© 2018 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 020/18 Mögliche Risiken für Stammzellspender Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/18 Seite 2 Mögliche Risiken für Stammzellspender Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 020/18 Abschluss der Arbeit: 4. April 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Beiträge und Studien zu möglichen Risiken für Stammzellspender 5 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/18 Seite 4 1. Einleitung Die Zahl der in Deutschland registrierten potentiellen Stammzellspender steigt kontinuierlich. 2006 waren beim Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD), wo die Daten aller Stammzellspenderdateien zusammengeführt werden, knapp unter drei Millionen potentielle Spender registriert. Bis zum Jahr 2016 hat sich die Zahl mit über sieben Millionen Registrierten bereits mehr als verdoppelt.1 Nur ein geringer Teil der als potentieller Spender registrierten Personen spendet jedoch tatsächlich. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von zehn Jahren nach der Registrierung zur Spende aufgefordert zu werden, beträgt nur 1,5 Prozent.2 Dies beruht auf der Tatsache, dass eine Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger bei nicht bestehendem Verwandtschaftsverhältnis nur in seltenen Fällen vorliegt. Die Entwicklung der Transplantationszahlen von 2006 bis 2016 ist nachzulesen im Jahresbericht 2016 des Deutschen Registers für Stammzelltransplantationen (DRST), S. 13 ff., abrufbar unter http://www.drst.de/download/jb2016.pdf (Stand: 3. April 2018). Für die Stammzellspende stehen zwei verschiedene Verfahren zur Verfügung. Bei der Knochenmarkspende werden dem Spender unter Vollnarkose etwa 1 bis 1,5 Liter Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen. Das Knochenmark bildet sich in wenigen Wochen vollständig nach. Bei der heute wesentlich häufiger angewandten peripheren Blutstammzellentnahme wird dem Spender fünf Tage lang ein sogenannter Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (G-CSF) verabreicht. Dieser bewirkt, dass sich die Anzahl der Blutstammzellen erhöht und diese in den Blutkreislauf übergehen, wo sie ambulant entnommen werden können. Es bestehen verschiedene gesundheitliche Einschränkungen und Ausschlussgründe für Stammzellspenden , die im Wesentlichen denen für Blutspenden entsprechen.3 Aus diesem Grund findet vor einer potentiellen Spende eine Untersuchung des Spenders statt. Zudem wird ein Aufklärungsgespräch durchgeführt, da auch für gesunde Spender eine Spende nicht völlig risikofrei ist. Bei der Knochenmarkspende betrifft dies insbesondere das Narkoserisiko sowie typische Operationsnachwirkungen wie Wundschmerz und Hämatombildung. Bei der peripheren Blutstammzellentnahme können als Nebenwirkung der Behandlung mit G-CSF grippeähnliche Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen auftreten. Üblicherweise klingen diese unmittelbar nach der Spende wieder ab.4 Daneben werden in Wissenschaft und Literatur eine Reihe weiterer Risiken der Stammzellspende diskutiert. 1 Siehe https://www.zkrd.de/de/spenderzahlen (Stand: 3. April 2018). 2 Schmidt, Stammzellspende: Suche nach dem „genetischen Zwilling“, in: Deutsches Ärzteblatt 41/2005, S. A-2762 ff., abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de/archiv/48697/Stammzellspende-Suche-nach-dem-genetischen -Zwilling (Stand: 3. April 2018). 3 Siehe dazu https://www.zkrd.de/de/informationen_fuer_knochenmarkspender/ausschlusskriterien.php (Stand: 4. April 2018). 4 Siehe zum Ganzen https://www.zkrd.de/de/informationen_fuer_knochenmarkspender/ausschlusskriterien.php (Stand: 4. April 2018). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/18 Seite 5 2. Beiträge und Studien zu möglichen Risiken für Stammzellspender Wiesneth et al., Spendersicherheit bei der Mobilisation und Entnahme von peripheren Blutstammzellen , in: Hämotherapie 10/2007, S. 22 ff., abrufbar unter http://www.drk-haemotherapie .de/data/ausgabe_10/beitraege/spendersicherheit_bei_der_mobilisation_und_entnahme _10_07.pdf (Stand: 3. April 2018). Der Aufsatz enthält Informationen zu Sicherheitsstandards für die Stammzellspende und wertet Studien aus, die Nebenwirkungen und mögliche Spätfolgen von Spenden betreffen. Unter anderem wird auf mögliche Folgen einer Behandlung mit G-CSF eingegangen. Die meisten angeführten Studien seien zu dem Ergebnis gekommen, dass durch die Behandlung kein erhöhtes Risiko für hämatologische Erkrankungen bestehe. Allerdings sei in einer Studie festgestellt worden, dass in den Lymphozyten der mit G-SCF behandelten Spender epigenetische Veränderungen stattfanden , die in ähnlichem Maße bei chemotherapierten Krebspatienten beobachtet wurden. Halter et al., Severe events in donors after allogeneic hematopoietic stem cell donation, in: Haematologica 2009, S. 94 ff., abrufbar unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC2625420/ (Stand: 3. April 2018). Für die Studie wurden im Zeitraum von 1993 bis 2005 338 Transplantationsteams aus 35 zumeist europäischen Ländern befragt. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 51.024 Stammzelltransplantationen durchgeführt, davon 27.770 Knochenmarktransplantationen und 23.254 Transplantationen von peripheren Stammzellen. Es wurden fünf Todesfälle gemeldet, die innerhalb von 30 Tagen nach der Spende erfolgten, einer davon nach einer Knochenmarkspende, vier nach peripheren Stammzellspenden. Dies ergibt eine Quote von 0,98 Todesfällen je 10.000 Spenden. Die Todesfälle betrafen Männer im Alter von 27 bis 67 Jahren. Bei drei der Todesfälle ließ sich ein Zusammenhang zur Spende herstellen. Des Weiteren wurde von 37 „schwerwiegenden Zwischenfällen“ (severe adverse events) während oder nach der Spende berichtet, davon betrafen 12 Zwischenfälle Knochenmarkspender und 25 Zwischenfälle Spender von peripheren Blutstammzellen . So kam es etwa bei vier Spendern während oder kurz nach der Knochenmarkspende zu einem Herzstillstand. Bei den peripheren Stammzellspendern trat in fünf Fälle ein Milzriss auf. Die Zahl der hämatologischen Erkrankungen, die nach den Spenden festgestellt wurden, war im Vergleich zur Normalbevölkerung nicht signifikant verändert. Pulsipher et al., Adverse events among 2408 unrelated donors of peripheral blood stem cells: results of a prospective trial from the National Marrow Donor Program, in: Blood 2009, S. 3604 ff., abrufbar unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2668845/ (Stand: 3. April 2018). Für die Studie wurden 2408 Spender von peripheren Stammzellen zu ihrem Befinden nach der Spende befragt. Mehr als 70 Prozent der Befragten berichteten über Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Diese Symptome waren jedoch bei fast allen Spendern eine Woche nach der Spende wieder abgeklungen. 3,1 Prozent der Befragten klagten auch einen Monat nach der Spende noch über Müdigkeit. Bei 15 Spendern traten schwerwiegende Komplikationen auf, die eine stationäre Behandlung erforderten. Das Krebsrisiko war im Zeitraum von acht Jahren nach der Spende nicht erhöht. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 – 020/18 Seite 6 Confer et al., Serious complications following unrelated donor marrow collection: experiences of the national marrow donor program, in: Biology of Blood and Marrow Transplantation, 10/2004, S. 13 ff., abrufbar unter http://www.bbmt.org/article/S1083-8791(03)00577-9/pdf (Stand: 3. April 2018). Die Autoren untersuchten 9282 Knochenmarkspenden, die vom amerikanischen National Marrow Donation Program durchgeführt wurden. Dabei wurden in 125 Fällen (1,35 Prozent) schwerwiegende Komplikationen festgestellt. 55 Prozent davon betrafen Verletzungen von Gewebe, Knochen oder Nerven. 36 Prozent der Komplikationen traten aufgrund der Anästhesie auf. Bei 67 Spendern war die Regenerationsphase stark verlängert, von mehreren Monaten bis hin zu Jahren. Jansen, Die gerichtete allogene hämatopoetische Stammzellspende bei Kindern und Jugendlichen . Ein Vergleich von Stammzell- und Knochenmarkspendern, Dissertation 2009, abrufbar unter https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-15439/Druckfassung %20PDF%20A.pdf (Stand: 3. April 2018). Für die Dissertation wurden jeweils 16 Kinder und Jugendliche untersucht und befragt, die Knochenmark bzw. periphere Blutstammzellen an Verwandte gespendet hatten. Die Nachuntersuchungen fanden teilweise mehrere Monate oder Jahre nach der Spende statt. Es wurden keine Langzeitnebenwirkungen festgestellt, die im Zusammenhang mit der Spende standen. In der Dissertation lassen sich zudem Ergebnisse von weiteren Studien an Stammzellspendern finden. ***