© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 019/21 Der Einfluss des Inzidenzwertes in ausgewählten Ländern Zur Verknüpfung von Schutzmaßnahmen und Inzidenzwerten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 2 Der Einfluss des Inzidenzwertes in ausgewählten Ländern Zur Verknüpfung von Schutzmaßnahmen und Inzidenzwerten Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 019/21 Abschluss der Arbeit: 1. April 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 4 2. Internationaler Vergleich 5 2.1. World Health Organisation 5 2.2. Europäische Union 5 2.3. Belgien 6 2.4. Großbritannien 7 2.4.1. England 7 2.4.2. Schottland 8 2.4.3. Wales 8 2.4.4. Nordirland 9 2.5. Kanada 9 2.5.1. Ontario 9 2.5.2. Alberta 10 2.6. Schweiz 10 2.7. Spanien 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 4 1. Vorbemerkungen Der im Zuge des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes eingeführte § 28a Abs. 3 Infektionsschutzgesetz 1 (IfSG) sieht vor, dass gewisse Schutzmaßnahmen an bestimmten Schwellenwerten der Sieben -Tage-Inzidenz ausgerichtet werden. § 28a Abs. 3 S. 4 IfSG lautet: „Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen“. Die Regelung sieht Sieben- Tage-Inzidenzraten von 35 und 50 als Schwellenwerte vor. Bei Überschreitung des Schwellenwertes von 50 sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von 35 sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen. Bei einer bundes- oder landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von 50 sind bundesoder landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (vgl. § 28a Abs. 3 S. 5 bis 10 IfSG). Schon bevor der Schwellenwert von 50 im November 2020 im IfSG normiert wurde, wurde er bei der Bund-Länder-Konferenz am 6. Mai 2020 als maßgebliches Kriterium für weitreichende Corona-Maßnahmen beschlossen.2 Bei dem Bund-Länder-Gespräch am 10. Februar 2021 wurde, insbesondere vor dem Hintergrund der Unsicherheit bezüglich der Verbreitung von Virusmutanten , für den nächsten Öffnungsschritt ein Schwellenwert von 35 beschlossen.3 Die rechtliche Umsetzung der im Rahmen der Bund-Länder-Konferenzen getroffenen Beschlüsse obliegt jedoch den Ländern. Diese können davon abweichende Regelungen treffen. Die rechtlichen Bestimmungen finden sich in den jeweiligen Landesverordnungen. Auftragsgemäß wird im Folgenden dargestellt, inwiefern andere europäische und außereuropäische Länder ihre Corona-Maßnahmen an bestimmten Inzidenzraten ausrichten.4 Ähnlich wie Deutschland handelt es sich bei den dargestellten Ländern größtenteils um föderale Staaten. Neben etwaigen nationalen Regelungen bestimmen die einzelnen Gliedstaaten ihre Corona-Maßnahmen im Wesentlichen selbst. Auf Grund der Fülle unterschiedlicher Regelungen kann eine Darstellung der jeweiligen Corona-Maßnahmen auf subnationaler Ebene im Rahmen dieser Arbeit nur beispielshaft erfolgen. 1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen vom 20.Juli 2000, BGBl. I S. 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2020, BGBl. I S. 3136. 2 Vgl. Beschluss der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. Mai 2020, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource /blob/975226/1750986/fc61b6eb1fc1d398d66cfea79b565129/2020-05-06-mpk-beschluss-data.pdf?download =1. Dieser und alle weiteren Links zuletzt abgerufen am 1. April 2021. 3 Vgl. Beschluss der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 10. Februar 2021, S. 4, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/resource /blob/975226/1852514/508d851535b4a599c27cf320d8ab69e0/2021-02-10-mpk-data.pdf?download=1. 4 Aussagen ohne Fundstelle basieren auf Auskünften der einzelnen Länder auf Anfrage. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 5 2. Internationaler Vergleich 2.1. World Health Organisation Die World Health Organisation (WHO) veröffentliche am 16. April 2020 einen Leitfaden mit dem Titel "Considerations in adjusting public health and social measures in the context of COVID-19“. Dieser enthält Leitlinien, die den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der pandemiebedingten Situation auf nationaler und subnationaler Ebene helfen sowie wichtige Empfehlungen für die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen. Der Leitfaden, der sich an alle Entscheidungsträger des öffentlichen Gesundheitswesens auf allen operativen Ebenen richtet, wurde am 4. November 2020 zuletzt geändert.5 Er differenziert bezüglich der Ausbreitung des Virus zwischen sieben verschiedenen Stufen. Die Zuordnung ist unter anderem abhängig von der 14-Tage-Inzidenzrate. Der Leitfaden benennt dazu spezifische Schwellenwerte.6 Daneben enthält er Empfehlungen für die in Abhängigkeit der Stufenzuordnung zu treffenden Maßnahmen.7 2.2. Europäische Union Die Länder der Europäischen Union (EU) haben sich am 13. Oktober 2020 auf gemeinsame Kriterien geeinigt, die sie bei der Entscheidung über die Einführung von Reisebeschränkungen anwenden sollten.8 Dazu dient ein Ampelsystem, welches die EU in unterschiedlich farbige Zonen unterteilt (grün, orange, rot und seit Januar 2021 auch dunkelrot9).10 Im Rahmen eines koordinierten Vorgehens sollten die Mitgliedstaaten beispielsweise die Freizügigkeit von Personen, die in „grüne“ Gebiete oder aus „grünen“ Gebieten reisen, nicht beschränken. Die Unterteilung der Re- 5 Siehe aktuelle Fassung der Considerations for implementing and adjusting public health and social measures in the context of COVID-19 Interim guidance vom 4. November 2020, abrufbar unter https://www.who.int/publications /i/item/considerations-in-adjusting-public-health-and-social-measures-in-the-context-of-covid-19-interimguidance . 6 Vgl. Considerations for implementing and adjusting public health and social measures in the context of COVID-19 In-terim guidance vom 4. November 2020, S. 9, abrufbar unter https://www.who.int/publications/i/item /considerations-in-adjusting-public-health-and-social-measures-in-the-context-of-covid-19-interim-guidance. 7 Vgl. Considerations for implementing and adjusting public health and social measures in the context of COVID-19 In-terim guidance vom 4. November 2020, S. 4 ff., abrufbar unter https://www.who.int/publications /i/item/considerations-in-adjusting-public-health-and-social-measures-in-the-context-of-covid-19-interimguidance . 8 Vgl. Pressemitteilung des Rates der Europäischen Union vom 13. Oktober 2013, abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/10/13/covid-19-council-adopts-a-recommendation -to-coordinate-measures-affecting-free-movement/. 9 Vgl. Pressemitteilung der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Coronavirus: Kommission will Einreisebeschränkungen in EU verschärfen und warnt vor innereuropäischen Grenzschließungen, Beitrag vom 25. Januar 2021, abrufbar unter https://ec.europa.eu/germany/news/20210125-einreisebeschraenkungen _de. 10 Vgl. die Internetseite der Europäischen Kommission, Re-open EU, abrufbar unter https://reopen.europa.eu/de. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 6 gionen erfolgt auf Grundlage des jeweiligen Infektionsgeschehens, basierend auf Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Entscheidend für die Einteilung ist die (14-Tage-) Inzidenzrate sowie die sogenannte Positivrate11.12 2.3. Belgien Unter der vorherigen Regierung13 arbeiteten Experten daran, ein von der Ausbreitung des Corona- Virus abhängiges System mit vier Stufen einzurichten. Die Inzidenzrate und die Anzahl der neuen Krankenhauseinweisungen sollten dabei die Schlüsselindikatoren für die Zuordnung zur jeweiligen Stufe sein. Jede Stufe sollte mit bestimmten Maßnahmen verbunden werden. Dieses System wurde jedoch nicht in die Praxis umgesetzt. Die derzeitige Regierung unter Premierminister De Croo14 hat während der Sitzung des Konzertierungsausschusses 15 am 27. November 2020 ein auf zwei Phasen basierendes System beschlossen .16 Eine absteigende Phase, in der die Infektionsraten so schnell wie möglich mit strengen Maßnahmen unter Kontrolle gebracht werden, und eine Managementphase, in welcher für jede Branche bestimmte Regeln (sog. sektorale Protokolle17) gelten. Um von der absteigenden Phase zur Managementphase übergehen zu können, muss die Inzidenzrate lange genug auf einem ausreichend niedrigen Niveau stehen. Dabei sollen sich jedoch nicht alle Sektoren zur gleichen Zeit in derselben Phase befinden. Der Übergang der Phasen soll weitgehend vom epidemiologischen Risiko des jeweiligen Sektors abhängen. Der Konzertierungsausschuss hat ferner Schwellenwerte festgelegt, die erreicht werden müssen, um eine Lockerung der Corona-Maßnahmen in Betracht zu ziehen: weniger als 800 Neuinfektionen pro Tag für einen Zeitraum von drei Wochen und maximal 75 Krankenhausaufenthalte wäh- 11 Zur Positivrate siehe RKI, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2 / Krankheit COVID-19, Diagnostik, Was bedeutet die Positivenquote? abrufbar unter https://www.rki.de/Shared- Docs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html. 12 Weitere Informationen auf der Internetseite der Europäischen Kommission, Reisen in Zeiten von Corona, abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/travel-during-coronavirus-pandemic _de. 13 Regierung unter Premierministerin Sophie Wilmès, 17. März 2020 bis 1. Oktober 2020. 14 Seit 1. Oktober 2021. 15 Im Rahmen des regelmäßig tagenden Konzertierungsausschusses stimmen sich die föderale Regierung und die föderalen Gliedstaaten über die wichtigsten politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Covid-19- Pandemie ab. 16 Vgl. die Informationsseite des Föderalen Öffentlichen Dienstes (FÖD) Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt bzgl. der Sitzung vom 27. November 2020, abrufbar unter https://www.infocoronavirus .be/de/news/occ-27-11/. 17 Siehe dazu die Informationsseite des Föderalen Öffentlichen Dienstes (FÖD) Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt, abrufbar unter https://www.info-coronavirus.be/de/protokoll/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 7 rend einer Woche. Obwohl diese Zahlen nicht erreicht wurden, hatte der Konzertierungsausschuss allerdings im Februar 2020 bestimmte Öffnungsschritte beschlossen.18 Der belgische Gesundheitsminister und einige Experten sollen derweil eine Anpassung des Grenzwertes von 800 Kontaminationen pro Tag gefordert haben. Eine rechtliche Grundlage, in welcher der Schwellenwert von 800 oder sonstige Werte kodifiziert sind, ist nicht ersichtlich. 2.4. Großbritannien Im Vereinigten Königreich fallen die Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in die getrennte Zuständigkeit der Verwaltungseinheiten in England, Wales, Schottland und Nordirland. In keiner der britischen Verwaltungseinheiten gibt es eine rechtliche Struktur, die genau festlegt, inwieweit Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie mit bestimmten Inzidenzraten verknüpft werden sollen. Diese Maßnahmen sind vielmehr als politische Entscheidungen zu sehen, die auf der Grundlage von virusbezogenen Daten, einschließlich Krankheitsfällen, Krankenhausaufenthalten, Todesfällen und, in zunehmendem Maße, Impfungen getroffen werden . Die Inzidenzrate wird von den Verwaltungseinheiten dabei in unterschiedlicher Art und Weise berücksichtigt. 2.4.1. England Für England veröffentlichte die Regierung von Großbritannien einen vierstufigen "Fahrplan" zur Lockerung der Beschränkungen. Laut diesem Plan sollen Lockerungen der Maßnahmen in ganz England in zeitlich festgelegten Intervallen stattfinden.19 Der erste der insgesamt vier Öffnungsschritte begann am 8. März 2021. Seit dem 30. März befindet sich England im zweiten Öffnungsschritt . Die festgelegten Zeitpunkte für die jeweiligen Öffnungsschritte sind als Richtwerte zu verstehen und können sich jederzeit aufgrund einer geänderten Faktenlage ändern. Den Übergang zum jeweils nächsten Öffnungsschritt prüft die Regierung dabei anhand von vier Bedingungen (1. Das Impfstoffeinsatzprogramm verläuft erfolgreich; 2. Es ist nachgewiesen, dass die Impfstoffe ausreichend wirksam sind, um Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei den Geimpften zu reduzieren ; 3. Die Infektionszahlen stellen kein Risiko für einen Anstieg der Krankenhausaufenthalte dar, welcher das Gesundheitssystem in unannehmbarer Weise belasten würde; 4. Die Risikobewertung wird durch neue bedenkliche Virus-Varianten nicht grundlegend geändert). Die genaue Methode zur Bewertung dieser Kriterien wurde nicht festgelegt. Die Zahl der Neuinfektionen dürfte zwar zumindest teilweise in die Beurteilung dieser Kriterien einfließen, allerdings nur zusammen mit anderen Indikatoren wie der Reproduktionsrate des Virus (sogenannter R-Wert), der Zahl der Krankenhausaufenthalte und der Todesfälle. 18 Vgl. die Informationsseite des Föderalen Öffentlichen Dienstes (FÖD) Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt bzgl. der Sitzung vom 5. Februar 2021, abrufbar unter https://www.info-coronavirus .be/de/news/occ-0502/. 19 Siehe die Internetseite der Regierung von Großbritannien, abrufbar unter https://www.gov.uk/government /publications/covid-19-response-spring-2021/covid-19-response-spring-2021-summary. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 8 2.4.2. Schottland Der entsprechende Plan für Schottland bestimmt die erforderlichen Corona-Maßnahmen und etwaige Lockerungen anders als in England nicht anhand bestimmter Termine, sondern anhand von fünf verschiedenen Schutzstufen.20 Der Plan benennt dabei die Inzidenzrate, zusammen mit der Positivrate, als maßgeblichen Indikator.21 Zudem enthält er bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich der wöchentlichen Inzidenzrate für die Zuordnung der jeweiligen Schutzstufen.22 Die Indikatoren und zugehörigen Schwellenwerte werden regelmäßig von der Regierung angepasst, weshalb die Schwellenwerte durchaus variabel erscheinen und lediglich als Entscheidungshilfe für die Stufenzuordnung dienen. In dem Plan heißt es, dass die genauen Indikatoren mitsamt geltender Schwellenwerte separat veröffentlicht würden. Bei deren Festlegung orientiert sich die Regierung an den Empfehlungen der WHO.23 2.4.3. Wales Ähnlich wie in Schottland sieht der entsprechende Plan für Wales eine Unterteilung in vier verschiedene Alarmstufen vor. Jede Alarmstufe indiziert unterschiedlich strikte Corona-Maßnahmen . Der Plan benennt die Inzidenzrate als einen für die Stufenzuordnung maßgeblichen Indikator . Für jede der vier Alarmstufen sind bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich der Sieben-Tage- Inzidenzrate definiert. Dabei handelt es sich jedoch nicht um starre Schwellenwerte, sondern um grobe Richtwerte, die für eine ausgewogene Beurteilung herangezogen werden. Sie werden regelmäßig überprüft und bei Bedarf überarbeitet.24 20 Siehe die Internetseite der Regierung von Schottland, abrufbar unter https://www.gov.scot/publications/coronavirus -covid-19-strategic-framework-update-february-2021/. 21 Vgl. Scotland’s Strategic Framework Update, S. 61, abrufbar unter https://www.gov.scot/binaries/content /documents/govscot/publications/strategy-plan/2021/02/coronavirus-covid-19-strategic-framework-updatefebruary -2021/documents/coronavirus-covid-19-scotlands-strategic-framework-update-february-2021---pdf-version /coronavirus-covid-19-scotlands-strategic-framework-update-february-2021---pdf-version/govscot %3Adocument/COVID-19%2B-%2BScotland%2527s%2BStrategic%2BFramework%2Bupdate%2B- %2BFebruary%2B2021%2B-%2BPDF%2Bversion.pdf. 22 Vgl. Scotland’s Strategic Framework Update, S. 60, abrufbar unter https://www.gov.scot/binaries/content /documents/govscot/publications/strategy-plan/2021/02/coronavirus-covid-19-strategic-framework-updatefebruary -2021/documents/coronavirus-covid-19-scotlands-strategic-framework-update-february-2021---pdf-version /coronavirus-covid-19-scotlands-strategic-framework-update-february-2021---pdf-version/govscot %3Adocument/COVID-19%2B-%2BScotland%2527s%2BStrategic%2BFramework%2Bupdate%2B- %2BFebruary%2B2021%2B-%2BPDF%2Bversion.pdf 23 Vgl. WHO, Considerations for implementing and adjusting public health and social measures in the context of COVID-19 vom 4. November 2020, abrufbar unter https://www.who.int/publications/i/item/considerations-inadjusting -public-health-and-social-measures-in-the-context-of-covid-19-interim-guidance. 24 Vgl. Coronavirus Control Plan: Alert Levels in Wales, S. 18 ff., abrufbar unter https://gov.wales/sites/default/files /publications/2021-02/coronavirus-control-plan-alert-levels-in-wales.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 9 2.4.4. Nordirland Die nordirische Regierung hat, ähnlich wie in Schottland, einen schrittweisen Plan zur Aufhebung der aktuellen COVID-19-Beschränkungen veröffentlicht. Dieser unterscheidet zwischen insgesamt neun verschiedenen Sektoren (u. a. Sport und Freizeitaktivitäten, Arbeit, Einzelhandel, Kultur, Kulturerbe und Unterhaltung, Reisen und Tourismus) und sieht jeweils fünf Phasen vor.25 Jede der aufeinanderfolgenden Phasen erlaubt weitere Lockerungen. Der Übergang zwischen den Phasen erfolgt auf Grundlage verschiedener Indikatoren. Nordirland orientiert sich dabei ebenso wie Schottland an den Empfehlungen der WHO. Ein maßgeblicher Indikator ist insofern die Inzidenzrate . Feste Schwellenwerte legt der Plan hingegen nicht fest. 2.5. Kanada In Kanada können die kanadischen Provinz- und Territorialregierungen unabhängig voneinander entscheiden, inwieweit bestimmte Covid-19-Maßnahmen mit bestimmten Inzidenzraten in Verbindung stehen. Die meisten Regierungen folgen dabei Stufenplänen, nach denen bestimmte Maßnahmen, wie Schulschließungen oder Ausgangssperren, gelockert oder verschärft werden können, wenn bestimmte Inzidenzraten und andere Vorgaben erreicht sind. Im Folgenden sollen beispielhaft die Regelungen in den beiden Provinzen Ontario und Alberta dargestellt werden, in denen zusammengerechnet derzeit rund die Hälfte der kanadischen Bevölkerung lebt. 2.5.1. Ontario Die Provinz Ontario hat ein farbcodiertes System entwickelt (sog. „Covid-19 response framework “), welches die zu ergreifenden Maßnahmen innerhalb der Provinz in fünf Kategorien einteilt : Grün = prevent (vorbeugen), Gelb = protect (schützen), Orange = restrict (einschränken), Rot = control (kontrollieren) und Grau = Lockdown.26 Welche spezifischen Maßnahmen je Kategorie zu ergreifen sind, ist in der für die einzelnen Kategorien einschlägigen, auf Grundlage des Reopening Ontario Act27 erlassenen Verordnung geregelt.28 Die Einteilung in die unterschiedlichen Kategorien erfolgt anhand mehrerer Indikatoren. Dazu zählen insbesondere die Positivrate, der R-Wert und die Inzidenzrate. Eine Inzidenzrate von wöchentlich weniger als 10 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern entspricht danach grundsätzlich der grünen Kategorie. Eine Inzidenzrate von wöchentlich 10 bis 24,9 Neuinfektionen je 100.000 25 Siehe Moving Forward: The Executive’s Pathway Out Of Restrictions, abrufbar unter https://www.executiveoffice -ni.gov.uk/sites/default/files/publications/execoffice/executives-pathway-out-of-restrictions.pdf. 26 Ausführliche Informationen auf der Seite der Regierung von Ontario, abrufbar unter https://www.ontario .ca/page/covid-19-response-framework-keeping-ontario-safe-and-open. 27 Reopening Ontario (A Flexible Response to COVID-19) Act, 2020, S.O. 2020, c. 17, abrufbar unter https://www.ontario.ca/laws/statute/20r17. 28 Für die grüne, gelbe und orangefarbene Kategorie gilt die Ontario Regulation 364/20, abrufbar unter https://www.ontario.ca/laws/regulation/200364; für die rote Kategorie gilt die Ontario Regulation 263/20, abrufbar unter https://www.ontario.ca/laws/regulation/200263; für die graue Kategorie gilt die Ontario Regulation 82/20, abrufbar unter https://www.ontario.ca/laws/regulation/200082. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 10 Einwohnern ist grundsätzlich der gelben, von 25 bis 39,9 der orangefarbenen und von 40 oder mehr der roten Kategorie zuzuordnen. Steigt die Inzidenzrate auch nach Eintritt in die rote Kategorie weiter an, kann in die graue Kategorie übergegangen werden. Da jedoch mehrere Indikatoren für die Zuordnung maßgeblich sind und die Schwellenwerte innerhalb einer Region möglicherweise nicht alle zur gleichen Zeit erreicht werden, erfordert die Entscheidung über den Übergang von einer Kategorie zur anderen eine Gesamtrisikobewertung. 2.5.2. Alberta Die Provinz Alberta hat ebenfalls ein mehrstufiges System entwickelt, anhand dessen die Corona- Maßnahmen schrittweise gelockert werden sollen. Das System basiert auf vier Stufen. Entscheidendes Kriterium für die Stufenzuordnung ist jedoch nicht die Inzidenzrate, sondern die Zahl der Krankenhausaufenthalte.29 2.6. Schweiz In der Schweiz wird die Inzidenzrate bei der Anordnung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie vom Bund und den Kantonen mitberücksichtigt, wobei jedoch kein absoluter Wert festgelegt wurde. Eine entsprechende rechtliche Regelung findet sich in Art. 7 und 8 der Verordnung über Maßnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage) vom 19. Juni 2020.30 Danach können die Kantone, im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach Art. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage, Lockerungen sowie zusätzliche Maßnahmen aufgrund bestimmter Indikatoren, insbesondere der Inzidenzrate, treffen. Art. 7 Covid-19-Verordnung besondere Lage wurde am 11. Dezember 2021 um einen zweiten Absatz ergänzt. Dieser sah vor, dass ein Kanton die Öffnungszeiten von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben ausweiten kann, wenn neben weiteren Voraussetzungen im betreffenden Kanton die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Personen in den letzten sieben Tagen unter dem schweizerischen Durchschnitt liegt (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. c).31 Dieser Absatz 2 wurde zum 9. Januar 2021 aufgehoben.32 29 Ausführliche Informationen dazu auf der Internetseite der Regierung von Alberta, abrufbar unter https://www.alberta.ca/enhanced-public-health-measures.aspx#PathForward. 30 Verordnung über Maßnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage) vom 19. Juni 2020, SR 818.101. 31 Covid-19-Verordnung besondere Lage (Einschränkungen von Veranstaltungen und von Öffnungszeiten von Restaurants und anderen öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben), Änderung vom 11. Dezember 2020, abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/64440.pdf. 32 Aufgehoben durch Covid-19-Verordnung besondere Lage (Aufhebung bestimmter Möglichkeiten kantonaler Erleichterungen ), Änderung vom 6. Januar 2021, abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments /64766.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 11 Der Bundesrat hat am 24. Februar 2021 teilweise Lockerungen bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen, welche am 1. März 2021 in Kraft getreten sind.33 Gleichzeitig stellte er einen weiteren Öffnungsschritt für den 22. März 2021 in Aussicht. Für die Beurteilung dieses nächsten Öffnungsschrittes hatte der Bundesrat folgende Richtwerte festgelegt: Die Positivrate sollte unter fünf Prozent, die Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten unter 250 belegten Betten und die durchschnittliche Reproduktionszahl über die letzten sieben Tage unter eins liegen. Zudem sollte die 14-Tage-Inzidenz am 17. März 2021 nicht höher sein als bei zu den Lockerungen am 1. März 202134.35 Der Bundespräsident der Schweiz betonte, dass diese Richtwerte kein Automatismus seien. Sie dienten als Entscheidungs- und Orientierungshilfe . Der Bundesrat würde bei seinem Entscheid über die weiteren Öffnungsschritte die Gesamtsituation und die Kombination dieser Richtwerte beurteilen. Dies führte letztlich dazu, dass sich der Öffnungsschritt am 22. März 2021 aufgrund steigender Fallzahlen nur auf private Treffen bezog .36 2.7. Spanien Ähnlich wie in Deutschland durch die Bund-Länder-Konferenz, werden in Spanien Beschlüsse bezüglich der zu ergreifenden Corona-Maßnahmen durch den sogenannten Interterritorialen Rat gefasst, welcher sich aus der nationalen Regierung und den Selbstverwaltungsgemeinschaften zusammensetzt . Die Maßnahmen basieren auf der sogenannten "epidemiologischen Ampel", welche in dem Dokument des Interterritorialen Rates „Actuaciones de respuesta coordinada para el control de la transmisión de COVID-19“ dargestellt ist.37 Dieses unterscheidet zwischen fünf verschiedenen Risiko-Stufen: Normalzustand, geringes Risiko, mittleres Risiko, hohes Risiko, sehr hohes Risiko. Die Einstufung erfolgt anhand mehrerer Indikatoren. Ein maßgeblicher Indikator ist 33 Verordnung über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Verlängerung befristeter Massnahmen sowie Lockerungen in den Bereichen Freizeit, Kultur, Sport und Einkaufsläden), Änderung vom 24. Februar 2021, abrufbar unter https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments /64642.pdf. 34 Die 14-Tage-Inzidenzrate lag am 1. März 2021 gesamtschweizerisch bei 160,3. 35 Medienmitteilung des Bundesrates vom 24. Februar 2021, abrufbar unter https://www.admin .ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82462.html. 36 Medienmitteilung des Bundesrates vom 19. März 2021, abrufbar unter https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation /medienmitteilungen/bundesrat.msg-id-82762.html. 37 Koordinierte Reaktionsmaßnahmen zur Kontrolle der Übertragung von COVID-19: Actuaciones de respuesta coordinada para el control de la transmisión de COVID-19, Actualización de 26 de marzo de 2021, abrufbar unter https://www.mscbs.gob.es/profesionales/saludPublica/ccayes/alertasActual/nCov/documentos/Actuaciones _respuesta_COVID_26.03.2021.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 019/21 Seite 12 dabei die Inzidenzrate.38 Für jede Risikostufe werden spezifische Maßnahmen empfohlen.39 Für deren Umsetzung sind grundsätzlich die spanischen Selbstverwaltungsgemeinschaften zuständig .40 So verweist beispielsweise der Beschluss des Interterritorialen Rates vom 10. März 2021 auf die vom Interterritorialen Rat angelegten Risikostufen und spricht gegenüber den Selbstverwaltungsgemeinschaften die Empfehlung aus, die Maßnahmen dementsprechend umzusetzen.41 In einem früheren Beschluss des Interterritorialen Rates vom 30. November 202042 einigten sich die Regierung und die Selbstverwaltungsgemeinschaften auf ein koordiniertes Vorgehen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dazu verpflichteten sich die Selbstverwaltungsgemeinschaften , bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, sofern in ihrem Hoheitsgebiet gewisse Indikatoren die jeweils festgelegten Schwellenwerte übersteigen. Einer dieser Indikatoren ist die Inzidenzrate . In Abschnitt 1, Absatz 1 Nr. 1.1 lit. a) des Beschlusses vom 30. November 2020 ist als Schwellenwert eine 14-Tage-Inzidenzrate von 500 oder mehr festgelegt. *** 38 Vgl. Actuaciones de respuesta coordinada para el control de la transmisión de COVID-19, Actualización de 26 de marzo de 2021, insb. S. 6, abrufbar unter https://www.mscbs.gob.es/profesionales/saludPublica/ccayes/alertas Actual/nCov/documentos/Actuaciones_respuesta_COVID_26.03.2021.pdf. 39 Vgl. Actuaciones de respuesta coordinada para el control de la transmisión de COVID-19, Actualización de 26 de marzo de 2021, insb. S. 12 ff., abrufbar unter https://www.mscbs.gob.es/profesionales/saludPublica/ccayes /alertasActual/nCov/documentos/Actuaciones_respuesta_COVID_26.03.2021.pdf. 40 Vgl. dazu Real Decreto 926/2020, de 25 de octubre, por el que se declara el estado de alarma para contener la propagación de infecciones causadas por el SARS-CoV-2, Artikel 2, abrufbar unter https://www.boe.es/eli/es/rd/2020/10/25/926. 41 Veröffentlicht durch das Gesundheitsministerium, siehe Resolución de 11 de marzo de 2021, de la Secretaría de Estado de Sanidad, por la que se publica el Acuerdo del Consejo Interterritorial del Sistema Nacional de Salud sobre la declaración de actuaciones coordinadas frente a la COVID-19 con motivo de la festividad de San José y de la Semana Santa de 2021, abrufbar unter https://www.boe.es/buscar/doc.php?id=BOE-A-2021-3841. 42 Veröffentlicht durch das Gesundheitsministerium, siehe Resolución de 30 de septiembre de 2020, de la Secretaría de Estado de Sanidad, por la que se da publicidad al Acuerdo del Consejo Interterritorial del Sistema Nacional de Salud sobre la Declaración de Actuaciones Coordinadas en Salud Pública para responder ante situaciones de especial riesgo por transmisión no controlada de infecciones causadas por el SARS-Cov-2, de fecha 30 de septiembre de 2020, abrufbar unter https://www.boe.es/buscar/doc.php?id=BOE-A-2020-11590.