WD 9 - 3000 - 019/20 (26. März 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Bei der Entschädigungsregelung nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG)1 handelt es sich nicht um einen Entgeltfortzahlungsanspruch, sondern um eine Billigkeitsentschädigung, die dem Grunde nach dem sozialen Leistungsrecht zuzuordnen ist. Ihr Ziel ist kein Schadenersatz , sondern die wirtschaftliche Sicherung des Betroffenen vor wirtschaftlicher Not2. Nach der Kommentierung ist die Vorschrift des § 56 IfSG "keiner ausdehnenden Auslegung fähig".3 In jedem Einzelfall sei sorgfältig zu prüfen, ob sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Ausdrücklich wird eine Entschädigung nur für den Verdienstausfall geleistet und nicht für andere Vermögenseinbußen wie etwa entgangene Gewinne, Verluste oder Verderben von Lebensmitteln4. Anträge auf Entschädigung können nach § 56 Abs. 1 IfSG nicht erkrankte Personen stellen , sondern „Ausscheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige oder sonstige Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG, die Verboten in der Ausübung ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegen oder unterworfen sind und dadurch einen Verdienstausfall erleiden“. Im Falle eines Anspruchs erfolgt die Auszahlung in den ersten sechs Wochen durch den Arbeitgeber, danach auf Antrag durch die zuständige Behörde. 1 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, BGBl. I S. 1045, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020, BGBl. I S. 148. 2 Helmut Erdle, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 7. überarbeitete Auflage 2020, § 56, vor Anm. 1 (S. 159). 3 Erdle, § 56, vor Anm. 1 (S. 159). 4 Erdle, § 56, Anm. 4. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zum Entschädigungsanspruch für Selbständige nach § 56 Infektionsschutzgesetz Kurzinformation Zum Entschädigungsanspruch für Selbständige nach § 56 Infektionsschutzgesetz Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die Regelungen gelten auch für Selbständige. § 56 Abs. 3 Satz 4 IfSG bestimmt, dass für sie ein Zwölftel des Arbeitseinkommens nach § 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)5 aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit zugrunde zu legen ist. Zum Nachweis des Einkommens bedarf es einer Bescheinigung des Finanzamtes, die sich auf das zuletzt nachgewiesene Jahreseinkommen und damit auf einen unter Umständen länger zurückliegenden Zeitraum bezieht.6 Erdle7 ergänzt zur Problematik des Einkommens von Selbständigen: „Für den Fall, dass ein Jahreseinkommen nicht nachgewiesen ist (zum Beispiel weil das Beschäftigungsverhältnis bzw. der Betrieb des Selbständigen so lange noch nicht bestehen), fehlt eine Regelung . Da der Gesetzgeber zweifellos auch in solchen Fällen eine Entschädigung gewähren will, wird zweckmäßigerweise eine Schätzung unter Zugrundelegung vergleichbarer Einkommen erfolgen müssen.“ Weiterhin sieht § 56 Abs. 4 Satz 2 IfSG eine „Härteklausel“ bei Existenzgefährdung vor: „Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach § 56 Abs. 1 IfSG ruht, erhalten neben der Entschädigung nach den Absätzen 2 und 3 auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang.“ Wann eine Existenzgefährdung vorliegt, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Dabei ist nach Gerhardt8 zur Auslegung dieser Härteklausel davon auszugehen, dass nicht jede erhebliche Vermögensbelastung einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen begründet. Vielmehr begründe sich ein solcher Anspruch erst dann, wenn der Betroffene in seiner konkreten Situation in einem solchen Maße finanziell belastet sei, dass ihn diese Belastung nicht nur vorübergehend seiner wirtschaftlichen Daseinsgrundlage beraube. Der zuständigen Behörde steht unter den genannten Voraussetzungen eine Ermessensentscheidung zu. *** 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845. 6 Gerhardt, Jens Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage 2020, §56, Rn. 21. 7 Erdle, § 56, Anm. 10. 8 Gerhardt, § 56, Rn. 23.