© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 021/17 Dolmetscher im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung Anspruch und Kostenübernahme Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 2 Dolmetscher im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung Anspruch und Kostenübernahme Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 021/17 Abschluss der Arbeit: 4. Mai 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Einschaltung eines Dolmetschers 4 3. Zur Frage der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung 5 3.1. Ambulante Behandlung 5 3.2. Stationäre Behandlung 6 4. Initiativen zur Übernahme von Dolmetscherkosten für gesetzlich Versicherte 6 5. Zur Frage der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung nach weiteren Gesetzen 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 4 1. Einleitung Bei der ärztlichen Behandlung von Patienten, die sich nicht in deutscher Sprache verständigen können, treten oftmals Sprachbarrieren auf. Zwar wächst – besonders in den Großstädten – die Anzahl der Ärzte und Psychotherapeuten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist bzw. die gute Sprachkenntnisse aufweisen. Aus diesem Grund bieten Berufsverbände und Kassenärztliche Vereinigungen Suchportale1 an, die auch die Sprachkenntnisse des Arztes bzw. Psychotherapeuten als Auswahlkriterium benennen. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob bei Verständigungsschwierigkeiten ein Anspruch auf Einbeziehung eines Dolmetschers besteht und wer die entsprechenden Kosten zu tragen hat. 2. Einschaltung eines Dolmetschers Gem. § 630e Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs2 (BGB) ist der Arzt verpflichtet, den Patienten im Vorfeld der Behandlung umfassend über Art, Umfang und Risiken der Behandlung aufzuklären . Das persönlich zu führende Aufklärungsgespräch muss nach § 630e Absatz 2 Nr. 3 BGB für den Patienten verständlich sein. Demzufolge gehört die sprachlich korrekte Übermittlung des Aufklärungsgesprächs zum Verantwortungsbereich des Arztes. Fehlen dem Patienten die Sprachkenntnisse , kann der Arzt keine ordnungsgemäße Aufklärung seines Patienten gewährleisten. Daher obliegt es dem Arzt, einen geeigneten Dolmetscher hinzuzuziehen3. Dabei ist nicht zwingend ein professioneller Dolmetscher zu beteiligen. Ausreichend ist es, wenn auf sonstige Weise sichergestellt werden kann, dass der Patient die Informationen verstanden hat, in dem z. B. eine Krankenschwester, ein Angehöriger oder ein Mitpatient übersetzen konnte4. Mit der Verpflichtung des Arztes, einen ggf. professionellen Dolmetscher zu beteiligen, stellt sich die Frage, wer die Kosten zu tragen hat. 1 Vgl. z. B. Arztsuche bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, abrufbar unter: https://www.kvberlin .de/60arztsuche/detailsuche.html (Stand: 3. Mai 2017). 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258) geändert worden ist. 3 Spickhoff in: Spickhoff Medizinrecht, 2014, 275 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Sammelkommentierung, Rn. 24; vgl. auch Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung , Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 15. August 2012, BT-Drs. 17/10488, S. 25, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710488.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 4 Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 630e, Rn. 47. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 5 3. Zur Frage der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung 3.1. Ambulante Behandlung In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung5 (SGB V) geregelt ist, ist eine Rechtsgrundlage für die Übernahme von Dolmetscherkosten nicht vorgesehen. Bereits 1995 entschied dazu das Bundessozialgericht (BSG), die Dolmetscherleistung „ist nicht Teil der ärztlichen Behandlung, weil der Arzt sie aufgrund seines ärztlichen Fachwissens weder leiten noch kontrollieren und somit auch nicht verantworten kann.“6 Versicherte haben danach bei einer ambulanten Behandlung keinen Anspruch auf Übernahme der Dolmetscherkosten gegenüber den Krankenkassen. Das Gericht verneint ferner ausdrücklich eine Gesetzeslücke, da der Ausschluss der Übernahme von Dolmetscherkosten dem Gesetzgeber durchaus bewusst sei. Streitgegenstand war die Kostenübernahme für einen zu einer ambulanten Untersuchung hinzugezogenen Gebärdendolmetscher7. In einem Beschluss aus dem Jahr 20068 bekräftigte das BSG, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers im Rahmen einer ambulanten Krankenbehandlung nicht zum Leistungsumfang einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung gehöre und daher nicht vom Leistungsanspruch in der GKV umfasst sei. Auch die Literatur teilt diese Auffassung9. In Ergänzung dazu führt der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten10 (Patientenrechtegesetz ) aus dem Jahr 2012 in der Begründung aus: „Bei Patienten, die nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Behandelnden der deutschen Sprache nicht hinreichend 5 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. April 2017 (BGBl. I S. 778) geändert worden ist. 6 Urteil des BSG vom 10. Mai 1995 – 1 RK 20/94, abrufbar unter: https://www.jurion.de/urteile/bsg/1995-05-10/1- rk-20_94/ (Stand: 3. Mai 2017); bestätigt in einem weiteren Urteil des BSG vom 20. Mai 2003, B 1 KR 23/01 R, abrufbar unter: https://www.jurion.de/urteile/bsg/2003-05-20/b-1-kr-23_01-r/ (Stand: 3. Mai 2017). 7 Zur heutigen Rechtslage bei Gebärdendolmetschern: Gemäß § 17 Absatz 2 Satz 1 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) haben hörbehinderte Menschen das Recht, bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen die Gebärdensprache zu verwenden. Die erforderlichen Kosten sind nach § 17 Absatz 2 Satz 2 SGB I vom zuständigen Sozialleistungsträger, hier also der Krankenkasse, zu übernehmen. Vgl. hierzu auch Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 630e, Rn. 48. 8 Beschluss des BSG vom 19. Juli 2006 – B 6 KA 33/05 B, abrufbar unter: https://www.rechtsportal.de/Rechtsprechung /Rechtsprechung/2006/BSG/Ausreichende-zweckmaessige-und-wirtschaftliche-Versorgung-zur-Sicherstellung -der-vertragsaerztlichen-bzw-psychotherapeutischen-Versorgung (Stand: 3. Mai 2017). 9 Katzenmeier in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 7. Auflage 2015, V. Aufklärungspflicht und Einwilligung Rn. 56; Schreiber in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Auflage 2017, § 630e Rn. 5. 10 Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 15. August 2012, BT-Drs. 17/10488, S. 25, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710488.pdf (Stand: 3. Mai 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 6 mächtig sind, hat die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen, die der Patient versteht. Erforderlichenfalls ist eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher auf Kosten des Patienten hinzuzuziehen .“ So obliegt es dem Patienten, im Rahmen einer ambulanten Behandlung die Kosten für einen Dolmetscher zu tragen. 3.2. Stationäre Behandlung Während in der juristischen Literatur einerseits vertreten wird, dass die Dolmetscherkosten sowohl bei ambulanter als auch bei stationärer Behandlung vom Patienten selbst zu tragen seien11, wird andererseits bei einer Krankenhausbehandlung davon ausgegangen, dass die Dolmetscherkosten zu den allgemeinen Krankenhausleistungen im Sinn des § 2 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen12 (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG) gehören und vom Krankenhausträger zu übernehmen seien13. Ergänzend wird § 39 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit den §§ 108, 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V herangezogen, wonach jedes zugelassene Krankenhaus verpflichtet ist, alle Leistungen zu erbringen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung des Versicherten notwendig sind. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Krankenhäuser grundsätzlich keine Pflicht zur Übernahme der Dolmetscherkosten sehen14. 4. Initiativen zur Übernahme von Dolmetscherkosten für gesetzlich Versicherte Es ist nicht erkennbar, dass das Fehlen einer Kostenübernahmepflicht durch die Krankenkassen in Bezug auf Dolmetscherkosten gegen EU-Recht verstößt. Die EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit15 enthält in Artikel 76 Absatz 7 lediglich die Regelung, dass Schriftstücke von Behörden, Trägern und Gerichten nicht deshalb zurückgewiesen werden dürfen , weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaats abgefasst sind. Ungeachtet dessen werden nachfolgend Initiativen genannt, die zum Ziel hatten bzw. haben, dass die Dolmetscherkosten für gesetzlich Versicherte übernommen werden: 11 Spickhoff in: Spickhoff Medizinrecht, 2014, 275 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, Sammelkommentierung, Rn. 24. 12 Krankenhausentgeltgesetz vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2986) geändert worden ist. 13 Rehborn/Gescher in: Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 630e BGB, Rn. 32 sowie Schreiben des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 15. Juli 2004 an den Flüchtlingsrat Berlin, abrufbar unter: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/BMGS_Dolmetscher_Krhs.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 14 Deutsche Krankenhausgesellschaft, Hinweise zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhäusern, November 2015, S. 12, abrufbar unter: http://www.dkgev.de/media/file/22105.RS463- 2015_Anlage_Gesundheitsversorgung_von_Fluechtlingen_und_Asylsuchenden.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 15 Verordnung (EG) zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=CONSLEG:2004R0883:20130108:DE:HTML (Stand: 3. Mai 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 7 Ein in den Deutschen Bundestag im September 2015 eingebrachter Antrag - Psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen verbessern 16 - forderte eine Änderung des SGB V, mit der die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet werden, die Kosten für qualifizierte Sprachmittlung im Rahmen medizinischer und psychotherapeutischer Behandlungen zu übernehmen. Der Antrag ist am 20. Oktober 2016 abgelehnt worden17, da die Beitragszahler der falsche Adressat für die Finanzierung der Dolmetscher seien. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei vielmehr aus Steuermitteln zu finanzieren. Der aus dem Jahr 2016 stammende Referentenentwurf für ein Gesetz zur Integration von Asylsuchenden beinhaltete die Übernahme von Dolmetscherkosten zu Lasten der zuständigen Sozialleistungsträger und damit auch der gesetzlichen Krankenkassen, sofern Berechtigte sich seit weniger als drei Jahren in Deutschland aufhalten (vgl. § 17 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil18 (SGB I) sowie § 19 Zehntes Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz19 (SGB X) des Referentenentwurfs20). Von einer solchen Änderung wurde jedoch bereits im Kabinettbeschluss Abstand genommen 21. Begründet wurde dies damit, dass die Thematik in den verschiedenen Zweigen der sozialen Sicherung eine sehr unterschiedliche Relevanz habe22. 16 Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Luise Amtsberg u. a. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, Psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen verbessern, BT-Drs. 18/6067 vom 23. September 2015, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/060/1806067.pdf (Stand: 21. Dezember 2016). 17 Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drs. 18/9933, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/099/1809933.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 18 Das Erste Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist. 19 Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das durch Artikel 166 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist. 20 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur Integration von Asylsuchenden in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, (Integrationsgesetz – IntG), 14. April 2016, S. 6 und 7, abrufbar unter: http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2016/2016-04-14_BMAS_Referentenentwurf _%20Integrationsgesetz.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 21 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Integrationsgesetzes vom 20. Juni 2016, Drs. 18/8829, abrufbar unter: (Stand: 3. Mai 2016), abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/088/1808829.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 22 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Luise Amtsberg, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Verbesserungen der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung von Geflüchteten zur Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie , Drs. 18/8499, S. 21, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/090/1809009.pdf (Stand: 3. Mai 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 8 Da das SGB V keine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Übernahme von Dolmetscherkosten enthält, legte die Hamburger Bürgerschaft im November 2016 einen Dolmetscherfonds für ambulante Psychotherapien auf23. Der 119. Deutsche Ärztetag forderte 2016, Dolmetscherkosten als notwendige Behandlungskosten anzuerkennen und im SGB V zu verankern24. 5. Zur Frage der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung nach weiteren Gesetzen Für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz25 (AsylbLG) in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts26 gehören im Einzelfall zu den Leistungen bei Krankheit nach den §§ 4 und 6 AsylbLG nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) 23 Danach wird ein Dolmetscherpool für die psychotherapeutische Behandlung traumatisierter geflüchteter Menschen in Hamburg eingerichtet und mit 200.000 Euro ausgestattet, siehe hierzu den Antrag der SPD und Bündnis 90/Die Grünen Fraktionen, abrufbar unter: http://www.gruene-fraktion-hamburg.de/sites/default/files/dokument /antrag_integrationsfonds_dolmetscherpool.pdf (Stand: 3. Mai 2017), die Presseerklärungen, abrufbar unter : http://www.spd-fraktion-hamburg.de/presse/pressemitteilungen/b/rot-gruene-initiative-zum-integrationsfonds -dolmetscherpool-zur-behandlung-von-psychisch-erkrankten.html (Stand: 3. Mai 2017) bzw. http://www.gruene-fraktion-hamburg.de/gesundheit-senioren/20-10-2016/dolmetscherpool-zur-behandlungvon -psychisch-erkrankten-gefluechteten (Stand: 3. Mai 2017) sowie Seelische Gesundheit, Migration und Flucht e. V., abrufbar über: http://www.segemi.org/aktion.html (21. Mai 2017). 24 119. Deutscher Ärztetag 2016, Beschlussprotokoll, Entschließung Dolmetscher, S. 23, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/119.DAET/119DAETBeschlussprotokoll 20160603.pdf (Stand: 3. Mai 2017); 118. Deutscher Ärztetag 2015, 25 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 20 Absatz 6 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist. 26 Zu den Berechtigten nach dem AsylbLG gehören u. a. Asylbegehrende, Geduldete und vollziehbar Ausreisepflichtige , vgl. § 1 AsylbLG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 021/17 Seite 9 auch die Dolmetscherkosten, wenn ohne Dolmetscher „die erforderliche sprachliche Verständigung und somit eine Behandlung nicht möglich ist“27. Im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage im Jahr 2014 bestätigte die Bundesregierung dies28. Für den Fall der ambulanten Behandlung - jedenfalls für im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie29 besonders schutzbedürftige Personen – wird dies z. B. im Land Berlin so in der Praxis umgesetzt30. Für den Fall einer psychotherapeutischen Behandlung wird ebenso betont, dass die Dolmetscherkosten vom AsylbLG-Träger zu übernehmen sind31. Im Gesetz ausdrücklich geregelt ist die Übernahme von Dolmetscherkosten nicht. Für Personen, die bereits über 15 Monate hinaus Leistungen nach dem AsylbLG erhalten32 (vgl. § 2 AsylbLG) sowie für Personen, die im Rahmen des SGB XII leistungsberechtigt sind (Sozialhilfeempfänger ; z. B. anerkannte Flüchtlinge, die die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht haben), kommt im Einzelfall eine Übernahme der Dolmetscherkosten auf der Grundlage des SGB XII in Betracht33. Mit Bezug von Leistungen nach dem SGB II (z. B. anerkannte erwerbsfähige Flüchtlinge ) werden die Leistungsberechtigten jedoch gesetzlich versichert. Eine Möglichkeit der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen des SGB V ist, wie oben ausgeführt, nicht vorgesehen. *** 27 Schreiben des BMAS vom 21. Februar 2011 an die Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e. V, abrufbar unter: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/reader_krankenhilfe _asylblg_sgb12.pdf (S. 69, 70; Stand: 3. Mai 2017). 28 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Dr. Wolfgang Strengmann -Kuhn, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 18/1934, Gesundheitliche Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Drs. 18/2184, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/021/1802184.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 29 Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (EU-Aufnahmerichtlinie), abrufbar unter: https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/public/Reception-DE.pdf (Stand: 3. Mai 2017). 30 Berliner Rundschreiben Soz Nr. 02/2015 über Leistungen nach § 6 Abs. 1 AsylbLG im Lichte der EU-Richtlinie 2013/33/EU des Rates (Mindestnormen für die Aufnahme) vom 30. Januar 2015, abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/land/rdschr/2015_02.html (Stand: 3. Mai 2017). 31 Deibel in Gemeinschaftskommentar-AsylbLG, 2014, § 6 Rn. 180. 32 Voraussetzung nach § 2 AsylbLG ist weiterhin, dass die Berechtigten ihren Aufenthalt nicht selbst rechtsmissbräuchlich verursacht haben. 33 Als Anspruchsgrundlage kommt § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) in Betracht, vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 1996, abrufbar unter: https://www.jurion.de/urteile/bverwg/1996-01- 25/5-c-20_95/ (Stand: 3. Mai 2017). Danach sind die Kosten für einen Dolmetscher der Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzuordnen. Ausgeschöpft werden müsse aber zunächst die Möglichkeit einer unentgeltlichen Sprachvermittlung durch Verwandte und Freunde.