternehmen -hans-christian-boos/komplettansicht. Smartphones mit der höchsten Abdeckung in Deutschland wurden bereits getestet und wiesen bislang eine Trefferquote im Bereich zwischen 70 und 80 Prozent auf. Im Zuge einer weiteren Testung der europaweit am häufigsten vertretenen Smartphones könnten dann auch iPhone-Modelle einbezogen werden, siehe: Die Anti-Corona-Technik hat noch Tücken, in Spiegel Netzwelt vom 17. April 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/apps-mit-pepp-pt-dieanti -corona-technik-hat-noch-tuecken-a-f8b3b30b-98a9-4779-801b-edfc1e50ac12, sowie: Wie eine obskure Drahtlos-Technologie zur Hoffnung der Menschheit wurde, in Süddeutsche Zeitung vom 20. April 2020, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/digital/bluetooth-low-energycorona -apps-pepp-pt-dp3t-tracing-1.4880839. Des Weiteren kündigten die beiden Tech-Konzerne Apple und Google an, Schnittstellen in den mobilen Betriebssystemen künftig öffnen zu wollen, so dass die BLE-Tracing-Apps zur Kontaktverfolgung von COVID-19-Infizierten sowohl mit Android- als auch iOS-Geräten kommunizieren könnten, siehe: Der Anti-Corona-Plan der Erzrivalen, in Süddeutsche Zeitung vom 14. April 2020, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/digital/google-apple-corona-app-tracing-dezentral -1.4876043. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 030/20 Seite 6 3. Faktische Anforderungen zur erfolgreichen Umsetzung Damit eine nationale Tracing-App auch tatsächlich erfolgreich zur Eindämmung der COVID-19- Pandemie in Deutschland beitragen kann, müssten nach Aussage von Studien und damit befassten Epidemiologen mindestens 60 Prozent der Bevölkerung eine solche App herunterladen und dabei wiederum ebenfalls mindestens 60 Prozent der Nutzer die App auch korrekt und konsequent anwenden, siehe: Die Anti-Corona-Technik hat noch Tücken, in Spiegel Netzwelt vom 17. April 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/apps-mit-pepp-pt-die-anticorona -technik-hat-noch-tuecken-a-f8b3b30b-98a9-4779-801b-edfc1e50ac12, sowie: Diese Handy- Technologie soll Covid-19 ausbremsen, in netzpolitik.org vom 1. April 2020, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2020/diese-handy-technologie-soll-covid-19-ausbremsen/. In einer repräsentativen Umfrage (Stand: 15. April 2020) zur Akzeptanz einer App-basierten Kontaktnachverfolgung von COVID-19 würden sogar mehr als 70 Prozent der Befragten so eine App auf jeden Fall oder wahrscheinlich nutzen. Zudem gibt die Mehrheit an, den Aufforderungen der App nachkommen zu wollen und sich in Quarantäne zu begeben, sollten sie mit einer infizierten Person in Kontakt gekommen sein. Zu näheren Informationen wird Bezug genommen auf die Umfrage, abrufbar unter: https://osf.io/z6ws4/. ***