© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 020/17 Zur Frage einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten Verfahren und möglicher Inhalt Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 2 Zur Frage einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten Verfahren und möglicher Inhalt Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 020/17 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zur Abrechnung physiotherapeutischer Behandlungen bei Privatpatienten und Selbstzahlern 4 2. Verfahrensfragen 5 2.1. Zur Gebührenordnung für Ärzte 5 2.2. Zu einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten 6 2.3. Vertragsgebührenordnung statt amtlicher Gebührenordnung 6 3. Inhaltliche Aspekte einer Gebührenordnung 7 3.1. Abweichende Vereinbarung 7 3.2. Vergütungen 8 3.3. Die sog. analoge Bewertung 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 4 1. Zur Abrechnung physiotherapeutischer Behandlungen bei Privatpatienten und Selbstzahlern Der Behandlungsvertrag zwischen Physiotherapeuten und Patienten unterfällt der Regelung des § 630a Bürgerliches Gesetzbuch1 (BGB), wonach der Physiotherapeut als Behandelnder zur therapeutischen Leistung und der Patient zur Zahlung der Vergütung verpflichtet wird2. Eine durch den Gesetzgeber festgelegte Gebührenordnung für Physiotherapeuten gibt es nicht. Damit richtet sich die Höhe der Vergütung für physiotherapeutische Behandlungen bei Privatpatienten und Selbstzahlern nach der jeweils individuell getroffenen Vereinbarung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so gilt nach § 612 Absatz 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Üblich ist eine Vergütung, die im gleichen Beruf an dem betreffenden Ort für eine entsprechende Arbeit gezahlt zu werden pflegt3. Zudem enthält die unverbindliche Gebührenübersicht für Therapeuten (GebüTh) im Bereich Physiotherapie Honorarsätze für entsprechende Leistungen4. Diese Übersicht wurde erstellt, weil es bislang keine anerkannte Gebührenübersicht gibt und Praxisinhaber deshalb immer wieder vor der Frage stehen, ob ihre Privatpreise nicht zu hoch gegriffen sind. Nach Darstellung des Herausgebers, der Buchner & Partner GmbH5, basieren die in der unverbindlichen Gebührenübersicht genannten Gebühren auf den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung von Therapiepraxen, aus Fachgutachten und Recherchen im Internet zum Beispiel über frei zugängliche Preislisten der Praxen6. Beispielhaft sei darüber hinaus die Abrechnung für Leistungen der Heilpraktiker genannt. Hier liegt ebenfalls keine verbindliche Gebührenordnung 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258) geändert worden ist. 2 Katzenmeier in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth (Hrsg.), 42. Edition 2016, § 630a Ran. 31; Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drs. 17/10488, S. 11 und 18, abrufbar unter: http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/104/1710488.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 3 Joussen in: Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), 43. Edition, 2017, § 612 BGB, Rn. 33; Edenfeld in: Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 612 Rn. 22. 4 Buchner Edition, GebüTh – Physiotherapie, Gebühreninformationen und – übersicht für Patienten, abrufbar unter: http://www.physiomedico.de/fileadmin/pdf/Gebueth_patienten_pt_2011.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 5 Die buchner Gruppe bietet eine Reihe von Leistungen zur Praxisorganisation an, vgl. https://www.buchner .de/ueber-buchner/wer-wir-sind/ (Stand: 12. Mai 2017). 6 Buchner Edition, Privatpreise und Therapie, abrufbar unter: https://www.privatpreise.de/therapeuten-service /privatpreise-therapie/gebueth/ (Stand: 12. Mai 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 5 vor. Ein von den sechs Heilpraktiker-Berufsverbänden7 herausgegebenes unverbindliches Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker (GebüH)8 dient in der Praxis als Orientierungshilfe für die Anerkennung der Vergütung durch Kostenträger wie private Krankenversicherungen9. Für die Erstellung des Gebührenverzeichnisses für Heilpraktiker wurde unter den in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Heilpraktikern eine Umfrage durchgeführt sowie die Höhe des durchschnittlich festgestellten Honorarrahmens ermittelt10. Auftragsgemäß wird nachfolgend der Frage nachgegangen, mit welchem Verfahren und wesentlichen Inhalt eine verbindliche Gebührenordnung für Physiotherapeuten geschaffen werden könnte. Dabei wird vergleichend die Gebührenordnung für Ärzte11 (GOÄ) herangezogen. 2. Verfahrensfragen 2.1. Zur Gebührenordnung für Ärzte Die GOÄ ist eine Rechtsverordnung, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen hat. Ermöglicht wird dies durch Artikel 80 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland12 (GG), der festlegt, dass u. a. die Bundesregierung durch Gesetz ermächtigt werden kann, Rechtsverordnungen zu erlassen. Artikel 80 GG enthält daneben weitere Anforderungen an die Ermächtigung und die entsprechende Rechtsverordnung. Ermächtigungsgrundlage für die GOÄ ist § 11 Bundesärzteordnung13 (BÄO). § 11 BÄO lautet: „Die Bundesregierung wird ermächtigt , durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für ärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die ärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.“ Die Zuständigkeit für den Bundesgesetzgeber zum Erlass ärztlicher Gebührenvorschriften ergibt sich aus Artikel 74 7 Bund Deutscher Heilpraktiker e. V., abrufbar unter: https://www.bdh-online.de/heilpraktiker/praxismanagement /abrechnung/gebuehrenverzeichnis/ (Stand: 12. Mai 2017). 8 Fachverband Deutscher Heilpraktiker, Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker, Stand 2002, abrufbar unter: http://www.heilpraktiker.org/files/seiteninhalt/inhaltsseiten/c_fuer_heilpraktiker/cf-fuer-mitglieder-intern/cf- 02-versicherungsfragen/cf-02-01-01-gebueh-85-2002-final.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 9 Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV), Themen Krankenversicherung, abrufbar unter: https://www.pkv.de/themen/krankenversicherung/so-funktioniert-die-pkv/darf-mein-versicherer-die-erstattungmeiner -behandlungkosten-ablehnen/ (Stand: 12. Mai 2017). 10 Fachverband Deutscher Heilpraktiker, Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker, Stand 2002, abrufbar unter: http://www.heilpraktiker.org/files/seiteninhalt/inhaltsseiten/c_fuer_heilpraktiker/cf-fuer-mitglieder-intern/cf- 02-versicherungsfragen/cf-02-01-01-gebueh-85-2002-final.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 11 Gebührenordnung für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl. I S. 210), die zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320) geändert worden ist. 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438) geändert worden ist. 13 Bundesärzteordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1218), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 6 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG (Wahrung der Wirtschaftseinheit liegt im gesamtstaatlichen Interesse und macht eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich)14. Die GOÄ ist als Grundlage für die Abrechnung ärztlicher Leistungen für Privatpatienten und Selbstzahler bindend15. Die von Artikel 12 Absatz 1 GG umfasste Berufsausübungsfreiheit des Arztes wird dadurch nicht verletzt, da die verbindliche Abrechnung nach der GOÄ anhand der Transparenz privatärztlicher Abrechnung einen Beitrag zum Verbraucherschutz leistet und damit einem vernünftigen Gemeinwohlgrund in geeigneter Weise dient16. 2.2. Zu einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten Um eine solche Rechtsverordnung erlassen zu können, bedarf es - wie im Falle der GOÄ - nach Artikel 80 GG einer Ermächtigungsgrundlage. Diese wäre von der Systematik her im Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie17 (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) z. B. als Abschnitt 4b - Gebührenordnung - vorstellbar. Adressat einer solchen Verordnungsermächtigung können nach Artikel 80 Absatz 1 Satz 1 GG die Bundesregierung oder ein Bundesministerium (in diesem Fall das Bundesministerium für Gesundheit - BMG) sein. Weiterhin müssen nach Artikel 80 Absatz 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Ausgehend von § 11 BÄO könnte die Ermächtigungsgrundlage beispielsweise lauten: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für die physiotherapeutische Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die physiotherapeutischen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Physiotherapeuten und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.“ Die Zuständigkeit für den Bundesgesetzgeber dürfte sich ebenfalls aus Artikel 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) ergeben. Ein Eingriff in das grundgesetzlich verankerte Recht der Berufsausübungsfreiheit der Physiotherapeuten dürfte aus den genannten Gründen der Transparenz und damit des Beitrages zum Verbraucherschutz zu rechtfertigen sein. 2.3. Vertragsgebührenordnung statt amtlicher Gebührenordnung Der Bundesrat hat im Rahmen seiner Zustimmung zur Vierten Verordnung zur Änderung der GOÄ im Jahr 1995 die Bundesregierung gebeten, „unter Einbeziehung der Länder, der Bundesärztekammer und des Verbandes der privaten Krankenversicherung zu prüfen, ob es sich empfiehlt, das derzeitig staatlich verordnete Gebührensystem durch ein Vergütungssystem (mit staatlicher 14 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 1984 – 1 BvR 1249/83; Spickhoff in: Medizinrecht, 2. Auflage 2014, GOÄ, Vorbemerkung, Rn. 2. 15 Kern in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 75 Die Zahlungspflicht des Patienten und das Arzthonorar, GOÄ und GOZ, Rn. 1; Rehborn, Patientenrechtegesetz 2013 – Behandlungsvertrag, Mitwirkung, Information, Einwilligung, Aufklärung in: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 2013, S. 497. 16 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Juni 2006 – III ZR 223/05 in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2006, S. 1879; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2004 – 1 BvR 1437/02 in: NJW 2005, S. 1036. 17 Masseur- und Physiotherapeutengesetz vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1084), das zuletzt durch Artikel 17d des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 7 Zwangsschlichtung) abzulösen, das gesamtvertraglich zwischen Leistungsanbieter- und Kostenerstattungsseite vereinbart wird“18. Hintergrund solcher Überlegungen sind eine flexiblere Verfahrensgestaltung durch zeitnahe Anpassungen. Zu bedenken gegeben wird allerdings auch, dass eine Vertragsgebührenordnung den Anschein erwecken könnte, dass sich die Beteiligten zu Lasten der Patienten geeinigt hätten19. Für ein vertragliches Gebührensystem für Physiotherapeuten würde dies bedeuten: Eine rechtliche Grundlage für ein zwischen den Bundesverbänden der Physiotherapeuten und des Verbands der privaten Krankenversicherung vertraglich ausgestaltetes Vergütungssystem wäre ebenso im MPhG denkbar. Ähnlich wie bei den Bewertungsausschüssen nach § 87 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung20 (SGB V), die das Gebührenverzeichnis für die Gesetzliche Krankenversicherung erstellen, wäre die Möglichkeit der Beanstandung der Beschlüsse sowie der Tätigung einer Ersatzvornahme bei Nichteinigung durch eine staatliche Stelle wie das BMG angemessen. 3. Inhaltliche Aspekte einer Gebührenordnung Im Folgenden werden einige wesentliche Punkte der GOÄ vorgestellt, die im Falle einer Entscheidung für eine amtliche und damit verbindliche Gebührenordnung für Physiotherapeuten mitbeachtet werden sollten, kurz erläutert. 3.1. Abweichende Vereinbarung Ziel einer Gebührenordnung wäre die in der Regel zwingende Bindung der Vertragsparteien an eine solche Gebührenordnung. In § 2 Absatz 1 Satz 1 GOÄ ist z. B. geregelt, dass eine abweichende Vereinbarung lediglich in der Höhe der Vergütung zugelassen ist. Es besteht damit nicht die Möglichkeit, die Anwendung der GOÄ zu umgehen. Honorarabreden sind damit nur in Bezug auf eine abweichende Vervielfachung des Gebührensatzes erlaubt. Deshalb kann lediglich ein bestimmter Steigerungssatz (über die in § 5 Absatz 1 Satz 1 GOÄ aufgeführten Steigerungssätze hinaus) vereinbart werden21. Dies ist nach § 2 Absatz 2 Satz 1 GOÄ auch nur nach persönlicher Absprache im Einzelfall in Schriftform vorgesehen. Entsprechende Regelungen wären in einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten denkbar. 18 Bundesrat, Empfehlungen der Ausschüsse, Vierte Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), BR-Drs. 688/95, S. 146. 19 PKV, Die private Krankenversicherung, Rechenschaftsbericht 1997, S. 47, abrufbar unter: http://www.pkv-verband .de/downloads/rb97.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 20 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. April 2017 (BGBl. I S. 778) geändert worden ist. 21 Dabei sind solche abweichenden Vereinbarungen betreffend die Vergütungshöhe bei Notfall- und akuten Schmerzbehandlungen, bei medizinisch-technischen Leistungen (vor allem beim Einsatz von Apparaten) sowie bei stationären Leistungen mit Ausnahme der wahlärztlichen Leistungen ausgeschlossen, vgl. § 2 Absatz 2 und 3 GOÄ. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 8 3.2. Vergütungen Als Vergütungen kämen wie bei der GOÄ Gebühren, Entschädigungen und Ersatz von Auslagen in Betracht. Als Entschädigungen wären das Wegegeld und die Reiseentschädigung bei Besuchen des Patienten zu nennen. Als Auslagen könnten im Falle der Physiotherapeuten festzulegende Sachkosten verstanden werden. Gebühren wären die in einem anliegenden Verzeichnis genannten einzelnen Leistungen. Dabei wären die einzelnen Leistungen einschließlich der Zuordnung zu einer Nummer zu nennen. Beispielhaft für die Nennung der Leistungen sei hier die Übersicht der beihilfefähigen Höchstbeträge für Heilmittel nach § 23 Absatz 1 Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen22 (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) sowie die bereits unter Ziffer 1. aufgeführte GebüTh23 genannt. Die entsprechenden Gebühren könnten entweder als Eurobetrag konkret benannt werden (so auch in den beiden eben genannten Übersichten) oder wie in der GOÄ zusätzlich mit einer Punktzahl24 versehen werden. Die Gebühr wäre dann das Ergebnis der Multiplikation eines festzulegenden Punktwertes (vgl. § 5 Absatz 1 Satz 3 GOÄ) mit der Punktzahl25. Zu entscheiden wäre darüber hinaus, ob - wie in § 5 Absatz 1 Satz 1 GOÄ vorgesehen - die grundsätzliche Möglichkeit der Vervielfachung des Gebührensatzes zwischen dem einfachen und beispielsweise 2,3-fachen Satz26 (in der GOÄ ist eine Steigerung bis zum 3,5 fachen Satz eingeräumt), je nach Schwierigkeit der einzelnen Leistung, des Zeitaufwands sowie der Umstände bei der Ausführung (vgl. § 5 Absatz 2 Satz 1 GOÄ), gewährt werden sollte27. 22 Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), die durch Artikel 10 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist. 23 Buchner Edition, GebüTh – Physiotherapie, Gebühreninformationen und – übersicht für Patienten, abrufbar unter: http://www.physiomedico.de/fileadmin/pdf/Gebueth_patienten_pt_2011.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 24 Die Punktzahlen in der GOÄ kennzeichnen das Gewicht der Leistung im Spektrum der Leistungsgesamtheit, vgl. Hess, R./Klakow-Franck, R., Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Gebührenordnung für Ärzte, Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen, Analoge Bewertungen und Abrechnungsempfehlungen, Stand Januar 2013, S. 19. 25 Im Jahr 2013 schlossen die Bundesärztekammer und der PKV-Verband eine Rahmenvereinbarung mit dem Ziel, einen gemeinsamen Vorschlag zur Novellierung der GOÄ dem BMG vorzulegen. Insbesondere das Gebührenverzeichnis wird als veraltet angesehen. Der Ende Mai 2017 stattfindende Deutsche Ärztetag soll über einen Entwurf abstimmen. Einzelheiten abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/gebuehrenordnung /goae-novellierung-und-honorarpolitik/ (Stand: 12. Mai 2017) sowie https://www.spifa.de/skepsis-bei-derbetriebswirtschaftlichen -kalkulation/#more-2925 (Stand: 12. Mai 2017). 26 In der GOÄ bewegt sich die Regelgebühr, die grundsätzlich eingehalten werden soll, zwischen dem einfachen und dem 2,3-fachen Gebührensatz. Ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes bis zum maximal 3,5-fachen Gebührensatz ist nur zulässig, wenn Besonderheiten dies rechtfertigen, vgl. dazu § 5 Absatz 2 Satz 3 GOÄ. 27 Ob die Steigerungssätze bei der GOÄ im Rahmen ihrer Novellierung erhalten bleiben werden oder ggf. Erschwerniszuschläge eingeführt werden, ist derzeit noch unklar, vgl. Interview mit dem Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. vom 26. April 2017, abrufbar unter: https://www.spifa.de/skepsis-bei-der-betriebswirtschaftlichen -kalkulation/#more-2925 (Stand: 12. Mai 2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 020/17 Seite 9 3.3. Die sog. analoge Bewertung In der GOÄ ist in § 6 Absatz 2 geregelt, dass selbständige ärztliche Leistungen, die nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können. Die analoge Bewertung nimmt der behandelnde Arzt selbst vor28. Zur einheitlichen Anwendung hat die Bundesärztekammer Anwendungsregeln, das „Gesamtverzeichnis Analoger Bewertungen und Auslegungsbeschlüsse "29 aufgestellt, die zwar unverbindlich sind, aber dennoch in der Praxis eine wesentliche Grundlage darstellen30. Hintergrund einer solchen Regelung ist die ständige Fortentwicklung der medizinischen Wissenschaft31. Zu prüfen wäre, ob eine solche Regelung auch in einer Gebührenordnung für Physiotherapeuten angebracht wäre. *** 28 Kern in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 75 Die Zahlungspflicht des Patienten und das Arzthonorar, GOÄ und GOZ, Rn. 1. 29 Hess, R./Klakow-Franck, R., Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Gebührenordnung für Ärzte, Gebührenverzeichnis für ärztliche Leistungen, Analoge Bewertungen und Abrechnungsempfehlungen, Auslegungshinweise, IGeL-Ratgeber, Stand Juli 2015, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload /downloads/pdf-Ordner/GOAE/Analogverzeichnis.pdf (Stand: 12. Mai 2017). 30 Kern in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, § 75 Die Zahlungspflicht des Patienten und das Arzthonorar, GOÄ und GOZ, Rn. 1; Miebach in: Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen , 3. Auflage 2006, Einleitung, Rn. 11. 31 Spickhoff in: Medizinrecht, 2. Auflage 2014, GOÄ, § 6 Rn. 3.