© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 028/17 Informationen zur onkologischen Versorgung mit Zytostatika Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 2 Informationen zur onkologischen Versorgung mit Zytostatika Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 028/17 Abschluss der Arbeit: 20. Juni 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zur derzeitigen Rechtslage 4 2. Positionen von Fachverbänden im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 14. Dezember 2016 5 2.1. Befürworter der neuen Regelung 5 2.1.1. Deutsche Krankenhausgesellschaft 6 2.1.2. Kassenärztliche Bundesvereinigung 6 2.1.3. Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker 6 2.1.4. Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie 6 2.1.5. Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland 6 2.1.6. Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker 7 2.1.7. Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen 7 2.1.8. Stellungnahme wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften zum Regierungsentwurf des AMVSG 7 2.1.9. Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller 7 2.2. Bedenken gegenüber der Neuregelung 8 2.2.1. Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen 8 2.2.2. AOK Bundesverband 8 2.2.3. IKK 8 2.2.4. Interessenverband der Betriebskrankenkassen 8 2.2.5. Verband der Ersatzkassen e.V. 9 2.2.6. Progenerika e.V. 9 2.2.7. Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen 9 2.2.8. Einzelsachverständiger Dr. Christoph Hermann 9 3. Gutachten zur Sicherstellung einer effizienten Arzneimittelversorgung in der Onkologie 10 4. Weitere Veröffentlichungen 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 4 1. Zur derzeitigen Rechtslage Am 9. März 2017 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG) beschlossen1. Zu den Neuregelungen, die auf die Sicherstellung einer hohen Qualität bei der Arzneimittelversorgung abzielen, gehört auch eine Änderung der Bestimmungen über die onkologische Versorgung mit Zytostatika im Rahmen der Krebstherapie. Die Entwicklung weiterer Maßnahmen zur Krebsbekämpfung ist nach wie vor eines der zentralen gesundheitspolitischen Ziele. In Deutschland leben derzeit ca. vier Mio. Menschen mit einer Krebsdiagnose2. Vor diesem Hintergrund sind die Zielsetzungen des im Jahr 2008 initiierten Nationalen Krebsplans zu sehen, der vor allem die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung im Blick hat, aber auch die onkologisch qualitativ hohe Versorgung der Patienten3. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes des AMVSG am 13. Mai 2017 hatte der Gesetzgeber in § 129 Absatz 5 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgesehen, dass die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie von der Krankenkasse durch Verträge mit Apotheken sichergestellt werden kann. Aufgrund dieser Regelung hatten die gesetzlichen Krankenkassen in den letzten Jahren zunächst nur vereinzelt – nach Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens – entsprechende Exklusivverträge mit Apothekern und Herstellerfirmen abgeschlossen. Eine deutliche Zunahme dieser Ausschreibungen gab es dann infolge einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im November 2015. Das BSG hatte hier festgestellt, dass der Abschluss exklusiver Zytostatika-Versorgungsverträge rechtmäßig und im Übrigen zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven in der Gesetzlichen Krankenversicherung geboten sei4. Die Frage, ob sich die Praxis der Ausschreibungen und der Abschluss von Exklusivverträgen bewährt hat und geeignet war, zu einer Sicherstellung der onkologischen Versorgung in ausreichendem Maße beizutragen, wurde im Jahr 2016 kontrovers diskutiert. Während z.B. der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) die Ansicht vertrat, dass es mit 1 Gesetz vom 4. Mai 2017, BGBl I S. 1050. 2 S. die Wiedergabe eines Beitrags von Bundesgesundheitsminister Gröhe anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar 2017, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2017/1-quartal /weltkrebstag-2017.html (abgerufen am 16. Juni 2017). 3 S. Ziele des Nationalen Krebsplans – NKP (aus 2008) http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin /Dateien/3_Downloads/N/Nationaler_Krebsplan/Nationaler_Krebsplan-Zieluebersicht.pdf. 4 Urteil des BSG vom 25. November 2015, S 13 KR 16/15 R (SG Darmstadt), s. https://www.deutsche-apothekerzeitung .de/_Resources/Persistent /27160242ed6a05217137643b7db9029483bd1e4f/B%203%20KR%2016_15%20R-20150219.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 5 Hilfe der Ausschreibungen möglich geworden sei, Qualitätskriterien und Strukturen der Versorgung abzusichern5, kritisierten andere, wie etwa der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), die Ausschreibungen würden der Komplexität der Versorgung von Krebspatienten nicht gerecht und bedeuteten Gefahren für die Patientensicherheit6. Die Gesundheitsministerkonferenz hat sich daraufhin im Juni 2016 ebenfalls mit dem Thema der patientenindividuellen Versorgung mit parenteralen Arzneimitteln befasst und die Bundesregierung um Überprüfung gebeten, ob „Exklusivverträge die bewährte, flächendeckende, qualitativ hochwertige und zugleich flexible, zeit- und ortsnahe Versorgung mit individuellen Zytostatikazubereitungen gefährden und ob daher zur Begrenzung der erheblichen Ausgabensteigerungen bei parenteralen Zubereitungen andere Instrumente als Exklusivverträge nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V gesetzlich geregelt werden müssen“, s. https://www.gmkonline.de/documents/Ergebnisniederschrift _89_GMK_2016_Warnemuende.pdf. Die Bundesregierung hat am 7. November 2016 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz - AMVSG) eingebracht und darin für die onkologische Versorgung mit parenteralen Zubereitungen das Ziel formuliert, dass „Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Einschränkungen der Qualität und Sicherheit der Versorgung zu erschließen“ sind7. Am 14. Dezember 2016 folgte eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, bei der die Frage, wie eine ausreichende Versorgung mit Zytostatika künftig sichergestellt werden soll, kontrovers diskutiert wurde. 2. Positionen von Fachverbänden im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 14. Dezember 2016 Zur Vorbereitung der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes haben sich eine Reihe von Fachverbänden wie auch Einzelsachverständige mit der Frage befasst, ob die damals geplante Regelung in § 129 a SGB V, die Versorgung mit Zytostatika ohne Ausschreibung vorzusehen, die richtige Lösung sei8. 2.1. Befürworter der neuen Regelung Die Fachleute, die sich in den Stellungnahmen für eine Abschaffung der Ausschreibungspraxis ausgesprochen haben, haben durchweg damit argumentiert, dass diese Praxis zu Versorgungsengpässen und damit zu einer Gefährdung der Patienten geführt habe und dass es nötig sei, zu einer ortsnahen Versorgungsstruktur zurückzukehren. 5 S. z.B. Hilfstaxe: GKV lehnt Angebot der Apotheker ab, Beitrag in der Pharmazeutischen Zeitung vom 6. Oktober 2016, http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=65468 (abgerufen am 20. Juni 2017). 6 So bereits in einer Presseerklärung 2012: Verbot von Zytostatika-Ausschreibungen schützt vor Machenschaften, 24. April 2012, http://www.vza-info.de/Resources/PresseInfo_Ausschreibungs-Verbot.pdf. 7 BT-Drs 18/10208. 8 Soweit keine anderen Quellen zitiert werden, handelt es sich bei den nachfolgenden Beiträgen um die Stellungnahmen , die für die öffentliche Anhörung am 14. Dezember 2016 abgegeben wurden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 6 2.1.1. Deutsche Krankenhausgesellschaft Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht die geplante Gesetzesänderung als „wichtige ordnungspolitische Weichenstellung zum Erhalt der wohnortnahen Versorgungsstrukturen“, s. Stellungnahme der DKG vom 9. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484348/6a38dff72fc24c961b3065864058fb95/18_14_0223-18-_amvsg_dkg-data.pdf (S. 12). 2.1.2. Kassenärztliche Bundesvereinigung Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hebt hervor, dass die Neuregelung zu befürworten sei, weil dadurch früher aufgetretene Versorgungsengpässe beseitigt werden könnten, Stellungnahme vom 8. Dezember 2016, http://www.kbv.de/media/sp/2016_12_08_GKV_Arzneimittelstaerkungsgesetz _Stellungnahme_KBV_zum_RegEntwurf.pdf (S. 9). 2.1.3. Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker Aus Sicht des Verbands stellte die Praxis der Ausschreibungen eine Gefahr für die Patientensicherheit dar. Gerade bei der Tumortherapie sei es essentiell, flexibel auf die Bedürfnisse der Patienten und deren Versorgung mit den nötigen Arzneimitteln eingehen zu können. Dies sei nur möglich, wenn Ärzte und Apotheker in besonderer Weise zusammenarbeiten können, was ortsnahe Versorgungsstrukturen erfordern würde. Diese wiederum könnten bei einem Ausschreibungssystem nicht gewährleistet werden. Das habe die Vergangenheit auch gezeigt, s. hierzu die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484364/01fbd69657aae716cc7d49779f74afff/18_14_0223-31-_amvsg_vza-data.pdf (S. 1-3). 2.1.4. Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie Auch nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP e.V.) bringt die Ausschreibungsoption Gefahren für die Versorgung der krebskranken Patienten mit sich. Diese würden etwaige Einsparungsmöglichkeiten, die man mit Hilfe der Ausschreibungen erzielen könnte, überwiegen, insbesondere durch den Wegfall der Betreuung vor Ort, s. hierzu die Stellungnahme der DGOP zum Antrag der SDP-Fraktion: „Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen BT-Drs. 17/12847 zur Anhörung vom 13. Mai 2013 , https://www.bundestag .de/blob/484344/edf9008713c9643934deb92625aa94f8/18_14_0223-20-_amvsg_dgop-data.pdf (S. 2). 2.1.5. Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland Der Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) betont das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Hierfür sei entscheidend, dass die Arztpraxis gut mit der Apotheke ihrer Wahl bzw. der Wahl des Patienten zusammenarbeiten kann. Nur so könne der Arzt die Versorgung des Patienten auf dessen spezifische Situation ausrichten, s. die Stellungnahme des BNHO vom 1. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/483738/5e618e3d3aeb06263c016dfa6fcc6b48/18_14_0223-4-_amvsg_bnho-data.pdf (S. 6). In einer Presseerklärung vom 15. Mai 2017, „BNHO begrüßt die Entscheidung des Bundestages : Abschaffung der Zytostatika-Ausschreibungspraxis der Krankenkassen nun rechtskräftig“, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 7 führt der BNHO aus, dass die Praxis der Ausschreibungen dazu geführt habe, dass zum Teil fehlerhafte oder nicht vollständige Medikamente zu den niedergelassenen Onkologen geliefert worden seien und man die Krebspatienten dann in Einzelfällen ohne Therapie wieder nach Hause geschickt habe, http://www.bnho.de/uploads/media/PM_BNHO_AMVSG_final.pdf. 2.1.6. Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) merkte an, so eine Pressemitteilung vom 12. Juli 2016, dass die Qualität der Versorgung mit Zytostatika unter der Ausschreibungspraxis leiden würde, denn das einzige Zuschlagskriterium sei „günstigster Preis“. Es gäbe ein „gefährdendes Nebeneinander verschiedener Ansprech- bzw. Rücksprachepartner, Software- Systeme oder Portale für die Bestellung“, s. der Beitrag „Steht die ortsnahe Zytostatika-Versorgung vor der Zerschlagung?“, http://www.presseportal.de/pm/54292/3376481 (abgerufen am 20. Juni 2017). 2.1.7. Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe) hebt die Lieferprobleme hervor. Patienten, die zur Infusion dank des aktuellen Blutbildes bereit waren, hätten wegen verspäteter Lieferung der Zytostatika am vorgesehenen Tag nicht versorgt werden können. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Krebspatienten regelmäßig vor der Infusion einer Blutuntersuchung unterziehen müssen, damit sichergestellt ist, dass die Infusion wie geplant verabreicht werden kann. Wenn dann die Infusion auf einen anderen Termin verschoben werden muss, wird zum einen der vorgesehene Zyklus unterbrochen und zum anderen sind die Blutwerte ggfs. schon nicht mehr aktuell und der Patient steht evtl. vor einer weiteren Blutabnahme. S. hierzu die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484362/da5324d076d8abd58e1c60caa6c33e42/18_14_0223-27-_amvsg_bag-data.pdf. 2.1.8. Stellungnahme wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften zum Regierungsentwurf des AMVSG In einer gemeinsamen Stellungnahme wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften vom 5. Dezember 2016 wird hervorgehoben, dass die Praxis der Ausschreibungen zu einem großen logistischen Mehraufwand in Arztpraxen und Krankenhäusern geführt habe, s. https://www.dgho.de/informationen/stellungnahmen/gesetzesvorhaben-deutschland/GKV-Arzneimittelversorgungsstaerkungsgesetz _Regierungsentwurf_20161205_2_2.pdf. 2.1.9. Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (B.A.H) befasst sich in seiner Stellungnahme vor allem mit wirtschaftlichen Fragen. Durch die Ausschreibungen fände eine Marktverengung statt und die wiederum erhöhe das Risiko von Lieferengpässen. Gerade bei den onkologischen Arzneimitteln und den einzelnen Wirkstoffen gebe es vergleichsweise wenige Anbieter. Diese Engpässe würden dann durch die bisherige Praxis verstärkt. Stattdessen müsse die Angebotsvielfalt gestärkt werden, um die bestmögliche Versorgung der Krebspatienten sicherzustellen. Bei einer Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 8 Neuregelung sei aber auch erforderlich, dass die Versorgung mit Zytostatika sowohl für die Hersteller als auch für die Gesetzliche Krankenversicherer wirtschaftlich ist. S. hierzu die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484340/e2dcc80bc00dda66cea3427f60c88ba5/18_14_0223-22-_amvsg_b-a-h-data.pdf. 2.2. Bedenken gegenüber der Neuregelung Von der Gegenseite wird zum Teil vorgetragen, dass sich die Praxis der Ausschreibungen bewährt und zu einer Qualitätssteigerung bei der Versorgung geführt habe. Andere sind der Ansicht, zwar sei nicht an Ausschreibungen festzuhalten, gleichwohl gebe es wirksamere Möglichkeiten , durch eine gesetzliche Regelung eine gute onkologische Versorgung sicherzustellen. 2.2.1. Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) gibt zu bedenken, dass die Ausschreibungen erstmals ermöglicht hätten, Qualitätskriterien für die Versorgung mit Zytostatika vertraglich vorzusehen. Darüber hinaus sei die Ausschreibungspraxis geeignet „zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven“, s. hierzu die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/p_stellungnahmen /161209_Stn_GKV-SV_GE_AMVSG.pdf (S. 29 f). 2.2.2. AOK Bundesverband Auch der AOK Bundesverband betont, dass die Ausschreibungen eine Kostenersparnis für die Versicherten ermöglichen würde. Entgegen den Befürwortern der Gesetzesänderung ist der AOK- Bundesverband der Ansicht, gerade durch Ausschreibungen könne sichergestellt werden, dass die Lieferwege verkürzt würden und damit die wohnortnahe Versorgung der Patienten weiterhin gesichert wäre, s. die Stellungnahme vom 7. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484070/ae2c05a821a782d40a235898b7418515/18_14_0223-10-_amvsg_aok-data.pdf. 2.2.3. IKK Die IKK sieht ebenfalls – ausgehend von der bisherigen Ausschreibungspraxis – keine Einschränkungen für die Versorgung der Krebspatienten. Bei den Ausschreibungen habe man vielmehr Wert auch auf eine wohnortnahe Versorgung gelegt, s. die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.ikkev.de/fileadmin/Daten/Stellungnahmen/2016-12-09_IKKev_Stellungnahme _AMVSG.pdf (S. 11 f.). 2.2.4. Interessenverband der Betriebskrankenkassen Der Interessenverband der Betriebskrankenkassen e.V. (BKK Dachverband) verweist auf die Erfahrungen der Betriebskrankenkassen mit den laufenden Ausschreibungen. Diese hätten gezeigt, dass „eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig günstige und wirtschaftliche Versorgung Hand in Hand gehen“. Auch eine kurzfristige Notfallversorgung der Patienten sei gewährleistet . S. die Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, http://www.bkk-dachverband.de/politik /stellungnahmen/detailansicht/artikel/stellungnahme-des-bkk-dv-zum-gesetzentwurf-amvsg (abgerufen am 20. Juni 2017). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 9 2.2.5. Verband der Ersatzkassen e.V. Auch nach Ansicht des Verbands der Ersatzkassen e.V. (vdek) könnten Ausschreibungen dazu verhelfen, verbindliche Qualitätskriterien zu schaffen und damit die Versorgung der schwerkranken Patienten sicherzustellen. Dies gelte gerade für Standards bei den Belieferungszeiten. Darüber hinaus komme es zu Einsparungen zugunsten der Beitragszahler, s. die Stellungnahme vom 8. Dezember 2016, https://www.vdek.com/politik/gesetze_wahlperiode_18/Arzneimittelversorgungsstaerkungsgesetz /_jcr_content/par/publicationelement_1/file.res/161208_vdek-Stellungnahme %20AM-VSG.pdf. 2.2.6. Progenerika e.V. Der Interessenverband der Generika- und Biosimilarunternehmen, progenerika, hält den Verzicht auf Ausschreibungen zwar für den richtigen Weg, er befürchtet aber, dass auch die Einführung von Rabattverträgen für Krebsmedikamente zu Liefer- und damit Versorgungsengpässen führen werde, da etwa die Hälfte der Rabattverträge exklusiv vergeben würde und damit die Verantwortung für die Versorgung von einem Unternehmen allein übernommen würde. Wenn dieses dann ausfalle, könne die Versorgung mit den nötigen Medikamenten nicht von anderen Unternehmen mit übernommen werden. Hier hätte sich aus Sicht von progenerika angeboten, im Gesetz zu regeln, dass Generikarabattverträge an mehr als nur ein Unternehmen zu vergeben sind, vgl. Presseerklärung des Geschäftsführers von progenerika, Bork Bretthauer, „AMVSG im Bundestag : Versorgungssicherheit jetzt stärken“, 10. November 2016, http://www.progenerika .de/presse/amvsg-im-bundestag-versorgungssicherheit-jetzt-staerken/ (abgerufen am 20. Juni 2017); Pressemitteilung vom 9. März 2017, AMVSG: Keine Leitplanken für mehr Versorgungssicherheit , http://www.progenerika.de/wp-content/uploads/2017/03/PM-vom- 9.3.2017_AMVSG_Keine-Leitplanken-f%C3%BCr-mehr-Versorgungssicherheit.pdf. 2.2.7. Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen Die Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen (GWQ+) ist der Auffassung , nur mit Hilfe des Ausschreibungsverfahrens sei ein qualitätsgesichertes Verfahren im Interesse der Versicherten möglich. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde nicht berührt. Nach den bisherigen Ergebnissen durch die vergangenen Ausschreibungen könne man von jährlichen Einsparungen in Höhe von 650-700 Millionen € ausgehen, s. Stellungnahme vom 9. Dezember 2016, https://www.bundestag .de/blob/484338/6c2e21b4cb2464d0bad8eddd42608590/18_14_0223-23-_amvsg_gwq-data.pdf (S. 3: ausführliche Darstellung zu Erfahrungen mit Ausschreibungen). 2.2.8. Einzelsachverständiger Dr. Christoph Hermann Dr. Christoph Hermann (Chef der AOK Baden-Württemberg) erklärte in seiner Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung, ein Ausschreibungsverfahren sei nur sinnvoll, wenn tatsächlich Wettbewerb bestünde. Dies gelte nur für ein Drittel des Marktes bei Zytostatika, so dass die denkbare finanzielle Entlastung für die Gesetzliche Krankenversicherung gering sei. Er war der Ansicht, man hätte in der gesetzlichen Regelung, § 129 SGB V, eine ausdrückliche Öffnung für Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und allen geeigneten Apotheken schaffen sollen sowie die Einrichtung eines Registers mit einer Meldepflicht der jeweiligen Apotheken, s. Stellungnahme vom 12. Dezember 2016, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 028/17 Seite 10 https://www.bundestag.de/blob/484598/2e4a3cf0dbc83f779337dc34045c4b03/18_14_0223-34- _amvsg_esv-dr--hermann-data.pdf. 3. Gutachten zur Sicherstellung einer effizienten Arzneimittelversorgung in der Onkologie Am 11. Januar 2011 wurde das Gutachten von Gerd Glaeske, u. a. vorgelegt, das im Auftrag des Bundesministerium für Gesundheit erarbeitet wurde: Sicherstellung einer effizienten Arzneimittelversorgung in der Onkologie, Bremen 2010, https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/redaktion/pdf_allgemein/Gutachten_Sicherstellung_einer_effizienten_Arzneimittelversorgung _in_der_Onkologie.pdf. Behandelt wird hier u.a. die onkologische Arzneimitteltherapie aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht, und es werden Vorschläge zur zukünftigen Finanzierung der onkologischen Arzneimittelversorgung entwickelt. 4. Weitere Veröffentlichungen Zukunft der onkologischen Versorgung, Pressekonferenz zum Positionspapier Wissen generierende onkologische Versorgung der AG Zukunft der Onkologie, Berlin, 6. März 2017, https://www.krebsgesellschaft.de/files/dkg/deutsche-krebsgesellschaft/content/pdf/Presse/Pressemappe _Zukunft%20der%20onkologischen%20Versorgung_06_03_2017.pdf. ABDA Faktenblatt: Zytostatika-Versorgung, Stand: 7. September 2017, https://www.abda.de/fileadmin/assets/Faktenblaetter/Faktenblatt_Zytostatika_September _2016.pdf Überblick zur Entwicklung der GKV-Ausgaben für Zytostatika-Zubereitungen und parenteralen Lösungen. Zytostatika: Onkologen berichten von Chaos bei Chemo-Patienten, in: Contra Magazin, 21. August 2016, https://www.contra-magazin.com/2016/08/zytostatika-onkologen-berichtenvon -chaos-bei-chemo-patienten/ (abgerufen am 16. Juni 2017). http://www.neue-allgemeine.de/index .php?id=82&tx_ttnews%5Btt_news%5D=230&cHash=08fa91984d7a2af7f0d8f153fa01d97c (abgerufen am 16. Juni 2017), Beitrag anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz der Länder 2016. Laschet, Helmut, Engpass in der Onkologie - Mangelwirtschaft mit Arzneien, in: Ärzte-Zeitung, 1. März 2013, http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article /834422/engpass-onkologie-mangelwirtschaft-arzneien.html (abgerufen am 16. Juni 2017). ****