© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 020/19 Kostenbeiträge für stationäre und teilstationäre Leistungen im Kinder- und Jugendhilferecht Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/19 Seite 2 Kostenbeiträge für stationäre und teilstationäre Leistungen im Kinder- und Jugendhilferecht Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 020/19 Abschluss der Arbeit: 21. März 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Aktuelle Literatur zum Kostenbeitragsrecht in der Kinderund Jugendhilfe 5 3. Urteile zur Verfassungsmäßigkeit von § 92 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch 5 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/19 Seite 4 1. Einleitung Die gesetzlichen Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe bieten ein breites Spektrum an Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche. Für eine Reihe von Leistungen sieht das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Kostenbeteiligungen vor. Zu den ambulanten Leistungen, für die Kostenbeiträge erhoben werden können (§ 90 SGB VIII), gehört etwa die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege. Zu den stationären und teilstationären Leistungen gehören beispielsweise die Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform, die Betreuung von Kindern in Notsituationen, Hilfen zur Erziehung in Vollzeitpflege, in einem Heim oder anderen betreuten Wohnformen oder die Eingliederungshilfe seelisch behinderter Kinder und Jugendlicher in Tageseinrichtungen und anderen teilstationären Einrichtungen. Für alle in § 91 SGB VIII genannten stationären und teilstationären Leistungen sowie vorläufigen Maßnahmen sehen die §§ 91-94 SGB VIII1 Kostenbeteiligungen der Leistungsberechtigten vor. Nach § 92 SGB VIII werden die jungen Menschen selbst, ihre Ehe- bzw. Lebenspartner und ihre Eltern zu Kostenbeiträgen herangezogen. Die Eltern sind nach dem Gesetzeswortlaut zwar erst an dritter Stelle zu beteiligen, sie sind damit aber auch dann in der Pflicht, wenn der vorrangig Haftende nicht die vollen Kosten ausgleichen kann. Die Regelungen der §§ 91-94 SGB VIII zur Kostenbeteiligung der Eltern haben in der Vergangenheit häufig zu Diskussionen und auch gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Erst seit 2005 werden nach § 92 Abs. 2 Hs. 2 SGB VIII beide Elternteile getrennt zur Kostentragung herangezogen . Nach alter Rechtslage waren dagegen nur getrennt lebende Eltern auch getrennt herangezogen worden, zusammenlebende Eltern dagegen durch eine gesamtschuldnerische Heranziehung. Dabei blieb unberücksichtigt, dass zusammenlebende Eltern aufgrund der gemeinsamen Haushaltsführung in der Regel gegenüber getrennten Eltern finanziell im Vorteilwaren. So waren Eltern mit vergleichbarem Einkommen unterschiedlich belastet; die Belastung getrennt lebender Eltern fiel zum Teil deutlich höher aus. Diese Ungleichbehandlung getrennt lebender Eltern hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung im Zuge des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) 2005 beenden wollen und dabei in § 92 Abs. 2 Hs 2 SGB VIII bestimmt, dass Elternteile – auch wenn sie zusammenleben – jeweils durch gesonderte Leistungsbescheide getrennt zum Kostenbeitrag heranzuziehen sind. Auftragsgemäß wird hier der Frage nachgegangen, ob durch die neue Rechtslage nunmehr zusammenlebende Eltern schlechter gestellt seien als getrennt lebende und ob hier eine erneute Ungleichbehandlung vorliege, die nicht nur dem Gleichheitsgebot von Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) 2 widerspreche, sondern auch dem Gebot des Schutzes von Ehe und Familie nach Artikel 6 GG. Die Gerichte, die mit dieser Frage befasst worden sind, haben - bisher jedenfalls - in der geltenden Regelung keine Verfassungswidrigkeit gesehen. Diese Dokumentation bietet eine Zusammenstellung aktueller Beiträge, die die geltende Rechtslage erläutern, sowie Links zu den einschlägigen Urteilen zu dieser Frage. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2696). 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/19 Seite 5 2. Aktuelle Literatur zum Kostenbeitragsrecht in der Kinder- und Jugendhilfe Schellhorn, Walter, Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe und Unterhaltsrecht, in: FuR 2006 Ausgabe 11 S. 491 – 496. Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz -KICK) vom 8. 9. 2005 (BGBl. I S. 2729) wurde durch eine Reihe von Änderungen im SGB VIII die Heranziehung unterhaltspflichtiger Personen zu den Kosten der öffentlichen Jugendhilfe mit Wirkung vom 1. 10. 2005 neu geregelt. Der Artikel gibt einen Überblick über diese Änderunge, zeigt den Kreis der heranzuziehenden Personen auf und erklärt insbesondere die Rückwirkung auf die Unterhaltspflicht. Krekeler, Michael, Kostenbeitrag der Eltern bei Fremdunterbringung des Kindes nach dem SGB VIII, in: Familie und Recht (FuR) 2016 Ausgabe 4 S. 216 – 219. Dieser Beitrag beschreibt die Grundlagen und Verfahrensfragen der Kostenbeteiligung der Eltern im Rahmen der Hilfen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII). Insbesondere werden die Voraussetzungen für die Kostenbeteiligung erläutert. Häußler, Richard, Aktuelle jugendhilferechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts , in: Deutsche Verwaltungsblatt (DVBl) 2013 Ausgabe 16 S. 1001 – 1009. Dieser Artikel erläutert das Kostenbeitragsrecht anhand aktueller Rechtsprechung. Auf Seite 1003 des Artikels wird ein Beispielsfall zur plastischeren Darstellung der Kostenbeitragsermittlung geschildert . 3. Urteile zur Verfassungsmäßigkeit von § 92 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. Juni 2010 – 12 BV 09.2527, Rn 40-43. Die grundlegende Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 92 Abs. 2 Hs. 2 SGB VIII lieferte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 2010. Darin erklärte das Gericht , es sehe keinen Verstoß gegen Art. 6 GG, insbesondere nicht gegen das Verbot, Ehe und Familie im Bereich der staatlichen Gewährung von Leistungen zu benachteiligen. Zum einen knüpfe der Gesetzgeber in der Vorschrift des § 92 Abs. 2 Hs. 2 SGB VIII gerade nicht an die Unterscheidung Ehegatten/ Familienangehörige zu Ledigen/ Nichtfamilienangehörigen an; zum anderen könnten keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen aus Art. 6 GG hergeleitet werden. Auch Art. 3 GG werde nicht verletzt. Es liege im erweiterten Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber im Sozialleistungsrecht zustehe, bei der Erhebung von Kostenbeiträgen nach §§ 91 ff. SGB VIII die gesamtschuldnerische Heranziehung oder die getrennte Heranziehung auch zusammenlebender Elternteile zu wählen, solange sich hieraus ergebende unzumutbare Beeinträchtigungen ausgeschlossen seien. Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum jedenfalls dann nichtüberschritten, wenn eine Ungleichbehandlung, die eine verfassungsrechtlich geschützte Position verletzen würde, wie hier durch Härtefallregelungen ausgeschlossen werden könne. In der Begründung zur Kostenbeitragsverordnung vom 23. August 2005 (BR-Drs. 648/05) sei ausgeführt, dass die nach altem Recht zum Teil erheblichen Unterschiede in der Belastung, die mitunter Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/19 Seite 6 willkürlich erschienen, nun durch die Harmonisierung bei der Heranziehung beseitigt worden seien. Denn zusammenlebende Eltern seien aufgrund dieser Lebenssituation und der gemeinsamen Haushaltsführung in der Regel finanziell im Vorteil gegenüber getrennten Eltern gewesen, die jeweils einen eigenen Haushalt führen müssten. Die Angleichung belaste zusammenlebende Eltern zwar stärker als bisher; damit werde jedoch nur eine nicht gerechtfertigte Privilegierung zurückgenommen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Geltung verschafft. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 05. Dezember 2011 – 12 ZB 11.1341, Rn 24. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte ein Jahr später seine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des § 92 Abs. 2 Hs. 2 SGB VIII in einem Beschluss vom 05.12.2011. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2014 - 12 ZB 12.2509, Rn 25. In einem weiteren Beschluss vom 22. Mai 2014 bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sein Urteil von 2010 erneut und erklärte, er halte bei der Betrachtung der vom Klägerbevollmächtigten behaupteten Verfassungswidrigkeit der getrennten Heranziehung beider Elternteile zum jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 2 2. Hs. SGB VIII an seiner bekannten Rechtsprechung fest. ***