© 2016 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 024/16 Einzelfragen zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 2 Einzelfragen zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 024/16 Abschluss der Arbeit: Datum: 6. April 2016 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Auswirkungen der Zugangsvoraussetzungen zur beruflichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Pflegeberufsgesetzes auf die Ausbildungschancen von Hauptschülern 4 3. Wirtschaftliche Auswirkungen einer Zusammenlegung der Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung in einer generalistischen Pflegeausbildung 6 3.1. Aussagen der Bundesregierung zu den Kosten und zur Finanzierung einer einheitlichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe 6 3.2. Das Forschungsgutachten des WIAD und der Prognos AG zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes 8 3.3. Kritische Stellungnahmen zum Forschungsgutachten des WIAD und der Prognos AG 8 3.4. Kritische Stellungnahmen zur Finanzierung einer einheitlichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 4 1. Einleitung Am 18. März 2016 hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz) beraten . Das Pflegeberufereformgesetz soll das Ziel verfolgen, die erforderliche Grundlage für eine zukunftsfähige Pflegeausbildung, die notwendige Verbesserung der Pflegequalität und die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs zu schaffen. Mit dem als Art. 1 des Pflegeberufereformgesetzes geplanten Pflegeberufsgesetz soll die langjährig vorbereitete Reform der Pflegeberufe umgesetzt werden, indem die bisher getrennt geregelten Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits - und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer neuen, generalistisch ausgerichteten beruflichen Pflegeausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss zu einem Pflegeberufsgesetz zusammengeführt werden. Die angestrebte Weiterentwicklung der beruflichen Pflegeausbildung wird dabei flankiert von einer Neuordnung der Finanzierungsgrundlagen und der Einführung eines bundesrechtlich geregelten primärqualifizierenden Pflegestudiums . Die neue Ausbildung soll auf einen universellen Einsatz in allen allgemeinen Arbeitsfeldern der Pflege vorbereiten, einen Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen erleichtern und zusätzliche Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen. Die Ausbildung soll in ein gestuftes und transparentes Fort- und Weiterbildungssystem eingepasst und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Qualifikationsstufen in der Pflege verbessert werden (zur Zielsetzung und zum wesentlichen Inhalt des Entwurfs eines Pflegeberufereformgesetzes vgl. im Einzelnen BT-Drs. 18/7823, S. 49-52). Vor diesem Hintergrund geht diese Dokumentation auftragsgemäß einigen Einzelfragen nach, die sich im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Pflegeberufereformgesetzes stellen. 2. Auswirkungen der Zugangsvoraussetzungen zur beruflichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Pflegeberufsgesetzes auf die Ausbildungschancen von Hauptschülern Die Zugangsvoraussetzungen zur beruflichen Pflegeausbildung sind in § 11 des Entwurfs eines Pflegeberufsgesetzes geregelt. Voraussetzung für den Zugang zur beruflichen Pflegeausbildung ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 dieses Entwurfs grundsätzlich ein mittlerer Schulabschluss oder ein anderer als gleichwertig anerkannter Abschluss. Bewerberinnen oder Bewerber mit einem Hauptschulabschluss oder einem als gleichwertig anerkannten Abschluss sollen zugelassen werden, wenn eine der zusätzlichen Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a bis d des Entwurfs erfüllt ist. Hierzu gehört insbesondere der erfolgreiche Abschluss einer landesrechtlich geregelten Assistenz - oder Helferausbildung in der Pflege von mindestens einjähriger Dauer, die den von der Arbeits - und Sozialministerkonferenz (ASMK) 2012 und von der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) 2013 beschlossenen Mindestanforderungen entspricht (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 b des Entwurfs). Diese Möglichkeit sei – so wird in der Entwurfsbegründung ausgeführt – besonders bedeutsam für ein durchlässiges Pflegebildungssystem, da es den Übergang von den Assistenz- und Helferberufen in die dreijährige Fachkraftausbildung nach dem Pflegeberufsgesetz ebne. Der Zugang zur Fachkraftausbildung über den Hauptschulabschluss und eine landesrechtlich geregelte einjährige Ausbildung in der Krankenpflegehilfe oder der Altenpflegehilfe, die nicht den beschlossenen Mindestanforderungen der ASMK und GMK entspricht, ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c des Entwurfs dann möglich, wenn diese bis zu einem Stichtag, dem 31. Dezember 2019, begonnen wurde. Eine berufliche Pflegeausbildung kann nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a des Entwurfs auch beginnen , wer zusätzlich zum Hauptschulabschluss über eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer verfügt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs genügt auch der erfolgreiche Abschluss einer sonstigen zehnjährigen allgemeinen Schulbildung, vgl. den Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG) in: BT-Drs. 18/7823 vom 9. März 2016, Auszug S. 1-5, 7-8, 14-15, 19-25, 49-62, 70, 74-83, 98-101 (hier: S. 1-2, 7-8, 14-15). Anlage 1 Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Gröhe wird durch die geplante Reform Hauptschülern der Zugang zur Pflegeausbildung erleichtert, vgl. „Generalisten gefragt – PFLEGE, Die Regierung setzt große Hoffnungen in eine Ausbildungsreform“, in: Das Parlament vom 21. März 2016. Anlage 2 Der Arbeitgeberverband Pflege vertritt die Auffassung, das in § 11 Abs. 1 Nr. 2 b und c des Entwurfs vorgesehene zusätzliche Vorbereitungsjahr im Vorfeld der Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann, beispielsweise als Hilfskraft in einer Pflegeeinrichtung, benachteiligte die Hauptschüler und damit die Mehrheit an Bewerbern, die eine Ausbildung mit dem Ziel aufnehmen wollten, in der Altenpflege zu arbeiten. Dies sei angesichts des Umstandes, dass in den nächsten Jahrzehnten mehr als 4,5 Millionen Pflegebedürftige zu versorgen seien und sehr viele gut motivierte Fachkräfte benötigt würden, nicht hinnehmbar. Einer Umfrage innerhalb der Mitgliedsunternehmen des Arbeitgeberverbands Pflege zufolge, verfügten derzeit mehr als 55 Prozent aller Auszubildenden in der Altenpflege über einen Hauptschulabschluss, während 29 Prozent aller Bewerber einen Realschulabschluss und 16 Prozent eine „gymnasiale Reife“ vorweisen könnten. Die Bundesregierung schütte das „Kind mit dem Bade“ aus, wenn sie jungen Menschenmit einem guten Hauptschulabschluss gewissermaßen ein „Strafjahr“ zur Vorbereitung auf eine Ausbildung auferlege. Zur Prüfungsreife würde die Mehrheit aller Bewerber damit erst nach insgesamt vier Jahren gelangen. Derzeit würden in der dreijährigen Altenpflegeausbildung 70.000 junge Menschen ausgebildet. Dieser sehr positive Trend bei den Ausbildungszahlen in der Altenpflege könnte – so befürchtet der Arbeitgeberverband Pflege – durch das geplante Pflegeberufsgesetz „dramatisch gestoppt“ werden. Den Unternehmen würden damit wesentlich höhere Kosten und Ausbildungszeiten aufgebürdet und viele Schulabgänger „willentlich abgeschreckt“. Falls die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen der Zugangsvoraussetzungen zur beruflichen Pflegeausbildung für Hauptschüler ohne weitreichende Korrekturen in Kraft träten, sei mit sinkenden Ausbildungszahlen zu rechnen. Das aber wäre – so der Arbeitgeberverband Pflege – für die Altenpflege in Deutschland „eine Katastrophe“, vgl. Arbeitgeberverband Pflege, Bundesregierung erschwert Hauptschülern die Pflegeausbildung, Pressemitteilung vom 1. Dezember 2015, abrufbar im Internet unter: http://www.presseportal.de/pm/102258/3190896. Anlage 3 Auch der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, MdB Dr. Georg Nüßlein, und der pflegepolitische Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion , MdB Erwin Rüddel, befürchten einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. Oktober 2015 zufolge, dass wachsende Anforderungen Hauptschülern den Zugang zur Pflegeausbildung versperren könnten. In der Krankenpflege hätten schon 70 Prozent der Auszubildenden Abitur, in der Altenpflege nur 30 Prozent. Nach den Plänen der Bundesregierung sei Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 6 für Hauptschüler eine vier- statt der normalen dreijährigen Ausbildung vorgesehen. „Es dürfe“ – so warnt der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion in seinem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – „nicht sein, dass ein Mittelschüler Schwierigkeiten bekommen könnte, eine Ausbildung als Pfleger anzutreten“, vgl. Mihm, Andreas, Altenpflege: Union droht mit Blockade der Pflegeausbildung, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Oktober 2015, abrufbar im Internet unter: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/uniondroht -mit-blockade-der-pflegeausbildung-13870984.html. Anlage 4 In einem Interview mit dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) hat sich der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu der Frage, ob Hauptschüler in Zukunft noch eine Pflegeausbildung antreten können, ähnlich geäußert: Schon jetzt sei erkennbar , dass mit der Generalistik die Pflegeausbildung inhaltlich und strukturell komplexer und anspruchsvoller werde. Gerade das Ziel eines niederschwelligen Zugangs könnte damit gefährdet werden. Manche – so der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion – befürchteten, dass Hauptschüler den gestiegenen Anforderungen an die Ausbildung nicht gerecht werden könnten. Damit bestehe die Gefahr, dass ein heute für die Tätigkeit in der Altenpflege wichtiger Personenkreis künftig nicht mehr zur Verfügung stehe, vgl. Nüßlein, Georg, Interview mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zum Pflegeberufereformgesetz, in: bpa Magazin, Ausgabe 1/2016, S. 8 – 11, abrufbar im Internet unter: http://www.bpa.de/fileadmin/user_upload/MAIN-dateien/BUND/bpa_Magazin/bpa_Magazin _01_2016_Internet_7_.pdf. Anlage 5 Ergänzend wird auf einen Beitrag in der Tageszeitung „Die Welt“ verwiesen, der sich ebenfalls mit den im Gesetzentwurf der Bundesregierung für Hauptschüler vorgesehenen Einschränkungen des Zugangs zur beruflichen Pflegeausbildung beschäftigt, vgl. Vitzthum, Thomas, Einheitspfleger für Kinder, Alte und Kranke kommt, in: Die Welt vom 12. Juni 2015, abrufbar im Internet unter : http://www.welt.de/politik/deutschland/article142398652/Einheitspfleger-fuer-Kinder-Alteund -Kranke-kommt.html. Anlage 6 3. Wirtschaftliche Auswirkungen einer Zusammenlegung der Alten-, Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung in einer generalistischen Pflegeausbildung 3.1. Aussagen der Bundesregierung zu den Kosten und zur Finanzierung einer einheitlichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe Die Finanzierung der generalistischen Pflegeausbildung soll nach dem Entwurf eines Pflegeberufsgesetzes (Art. 1 des Pflegeberufereformgesetzes) bundeseinheitlich geregelt werden. Mit dem Ziel, bundesweit eine wohnortnahe qualitätsgesicherte Ausbildung sicherzustellen, eine ausreichende Zahl qualifizierter Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner auszubilden, Nachteile im Wettbewerb zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Einrichtungen zu vermeiden, die Ausbildung in kleineren und mittleren Einrichtungen zu stärken und wirtschaftliche Ausbil- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 7 dungsstrukturen zu gewährleisten, sollen die Kosten der geplanten generalistischen Pflegeausbildung zukünftig durch auf Landesebene organisierte und verwaltete Ausgleichsfonds nach Maßgabe der §§ 26 Abs. 2 bis 36 des Entwurfs eines Pflegeberufsgesetzes finanziert werden. Nur so könne – heißt es in der Entwurfsbegründung – von einer einheitlichen Ausbildung gesprochen werden. Dabei sei es sachgerecht, die von den Kostenträgern der bisherigen Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und in der Altenpflege getragenen Kosten und Kostenanteile der gemeinsamen Finanzierung zu Grunde zu legen. Dementsprechend sieht § 26 Abs. 3 und 4 des geplanten Pflegeberufsgesetzes vor, dass an der Finanzierung der Ausgleichsfonds im landesweiten Umlageverfahren die jeweils zugelassenen Krankenhäuser, die stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen, das jeweilige Land sowie die soziale Pflegeversicherung und die private Pflege-Pflichtversicherung teilnehmen. Mit der Einführung eines bundesweiten Umlageverfahrens sollen wettbewerbliche Nachteile zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Einrichtungen vermieden bzw. ausgeräumt werden. Die Liquidität des Ausgleichsfonds soll durch eine sogenannte Liquiditätsreserve sichergestellt werden , die Verwaltungskosten sollen durch eine Verwaltungskostenpauschale gedeckt werden. Die Finanzierungsregelungen in den §§ 26 bis 36 des geplanten Pflegeberufsgesetzes beziehen sich nur auf die berufliche Ausbildung in der Pflege, nicht jedoch auf die hochschulische Ausbildung. Diese soll entsprechend den allgemeinen Grundsätzen, die für hochschulische Ausbildungen gelten , finanziert werden mit der Möglichkeit für die Studierenden BAföG zu beziehen (zur Finanzierung der beruflichen Ausbildung in der Pflege nach den §§ 26 bis 36 des geplanten Pflegeberufsgesetzes vgl. im Einzelnen den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Anlage 1, hier: S. 1-5, 7, 19-25, 49-62, 74-83, 98-101). Die Bundesregierung geht in ihrem Gesetzentwurf für die Kosten des Ausbildungsfonds davon aus, dass in Folge der Generalistik – trotz gewisser Synergieeffekte gegenüber dem heutigen Stand der Ausbildungskosten in der Alten- und Krankenpflege von insgesamt 2,41 Milliarden Euro pro Jahr – bei gleichbleibenden Ausbildungszahlen und vollständiger Umstellung auf die neue Pflegeausbildung im Bereich der Finanzierung der Ausbildungskosten jährlich Mehrkosten in Höhe von 322 Million Euro entstehen. Diese jährlichen Mehrkosten beruhten auf einer verbesserten Ausstattung und Infrastruktur der Schulen (102 Millionen Euro), Qualitätsverbesserungen insbesondere im Bereich der Praxisanleitung (150 Millionen Euro), Angleichung der Ausbildungsvergütungen (54 Millionen Euro) sowie Verwaltungskosten der Ausbildungsfonds (16,3 Millionen Euro). Für den Ausbau einer Liquiditätsreserve von drei Prozent des Fondsvolumens fielen weiterhin 81,6 Million Euro an. Bei zur Zeit nicht bezifferbaren Inanspruchnahmen aus der Reserve müsse diese entsprechend aufgefüllt werden. Die durch die Reform der Pflegeausbildung entstehenden Mehrkosten werden im Gesetzentwurf der Bundesregierung detailliert dargelegt (vgl. im Einzelnen BT-Drs. 18/7823, Anlage 1, hier S. 2 bis 5 und S. 53 bis 61). Zu den finanziellen Auswirkungen der geplanten Reform der Pflegeausbildung wird ergänzend auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Doris Wagner, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 1. September 2015 verwiesen, vgl. Finanzielle Auswirkungen der geplanten Reform der Pflegeausbildung , Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Doris Wagner, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Anlage 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 8 3.2. Das Forschungsgutachten des WIAD und der Prognos AG zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes Die vorgenannten Kostenannahmen der Bundesregierung für die Ausbildungskosten im Status quo und für die künftige Pflegeausbildung beruhen ausweislich der Entwurfsbegründung (vgl. BT-Drs. 18/7823, S. 2) auf Ermittlungen und Berechnungen, wie sie das „Forschungsgutachten zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes“ vom Oktober 2013 ausgewiesen hat. Dieses Gutachten wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gemeinsam in Auftrag gegeben und vom Wissenschaftlichen Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) in Zusammenarbeit mit der Prognos AG erstellt. Ziel dieses Gutachtens war eine Beschreibung und umfassende Kostenerhebung der derzeitigen Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflegeausbildung und der Altenpflegeausbildung in Deutschland sowie eine solide und differenzierte Kostenschätzung für eine generalistische Pflegeausbildung mit Blick auf eine ergänzende Akademisierung der Pflegeausbildung. Dabei sollte die Verteilung der Ausbildungskosten auf verschiedene Träger anhand mehrerer Finanzierungsvarianten simuliert werden. Hinsichtlich der Aufgabenstellung, der Durchführung und der Methodik sowie der Ergebnisse dieses Gutachtens wird auf den nachfolgenden Kurzbericht verwiesen , vgl. Wissenschaftliches Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) e. V. /Prognos AG, Forschungsgutachten zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes, Kurzbericht, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des Bundesministeriums für Familie , Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Bonn, Berlin, Düsseldorf, Juni 2013, abrufbar im Internet unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/Publikationen /Pflege/Kurzbericht/131014_Kurzbericht_Finanzierung_Pflegeberufgesetz.pdf. Anlage 8 Siehe hierzu auch den auszugsweise beigefügten ausführlichen Ergebnisbericht des WIAD und der Prognos AG, Wissenschaftliches Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) e. V./Prognos AG, Forschungsgutachten zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes, Ergebnisbericht, Studie im Auftrag des BMG und des BMFSFJ, Bonn, Berlin, Düsseldorf, 20. Juni 2013 (überarbeitete Fassung vom 14. Oktober 2013, Auszug, hier: S. 1-55), abrufbar im Internet unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung3/Pdf-Anlagen/2015__forschungsgutachten __finanzierung__pflegeberufegesetz__wiad__prognos,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache =de,rwb=true.pdf. Anlage 9 3.3. Kritische Stellungnahmen zum Forschungsgutachten des WIAD und der Prognos AG Die in dem Forschungsgutachten des WIAD und der Prognos AG ausgewiesenen Kostenannahmen für die Ausbildungskosten im Status quo und für eine generalistische Pflegeausbildung werden von verschiedenen Seiten in Frage gestellt: Nach Auffassung des Deutschen Berufsverbandes für Altenpflege e. V. entbehrt das Gutachten jeglicher methodischer Aufbereitung von Kenntnissen und Daten auf der Basis struktureller, curricularer und didaktischer Rahmenbedingungen der Altenpflege, der Sozialhilfeträger und der Ausbildungsstätten der Altenpflege. Stattdessen sehe es eine „unreflektierte Fokussierung“ auf eine Generalisierung der Pflegeausbildung vor. In dem Forschungsgutachten zur Finanzierung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 9 eines neuen Pflegeberufegesetzes blieben zudem eine Vielzahl von Finanzierungsproblemen und Folgekosten unberücksichtigt. Hierzu gehörten beispielsweise systemimmanente Finanzierungsprobleme und Strukturkonflikte, die sich durch die Strukturen des Sozialgesetzbuchs für die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung ergäben. Nicht berücksichtigt worden seien in dem Gutachten auch die Belastungen der Sozialhilfeträger, wenn die Pflegeausbildung und die Pflegefachkräfte primär den Krankenhäusern zu Gute kämen, und strukturelle Verantwortlichkeiten und Kosten zur Sicherung eines pflegegestützten regionalen Versorgungsmanagements von Seniorinnen und Senioren, vgl. im Einzelnen die beigefügte Stellungnahme: Kriesten, Ursula, Stellungnahme zum Forschungsgutachten Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes zum Ergebnisbericht Prognos/WIAD, herausgegeben vom Deutschen Berufsverband für Altenpflege e. V. , Wiehl, 15. Februar 2014, abrufbar im Internet unter: http://www.dbva.de/docs/stellungnahmen /Stellungnahme_Finanzierungsgutachten_Kriesten_DBVA_02_2014.pdf. Anlage 10 Die stellvertretende Vorsitzende des „Arbeitskreises Ausbildungsstätten für Altenpflege“ hat sich in ihrer Stellungnahme kritisch mit den Ergebnissen des Forschungsgutachtens zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes auseinandergesetzt, vgl. hierzu näher Kriesten, Ursula, Denn sie wissen nicht, wie es sein wird: Stellungnahme zum Ergebnisbericht des Forschungsgutachtens Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes des WIAD und der Prognos AG, in: PADUA, Zeitschrift , 2014, S. 116 – 123. Anlage 11 Auch die Direktorin der Hans-Weinberger-Akademie der Arbeiterwohlfahrt e. V. hat erhebliche Zweifel an der Validität der dem Forschungsgutachten zu Grunde liegenden Daten und den dort ausgewiesenen Schätzungen der Kosten einer generalistischen Pflegeausbildung. Zu den in dem Gutachten nicht kalkulierten Kosten gehörten beispielsweise die Investitionskosten der Schulen, die Kosten für den Strukturumbau, die Curriculumentwicklung sowie die Kosten für die Organisation und Koordinierung der praktischen Ausbildung. Es sei zu befürchten, dass trotz des im Rahmen der demografischen Entwicklung steigenden Fachkräftebedarfs in Zukunft weniger Ausbildungsplätze als heute finanzierbar seien und entsprechend die Anzahl der Auszubildenden zurückgehe, vgl. Frommelt, Mona, Präsentation zum Fachgespräch Generalistik der Hans-Weinberger -Akademie der AWO e. V. am 29. Juli 2015, abrufbar im Internet unter: http://www.hwaonline .de/fileadmin/pdf/aktuelles/Praesentation_Generalistik_web.pdf. Anlage 12 Auch nach Auffassung der Deutschen Krankenhausgesellschaft werden die zukünftigen Mehrkosten einer gemeinsamen Pflegeausbildung in dem Gutachten des WIAD und der Prognos AG falsch eingeschätzt. Dies beruhe insbesondere auf „massiven Fehlannahmen“ im Bereich der Altenpflege . Aus Mangel an Daten seien an entscheidenden Stellen die Kostenstrukturen der Gesundheits - und (Kinder-) Krankenpflege bei der Mittelherkunft auf die Altenpflegeausbildung übertragen worden. Dies führe zu einer unrealistischen Darstellung des Finanzvolumens im Status quo. Für eine hinreichende Finanzierung der generalistischen Ausbildung sei mit einem höheren als dem im Gesetzentwurf ausgewiesenen Finanzierungsvolumen zu rechnen. Dies müsse zwingend berücksichtigt werden, vgl. Deutsche Krankenhausgesellschaft, Stellungnahme vom 9. Dezember 2015 zum Referentenentwurf des BMG und des BMFSFJ zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 10 der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG), abrufbar im Internet unter: http://www.dkgev.de/media/file/22411.Stellungnahme_der_DKG_zum_Referentenentwurf_eines _Gesetzes_zur_Reform_der_Pflegeberufe.pdf. Anlage 13 3.4. Kritische Stellungnahmen zur Finanzierung einer einheitlichen Pflegeausbildung nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe Kritisch geäußert hat sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft auch zu den in den §§ 26 bis 36 des Entwurfs eines Pflegeberufsgesetzes vorgesehenen Regelungen zur Finanzierung der beruflichen Ausbildung in der Pflege. Die bestehende und bewährte Finanzierungssystematik der Ausbildung in der Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege dürfe nicht gefährdet werden und müsse in der vorhandenen Form erhalten bleiben (vgl. im Einzelnen Anlage 13). Das in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegte Konzept zur Finanzierung der geplanten generalistischen beruflichen Pflegeausbildung wird auch vom AOK-Bundesverband und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände kritisiert, vgl. AOK-Bundesverband, Stellungnahme vom 10. Dezember 2015 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG), abrufbar im Internet unter: https://www.aok-gesundheitspartner .de/imperia/md/gpp/bund/pflege/gesetze/pflegeausbildung_reform_fachanhoerung _aokbv_stellungnahme_111215.pdf. Anlage 14 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Gemeinsame Kernqualifikationen sichern statt untaugliche Einheitsausbildung schaffen, Stellungnahme vom 25. Februar 2016 zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz –PflBRefG), abrufbar im Internet unter: http://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber .nsf/res/B57391D86766A5C8C1257F69005DA67B/$file/Stn_Pflegeberufereformgesetz.pdf. Anlage 15 Der AOK-Bundesverband sieht insbesondere die einheitliche Finanzierung über Landesausbildungsfonds sehr kritisch, da Doppelstrukturen geschaffen würden und damit ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand entstehe. Die vorgesehene Fondslösung für den neuen Pflegeberuf lasse außer Acht, dass die in fast allen Bundesländern bereits bestehenden Ausbildungsfonds aufgrund der weiteren Ausbildungsberufe zum Beispiel für Hebammen und Ergotherapeuten fortgeführt werden müssten. Im Übrigen würden mit den geplanten Regelungen zur Finanzierung der Ausbildung ein weiteres Mal Aufgaben und Finanzierungsanteile aus der Verantwortung der Länder in die Sozialversicherung übertragen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände weist in ihrer Stellungnahme zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Reform der Pflegeberufe darauf hin, dass die geplante Finanzierung der Ausbildungskosten durch Ausgleichsfonds auf Landesebene keine zusätzlichen Belastungen der Ausbildungsbetriebe zur Folge haben dürfe. Zudem müsse verhindert werden, dass die Länder bislang von ihnen getragene Kosten auf die Pflegekassen und damit die Beitragszahler abwälzten. Die Reform der Pflegeausbildung dürfe nicht dazu führen, dass der be- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 024/16 Seite 11 reits bestehende Fachkräftemangel in der Altenpflege noch weiter verstärkt werde. Das im Gesetzentwurf vorgelegte Finanzierungskonzept könne jedoch zu zusätzlichen Kosten der Ausbildungsbetriebe führen und würde damit im Ergebnis Ausbildungsplätze in der Altenpflege gefährden , was der im Gesetzentwurf genannten Zielsetzung „der notwendigen Sicherung der Fachkräftebasis “ insbesondere in der Altenpflege eklatant widerspreche. Zudem müsse die geplante Lastenverschiebung bei der Ausbildungsfinanzierung von den Ländern auf die Pflegekassen unterbleiben . Zu einem solchen „Verschiebebahnhof“ käme es aber, wenn es bei der jetzt im Entwurf vorgesehenen Direktzahlung der Pflegeversicherung bleibe, da deren Höhe über die bisherige indirekte Finanzierung über die Anbieter von Pflegeleistungen hinausginge. Der Pflegeversicherung entstünden durch diese Finanzierungsverpflichtung Mehrkosten in Höhe von rund 100 Millionen Euro jährlich. Darüber hinaus müsse klargestellt werden, dass Umschulungskosten für vollständige dreijährige Umschulungen grundsätzlich nicht in vollem Umfang durch die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung getragen werden dürfen. Die derzeitige, bis Ende 2017 befristete Sonderregelung für die Altenpflege, nach der die Bundesagentur für Arbeit ausnahmsweise hier auch das dritte Umschulungsjahr finanzieren könne, dürfe nicht fortgesetzt werden – schon gar nicht unbefristet. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung hätten zuletzt pro Jahr ungefähr 180 Millionen Euro (Schätzwert für das Jahr 2014) für Umschulungen im Bereich der Altenpflege aufgewendet. Ende der Bearbeitung