Deutscher Bundestag Zur Frage der Notwendigkeit eines verschärften Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 9 – 3000/025-13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 2 Zur Frage der Notwendigkeit eines verschärften Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte . Aktenzeichen: WD 9 – 3000/025-13 Abschluss der Arbeit: 18. März 2013 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Positionen zur Frage einer Verschärfung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte 4 2.1. Anhörung im Deutschen Bundestag vom 27. Juni 2012 4 2.1.1. Anlass der Anhörung 4 2.1.2. Positionen von Verbänden und Experten im Rahmen der Anhörung 5 2.1.2.1. Ersetzung des derzeitigen Verfahrens einer Prüfung durch Benannte Stellen (BS) durch ein staatliches Zulassungsfahren 5 2.1.2.1.1. Befürwortungen einer Ersetzung 5 2.1.2.1.2. Ablehnungen einer Ersetzung 7 2.1.2.2. Verbesserung des Überwachungsverfahrens 7 2.1.2.3. Möglichkeiten einer Übertragung der Prüfmethoden aus dem Bereich der Arzneimittelzulassung auf den der Medizintechnikzulassung 8 2.1.2.4. Haftungsfragen und Sanktionsmöglichkeiten 9 2.1.2.5. Meldepflichten 11 2.1.2.6. Einführung eines verbindlichen Registers für implantierbare Medizinprodukte 11 2.2. Position des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) 13 3. Fortgang des parlamentarischen Verfahrens 14 4. Fazit 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 4 1. Einleitung Mit dem Sachstand „Einzelfragen zur Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (WD9-3000-017-13) wurden in erster Linie die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Frage einer Zulassung von CE-zertifizierten Medizinprodukten in den Vereinigten Staaten von Amerika behandelt. Auftragsgemäß werden im Folgenden die unterschiedlichen Positionen zu der Frage dargestellt, ob eine Verschärfung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte in Deutschland notwendig ist. Grundlage dieser Ausarbeitung ist die Behandlung des Themas im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit am 27. Juni 2012 in Berlin, in denen die unterschiedlichen Positionen deutlich wurden, sowie eine entsprechende Anfrage beim BMG. 2. Positionen zur Frage einer Verschärfung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte 2.1. Anhörung im Deutschen Bundestag vom 27. Juni 2012 Am 27. Juni 2012 fand eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit statt, in deren Verlauf Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden sowie Einzelexperten ihre Positionen hinsichtlich einer Verschärfung des Zulassungsverfahrens für Medizinprodukte darstellten. 2.1.1. Anlass der Anhörung Anlass für die genannte Anhörung im Gesundheitsausschuss war zum einen ein Antrag der Abg. Dr. Marlies Volkmer, u.a., und der SPD Fraktion, abgedruckt in BT-Drs. 17/9932 vom 12. Juni 2012 mit dem Titel „Mehr Sicherheit bei Medizinprodukten“, beigefügt in der Anlage 1 (im Folgenden zitiert als Antrag SPD-Fraktion) , sowie zum anderen ein Antrag der Abg. Dr. Harald Terpe , u.a., und der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, abgedruckt in BT-Drs. 17/8920 vom 7. März 2012 mit dem Titel „Sicherheit, Wirksamkeit und gesundheitlichen Nutzen von Medizinprodukten besser gewährleisten“, beigefügt als Anlage 2 (im Folgenden zitiert als Antrag Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN). Der Antrag der SPD-Fraktion beinhaltete unter anderem eine europaweite einheitliche amtliche Zulassung von Medizinprodukten, eine Verbesserung der Sicherheit von bereits auf dem Markt befindlichen Produkten, die Schaffung eines Implantatregisters und die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung.1 Mit dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN wird die Bundesregierung aufgefordert, im Zuge der Beratungen zur Überarbeitung der EU-Medizinprodukte-Richtlinien im EU-Ministerrat auf eine Anpassung der bisherigen Zertifizierungsverfahren für Medizinprodukte hinzuwirken . Darüber hinaus wird gefordert, eine frühe Nutzerbewertung und eine Langzeitüberwachung 1 Gemäß Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), abgedruckt in BT-DRS. 17/11312 vom 16. Januar 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 5 von Medizinprodukten zu schaffen. Auch wird der Nachweis einer Produktionshaftpflichtversicherung durch den Hersteller gefordert. 2.1.2. Positionen von Verbänden und Experten im Rahmen der Anhörung Die anlässlich der Anhörung übermittelten Stellungnahmen2 werden im Folgenden mittels der dieser Fragestellungen untersucht und verglichen: Ersetzung des derzeitigen Verfahrens einer Prüfung durch Benannte Stellen (BS) durch ein staatliches Zulassungsfahren Verbesserung des Überwachungsverfahren Möglichkeiten einer Übertragung der Prüfmethoden aus dem Bereich der Arzneimittelzulassung auf den der Medizintechnikzulassung Haftungsfragen und Sanktionsmöglichkeiten Meldepflichten und Einführung eines verbindlichen Registers von implantierbaren Medizinprodukten3 2.1.2.1. Ersetzung des derzeitigen Verfahrens einer Prüfung durch Benannte Stellen (BS) durch ein staatliches Zulassungsfahren Nachfolgend werden die im Rahmen der Anhörung vertretenen unterschiedlichen Positionen von Akteuren im Gesundheitswesen zu der Frage dargestellt, ob an die Stelle des bisherigen Verfahrens einer Prüfung durch Benannte Stellen (BS) ein staatliches Prüfungsverfahren treten soll. Bei „Benannten Stellen“ handelt es sich um staatlich akkreditierte Stellen, die die Konformitätsbewertung des Herstellungsprozesses im Auftrag eines Herstellers überprüfen und deren Korrektheit nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben bescheinigen. Hersteller können sich an eine Benannte Stelle ihrer Wahl wenden, die für das entsprechende Verfahren und die betreffende Produktkategorie benannt ist.4 2.1.2.1.1. Befürwortungen einer Ersetzung Der AOK-Bundesverband spricht sich für ein staatliches Verfahren aus, da er einen Interessenkonflikt bei den BS sehe. Hersteller von Medizinprodukten könnten für eine CE-Kennzeichnung5 3 In der genannten Anhörung wurden die unterschiedlichen Positionen der zur Stellungnahme eingeladenen Experten diskutiert. Das Wortprotokoll der Ausschusssitzung ist abgedruckt im Protokoll Nr. 17/83 des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages und ist in der Anlage 4 beigefügt. 4 Definition nach: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, eingestellt auf http://www.dimdi.de/static/de/mpg/adress/benannte-stellen/ (Stand: 12. März 2013). 5 Mit einer CE-Kennzeichnung wird ein Produkt versehen, wenn es die „Grundlegenden Anforderungen“ gemäß der Anlage I der EG-Richtlinie „Implantierbare medizinische Geräte“ (RL 90/385/EWG) erfüllt und das vorgeschriebene Konformitätsbe-wertungsverfahren durchgeführt wurde. Welches Konformitätsverfahren anzuwen- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 6 unterschiedliche privatwirtschaftlich tätige BS wählen. Daher hätten die BS ein wirtschaftliches Interesse, die Hersteller als Kunden an sich zu binden, fürchteten jedoch gleichzeitig, diese durch die hohen Anforderungen an die Prüfung der Produkte wieder zu verlieren. Dieser Interessenkonflikt führe zu unzureichenden Kontrollen, was nach Auffassung des AOK-Bundesverbandes bei einem staatlichen Zulassungsverfahren vermieden werden könne. Der GKV-Spitzenverband befürwortet eine europaweit einheitliche amtliche Zulassung für alle Medizinprodukte, die die bisherige Selbsterklärung für diese Medizinprodukte ersetzen soll. Alle Studien sollen europaweit – und nicht nur auf nationaler Ebene – in einem zentralen Studienregister erfasst und veröffentlicht werden. Die Kanzlei Heynemann für Medizinrecht hält das derzeitige Zulassungsverfahren aufgrund der zahlreichen aufgetretenen Fälle von Produktversagen für unzureichend. Die Bundesregierung solle auf europäischer Ebene darauf hinwirken, dass ein einheitliches Zulassungsverfahren installiert werde, welches eine amtliche Zulassung beinhalte. Außerdem sollten nur solche Produkte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen und vertreten werden könne. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hält das CE-Kennzeichnungsverfahren als ausschließliche Grundlage einer Zertifizierung für nicht mehr für zeitgemäß , da sich dieses nur auf die Funktionstauglichkeit konzentriere. Die moderne Medizintechnik erfordere vielmehr darüber hinaus eine Nutzenüberprüfung auf europäischer Ebene. Die Anwendung an Menschen werde bisher nicht ausreichend überprüft. Daher hält das IQWiG eine analoge Anwendung des Arzneimittelzulassungsverfahrens für wünschenswert. Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) legt den Fokus des Marktzugangs von Medizinprodukten auf die technische Funktionsfähigkeit und den Ausschluss von physikalischen Risiken und Infektionsrisiken. Bei Medizinprodukten dürfe es nicht genügen, diese mittels einer einfachen Konformitätserklärung in den Verkehr zu bringen, da diese in einigen Fällen in den Körper eines Patienten implantiert würden. Eine reine Produktbewertung anhand eines Dossiers der BS solle durch eine Produktprüfung, mindestens für Medizinprodukte der Risikoklasse III, ersetzt werden. Der Verband der TÜV e. V. (VdTÜV) schlägt zusätzlich die verbindliche Einführung der EG- Baumusterprüfung als obligatorisches Verfahren der Konformitätsbewertung vor. Zudem sprechen sich auch der BKK Bundesverband, die Bundesärztekammer, die IKK, der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) als auch die Verbraucherzentrale Bundesverband für ein neues, staatlich durchgeführtes Verfahren aus. den ist, richtet sich nach der Risikoklasse des Medizinprodukts. Das Konformitätsverfahren legt grundsätzlich dar, ob die festgelegten Anforderungen an das Produkt erfüllt sind, Bei Medizinprodukten muss jedoch neben der Produktsicherheit auch zusätzlich die medizinisch-technische Leistungsfähigkeit der Produkte, so wie sie vom Hersteller in der Produktkennzeichnung beschrieben ist, nachgewiesen werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 7 2.1.2.1.2. Ablehnungen einer Ersetzung Demgegenüber reiche nach Ansicht des Bundesverbandes Medizintechnologie e.V. (BVMed) die gesetzliche Marktzugangsregelung der CE-Kennzeichnung vollkommen aus, um sichere und leistungsfähige Medizinprodukte herstellen und in Verkehr bringen zu können. Bei Medizinprodukten der höchsten Risikoklasse III seien die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen denen im Arzneimittelrecht vergleichbar hoch angesetzt. Bei diesen Produkten sei wie bei Arzneimitteln ebenfalls eine klinische Prüfung verpflichtend. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. (DGOOC) verweist ebenfalls auf die bereits hohen Ansprüche des CE-Verfahrens, das auch europäischen Richtlinien genügen müsse. Für die DGOOC ist nicht ersichtlich, inwiefern ein staatliches Verfahren zur Qualitätssicherung beitragen könne. Auch für die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) erschließe sich nicht, wieso ein staatliches Zulassungsverfahren zielführender als das derzeitige Konformitätsbewertungsverfahren sein solle. Die BS würden von der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten ernannt. Somit würden die BS von staatlicher Seite akkreditiert und überwacht. Daneben verweist der DKG auf verschiedene Studien, die darauf hindeuteten, dass durch die staatliche Prüfung in den USA kein höheres Sicherheitsniveau erreicht werde als durch das europäische System, jedoch höhere Kosten und längere Bearbeitungszeiten entständen. Die Branchenverbände der Medizinproduktindustrie sehen in der Einführung eines mit der Arzneimittelzulassung vergleichbaren Verfahrens zur Marktzulassung und Überwachung von Medizinprodukten keine Verbesserung. Argumentiert wird, dass ein solches Verfahren den PIP-Fall6 nicht hätte verhindern können. In diesem Fall seien für die Erlangung der CE-Kennzeichnung ordentliche Implantate vorgelegt worden, welche erst später in krimineller Absicht ausgetauscht worden seien. Der Fachverband für Medizintechnik SPECTARIS beruft sich auf eine vergleichende Analyse des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) über die Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten . Diese Studie zeige, dass die Schutzziele identisch seien und nur auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden würden. 2.1.2.2. Verbesserung des Überwachungsverfahrens Nach Ansichten einer Reihe von Akteuren im Gesundheitswesen besteht hinsichtlich des Überwachungsverfahrens von Medizinprodukten nach deren Zulassung ein hoher Verbesserungsbedarf . 6 Der Begriff PIP-Skandal rührt von dem Namen des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) her. Über einen längeren Zeitraum verkaufte das Unternehmen Brustimplantate, die entgegen der Auszeichnung mit einfachem Industriesilikon gefüllt waren. Das Silikongel trat nach einiger Zeit aus. Weltweit wurden schätzungsweise 500 000 Frauen diese fehlerhaften Implantate eingesetzt. Siehe, Ärztezeitung, PIP-Skandal – ein Jahr danach, 20. Dezember 2012, eingestellt auf: http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gesundheitspolitik_international/article/829001/minderwertig e-brustimplantate-pip-skandal-jahr-danach.html (Stand 13. März 2013). Kommentiert [v1]: ist das etwas anderes als BVMed? - Der Branchenverband umfasst auch den BVMed, zusätzlich aber auch noch andere Verbände. Kann das aber auch gerne zusammenfügen. Kommentiert [v2]: Ist die Studie weiter benannt Titel etc.? Ich würde mich auf die Suche machen. Es wird nur auf eine Studie des BMG von 2011 verwiesen, ein genauer Titel wird nicht genannt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 8 Die Bundesärztekammer beruft sich in ihrer Kritik auf einen Erfahrungsbericht des BMG aus dem Jahre 2008, welcher zeige, dass die Überwachung durch die einzelnen Bundesländer sehr uneinheitlich durchgeführt werde. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes (MPG)7, die Mindeststandards bei der Überwachung durch die Länder setzt, sieht die Bundesärztekammer eine gute Grundlage, um zukünftig die Schwächen in der Überwachung zu beseitigen, wobei eine Nachverfolgung besonders bei Implantaten wichtig sei. Eine klinische Prüfung im Vorfeld sei bei Implantaten jedoch kaum oder gar nicht durchführbar. Deswegen befürwortet die Bundesärztekammer die Einführung beziehungsweise „Stärkung“ von Registern, um anhand einer Nachverfolgung der Produkte gegebenenfalls Schwächen bei Produkten zu identifizieren. Auch der BVMed sieht in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medizinproduktegesetzes einen Fortschritt in der Überwachungstätigkeit. Generell müssten die staatlichen Überwachungsbehörden jedoch besser koordiniert und der Informationsaustausch unter den Behörden verbessert werden. Allerdings sei es nach den heutigen Vorschriften schon möglich , unangemeldete Kontrollen und Stichproben durchzuführen. Gleichwohl hält der BVMed bessere Kontrollen durch die BS als auch durch die zuständigen Aufsichtsbehörden für sinnvoll. Der GKV Spitzenverband spricht sich für eine Verpflichtung der BS aus, die auf dem Markt befindlichen Medizinprodukte durch regelmäßige Stichproben mit den Baumustern zu vergleichen. Solche unangekündigten Inspektionen der Fertigungsstätten von Medizinprodukten sollen durch die BS vorgenommen werden. Auch der vdek und der VdTÜV (Verband der Technischen Überwachungsvereine e.V.) befürworten unangekündigte Inspektionen und regelmäßige Proben sowohl bei den Herstellern als auch im Handel. Dabei beruft sich der VdTÜV auf den PIP-Skandal, der gezeigt habe, dass die geltenden Kontrollmechanismen nicht dazu geeignet seien, unseriöse und kriminelle Praktiken rechtzeitig erkennbar zu machen. 2.1.2.3. Möglichkeiten einer Übertragung der Prüfmethoden aus dem Bereich der Arzneimittelzulassung auf den der Medizintechnikzulassung Voraussetzung für eine Arzneimittelzulassung ist eine klinische Prüfung. Klinische Prüfungen von Arzneimitteln sind jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt sind, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen (§ 4 Abs. 23 S. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)).8 Die Frage, ob diese Prüfmethoden auf den Bereich der Medizintechnikzulassung übertragbar sind, wird unterschiedlich bewertet. Eine Reihe von Verbänden wie beispielsweise die AOK-Bundesverband, der GKV-Spitzenverband , der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) und 7 Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des (MPG) ist eingestellt auf: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Laufende_Verfahren/M/ Entwurf_MPGVwV.pdf (Stand: 11. März 2013). 8 Der Text des AMG in der aktuellen Fassung ist eingestellt auf. http://www.gesetze-iminternet .de/amg_1976/__4.html (Stand: 11. März 2013). Kommentiert [v3]: Bessere Ausstattung? Stärkung ist der Wortlaut der Ärztekammer Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 9 der vdek begrüßen eine für Medizinprodukte verpflichtende klinische Prüfung. Dabei sollen die Anforderungen denen für die Zulassung von Arzneimitteln entsprechen. Auch die Interessenvertretung der Innungskrankenkassen (IKK e. V.) hält ein staatliches und zudem an die Arzneimittelzulassung angelehntes Zulassungsverfahren inklusive einer frühen Nutzenbewertung aufgrund des hohen Risikopotenzials von Medizinprodukten für dringend angezeigt. Nach Ansicht der DKG hingegen trüge ein Prüfverfahren, wie sie im Zusammenhang mit der Prüfung und Zulassung von Arzneimitteln Anwendung fände, den strukturellen Unterschieden zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten nicht ausreichend Rechnung. Die Effekte von Medizinprodukten im Körper seien im Gegensatz zu Arzneimitteln rein physikalischer Natur. Weiterhin sei das Ergebnis einer Studie von Medizinprodukten von verschiedenen Einflussfaktoren, insbesondere aber von der Qualifikation des Anwenders und dessen Geschick abhängig. Demnach sei es schwierig, eine Standardisierung vorzunehmen. Noch problematischer gestalte sich der Einsatz von Placebos bei der Prüfung von Medizinprodukten, da dieser vor allem auch ethische Probleme aufwerfe. Das IQWiG bewertet klinische Studien für Medizinprodukte, wie sie derzeit definiert und durchgeführt würden, als nicht sinnvoll. Von den beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten jährlich ca. 300 klinischen Prüfungen zu noch nicht CE-gekennzeichneten Medizinprodukten wiesen mehr als 90% keine Vergleichsgruppe auf, weshalb sie für eine Nutzenbewertung so gut wie nicht verwendbar seien. Dennoch seien Studien mit hohen Standards auch bei Medizinprodukten möglich, wobei jedoch Besonderheiten zu beachten seien. Zum Beispiel sei das Verwenden von Placebos in Studien über Medizinprodukten seltener möglich als bei Arzneimitteln. Bezüglich einer Einführung der frühen Nutzenbewertung für implantierte Medizinprodukte ist es nach Sicht des DGOOC möglich, ein Frühwarnsystem zu etablieren, das Auffälligkeiten der Implantate und deren fehlerhaften Anwendung erfassen könne. Bei der Einführung von Implantatmodifikationen oder auch neuen Implantaten ermögliche ein solches System zudem auch die Einbeziehung von Kliniken in den Prozess, um die Leistungsqualität zu überprüfen und eine Nutzenbewertung vorzunehmen. Der GKV-Spitzenverband spricht sich darüber hinaus für eine frühe Nutzenbewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aus, welche nicht nur für implantierbare Medizinprodukte gelten sollte, sondern für alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit unklarem Nutzen- und Schadensprofil. 2.1.2.4. Haftungsfragen und Sanktionsmöglichkeiten In der Anhörung wurden Fragen zu einer Haftpflichtversicherungspflicht für Medizinprodukte, einer möglichen Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten bei Behandlungsfehler sowie zu Sanktionen bei fehlerhaften Medizinprodukten aufgeworfen. Einige der eingeladenen Sachverständigen fordern eine Haftpflichtversicherungspflicht für Medizinprodukte , um den geschädigten Patienten einen Direktanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu ermöglichen. So argumentiert der AOK-Bundesverband, dass Betroffene dann nicht einem Insolvenzrisiko der Hersteller ausgesetzt seien. Kommentiert [v4]: ?! Kommentiert [v5]: ? Aus dem Wortlaut des IQWIG übernommen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 10 Auch die IKK spricht sich für eine Haftpflichtversicherungspflicht aus. Darüber hinaus solle nach Ansicht der IKK überlegt werden, wie Patienten im Falle von Insolvenz oder arglistiger Täuschung des Herstellers entschädigt werden könnten. Für derartige Fälle schlägt das IKK einen Fond vor, in den die Hersteller und die Haftpflichtversicherer einzahlen, um diese Entschädigung sicherzustellen. Dieser Entschädigungsfond sei zu vergleichen mit dem der KfZ-Haftpflichtversicherungen , wenn der Versicherer gemäß § 12 Pflichtversicherungsgesetz9 leistungsfrei ist. Der GKV-Spitzenverband bewertet die Idee einer Versicherungspflicht ähnlich. Falls der Hersteller der vollen haftungsrechtlichen Verantwortung nicht nachkomme, sei die Einführung einer Haftpflichtversicherungspflicht eine geeignete Maßnahme. Der Verband befürwortet auch die Idee eines Entschädigungsfonds. Die Kanzlei Heynemann stimmt mit den genannten Meinungen ebenfalls überein. Zwar sei für Patienten auch das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) einschlägig, welche diesen aber nicht im ausreichenden Maße schütze. Weiterhin sprechen sich auch der vdek für eine obligatorische Haftpflichtversicherung aus. Der BVMed hält eine obligatorische Haftpflichtversicherung für eine unnötige Einschränkung der Hersteller. Viele Unternehmen hätten bereits freiwillig durch Haftpflichtversicherungen oder entsprechende finanzielle Rückstellungen vorgesorgt. Zudem hätte im PIP-Skandal eine Haftpflichtversicherung nicht gezahlt, da diese nicht für vorsätzliches kriminelles Verhalten einstünden . Der BVMed hält es weiterhin für unzumutbar, dass eine ganze Branche mit zusätzlichen Kosten, die aus kriminellen Handlungen einzelner entstünden, einstehen solle. Auch befürchtet der BVMed, dass eine solche Haftungsgemeinschaft zu einem leichtfertigeren Verhalten Einzelner führen könnte. Auch SPECTARIS macht geltend, es sei bereits heute üblich, dass sich Hersteller von Medizinprodukten durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung vor größeren finanziellen Risiken bei Schadensfällen absicherten. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) fordert darüber hinaus eine Beweislastumkehr zu Gunsten der Patienten bei Behandlungsfehlern, welche unterlassene Meldungen von Ärzten und Krankenhäuser über fehlerhafte Medizinprodukte miteinschließen solle. Mit dieser Forderung will der BKK die Patientenrechte stärken. Dem stimmt auch der GKV-Spitzenverband zu. Der Branchenverband der Medizinprodukteindustrie schlägt - mit dem Ziel einer Stärkung der Patientensicherheit - vor, die Meldeplicht zu verbessern, unangemeldete Kontrollen im Markt durchzuführen, Überwachungsbehörden besser personell und materiell auszustatten, ein einheitliches Qualitätsniveau der Benannten Stellen auf europäischer Ebene sicherzustellen und fordert eine konsequente Anwendung von Sanktionen bei Verstößen gegen das MPG. 9 Siehe: http://www.gesetze-im-internet.de/pflvg/BJNR102130965.html (Stand: 12. März 2013). Kommentiert [v6]: IKK? Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 11 2.1.2.5. Meldepflichten Weiterhin wurde in der Anhörung thematisiert, ob und wie die Meldungen über Vorkommnisse und Probleme bei Medizinprodukten national und international verbessert werden können. Gemäß § 3 Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSV)10 hat der nach § 5 MPG Verantwortliche Vorkommnisse, die in Deutschland aufgetreten sind und in Deutschland durchgeführte Rückrufe zu melden, § 3 Abs. 1 S. 1 MPSV. Dazu schlägt der AOK-Bundesverband eine deutliche Sanktionierung bei Verstößen gegen die geltende Meldepflicht und die generelle Beweislastumkehr bei unterlassener Meldung als geeignete Maßnahmen vor. Zusätzlich müssten Patienten und deren leistungspflichtige Krankenkassen Zugang zu gemeldeten Vorkommnissen und Problemen erhalten. Auch die IKK, der GKV-Spitzenverband, die Kanzlei Heynemann und der vdek sprechen sich für eine Sanktion bei Verstößen gegen die Meldepflicht aus. Die Kanzlei Heynemann schlägt darüber vor, durch eine Änderung des MPSV eine Meldepflichtverletzung bei Vorkommnissen durch Bußgelder oder im Wiederholungsfall durch die Entziehung der Zulassung zu sanktionieren. Der BVMed schlägt zur Verbesserung des Meldesystems eine europaweite Erfassung und Analysierung aller Meldungen über Vorkommnisse mit Medizinprodukten in einer zentralen Datenbank vor. Der GKV-Spitzenverband empfiehlt zur besseren Umsetzung der Meldepflichten die Gewährleistung einer schnellen und umfänglichen Meldung von Vorkommnissen durch den Anwender. Die Anwender seien dringend über ihre Dokumentations- und Meldepflichten aufzuklären. Der vdek rät zu einer Verankerung der Meldepflicht im Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), bei der bei Hinweisen auf durch Dritte verursachte Gesundheitsschäden eine Verpflichtung bestehe, die erforderlichen Daten den Krankenkassen mitzuteilen. Der vdek bezieht sich zudem auf einen Vergleich der deutschen und der französischen Vorkommnismeldungen . So verzeichne die Behörde in Frankreich mehr als 50-mal so viele Meldungen wie in Deutschland. Dies zeige, dass die Meldepflicht in Deutschland nicht ernst genommen werde. Der Branchenverband der Medizinprodukteindustrie hält ein sorgfältiges Melden durch Krankenhäuser und Arztpraxen für bedeutend. Der Branchenverband hat zudem ein Informationsblatt erarbeitet, um die Betreiber und Anwender für die Bedeutung der Vorkommnismeldungen zu sensibilisieren.11 2.1.2.6. Einführung eines verbindlichen Registers für implantierbare Medizinprodukte Ein weiteres Thema der Anhörung war die Einführung eines verbindlichen Registers von implantierbaren Medizinprodukten. Zurzeit wird in Deutschland auf freiwilliger Basis das - Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) aufgebaut. Bei Endoprothesen handelt es sich um 10 Die aktuelle Fassung des § 3 MPSV ist eingestellt auf: http://www.gesetze-im-internet.de/mpsv/__3.html (Stand: 12. März 2013). 11 Der Flyer ist eingestellt auf: http://www.bvmed.de/stepone/data/downloads/94/e3/00/meldeflyer_0212.pdf (Stand: 12. März 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 12 Implantate, die dauerhaft im Körper verbleiben und den geschädigten Körperteil ganz oder teilweise ersetzen. Im EPRD werden die Daten von künstlichen Hüft- und Kniegelenken erfasst. Diese Erfassung enthält den Zeitpunkt des Protheseneinbaus und gegebenenfalls des Auswechselns der Prothese, Informationen zur Art der Prothese und ihrer einzelnen Bestandteile. Das EPRD ist eine einhundertprozentige Tochter der DGOOC. Weiterhin haben sich der AOK-Bundesverband, der vdek, der BVMed und das Institut für Qualität und Patientensicherheit (BQS) diesem Projekt angeschlossen. Das EPRD hält eine weitergehende verpflichtende Teilnahme an einem Endoprothesenregister für geeignet, um die Transparenz und die Qualität der Ergebnisse beim künstlichen Gelenkersatz erheblich zu verbessern. Bei einer vollständigen flächendeckenden Teilnahme könne eine Langzeitüberwachung von Endoprothesen gewährleistet werden. Laut DGOOC werde für die Bewertung der Endoprothetik die sogenannte "Überlebenszeit" von Endoprothesen herangezogen. Die Überlebenszeit sei die Zeit, die eine Endoprothese ohne Wechsel im Patienten verbleibe. Diese könne mittlerweile mehr als 20 Jahre betragen, so dass das Register auch langfristige, über 30 Jahre hinausgehende Daten erfasse. Auf Basis des EPRD sei es denkbar, weitere Register für andere Medizinprodukte ähnlich zu strukturieren. Als Unterstützer des EPRD-Projekts begrüßt der AOK-Bundesverband ebenfalls die Einführung eines generell verbindlichen Registers für implantierbare Medizinprodukte. Nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes könne auf Basis des EPRD für implantierbare Medizinprodukte ein weiteres Register geschaffen werden. Die Bundesärztekammer sieht in der Einführung von Registern die Möglichkeit, Schwächen bei Produkten zu identifizieren beziehungsweise nachzuverfolgen. Erste Erfahrungen würden derzeit bereits mit dem Aortenklappenregister12 gesammelt werden. Der IKK befürwortet ebenfalls die Forderung nach einem Register von implantierbaren Medizinprodukten , weist jedoch darauf hin, dass ein solches Register auf europäischer Ebene geführt werden und zudem alle Medizinprodukte erfassen müsse. Dieser Auffassung stimmt auch der GKV-Spitzenverband zu. Die Kanzlei Heynemann spricht sich ebenfalls für ein verpflichtendes Implantatregister aus, das auch interessierten Patienten und damit der Öffentlichkeit frei zugänglich sein sollte. So könnten Patienten anhand der Registerdaten vor einer Operation abschätzen, welches Produkt für sie in Betracht komme, was gleichzeitig marktregulatorisch die Qualität der Medizinprodukte - verbessern werde. Der MDS fordert die Einrichtung von Registern auch unter dem Gesichtspunkt der Ermöglichung der eindeutigen Rückverfolgbarkeit bis zum Patienten. Die verwendeten Modelle müssten dabei exakt durch das Register identifizierbar sein. Der vdek spricht sich ebenfalls für ein verbindliches Register aus. Dieses ermögliche die Identifizierung von Patienten, die von schadhaften Medizinprodukten betroffen seien. Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Registers sei jedoch eine enge Kooperation zwischen Anwendern , Produktanbietern und Kostenträgern. Die Erkenntnisse müssten zudem an die Anwender und Hersteller zurückgespiegelt werden, damit diese darauf reagieren könnten und ein Verbesse- 12 Siehe hierzu: http://www.aortenklappenregister.de (Stand: 12. März 2013). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 13 rungsprozess eintrete. Die Forderung nach einem verbindlichen Register zur Langzeitüberwachung wird auch von SPECTARIS befürwortet. Demgegenüber spricht sich der DKG dafür aus, zunächst die Erfahrungen aus dem Aufbau des EPRD abzuwarten und auszuwerten, damit diese bei einer Erweiterung des Registers auf andere Implantate genutzt werden können. Aus Erfahrungen aus dem Ausland hätten gezeigt, dass ein Endoprothesenregister erst nach fünf bis sieben Jahren voll funktionsfähig sei. Erste Analysen des EPRD würden aber voraussichtlich erst zum Ende des Jahres 2013 vorliegen. Nach Ansicht des IQWiG seien ein Register keine klinische Studie ersetzen. Register seien zwar hilfreich, zeigten jedoch keine belastbaren Erkenntnisse über einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Intervention und den bei Patienten beobachteten Auswirkungen. Zudem seien viele Register lückenhaft und damit unvollständig und stellten keine belastbaren wissenschaftlichen Vergleiche zwischen zwei Therapien her. Bei einem Vergleich zwischen einem neuen und einem bereits vorhandenen Medizinprodukt könne es zu „trügerischen“ Ergebnissen kommen, da erkennbar sei, dass in einigen Fällen neue Medizinprodukte bevorzugt schon bei weniger schweren Krankheiten eingesetzt würden. 2.2. Position des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Das BMG hat auf Anfrage mitgeteilt, dass es derzeit an einem Verfahren mit dem Ziel beteiligt sei, auf europäischer Ebene drei bestehende Richtlinien zu Medizinprodukten in zwei Verordnungen umzuwandeln. In diesem Zusammenhang seien auch daraus notwendig werdende Veränderungen von fünf nationalen Verordnungen geplant. Grundsätzlich weist das BMG auf die besonderen Marktzugangsvoraussetzungen für Medizinprodukte , beispielsweise durch nicht-staatliche Prüfungsstellen (Benannte Stellen), hin.13 Es sei zu erwarten, dass im Rahmen der neuen Verordnungen auf EU-Ebene die Anforderungen an die "Zulassung" für Benannten Stellen strenger gefasst würden. Auch sei geplant, die Prüfvorgaben der Benannten Stellen gegenüber den Herstellern beispielsweise durch unangekündigte Kontrollen zu verschärfen. Der Verordnungsentwurf sehe daneben zusätzliche Vorgaben für bestimmte Medizinprodukte vor. Wie schon in dem Sachstand „Einzelfragen zur Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten “ (WD 9 3000-017-13) beschrieben, steht das BMG der Forderung, klinische Prüfungen für Medizinprodukte an die Anforderungen für klinische Studien im Zusammenhang mit Arzneimittel anzupassen, kritisch gegenüber. Das BMG vertritt die Position, dass dies dem Ziel, alle Versicherten gleichermaßen und zeitnah am medizinischen Fortschritt zu beteiligen, nicht gerecht werde. Es werde verkannt, dass randomisierte Studien bei Medizinprodukten nach dem derzeitigen Informationsstand des Ministeriums in der Regel nicht funktionierten. Das MPG enthalte keine explizite Definition des Begriffs "klinische Studie", wohl aber Regelungen über die Durchführung von klinischen Prüfungen von Medizinprodukten. Derartige klinische 13 In diesem Zusammenhang verweist das BMG auf ein erläuterndes Schaubild hin, das auf http://www.bmg.bund.de/gesundheitssystem/medizinprodukte/marktzugangsvoraussetzungen.html (Stand 11. März 2013) eingestellt ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 14 Prüfungen dienten zum Nachweis, dass die Leistungen des Medizinproduktes unter normalen Einsatzbedingungen den vom Hersteller für das Medizinprodukt angegebenen Leistungsdaten entsprächen sowie zur Ermittlung etwaiger auftretender unerwünschter Nebenwirkungen und der Beurteilung, ob diese unvertretbare Risiken darstellen. Die Anforderungen an die Durchführung von klinischen Prüfungen von Medizinprodukten seien in den §§ 20 bis 23 MPG sowie ergänzend in der Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten (MPKPV) geregelt. Die MPKPV orientiere sich dabei stark an den entsprechenden Vorgaben für Arzneimittel. Schon derzeit forderten die europäischen Richtlinien insbesondere bei Hochrisiko-Medizinprodukten und bei Implantaten die Durchführung von klinischen Prüfungen. In Deutschland müsse das BfArM diese klinischen Prüfungen genehmigen und dabei auch die Sicherheit der Produkte bewerten. Das BfArM erhalte nach Abschluss der klinischen Prüfung einen umfassenden Abschlussbericht des Herstellers. Über die bei Arzneimitteln bestehenden gesetzlichen Regelungen hinaus seien die Hersteller von Medizinprodukten verpflichtet, nach der Marktzulassung weitere systematische Untersuchungen zur klinischen Leistungsfähigkeit der Produkte beispielsweise in Form von klinischen Studien durchzuführen, die in die Erfahrungen aus der Anwendung der Produkte unmittelbar einfließen könnten. 3. Fortgang des parlamentarischen Verfahrens Der Gesundheitsausschuss empfahl auf seiner Sitzung am 6. November 2012 den Antrag der SPD- Fraktion „Mehr Sicherheit bei Medizinprodukten“, abgedruckt auf BT-Drs. 17/9932 vom 12. Juni 2012, abzulehnen.14 Die Abg. Jens Spahn, u.a., und die Fraktion der CDU/CSU sowie die Abg. Heinz Lantermann, u.a., und die Fraktion der FDP stellten im Dezember 2012 einen Antrag „Revision der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien: Vertrauen wieder herstellen – Patientensicherheit bei Medizinprodukten muss erste Priorität sein“, abgedruckt auf BT-Drucksache 17/11830 vom 11. Dezember 2012, beigefügt in der Anlage 6, (im Folgenden zitiert als Antrag Fraktionen von CDU/CSU und FDP). In dem Antrag wird unter anderem konstatiert, dass der Antrag der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion in erster Linie Lösungsansätze im derzeitigen Marktsystem suche, da sich dieses System bewährt habe. Ein Systemwechsel führe dagegen zu langen Übergangszeiten. Ein Systemwechsel wird erst als Ultima Ratio in Betracht gezogen. Gefordert wird von der Bundesregierung in den anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, durch konkrete Maßnahmen das Vertrauen in Medizinprodukte, deren Sicherheit und deren Identifizierung und Rückverfolgung zu verbessern. Der Gesundheitsausschuss empfahl am 16. Januar 2013 die Annahme des Antrages der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion und die Ablehnung des Antrags des Antrags „Sicherheit, Wirk- 14 Gemäß Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) abgedruckt in BT-Drs. 17/11312 vom 6. November 2012 und beigefügt in Anlage 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/025-13 Seite 15 samkeit und gesundheitlichen Nutzen von Medizinprodukten“ der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN.15 Das Plenum folgte den Empfehlungen des Ausschusses für Gesundheit und nahm den Antrag der CDU/CSU und der FDP-Fraktion in seiner Sitzung am 17. Januar 2013 an. Die Anträge der SPD- Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS90/Die GRÜNEN wurden dagegen abgelehnt. 4. Fazit Gemeinsames und daher vergleichbares Ziel des Gesetzgebers im Zusammenhang mit dem AMG und dem MPG war es, vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Beschaffenheiten von Arzneimitteln und Medizinprodukten eine größtmögliche Sicherheit für Patientinnen und Patienten herzustellen. Zentrale Forderung im Hinblick auf eine Verschärfung der Zulassungsverfahren für Medizinprodukte ist es, die Prüfverfahren derart umzugestalten, dass sie denen von Arzneimitteln entsprechen . Sowohl die Frage einer derartigen Notwendigkeit als auch die, ob die Bedingungen und Methoden der Arzneimittelzulassung auf die Zulassung von Medizinprodukten überhaupt übertragbar sind, werden wie beschrieben kontrovers beurteilt. Im Kern geht es bei der Entscheidung, ob die beschriebene Verschärfung im Sinne der Schaffung einer größeren Sicherheit für Patientinnen und Patienten notwendig ist, um die Frage, ob eine systemimmanente Lösung, das heißt eine Verbesserung der bestehenden Vorgaben des MPGs, oder die Schaffung eines neuen Systems der Prüfverfahren, wie beispielsweise durch die Einrichtung staatlicher Einrichtungen im Prüfverfahren anstelle der Benannten Stellen, anzustreben ist. Eine methodisch belastbare eigenständige Prüfung und Entscheidung zugunsten einer immanenten oder nicht-immanenten Lösung kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, zumal hierzu eigene Forschungen nicht vorgenommen werden können. Dies betrifft beispielsweise die Fragen, ob ein randomisiertes Verfahren im Bereich der Medizinproduktzulassungen überhaupt möglich oder der Einsatz von Placebos im Rahmen von Prüfungen denkbar ist. Im Lichte der dargestellten Diskussion kann aber vor dem Hintergrund der Entscheidung des Deutschen Bundestages, eine systemimmanente Lösung zu präferieren, zumindest festgehalten werden, dass es nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse sinnvoll erscheint, im Rahmen beispielsweise von entsprechenden Panelstudien kontinuierlich nachzuvollziehen, ob die beschlossenen systemimmanenten Veränderungen tatsächlich zu einer noch größeren Sicherheit für die Patienten führen und - falls dies nicht der Fall sein sollte - danach den beschriebenen Systemwechsel in Abstimmung mit den Europäischen Entscheidungsstrukturen vorzunehmen. 15 Gemäß Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) abgedruckt in BT-Drs. 17/12088 vom 16. Januar 2013 und beigefügt in Anlage 7.