© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 021/19 Impfpflichten im Ausland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 2 Impfpflichten im Ausland Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 021/19 Abschluss der Arbeit: 2. Mai 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Übersicht über Impfpflichten im europäischen Ausland 7 3. Zur Situation in einzelnen europäischen Ländern, die eine Impflicht implementiert haben 7 3.1. Belgien 7 3.2. Bulgarien 8 3.3. Frankreich 9 3.4. Italien 10 3.5. Kroatien 10 3.6. Lettland 11 3.7. Malta 12 3.8. Polen 12 3.9. Slowakei 12 3.10. Slowenien 13 3.11. Tschechische Republik 13 3.12. Ungarn 14 3.13. Zur beabsichtigten Gesetzgebung in Rumänien 15 4. Zur Impfsituation in den USA, Kanada und Australien 16 4.1. USA 16 4.2. Kanada 16 4.3. Australien 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 4 1. Einleitung In den letzten Monaten wird in Deutschland wie auch im Ausland die Frage der Einführung von Impfpflichten intensiv und kontrovers diskutiert. Die Diskussion, die in den vergangenen Jahren häufig gerade in den Wintermonaten im Zusammenhang mit Grippeerkrankungen und schweren Krankheitsverläufen bei nicht Geimpften geführt wurde, hat sich jetzt bei uns verschärft und bezieht sich inzwischen auch auf weitere Erkrankungen wie Mumps und Masern. Als besonders bedrohlich werden Masernausbrüche angesehen, die in einigen Bundesländern1 gehäuft aufgetreten sind. In den Medien wurde im April 2019 darüber hinaus über eine Häufung von Masernerkrankungen in den USA berichtet. Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Desease Control and Prevention (CDC) berichtet aktuell von einer „Rekordzahl“ von Masern-Erkrankungen in diesem Jahr. Es seien bislang bereits 695 Menschen aus insgesamt 22 Bundesstaaten erkrankt. Dies sei auf größere Ausbrüche in den Bundesstaaten Washington und New York zurückzuführen2. Die WHO hat im April 2019 mitgeteilt, es sei weltweit zu einem drastischen Anstieg der an Masern Erkrankten gekommen. Im 1. Quartal 2019 habe die Zahl der Erkrankungen um 300 Prozent höher gelegen als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres. Rund 110.000 Menschen seien im Jahr 2017 an der Krankheit gestorben3. Nach neuesten Schätzungen von UNICEF muss man, so die Präsidentin Henrietta Fore, für den Zeitraum von 2010 bis 2017 von insgesamt 169 Mio. ungeimpften Kindern ausgehen4. Die aktuelle Entwicklung veranlasst viele Fachleute in Wissenschaft und Politik zu dem dringenden Appell an die Bevölkerung, die bestehenden Impfempfehlungen ernst zu nehmen und durch Impfungen zum Einen sich selbst vor den entsprechenden Erkrankungen oder dem Risiko eines schweren Verlaufs zu schützen, zum andern die Übertragung auf andere zu verhindern. 1 So z. B. in Schleswig-Holstein in Bad Segeberg, wo vorübergehend zwei Schulen geschlossen werden mussten, siehe Stamp, Michael, Masern: Zwei Schulen geschlossen, http://www.kn-online.de/Lokales/Segeberg/Masernin -Bad-Segeberg-Zwei-Schulen-von-ansteckender-Krankheit-betroffen. Dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 2. Mai 2019. 2 USA- Höchste Masern-Fallzahlen seit 2000, in: Pharmazeutische Zeitung vom 25. April 2019, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/hoechste-masern-fallzahlen-seit-2000/. Anmerkung: Die CDC wurde noch einen Monat zuvor, in einem Bericht auf zdf.de mit einer Zahl von erfassten 372 Masernfällen in den USA zitiert, siehe unten Gliederungspunkt 4.1. 3 https://www.mdr.de/nachrichten/politik/ausland/zahl-masern-faelle-dreihundert-prozent-gestiegen-100.html. 4 Clement, Kai, Ausbreitung der Masern, UNICEF warnt von Impf-Lücken, in: tagesschau.de, 25. April 2019, https://www.tagesschau.de/ausland/unicef-masern-101.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 5 Die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer bundesweiten gesetzlichen Impfpflicht war Gegenstand zweier Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Jahr 2016, auf die an dieser Stelle verwiesen wird5. Befürworter einer Impfpflicht gerade gegen Masern sind der Ansicht, das Risiko von Masernepidemien und damit auch das Risiko zunehmender schwerer Folgeerkrankungen sei inzwischen so hoch, dass eine Verpflichtung zur Impfung geboten sei. Neben weiteren lebensbedrohlichen Erkrankungen gebe es bereits jetzt bei 1 Promille aller Masernerkrankten eine Masern-Pneumonie, die tödlich verlaufen könne6. Demgegenüber führen Gegner der Impfpflicht an, die Impfungen seien nicht ohne Risiko und könnten ihrerseits Erkrankungen hervorrufen. So sei vor einigen Jahren die Impfung gegen Masern mit dem Risiko einer späteren Erkrankung an Autismus in Verbindung gebracht worden. Dieser Zusammenhang gilt allerdings nicht als erwiesen7. In Deutschland besteht bislang keine allgemeine Impfpflicht. Gleichwohl hat der Bundesgesetzgeber im Infektionsschutzgesetz (IfSchG)8 im Rahmen der Gesundheitsprävention eine Reihe von Regelungen geschaffen, auf deren Grundlage etwa das Bundesministerium für Gesundheit in konkret drohenden Fällen durch Rechtsverordnung eine Impfpflicht einführen kann, um den Ausbruch von Epidemien mit „klinisch schweren Verläufen“ zu verhindern (§ 20 Abs. 6 ISchG). Das ISchG enthält im Übrigen eine Reihe von Vorschriften, die dazu beitragen sollen, einen guten Impfschutz in der Bevölkerung zu erreichen, so z. B. die einzelnen Regelungen in § 34 ISchG, womit insbesondere in Kindertages-Einrichtungen sichergestellt werden soll, dass zum einen die Erzieher und zum anderen die dort aufgenommenen Kinder über einen ausreichenden Impfschutz verfügen. Das IfSG enthält jedoch bisher keine Vorschrift, die den Impfschutz als generelle Voraussetzung zur Aufnahme in Tageseinrichtungen vorschreibt. Der Landtag Brandenburg hat anlässlich der jüngsten Entwicklungen der Masernerkrankungen 5 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Impflicht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages , Ausarbeitung vom 27. Januar 2016, WD 3-3000-019/16, https://www.bundestag.de/resource /blob/413560/40484c918e669002c4bb60410a317057/wd-3-019-16-pdf-data.pdf sowie Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Impflicht für Kinder, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung vom 3. März 2016, WD 3-3000-056/16, https://www.bundestag.de/resource /blob/424536/d5ca52c1db5c8e0a837031b5e0f105ef/wd-3-056-16-pdf-data.pdf. 6 Weißbrich, Benedikt, Masern-Infektion, Folgeerkrankungen und Masern-Impfung, in: Bayerisches Ärzteblatt 2015, Heft 5 vom 30. April 2015, https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/inhalte/details/news/detail/News/masern -infektion-folgeerkrankungen-und-masern-impfung-bayern-zaehlt-zu-den-bundeslaendern-mit-den.html. 7 Eine aufwändige Studie, die in Dänemark mit mehr als 650.000 Kindern durchgeführt und Mitte 2013 abgeschlossen wurde, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Masern-Mumps-Röteln-Impfung das Risiko für Autismus nicht erhöhe, siehe Hohmann-Jeddi, Christina, Impfskepsis, kein Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen, in: Pharmazeutische Zeitung vom 28. März 2019, https://www.pharmazeutische-zeitung.de/keinzusammenhang -zwischen-autismus-und-impfungen/. 8 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, BGBl I S. 1045, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018, BGBl I S. 2394. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 6 am 11. April 2019 auf einen entsprechenden Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU und der Fraktion Die Linke den Beschluss gefasst, die Landesregierung aufzufordern, bis zu einer möglichen bundesrechtlichen Impflicht die nötigen Rahmenbedingungen für eine Impfung als verpflichtende Voraussetzung für den Besuch von Kindertagesstätten oder Einrichtungen der Kindertagespflege zu schaffen9. In einer Reihe weiterer Bundesländer wird derzeit erwogen, ebenfalls eine Impfpflicht – insbesondere gegen Masern – einzuführen. Zum Teil beziehen sich die Politiker konkret auf die Initiative in Brandenburg, so etwa in Mecklenburg-Vorpommern10, Sachsen- Anhalt11 und in Thüringen12. Für die Einführung einer Impfpflicht haben sich außerdem Politiker im Saarland13, in Sachsen14 und in Schleswig-Holstein15 ausgesprochen. In Baden-Württemberg16 und in Bremen17 wird die Frage derzeit noch geprüft.18 9 Beschluss des Landtages Brandenburg, Drs. 6/11024 (ND)-B vom 11. April 2019. 10 Siehe Masern-Impfpflicht: Viel Zustimmung aus MV für Vorstoß in Brandenburg, in: Ostsee-Zeitung.de vom 12. April 2019, hier wird der Chef des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Rostock, Heiko Will, zitiert, http://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/MV-aktuell/Masern-Impfpflicht-in-Brandenburg-viel-Zustimmungaus -MV. 11 Die Fraktion DIE LINKE hat am 16. April 2019 vorgeschlagen, analog des Vorstoßes in Brandenburg, über den Bundesrat eine Initiative zur Einführung einer Impflicht einzubringen und diese bis zu einer bundesrechtlichen Lösung mit Hilfe entsprechender Rahmenbedingungen in Kinderbetreuungseinrichtungen sicherzustellen, Landtag Sachsen-Anhalt, Drs. 7/4243 vom 16. April 2019. 12 Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat angekündigt, die Landesregierung per Antrag aufzufordern, die Bundesratsinitiative von Brandenburg zur Einführung einer Impfpflicht zu unterstützen, siehe: Einführung von Masern - Impfpflicht in Thüringen umstritten, in: Thüringer Allgemeine vom 15. April 2019, https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/CDU-Landtagsfraktion-Einfuehrung-von- Masern-Impfpflicht-97455061; der Ansicht der CDU-Fraktion schließt sich auch der Thüringer SPD-Vorsitzende Wolfgang Tiefensee an, hebt dabei aber hervor, dass die Impfpflicht noch weitere Impfungen umfassen müsse, siehe SPD-Vorstoß, Tiefensee für Impfpflicht gegen Masern wie zu DDR-Zeiten, 1. April 2019, in: mdr-Thüringen , https://www.mdr.de/thueringen/masern-impfpflicht-tiefensee-ddr-spd-100.html. 13 Saar-Parteien wollen bundeweite Impfpflicht, in: Saarbrücker Zeitung vom 15. April 2019, https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/landespolitik/parteien-im-saarland-wollen-bundesweite-impfpflicht -gegen-masern_aid-38135163. 14 Erste Aktuelle Debatte: Infektionskrankheiten sind keine Bagatellen – Impflücken schließen! Antrag der Fraktionen CDU und SPD im Sächsischen Landtag, Plenarprotokoll 6/90, S. 8859 ff. 15 So auch Gesundheitsminister Heiner Garg, FDP, siehe: Der Norden will die Masern-Impfpflicht, in: Lübecker Nachrichten vom 16. April 2019, http://www.ln-online.de/Nachrichten/Norddeutschland/Der-Norden-will-die- Masern-Impfpflicht. 16 Staatsministerium Baden-Württemberg, „Impfpflicht für Masern darf kein Tabu sein“, 4. April 2019, https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/alle-meldungen/meldung/pid/impfpflicht-fuer-masern-darfkein -tabu-sein/. 17 Masern-Impfpflicht in Bremen rückt näher, in: Weser Kurier vom 26. April 2019, https://www.weser-kurier .de/bremen/bremen-stadt_artikel,-masernimpfpflicht-in-bremen-rueckt-naeher-_arid,1825069.html. 18 Anmerkung: In den übrigen Bundesländern wird zur Zeit, soweit erkennbar, eine Einführung von Impfpflichten noch nicht erwogen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 7 Der vorliegende Sachstand zeigt auf, in welchen europäischen Ländern Impflichten bereits bestehen und gegen welche Erkrankungen im Einzelnen geimpft wird. Darüber hinaus wird – auftragsgemäß - die Situation in den USA, Kanada und Australien erläutert. 2. Übersicht über Impfpflichten im europäischen Ausland Informationen zu Impfempfehlungen, aber auch zu Impfungen, die in den jeweiligen Ländern verpflichtend sind, hält das European Centre for Disease Prevention and Control, eine Agentur der EU, bereit, und zwar auf ihrer Internetseite „Vaccine Scheduler“, wo diese Informationen für jedes Land mit Hinweisen zu den einzelnen Impfungen abgerufen werden können19. Darüber hinaus veröffentlicht das European Forum for Vaccine Vigilance (EFVV) Informationen zur Impfsituation in den EU-Mitgliedstaaten: vaccination by country20. Auf der Basis der Daten des European Centre for Disease Prevention and Control und des EFVV liegen für die EU-Mitgliedstaaten, die USA, Kanada und Australien detaillierte Informationen zur Frage vor, inwieweit in diesen Ländern Impfpflichten bestehen und auf welche Erkrankungen sich diese beziehen. Anlage UNICEF hat in seinem Bericht „The State of the World’s Children 2017“ u. a. Daten zur Impfrate, bezogen auf zehn verschiedene Erkrankungen erfasst (Table 3: Health): https://data.unicef.org/wp-content/uploads/2018/03/SOWC-2017-statistical-tables.pdf. 3. Zur Situation in einzelnen europäischen Ländern, die eine Impflicht implementiert haben 3.1. Belgien In Belgien besteht eine Impfpflicht, die sich auf Impfungen gegen Kinderlähmung beschränkt. Hintergrund dieser Regelung waren offensichtlich viele Fälle von Kinderlähmung in den 50er Jahren in Belgien. Alle Kinder müssen nach Vollendung des zweiten bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats gemäß königlichem Erlass vom 26. Oktober 1966 (l'arrêté royal du 26 octobre 1966 rendant obligatoire la vaccination antipoliomyélitique21) gegen Poliomyelitis geimpft werden.22 Weitere Impfungen sind bislang freiwillig. Die belgische Gesundheitsministerin Maggie De Block 19 https://vaccine-schedule.ecdc.europa.eu/. 20 https://www.efvv.eu/. 21 Eine deutsche Übersetzung des Königlichen Erlasses zur Auferlegung der Poliomyelitis-Impfung ist im Internet abrufbar unter http://www.etaamb.be/fr/arrete-royal-du-26-octobre-1966_n2014000478.html. 22 Vgl.: Impfpraxis in Deutschland und anderen europäischen Ländern, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 9 - 3000 - 038/14 vom 3. Juli 2014, https://www.bundestag.de/resource /blob/406324/0029073ec596e010a00de061b55b758b/WD-9-038-14-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 8 äußerte sich im Jahr 2017 zur Frage einer generellen Impfpflicht. Ihrer Einschätzung nach ist es unnötig, andere Impfungen verpflichtend einzuführen23. Für den französisch-sprachigen Teil Belgiens schreibt das Office de la Naissance et de l’Enfance vor, dass Kinder vor der Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung oder Vorschule gegen bestimmte Erkrankungen geimpft sein müssen24. 3.2. Bulgarien In Bulgarien gibt es bereits seit mehreren Jahrzehnten eine gesetzlich geregelte Impfpflicht (FN: Art 58 des Law on Health, http://venice.cineca.org/documents/bulgaria_ip.pdf) gegen insgesamt elf Erkrankungen. Im Falle des Nichtbefolgens der Verpflichtung drohen den Betreffenden Sanktionen . Im Jahr 2013 wurde berichtet, dass gerade in Gegenden mit einem hohen Anteil an ethnischen Minderheiten diese häufig nur unzureichend geimpft würden. Neugeborene erhielten hier häufig im Krankenhaus nach der Geburt eine erste Impfung, während die Auffrischungsimpfung nach zwölf Monaten oder später häufig nicht in Anspruch genommen würde. Diese sei zwar kostenfrei , aber zum einen fehle es an der erforderlichen Information der Betroffenen, zum anderen hätten diese häufig das Problem, dass ihre Reise zum nächsten Gesundheitszentrum zu kostspielig sei25. Einem Bericht zufolge, den die EU anlässlich des Welt-Polio-Tages am 28. Oktober 2018 veröffentlicht hat, besteht in Bulgarien ein vergleichsweise hohes Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Sicherheit und Wirksamkeit von Impfungen26. 23 Christaens, Josephine, Obligation vaccinale: la Belgique beaucoup moins stricte que la France, in: ParisMatch, 1. September 2017, https://parismatch.be/actualites/societe/69946/obligation-vaccinale-la-belgique-beaucoupmoins -stricte-que-la-france. 24 Siehe EFVV Belgium, https://www.efvv.eu/belgium/, siehe auch Fine, Ariana/ Fisher, Barbara, European Countries Move to Expand, Enforce Vaccine Mandates, in: The Vaccine Reaction, 6. Februar 2018, abrufbar unter: https://thevaccinereaction.org/2018/02/european-countries-move-to-expand-enforce-vaccine-mandates /#_edn13. 25 WHO, Vaccinating Roma children in Bulgaria, https://www.who.int/features/2013/bulgaria_vaccination/en/. 26 Vgl. Dimitrov, Martin, Bulgarians „Most Mistrustful of Vaccines in EU“ – Report, in: BalkanInsight, 24. Oktober 2018, https://balkaninsight.com/2018/10/24/bulgarians-mistrust-vaccines-the-most-out-of-all-eu-nationals-report -claims-10-24-2018/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 9 3.3. Frankreich In Frankreich gibt es, so die Regelungen im Code de la Santé Publique27, für bestimmte Impfungen eine Impfpflicht28. Die aktuell verpflichtenden Impfungen werden vom Gesundheitsministerium im Internet veröffentlicht.29 Zuletzt hat Frankreich die Impfpflicht im Jahr 2017 ausgeweitet . Hintergrund war u. a. das Wieder-Auftreten verschiedener Epidemien und die Feststellung in der Bevölkerung, dass die Impfrate bei einigen Impfungen wie Masern, Röteln und Hepatitis B offensichtlich unzureichend war30. Die bereits zuvor verpflichtenden Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Kinderlähmung, wurden für Kinder, die seit dem 1. Januar 2018 geboren worden sind, um acht weitere ergänzt, darunter Masern, Röteln und Hepatitis B. Für die Erstaufnahme an Schulen oder Kindergärten ist ein Nachweis über den erfolgten Impfschutz Voraussetzung31. Eltern, die ihre Kinder nicht impfen, müssen mit einer Geldbuße bzw. –strafe von bis zu 3750 Euro und einer bis zu sechsmonatigen Gefängnisstrafe rechnen32 Neben der Erhöhung der Anzahl der Impfungen, die verpflichtend durchzuführen sind, hat sich Frankreich in den letzten Jahren auch in besonderer Weise um die Erhöhung der Impfrate bei der Grippeschutzimpfung bemüht, was wiederum in Deutschland aufmerksam verfolgt wurde: Um der Bevölkerung im ganzen Land den Zugang zu dieser Impfung zu erleichtern, wurde nach einer Pilotphase in einem Département das Recht zu impfen auf Apotheken bzw. Apotheker ausgeweitet 33. 27 Code de la Santé Publique, version consolidée au 28 avril 2019, https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Code.do?cidTexte=LEGITEXT000006072665. 28 Art. L 3111-2, zuletzt geändert durch Gesetz n°2017-1836 vom 30. Dezember 2017. 29 Siehe hierzu: Ministère des Solidarités et de la Santé, 11 vaccins obligatoires en 2018, https://solidaritessante .gouv.fr/prevention-en-sante/preserver-sa-sante/vaccination/vaccins-obligatoires/article/11-vaccins-obligatoires -en-2018. 30 In Frankreich wurde zu dieser Frage im Jahr 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt, die offensichtlich zur breiten Überzeugung über die Notwendigkeit weiterer Impfpflichten geführt hat, https://vaccination-info-service .fr/Questions-frequentes/Questions-generales/Politique-vaccinale-en-France. 31 Frankreich weitet Impfpflicht aus, in: Der Spiegel, 2. Januar 2018, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/gesundheit /diagnose/impfpflicht-fuer-kinder-in-frankreich-ausgeweitet-a-1185834.html. 32 EFVV France, https://www.efvv.eu/france-2/. 33 Erlass vom 10. Mai 2017, Journal Officiel (JORF) n° 0110 vom 11. Mai 2017, texte n°101, https://www.legifrance .gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000034676756&categorieLien=id; siehe auch den Bericht in den deutschen Medien: Apotheke Adhoc (Hrsg.): Apotheker erhalten Impfrecht, S. 2, vom 16. Mai 2018, Berlin, online verfügbar unter: https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/internationales/apotheker-erhaltenimpfrecht -frankreich/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 10 3.4. Italien Nachdem die Impfrate in Italien über einen Zeitraum von fünf Jahren alarmierend zurückgegangen war und insbesondere die Zahl der Masernerkrankten sich deutlich erhöht hatte – im Jahr 2017 lag Italien mit einer Zahl von 1620 Fällen weltweit an sechsthöchster Stelle –, hat Italien im Jahr 2017 ein Gesetz über Pflichtimpfungen für Kinder geschaffen. Die Impfpflicht gilt danach für insgesamt zehn Krankheiten, darunter Masern, Hirnhautentzündung, Tetanus, Kinderlähmung, Mumps, Keuchhusten und Windpocken. Sofern der Impfschutz nicht nachgewiesen werden kann, dürfen die Kinder nicht in den Kindergarten oder die Schule aufgenommen werden und den Eltern droht ein Bußgeld von bis zu 500 Euro. Im Einzelfall können Impfungen ausgelassen oder verschoben werden, sofern medizinische Gründe gegen das Impfen vorliegen34. Vorläufige Daten zeigen, dies wird in der Fachpresse erläutert, dass fast ein Drittel der zuvor nicht geimpften Kinder, die im Zeitraum von 2011 bis 2015 geboren wurden, inzwischen immunisiert worden sind. So seien etwa die Durchimpfungsraten gegen Kinderlähmung und Masern um ein und 2,9 Prozent gestiegen35. In den Medien wird darüber hinaus berichtet, die italienische Gesundheitsministerin Giulia Grillo habe im Juli 2018 angekündigt, dass die Nachweispflicht über die absolvierten Impfungen ab dem darauf folgenden Schuljahr, also dem Jahr 2019, erleichtert werde: Anstelle eines Nachweises von der Gesundheitsbehörde sei es dann für die Aufnahme in die Schule oder den Kindergarten ausreichend, eine entsprechende Selbstauskunft über die erfolgten Impfungen vorzulegen 36. 3.5. Kroatien In Kroatien besteht eine Impfpflicht gegen zehn Erkrankungen: Tuberkulose, Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Hepatitis B, Hib, Masern, Mumps und Röteln. Die Verweigerung einer Impfung kann mit einer Geldbuße bzw. Geldstrafe bis zu 230 Euro oder sogar mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Ausnahmen von der Impfpflicht sind nur im Hinblick auf einige wenige medizinische Gründe zulässig und werden offensichtlich streng überprüft37. 34 Italien beschließt Impfpflicht gegen zehn Krankheiten, in: Der Spiegel, 28. Juli 2017, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/italien-parlament-beschliesst-impfpflicht-gegen-zehn-krankheitena -1160179.html; Bozzola, Elena/ Spina, Giulia/ Russo, Rocco/ u. a., Mandatory vaccinations in European countries , undocumented information, false news and the impact on vaccination uptake: the position of the Italian pediatric society, Italian Journal of Pediatrics, 2018, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC6001041/. 35 Burioni, Roberto/ Odone, Anna/ Signorelli, Carlo, Lessons from Italy’s policy shift on immunization, 21. Februar 2018, in: Nature, International journal of science, abrufbar unter: https://www.nature.com/articles/d41586- 018-02267-9. 36 Ausland - Italien weicht umstrittene Impfpflicht auf, in: aerzteblatt vom 6. Juli 2018, https://www.aerzteblatt .de/nachrichten/96286/Italien-weicht-umstrittene-Impfpflicht-auf. 37 EFVV, Croatia, Vaccination policy, https://www.efvv.eu/croatia-2/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 11 Der Immunisierungsbericht 2017, der von der kroatischen Gesundheitsagentur im April 2018 veröffentlicht wurde, lässt offenbar einen kontinuierlichen Rückgang der Impfrate innerhalb der vergangenen sechs Jahre erkennen, auch die Masernerkrankungen haben danach wieder zugenommen 38. Im Frühjahr 2018 wurde in der kroatischen Presse über die Diskussion berichtet, die Pneumokokken -Impfung verpflichtend einzuführen39. Fachleute hätten sich für die Verpflichtung zu dieser Impfung ausgesprochen, da die Infektion schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben könne, wie etwa eine Meningitis-Erkrankung oder eine Blutvergiftung. Das Croatian Public Health Institute werde 2019 dem Gesundheitsministerium einen neuen Vorschlag zur Einführung dieser Impfpflicht unterbreiten40. 3.6. Lettland In Lettland gibt es ein staatlich verpflichtendes Impfprogramm41. Umfassend zuständig für Planungen , Koordinierung und Implementierung des Impfprogramms ist das Centre for Disease Prevention and control of Latvia, das im April 2012 durch eine Entscheidung der lettischen Regierung eingerichtet wurde42. Festzustellen ist allerdings, dass die Frage der Impfpflicht in verschiedenen Länderberichten unterschiedlich beantwortet wird: In der Fachliteratur wird die Leiterin der Epidemiological Safety and Public Health Division des Infectology Centers von Lettland zitiert, die klargestellt hat, dass es in Lettland zwar eine Impfpflicht gebe, dass sich diese aber von der in anderen Ländern unterscheide : „Vaccination is mandatory for state institutions and vaccination providers but for (the) public is recommended and offered free of charge.“43 Wer Impfungen verabreiche, müsse sich dies von denjenigen, die sich der Impfung verweigerten, schriftlich bestätigen lassen. Die Impfenden hätten auch die Pflicht, die Betreffenden über die gesundheitlichen Risiken der Impfverweigerung aufzuklären. 38 Croatian Institute of Public Health, 2017 Immunization Report, https://www.hzjz.hr/en/statistical-data/2017- immunization-report/. 39 Siehe: „Croatia Should improve Vaccination Policy“, in: total croatia news vom 11. Februar 2018, https://www.total-croatia-news.com/lifestyle/25801-croatia-should-improve-vaccination-policy. 40 Croatia should improve Vaccination policy, in: total croatia news vom 1 1. Februar 2018, https://www.totalcroatia -news.com/lifestyle/25801-croatia-should-improve-vaccination-policy. 41 Siehe hierzu die Darstellung von Perevoscikovs, Jurijs, National Immunization Program in Latvia, Viral Hepatitis Prevention Board Meeting in Riga/Lettland, 19. bis 20. November 2015, http://www.vhpb.org/files /html/Meetings_and_publications/Presentations/RIGA25.pdf. 42 Siehe Euro Health Net, https://eurohealthnet.eu/member/centre-disease-prevention-and-control-latvia. 43 Walkinshaw, Erin, Mandatory vaccinations: The international landscape, in: Canadian Medical Association Journal (CMAJ), 8. November 2011, 183 (16): e1167-e1168, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC3216445/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 12 3.7. Malta In Malta sind derzeit drei Impfungen verpflichtend, und zwar die Impfungen gegen Polio, Diphterie und Tetanus44. In der maltesischen Presse wird aber im Zusammenhang mit den aktuellen Masernausbruchsfällen im Ausland auch berichtet, dass Ärzte in Malta in Sorge sind, dass es insbesondere durch Reisende zu Übertragungen auf die Bevölkerung kommen könnte 45. 3.8. Polen In Polen sind gemäß der Verordnung des Gesundheitsministers vom 18. August 2011 über die obligatorische Immunisierung neben den elf Pflicht-Impfungen für alle Bevölkerungsgruppen weitere Impfungen ausschließlich für spezifische Personengruppen verpflichtend. Impfpflichten gibt es in Polen bereits seit 60 Jahren. Allerdings ist die Impfpflicht in Polen derzeit nicht unumstritten 46. Im August 2018 wurde, so ein Bericht im MDR-Fernsehen, – nach einer Reihe von Demonstrationen und Aktionen einer entsprechenden Bürgerbewegung-– ein Gesetzentwurf gegen die Impfpflicht in den polnischen Sejm eingebracht. Von den Impfpflichtgegnern werde argumentiert, die Impfpflicht bedeute eine Diskriminierung der polnischen Bürger gegenüber anderen EU-Bürgern. Die Gegner verwiesen zum Teil auf Gerichtsverfahren aus dem Ausland, in denen es um Fälle gegangen sei, bei denen Eltern von geimpften Kindern Entschädigungen wegen Impfschäden zugesprochen worden seien. Es sei damit zu rechnen, dass die Diskussion um eine Änderung der Impfpflicht Gegenstand der Kommunalwahlen im Herbst dieses Jahres, d. h. 2019, sein werde und diese wiederum als Stimmungstest für die Entwicklung auf nationaler Ebene gesehen werden könnte47. 3.9. Slowakei Nach Informationen des EFVV besteht in der Slowakei aktuell im Hinblick auf zehn Erkrankungen Impfpflicht. Nicht verpflichtend seien die Pneumokokkenimpfung, die Grippeschutzimpfung und die Impfung gegen Tuberkulose48. Eltern, die ihre Kinder nicht impfen ließen, könnten mit 44 Vgl. Ministry for Health, Primary Child & Youth Health & Immunisation Unit, Menu Vaccines, https://deputyprimeminister .gov.mt/en/phc/pchyhi/Pages/Vaccines.aspx. 45 Grech, Herman/ Caruana, Claire, Doctors in Malta alerted to measles outbreak, urged to take precautions, in: Times Malta vom 2. August 2018, https://www.timesofmalta.com/articles/view/20180802/local/doctors-alertedto -measles-outbreak-in-malta.685855. 46 Sieradzka, Monika, Gesetzentwurf von Impfgegnern im Parlament, Schafft Polen bald die Impfpflicht iab?, in: mdr aktuell, Stand 6. Februar 2019, https://www.mdr.de/nachrichten/osteuropa/ostblogger/impfgegner-gesetzgegen -impfplicht-impfverweigerer-polen-100.html. 47 Sieradzka, Monika, Gesetzentwurf von Impfgegnern im Parlament, Schafft Polen bald die Impfpflicht iab?, in: mdr aktuell, Stand 6. Februar 2019, https://www.mdr.de/nachrichten/osteuropa/ostblogger/impfgegner-gesetzgegen -impfplicht-impfverweigerer-polen-100.html. 48 Siehe EFVV Slovakia, https://www.efvv.eu/slovakia-2/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 13 bis zu 331 Euro bestraft werden49. Ausnahmen von der Impfpflicht gebe es nur bei Vorliegen wichtiger medizinischer Gründe, was von den Ärzten sehr restriktiv entschieden würde, so der Bericht der EFVV Slovakia. In den vergangenen Jahren sei die Impfrate stetig zurückgegangen, dies habe zur Folge, dass die Gesundheitspolitiker nunmehr planten, die Sanktionen zu verschärfen 50. 3.10. Slowenien Nach Informationen des EFVV sind in Slowenien aktuell neun Impfungen verpflichtend. Die Impfungen gegen Pneumokokken und gegen HPV werden empfohlen. Eltern, die sich weigern, ihre Kinder impfen zu lassen, müssen je Kind mit einer Geldbuße von bis zu 417 Euro rechnen51. Im Gegensatz zu anderen Ländern können aber Schulen bei der Aufnahme von Kindern keinen Nachweis von Impfungen verlangen, weil Impfungen als private Angelegenheit der Familie angesehen werden52. Ausnahmen von der Impfplicht sind sehr eng gefasst, beschränken sich auf medizinische Gründe und müssen formal beantragt werden. Diese Anträge werden dem Gesundheitsministerium zugeleitet und werden dort von einer Kommission geprüft. Patienten, die durch eine Impfung nachweislich und dauerhaft in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sind, haben Anspruch auf Entschädigung53. 3.11. Tschechische Republik In der Tschechischen Republik gibt es nach hier vorliegenden Informationen eine Impfpflicht gegen neun Erkrankungen: Diphterie, Keuchhusten, Tetanus, Kinderlähmung, Masern, Röteln, Mumps, Hepatitis B und Hib. Darüber hinaus besteht eine Impfpflicht für spezifische Gruppen oder Altersstufen gegen Pneumokokken, Tuberkulose, Hepatitis A und B. So müssen etwa Neugeborene von Hepatitis B-Positiven Müttern nicht erst im dritten Lebensmonat, sondern bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt gegen Hepatitis B geimpft werden. Impfungen ge- 49 Der Länderbericht der EFVV Slovakia führt hierzu allerdings aus, dass die Verweigerung der Impfung nicht in allen Gebieten der Slowakei bestraft wird. 50 EFVV Slovakia, https://www.efvv.eu/slovakia-2/. 51 Siehe EFVV Slovenia, https://www.efvv.eu/slovenia-2/, mit Hinweisen auf die Rechtsgrundlagen im „Infectious Diseases Law“, dem“ Inspection Act“ und dem „Administrative Procedure Act“, die weitere Geldbußen bei Zuwiderhandlungen gegen die Impfpflicht auferlegen. 52 Vgl. hierzu: Rawls Fine, Ariana/ Loe Fisher, Barbara, European Countries Move to Expand, Enforce Vaccine Mandates, 6. Februar 2018, veröffentlicht vom National Vaccine Information (gemeinnützige Organisation mit Sitz in Virginia, USA), https://thevaccinereaction.org/2018/02/european-countries-move-to-expand-enforcevaccine -mandates/. 53 EFVV Slovakia, https://www.efvv.eu/slovakia-2/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 14 gen Pneumokokken sind vorgesehen für Menschen, die auf Langzeitkrankenstationen oder in Altenpflegeheimen untergebracht sind, sowie für Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen für Menschen.54. Nach Informationen des EFVV berücksichtigt das tschechische Recht im Gegensatz zu den Rechtsordnungen in den meisten anderen Ländern, die Impfpflichten eingeführt haben, Ausnahmen auch im Hinblick auf die Religions- und Gewissensfreiheit. Dies gelte seit einer Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichtshofs vom Januar 2016. Das Gericht habe hervorgehoben : „it is always necessary to assess the strength of the parent’s belief as well as the constitutions dimension and urgency of the reasons and the social impact of their decision.“Nicht davon erfasst würden allerdings Gründe wie die Frage nach dem Nutzen einer Impfung55. Kinderbetreungseinrichtungen und Vorschulen dürfen ungeimpfte Kinder nicht aufnehmen. Im Falle der Zuwiderhandlung können Geldbußen bzw. –strafen bis zu einer Höhe von 18.500 Euro pro Kin verhängt werden56 3.12. Ungarn Nach Informationen der EFVV sind in Ungarn, soweit erkennbar, elf Impfungen verpflichtend. Ausnahmen, selbst im Hinblick auf medizinische Gründe, gibt es offensichtlich nicht57. Eltern, die sich weigern, ihre Kinder impfen zu lassen, kann eine Geldbuße auferlegt werden. Offensichtlich wird von Impfverweigererm häufig versucht, die Zahlung dieser Geldbuße zu umgehen, indem sie die Ärzte dennoch um den nötigen Nachweis bitten oder aber, wenn sie – im Falle eines gerichtlichen Verfahrens – die ihnen auferlegte Geldbuße oder Geldstrafe nicht entrichten58. Ungarn gehört zu den Ländern mit einer besonders hohen Impfrate. Nach Angaben von UNICEF beträgt die Impfrate bei den meisten Impfungen 99 Prozent59. Im Februar 2019 wurde eine Studie veröffentlicht, die an ungarischen und deutschen Universitäten mit mehr als 2600 Medizinstudenten zur Keuchhusten-Impfung durchgeführt worden ist. Dabei sollten der jeweilige Impfstatus und auch die Frage der Impfakzeptanz untersucht werden. Im Ergebnis habe man feststellen können, dass die Untersuchten dem Thema Impfung grundsätzlich 54 European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Vaccine Scheduler, Czech Republic: Recommended vaccinations, 1. Januar 2018, abrufbar unter: https://vaccine-schedule.ecdc.europa .eu/Scheduler/ByCountry?SelectedCountryId=201&IncludeChildAgeGroup=true&IncludeAdultAge- Group=true&SelectedVersionId=81. 55 Siehe Frankova, Ruth, Court undermines Mandatory Czech Vaccination Regime, 21. Januar 2016, in: Czech Radio , https://www.radio.cz/en/section/curraffrs/court-undermines-mandatory-czech-vaccination-regime. 56 EFVV-Czech Republic, https://www.efvv.eu/cezch-2/. 57 Siehe EFVV-Hungary, https://www.efvv.eu/hungary-2-2/. 58 https://www.efvv.eu/hungary-2-2/. 59 Siehe https://data.unicef.org/wp-content/uploads/2018/03/SOWC-2017-statistical-tables.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 15 positiv gegenüberstehen. Mit Blick auf die dortige Impfpflicht sei die Impfquote bei den ungarischen Studenten höher60. 3.13. Zur beabsichtigten Gesetzgebung in Rumänien In dem Zeitraum vom 1. Dezember 2017 bis zum 30. November 2018 wurde für die EU-Mitgliedstaaten insgesamt von 12.790 Masernfällen berichtet, von denen 1.346 Fälle allein in Rumänien gemeldet wurden61. In den Medien wird darauf hingewiesen, dass die zuständigen Stellen die Bevölkerung mit den nötigen Impfungen nur unzureichend ausstatten könnten und dass Eltern zum Teil Freunde und Verwandte, die ins Ausland reisen, bäten, die nötigen Impfstoffe von dort mitzubringen . 34 Kinder seien im Jahr 2017 an den Folgen einer Masernerkrankung gestorben62. Anlässlich eines Berichts in der deutschen Presse über den Tod eines an Masern erkrankten Kindes in Rumänien im Jahr 2916 wird darüber hinaus betont, es fehle das nötige Vertrauen der Bevölkerung in das öffentliche Gesundheitswesen. Besonders problematisch sei die mangelnde Integration von Minderheiten wie den Roma in das nationale Gesundheitssystem63. Im Jahr 2017 hat die rumänische Regierung einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Impfpflicht ins Parlament eingebracht64. Dies hatte eine strittige öffentliche Debatte und zahlreiche Proteste zur Folge, insbesondere auf Grund der Sanktionen (bis zu 200 Euro), die der Gesetzentwurf für Eltern, die ihre Kinder entgegen der Impfpflicht nicht impfen lassen, vorsieht. Im Hinblick auf die Freiheitsrechte wird einerseits festgestellt, dass die Prävention vor übertragbaren Krankheiten künftig nur mit Hilfe einer Verpflichtung zur Impfung möglich sei, während für eine freie Entscheidung zur Impfung nur da Raum bestünde, wo es um nicht ansteckende Erkrankungen gehe und die öffentliche Gesundheit nicht gefährdet werde. Zum anderen sei wichtig, dass die zuständigen Stellen mit den Impfungen verantwortlich umgingen, die Patienten dürften nicht Opfer medizinischer Irrtümer werden und der Staat müsse alles dafür tun, mögliche Nebenwirkungen von Impfungen zu vermeiden65. 60 Böhme, Mandy/Voigt, Karen, u. a., Pertussis vaccination status and vaccine acceptance among medical students : multicenter study in Germany and Hungary, in: BMC Public Health 2019, veröffentlicht am 12. Februar 2019, https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-019-6516-8. 61 European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), Monthly measles and rubella monitoring report, January 2019, abrufbar unter: https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/monthly-measles-and-rubellamonitoring -report-january-2019. 62 Benezic, Dollores, Romania Argues About Compul Compulsory Vaccination, Civil liberties union for Europe, 9. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.liberties.eu/en/news/romania-debates-compulsery-vaccination/13871. 63 Siehe hierzu Coman, Octavian, Wie Rumänien im Kampf gegen Masern versagt, in: Süddeutsche Zeitung vom 1. Februar 2018, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/masernausbruch-wie-rumaenien-im-kampf-gegen-masern -versagt-1.3840233. 64 Chiriac, Marian, Romania Parents Face Fines for Refusing Child Vaccinations, in: BalkanInsight vom 3. August 2017, https://balkaninsight.com/2017/08/03/romania-pushes-parents-to-vaccinate-children-08-02-2017/. 65 Benezic, Dollores, Romania Argues About Compulsory Vaccination, Civil liberties union for Europe, 9. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.liberties.eu/en/news/romania-debates-compulsery-vaccination/13871. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 16 4. Zur Impfsituation in den USA, Kanada und Australien 4.1. USA In den USA gibt es zwar keine generelle Impfpflicht, in vielen Bundesstaaten sind Impfungen allerdings verpflichtend, um in der Schule oder in Kinderbetreuungseinrichtungen aufgenommen zu werden66. Anlässlich der jüngsten Masernausbrüche im Staat New York hat der Bürgermeister von New York, Bill de Blasio, Anfang April 2019 für Teile im Bezirk Brooklyn den Gesundheitsnotstand ausgerufen, die Impfung gegen Masern angeordnet und Ahndungen für den fehlenden Nachweis der Impfung vorgesehen67. Die Verweigerung der Impfung kann zu Geldbußen bzw. Geldstrafen bis zu 1000 US-Dollar oder zu Gefängnisstrafen führen68. Ausnahmen sind möglich, wenn bestimmte Allergien vorliegen oder sonstige medizinische Gründe der Impfung entgegenstehen . Offen ist bislang, ob Eltern, die religiöse Gründe geltend machen – dies gilt z. B. für jüdisch orthodoxe Bürger in Williamsburgh in Brooklyn – , eine entsprechende Ausnahme zugestanden wird. Vor dem Hintergrund der Masernausbrüche im Staat New York wird zur Zeit auch in den deutschen Medien wiederholt über die US-Impfpolitik berichtet. In einem Bericht auf zdf.de wird die jährliche Anzahl der Masernerkrankungen in den USA seit 2010 gelistet. Während im Jahr 2018 insgesamt, so das CDC, 372 Masernfälle69 registriert worden seien, seien dies allein in den ersten drei Monaten im Jahr 2019 bereits 314. Die US-Regierung sei eher impfkritisch eingestellt und verweise auf Fälle, bei denen gerade die Masern-Mumps-Röteln-Impfung zur Autismus-Erkrankung geführt habe. Dabei wird von der Verfasserin allerdings auch angemerkt, dass die entsprechende Veröffentlichung des Impfkritikers, auf den dieser (vermutete) Zusammenhang zurückzuführen sei, inzwischen zurückgezogen worden sei70. 4.2. Kanada In Kanada gibt es bestimmte Impfpflichten nur in den Provinzen Ontario und New Brunswick. Das Ministry for Health and Long-Term Care in Ontario benennt auf seiner Internetseite aktuell 66 Siehe hierzu: Centers for Disease Control and Prevention, State Vaccination Requirements, https://www.cdc.gov/vaccines/imz-managers/laws/state-reqs.html. 67 So der Bericht USA – Bürgermeister von New York führt Impfpflicht für Masern ein, in: MEDPRO.ch vom 10. April 2019, https://www.medpro.ch/de/news/usa-buergermeister-von-new-york-fuehrt-impfpflicht-gegen-masern -ein.html. 68 Siehe hierzu: NYC Mandatory Measles Vaccination Violates NY State Law, CHD Challenges Legality, in: Children ’s Health Defense, 10. April 2019, https://childrenshealthdefense.org/news/nyc-mandatory-measles-vaccination -violates-ny-state-law-chd-challenges-legality/# 69 Siehe hierzu die Anmerkung in Gliederungspunkt 1, Fußnote 2. 70 Bittner, Mirjam, Impfdebatte USA: Hunderte Masernfälle in diesem Jahr, in: zdf.de vom 27. März 2019, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/masern-impf-debatte-in-den-usa-100.html. , s. im Übrigen oben, Gliederungspunkt 1, Fußnote 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 17 neun Erkrankungen, gegen die eine Impfung erforderlich ist, damit Kinder in die Schule aufgenommen werden können71. Die gleichen Impfungen sind auch in New Brunswick für den Schuleintritt verpflichtend72. Eltern, die medizinische oder ideologische Gründe geltend machen, können eine Impfung verweigern. Im Falle akuter Ausbrüche von ansteckenden Krankheiten können Schüler, die nicht geimpft sind, vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. In Kanada wird derzeit – wie bei uns in Deutschland – diskutiert, ob etwa im ganzen Land eine Impfpflicht für Schüler eingeführt werden sollte. In der Presse wird über eine kürzlich durchgeführte Umfrage berichtet, die ergeben habe, dass 88 Prozent der Kanadier eine Impfpflicht beim Schuleintritt befürworten würden. 43 Prozent der Befragten hätten erklärt, dass sie ihre Kinder zuhause lassen würden, wenn sie feststellen müssten, dass ein ungeimpftes Kind in der gleichen Klasse sei. Zwei Drittel der Befragten hätten sich für eine entsprechende gesetzliche Regelung ausgesprochen. Die große Bedeutung, die die Befragten der Impfpflicht beimessen, steht offenbar u. a. im Zusammenhang mit einem Masernausbruch in Vancouver/British Columbia, der sich dort kürzlich, so der Bericht, an einigen Schulen mit niedrigen Impfraten ereignet hat. Die Regierung von British Columbia hat im Februar dieses Jahres angekündigt, ebenfalls eine Impfpflicht für Schüler einzuführen73. 4.3. Australien Bis 2015 gab es für Eltern, die entsprechend der Impfempfehlungen für die Impfung ihrer Kinder regelmäßig Sorge getragen hatten, als Anreiz steuerfreie Zuwendungen in Höhe von 129 Austr. Dollar pro Kind74. Seit Januar 2016 sind in Australien eine Reihe von Impfungen verpflichtend (sog. „No Jab, No Pay-legislation“). Um eine möglichst hohe Impfrate zu erreichen, wurde Eltern, deren Kinder nicht geimpft waren, am Jahresende der steuerliche Familienzuschuss (bis zu 737 Austr. Dollar) gestrichen75. 71 Ontario, Ministry for Health and Long-Term Care, Immuniziation, http://www.health.gov.on.ca/en/pro/programs /immunization/ispa.aspx, siehe auch https://www.ontario.ca/laws/statute/90i01. 72 Policy 2.9, Stand: April 2016, https://www2.gnb.ca/content/dam/gnb/Departments/h-s/pdf/en/CDC/HealthProfessionals /NBIPG-policy_2-9-e.pdf. 73 Siehe hierzu den Bericht von Young, Leslie, 9 in 10 Canadians believe vaccines should be mandatory for schools: Ipsos toll, in: Global News, 3. April 2019, https://globalnews.ca/news/5117520/mandatory-vaccinationipsos -poll/. 74 So die Ausführungen bei Haller, Sonja, Australian parents who don’t vaccinate will be fined as a „constant reminder “ they should, in: USA today, 10. Juli 2018, https://eu.usatoday.com/story/life/allthemoms /2018/07/10/australia-fines-parents-not-vaccinating-kids/769183002/. 75 Haller, Sonja, Australian parents who don’t vaccinate will be fined as a „constant reminder“ they should, in: USA today, 10. Juli 2018, https://eu.usatoday.com/story/life/allthemoms/2018/07/10/australia-fines-parentsnot -vaccinating-kids/769183002/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 021/19 Seite 18 Zum 1. Juli 2018 wurden die Regelungen zur Impfpflicht noch einmal verschärft: Nunmehr wird die Verweigerung der Impfung mit einer wiederholten Kürzung der Steuervergünstigung für Familien geahndet, der Family Tax Benefit wird alle 14 Tage um 28 Austr. Dollar gekürzt. Der australische Sozialminister Dan Tehan begründet die Neuregelung damit, dass Eltern auf diese Weise kontinuierlich daran erinnert würden, die Immunisierung ihrer Kinder „up to date“ zu halten. Einige Bundesstaaten haben die nationalen Regelungen darüber hinaus verschärft, zum Teil regelmäßig , zum Teil im Fall von akuten Ausbruchsfällen76. Im März 2019 wurden Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die sich mit der Frage befasst hat, wie stark die Bevölkerung von Äußerungen von Politikern und Gesundheitsexperten zum Thema Impfen beeinflusst werden77. An der Studie beteiligten sich n mehr als 400 australische Eltern. Mehr als 75 Prozent stünden Impfungen grundsätzlich positiv gegenüber, ließen sich aber leicht von öffentlichen Äußerungen zum Thema Impfen beeinflussen. Dies zeige, dass es wichtig sei, gerade bei der Informationspolitik nicht nur diejenigen in den Blick zu nehmen, die Impfungen verweigerten sondern vor allem auch die sog. „silent majority“, die Impfungen grundsätzlich akzeptieren würden. *** 76 Haller, Sonja, Australian parents who don’t vaccinate will be fined as a „constant reminder“ they should, https://eu.usatoday.com/story/life/allthemoms/2018/07/10/australia-fines-parents-not-vaccinatingkids /769183002/. 77 UNSW Media, Australian parents susceptible to anti-vaccination messaging from politicians, 20. März 2019, https://newsroom.unsw.edu.au/news/health/australian-parents-susceptible-anti-vaccination-messaging-politicians .