© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 019/17 Rechtliche Regelungen zur Qualifikation von Pflegeeltern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Rechtliche Regelungen zur Qualifikation von Pflegeeltern auf Bundesebene Auf bundesrechtlicher Ebene sind für die Frage der Qualifikation von Pflegeeltern Vorschriften des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (SGB VIII - Kinder- und Jugendhilfe)1 relevant. So räumt zunächst einmal § 27 Eltern einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung ein, wenn „eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.“ Eine solche Hilfe zur Erziehung kann in unterschiedlicher Form gewährt werden, darunter auch die einer Vollzeitpflege. Nach § 33 SGB VIII bedarf die Vollzeitpflege – wenn sie nicht durch das Jugendamt selbst vermittelt wird - einer Erlaubnis durch das Jugendamt2. Diese Erlaubnis ist zu versagen, „wenn das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen in der Pflegestelle nicht gewährleistet ist (§ 44 Abs. 2 SGB VIII). Darüber hinaus soll das Jugendamt „den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend“ an Ort und Stelle überprüfen , ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen, und hat die Erlaubnis ggf. zurückzunehmen oder zu widerrufen (§ 44 Abs. 3 SGB VIII). Die Vollzeitpflege – sei es als zeitlich befristete Erziehungshilfe, sei es als auf Dauer angelegte Lebensform – nimmt in der Reihe der Hilfen zur Erziehung insofern eine Sonderrolle ein, als sie im privaten Raum unter Beteiligung des Jugendamtes stattfindet und in der Regel von Personen erbracht wird, die keine Ausbildung für diese Tätigkeit besitzen.3 Einzige Bedingung dafür ist die erforderliche Eignung. Wie allerdings das Attribut „geeignet“ in der Praxis ausgefüllt werden soll, dazu gibt der Gesetzestext keine konkreten Hinweise. Nach gängiger Auslegung – und unter Berücksichtigung ergänzender landesrechtlicher Vorschriften – setzt eine Eignung passende äußere Rahmenbedingungen ebenso voraus wie die persönliche Eignung einer Pflegeperson. Zu den äußeren Rahmenbedingungen zählen ausreichende kindgerechte Räumlichkeiten sowie stabile wirtschaftliche und familiäre Verhältnisse; zu den Anforderungen an die Persönlichkeit gehören erzieherische Kompetenz und Erfahrung, Reflexionsfähigkeit (Toleranzbereitschaft) sowie die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Kooperation mit dem Jugendamt, der Herkunftsfamilie und allen am Pflegeverhältnis Beteiligten.4 Eine Erlaubnis zur Vollzeitpflege wird nicht als allgemeine Erlaubnis erteilt, sondern immer nur in Bezug auf ein bestimmtes Kind bzw. einen bestimmten Jugendlichen . Daher orientiert sich die Prüfung der Geeignetheit nicht nur an den bestehenden Verhältnissen und Eigenschaften der Pflegeperson, sondern stets auch an den Bedürfnissen des betroffenen Kindes. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). 2 Die Regelung im Einzelnen: § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. 3 Vgl. Nellissen zu Verwaltungsgericht Regensburg, 4. Kammer, Urteil vom 10. November 2015 – RO 4 K 15.287 in: juris PR-SozR 10/2016, Anm. 6. 4 Vgl. Stähr in: Hauck/Noftz SGB VIII, § 33, Rn 20-21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 5 Die Eignung einer Person für die Vollzeitpflege – das ergibt sich auch aus der vorliegenden Rechtsprechung – muss stets an den individuellen Bedingungen jedes Einzelfalls geprüft werden .5 Dem zuständigen Jugendhilfeträger steht dabei ein Entscheidungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten richterlichen Überprüfung unterliegt.6 In der Rechtsprechung ist das zentrale Kriterium für die Auslegung des Begriffs „Eignung“ das Kindeswohl. Das Verwaltungsgericht Regensburg ist der Ansicht, dass eine Pflegeperson nicht erst dann ungeeignet ist, wenn das Wohl des Kindes akut gefährdet ist, sondern auch schon dann, wenn die Pflegeperson nicht über ausreichende erzieherische Fähigkeiten verfügt, nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt oder mit der Betreuung des Pflegekindes überfordert ist.7 Denn in der Vollzeitpflege gehe es nicht nur darum, ein Kind zu betreuen; vielmehr gehe es darum, erzieherische Defizite zu kompensieren und dauerhafte Lebensbedingungen für das Kind herzustellen. Vor diesem Hintergrund gehört auch eine umfassende Bereitschaft zu erzieherischer Kooperation mit dem Jugendamt zu den notwendigen Voraussetzungen. In der juristischen Literatur wird aber auch darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung der Geeignetheit einer Pflegeperson „keine überzogenen Anforderungen “ an die erzieherischen Kompetenzen gestellt werden dürften; die Erziehungsbedingungen in der Pflegestelle sollten vielmehr so „normal“ wie möglich sein.8 Das Recht der Kinder- und Jugendhilfe gehört nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 des Grundgesetzes (GG) als Gegenstand der öffentlichen Fürsorge zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Das bedeutet: Die Länder haben eine eigene Gesetzgebungskompetenz, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht nicht Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG). Insofern ergibt sich die Zuständigkeit der Länder für diesen Bereich bereits unmittelbar aus der Verfassung selbst; dennoch wird in § 49 SGB VIII der Landesrechtsvorbehalt ausdrücklich - quasi deklaratorisch - geregelt. Dies ist ein expliziter Hinweis darauf, dass auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und in Einrichtungen im SGB VIII keine abschließende Regelung enthält, sondern der Ausgestaltung, Konkretisierung und Ergänzung durch Landesrecht bedarf.9 Trotz der genannten bundesrechtlichen Vorgaben im SGB VIII wird in der Forschung kritisiert, dass die Pflegekinderhilfe in Deutschland äußerst vielfältig organisiert sei und dass es an allgemein akzeptierten Qualitätsstandards mangele. 10. Aufgrund dieser Befunde hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2005 das Deutsche Jugendinstitut mit einem Forschungsprojekt zur Situation der Pflegekinder beauftragt, dessen Ergebnisse im 5 Fischer in: Schellhorn u.a., SGB VIII, § 33 Rn 20. 6 Vgl. Nellissen in: jurisPK-SGB VIII, § 33, Rn. 53.1. 7 Vgl. Nellissen in: juris PR-SozR 10/2016, Anm. 6. 8 Nellissen in: jurisPK-SGB VIII, § 33, Rn 53. 9 So Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB, 09/12, § 49 SGB VIII, Rn 1. 10 Handbuch Pflegekinderhilfe, herausgegeben von Heinz Kindler u.a., Deutsches Jugendinstitut München 2010, S. 18, vgl. Fußnote 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 6 „Handbuch Pflegekinderhilfe“ zusammengefasst sind.11 Darin findet sich unter anderem ein Katalog von Fähigkeiten, die als Programmatik „optimaler“ Pflegeelternschaft gelten sollen. Allerdings weisen die Autoren selbst darauf hin, dies seien Kriterien, „deren jeweilig individueller Ausdruck und die jeweilige individuelle Ausprägung im Einschätzungsprozess erfasst“ werden müssten.12 Als Desideratum gilt in der Forschung zudem die Teilnahme von Pflegeeltern an einer (verpflichtenden) vorbereitenden Qualifizierungsmaßnahme.13 2. Rechtliche Regelungen zur Qualifikation von Pflegeeltern auf Landesebene (Beispiele) Auf Landesebene sind die Voraussetzungen für die Aufnahme von Pflegekindern in unterschiedlicher Intensität geregelt. Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer hat Ausführungsgesetze erlassen, in denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Pflegeerlaubnis nach § 44 Absatz 1 SGB VIII auf landesrechtlicher Ebene konkretisiert werden, so etwa Bayern, Brandenburg, Nordrhein -Westfalen, das Saarland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen -Anhalt und Thüringen. Das bayerische Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 8. Dezember 200614 sieht beispielsweise in Art. 35 AGSG einen Katalog von Versagungsgründen vor, die exemplarisch herangezogen werden. Die Erlaubnis wird demnach unter anderem dann versagt, wenn der Antragsteller „nicht über ausreichende erzieherische Fähigkeiten verfügt“, „die Aufnahme des Pflegekindes nicht mit dem Wohl aller in der Familie einer Pflegeperson lebenden Kinder und Jugendlichen vereinbar ist“, „die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Pflegeperson und ihre Haushaltsführung offensichtlich nicht geordnet sind“ oder „nicht ausreichend Wohnraum für die Kinder oder Jugendlichen und die im Haushalt lebenden Personen vorhanden ist“. Ähnliche Aufzählungen von Versagungsgründen sind auch in den anderen oben genannten Bundesländern zu finden 15. Lediglich das thüringische und das sächsische Ausführungsgesetz enthalten bezüglich der Qualifizierungsvoraussetzungen von Pflegeeltern weniger umfangreiche Vorschriften.16 11 Handbuch Pflegekinderhilfe, herausgegeben von Heinz Kindler u.a., Deutsches Jugendinstitut München 2010, abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/93988/417b6cea8befc4e5df60b8728911fa0e/handbuch-pflegekinderhilfe -dji-data.pdf. 12 Handbuch Pflegekinderhilfe, herausgegeben von Heinz Kindler u.a., Deutsches Jugendinstitut München 2010, S. 403. 13 Handbuch Pflegekinderhilfe, herausgegeben von Heinz Kindler u.a., Deutsches Jugendinstitut München 2010, S. 436. 14 Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 8. Dezember 2006 (GVBl S. 942), zuletzt geändert durch Art. 17a Abs. 13 des Gesetzes vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 335). 15 Vgl. § 19 Abs. 3 AGKJHG Brandenburg, 17 AG-KJHG Nordrhein-Westfalen, § 27 AG KJHG Saarland, § 38 JuFöG Schleswig-Holstein, § 19 KJHG-Org Mecklenburg-Vorpommern, § 23 KJHG Sachsen-Anhalt. 16 Siehe § 21 Abs. 1 ThürKJHAG und § 24 Abs. 2 LJHG Sachsen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 7 Weitere Bundesländer, wie etwa Berlin und Hamburg17, sehen auf der Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung verwaltungsinterne Regelungen zu den Voraussetzungen von Pflegepersonen vor. Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bestimmt in Nr. 3 Absatz 3 der „Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege und teilstationärer Familienpflege“18 grundlegende Kriterien für die Überprüfung der Eignung von Pflegepersonen . Hierzu gehören unter anderem „erzieherische Kompetenz und Erfahrung“, „Kooperationsfähigkeit im Rahmen des Erziehungsauftrags“ und „stabile familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse“. Die Anforderungen an Pflegeeltern werden in einem Leitfaden (Anlage 1 zu dieser Vorschrift) weiter ausgeführt. Eine Besonderheit des Landes Berlin ist die Verpflichtung der Pflegeperson zur Teilnahme an einer Einstiegsschulung und die weitere Begleitung durch Fortbildungen . Hierzu verweisen die Ausführungsvorschriften in Absatz 4 auf ein Rundschreiben19 der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport aus dem Jahre 2004. In den Bundesländern Baden-Württemberg20, Niedersachsen21, Bremen, Hessen und Rheinland- Pfalz liegen - soweit ersichtlich - keine speziellen Vorschriften zur Qualifikation von Pflegeeltern vor. Genauere Angaben zur Eignungsfeststellung sind daher nur in Empfehlungen, Leitfäden oder Arbeitshilfen zu finden. 3. Rechtliche Qualifikationserfordernisse für Einrichtungen der Tagespflege Auf Bundesebene sind die Voraussetzungen für die Einrichtung von Tagespflegestellen im SGB VIII festgeschrieben. Allgemeine Regelungen zur Kindertagespflege finden sich in § 23 SGB VIII: „Die Förderung in Kindertagespflege … umfasst die Vermittlung des Kindes zu einer geeig- 17 Eine sehr detaillierte Aufzählung von Qualifikationsvoraussetzungen und Ausschlussgründen ist für Hamburg zu finden in der „Fachanweisung Pflegekinderdienst“; vgl. Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, Fachanweisung Pflegekinderdienst, 18. April 2013, abrufbar unter: http://www.hamburg .de/contentblob/3540564/08530ebe3c6cc1b9cc4bf1edc24427ff/data/fachanweisung-pflegekinderdienst .pdf;jsessionid=D1916D34B2DE0952F3CED7E62D3DFFAE.liveWorker2 (Stand: 8.5.2017). 18 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) vom 21. Juni 2004. 19 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Rundschreiben Nr. 4, Rahmenplan zur Grundqualifikation: Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII), 30. Juni 2004, abrufbar unter: http://sfbb.berlin-brandenburg.de/sixcms/media.php/5488/Rahmenplan %20zur%20Grundqualifikation%20PES.pdf (Stand: 8.5.2017). 20 Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg hat eine Arbeitshilfe herausgegeben, die Ausschlussmerkmale für die Eignungsfeststellung enthält: Kommunalverband Baden-Württemberg, Vorbereitung und Begleitung von Pflege- und Herkunftsfamilien, Oktober 2011, S.13, abrufbar unter: https://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/jugend/hilfen_zur_erziehung/pflegeeltern/Vorbereitung_Pflegefamilien .pdf. 21 In den Empfehlungen des Niedersächsischen Ministeriums zur Vollzeitpflege sind Eignungskriterien für Pflegeeltern zu finden in: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Weiterentwicklung der Vollzeitpflege, Anregungen und Empfehlungen an die Niedersächsischen Jugendämter, Mai 2016, abrufbar unter: http://www.agjae.de/pics/medien/1_1236617796/NDS-Handbuch-PKD__formatiert_fuer_einseitigen _Druck.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 8 neten Tagespflegeperson…, deren fachliche Beratung, Begleitung und weitere Qualifizierung sowie die Gewährung einer laufenden Geldleistung an die Tagespflegeperson.“ Die Pflegeerlaubnis im Rahmen der Kindertagespflege ist mit einer Neufassung des § 43 SGB VIII auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden: Seit 1. Oktober 2005 bedarf jeder einer Erlaubnis, der Kinder außerhalb ihrer Wohnung in anderen Räumen während des Tages mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt länger als drei Monate betreuen will. Die Erlaubnis berechtigt zur Betreuung von in der Regel bis zu fünf fremden Kindern und ist auf fünf Jahre befristet. Sie ist zu erteilen, wenn die Pflegeperson geeignet ist. Die Erlaubnis zur Tagespflege wird daher vom Jugendamt auf der Basis einer Eignungsfeststellung erteilt. Dabei sind die Kriterien entscheidend, die in § 23 Abs. 3 und in § 43 Abs. 2 SGB VIII genannt sind: „Geeignet …sind Personen, die sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen und über kindgerechte Räumlichkeiten verfügen. Sie sollen über vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege verfügen, die sie in qualifizierten Lehrgängen erworben oder in anderer Weise nachgewiesen haben.“ Vorbestrafte Personen sind ausgeschlossen (§ 72a SGB VIII). Nähere Anforderungen sind im SGB VIII nicht ausformuliert, sie sind den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen überlassen (§ 26) oder finden sich in Richtlinien und Empfehlungen der örtlichen Jugendämter. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut ein Handbuch22 herausgegeben, das alle maßgeblichen Rechtsgrundsätze und Überlegungen dazu zusammenfasst. Darin heißt es zur Frage der Eignung einer Pflegeperson: „Auflistungen von Eignungskriterien … können angesichts der Komplexität des Gegenstandes keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Darüber hinaus zeigt die Praxis, dass eine angemessene Beurteilung einer Bewerberin bzw. eines Bewerbers stets im Gesamtkontext der Person erfolgen muss.“ Zu den in § 23 Abs. 3 SGB VIII genannten Kriterien „Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft“ macht das Kompendium gleichwohl Vorschläge, mit welchen Eigenschaften diese Kriterien im Einzelnen erfüllt werden könnten. Die Eignungsfeststellung, die Grund- und Weiterqualifizierung und die fachliche Beratung und Begleitung sind die „zentralen Maßnahmen“ der Jugendhilfe-Träger, um die Qualität der Betreuung und das Wohl der betreuten Kinder zu sichern. Die Entscheidung über die Eignung obliegt den pädagogischen Fachkräften des jeweiligen Jugendamtes bzw. des freien Trägers, die sich in einem begleiteten Prozess ein Bild von der Eignung der Bewerber machen und sie für entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zulassen - bis hin zur Erteilung der Pflegeerlaubnis.23 22 Eignung von Tagespflegepersonen in der Kindertagespflege. Praxismaterialien für die Jugendämter, Nr. 2, Oktober 2009, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u.a., abrufbar unter: http://www.kita-bildungsserver.de/downloads/download-starten/?did=565 (Stand: 8.5.2017). 23 Eignung von Tagespflegepersonen in der Kindertagespflege. Praxismaterialien für die Jugendämter, Nr. 2, Oktober 2009, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend u.a., S. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 9 Alle relevanten Informationen zum Thema sind zusammengefasst im „Handbuch Kindertagespflege “24. Es versteht sich als Kompendium für Ämter, pädagogisches Personal sowie Eltern und bietet detaillierte Informationen über die rechtlichen Grundlagen auf Bundesebene und in den einzelnen Bundesländern, über Finanzierung, Kostenbeteiligung und Versicherung, über die Frage der notwendigen Qualifikation von Betreuern und vieles mehr – bis hin zu Kontaktadressen und „Beispielen guter Praxis“ (vgl. Kap. 6.3 und 7.4). 4. Rechtliche Regelungen zur Qualifikation von Pflegeeltern in anderen Ländern (Beispiele) In Frankreich erfolgt die Aufnahme eines Pflegekindes durch Abschluss eines Arbeitsvertrages25. Die potenziellen Pflegeeltern stellen zunächst einen Antrag auf Bewilligung der Pflege bei der zuständigen Behörde. Die Behörde entscheidet über den Antrag unter Berücksichtigung der familiären Situation, der Größe der Wohnung, der beruflichen Lage, der erzieherischen Kompetenzen sowie möglicher pädagogischer Vorerfahrungen des Antragstellers. Im Falle der Bewilligung schließen die Pflegeeltern einen sog. „Aufnahmevertrag“ mit einem öffentlichen oder privaten Träger der Jugendhilfe, der verpflichtet ist, den Pflegeeltern eine 60-stündige Schulung zu gewähren 26. Erst mit Beendigung des Lehrgangs darf das Kind tatsächlich in die Pflegefamilie aufgenommen werden. Die Pflegeerlaubnis wird für fünf Jahre erteilt.27 Sie ist verlängerbar und steht unter dem Vorbehalt einer erneuten obligatorischen Schulung von 240 Stunden, die spätestens im dritten Jahr nach Abschluss des ersten Arbeitsvertrages absolviert wird.28 In England überprüft die zuständige Behörde bzw. die Pflegekindervermittlungsstelle die Eignung („suitability“) der zukünftigen Pflegeeltern unter Berücksichtigung der familiären Umgebung , der persönlichen erzieherischen Fähigkeiten sowie der räumlichen Kapazitäten. Die Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme eines Pflegekindes „richtet sich nach den Interessen des Kindes“29. Die Pflegeerlaubnis setzt ebenso wie in Frankreich eine vorherige verbindliche 24 Handbuch Kindertagespflege, herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend , Berlin 2017, abrufbar unter: http://www.handbuch-kindertagespflege.de/fileadmin/Dokumente/Einleitung /gesamt_gestaltet_barrierefrei_final_2017.pdf. 25 Gem. Art. L421-2 du Code de l’action sociale et des familles (Französisches Sozialgesetzbuch) gelten die französischen Pflegeeltern als Arbeitnehmer, die gegen Entgelt gewöhnlich und dauerhaft Minderjährige oder Volljährige unter 21 Jahren in ihrer Wohnstätte aufnehmen. 26 Union fédérative nationale des associations de familles d’accueil et assistants maternels, Accueil, Nos métiers, Assistant familial, 13. Oktober 2014, abrufbar unter : http://ufnafaam.org/metiers/assistant-familial/ (Stand: 8.5.2017). 27 Le site officiel de l’administration française, Accueil particuliers, Social – Santé, accueil familial, famille d’accueil (assistant familial), 1. Januar 2017, abrufbar unter : https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits /F1260 (Stand: 8.5.2017). 28 Union fédérative nationale des associations de familles d’accueil et assistants maternels, Accueil, Nos métiers, Assistant familial, 13. Oktober 2014, abrufbar unter : http://ufnafaam.org/metiers/assistant-familial/. 29 Department for Education, The Children Act 1989, Guidance and Regulations, Volume 4: Fostering Services, 8. März 2011, S. 44, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/fostering-services-national-minimum -standards (Stand: 8.5.2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 10 Schulung voraus. Im Jahr 2012 hat das britische Bildungsministerium ein Handbuch30 herausgegeben , das die Maßstäbe für den Ausbildungsinhalt der Pflegeeltern festsetzt. Diese Richtlinien sollen ein „nationaler Vergleichswert sein, für das, was alle Pflegepersonen in den ersten 12 bis 18 Monaten nach Erteilung der Pflegeerlaubnis mindestens wissen, verstehen und fähig zu tun sein sollten31“. Die Pflegeeltern werden in Mindestabständen von 12 Monaten überprüft und erneut auf ihre Eignung hin beurteilt.32 In Schottland wird für die Aufnahme eines Pflegekindes ein Vertrag zwischen dem Bewerber und der zuständigen Behörde geschlossen33. Alle Vermittlungsstellen für Pflegekinder sind gesetzlich verpflichtet, ein Gremium einzurichten, das Empfehlungen zur Genehmigung von Pflegeeltern ausspricht und die Eignung der bereits vorhandenen Pflegepersonen in regelmäßigen Abständen überprüft. Das Gremium besteht aus sechs Mitgliedern, die über Erfahrungen im Bereich der Pflegekinderhilfe verfügen.34 Das Familien-Gesetzbuch der Russischen Föderation setzt für die Aufnahme eines minderjährigen Pflegekindes einen Vertragsschluss35 zwischen den Pflegeeltern und der Behörde voraus.36 Für die zukünftigen Pflegepersonen ist ein Training gemäß dem Programm der jeweiligen Regionen erforderlich. 30 Siehe beispielsweise: Department for Education, Training, Support & Development Standards for Foster Carers, Guidance, 12. November 2012, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/287954/foster_care_tsd_standards_guidance.pdf. 31 Department for Education, Training, Support & Development Standards for Foster Carers, Guidance, 12. November 2012, s. Fußnote 30, S. 3. 32 Department for Education, Assessment and approval of foster carers: Amendments to the Children Act 1989 Guidance and Regulations, Volume 4: Fostering Services, 15. Juli 2013, S. 18, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/fostering-services-assessment-and-approval-of-foster-carers (Stand: 8.5.2017). 33 Families for Children, Handbook for Foster Carers, 2017, S. 14, abrufbar unter: http://www.fosterglasgow .org/Pages/ViewResource/9 (Stand: 8.5.2017). 34 Family for every child, Strategies for delivering safe and effective foster care, A review of the evidence for those designing and delivering foster care programmes, Januar 2015, abrufbar unter: http://www.familyforeverychild .org/wp-content/uploads/2015/02/Strategies_for_delivering_safe_and_effective_foster_care.pdf. 35 Die vertragliche Einigung erstreckt sich gemäß Art. 152 des Familiengesetzbuchs der Russischen Föderation auf die Bedingungen der Pflege und der Erziehung sowie auf die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Pflegeeltern und der Behörde. Nach Art. 155 Absatz 2 ist die zuständige Behörde befugt, die Pflegepersonen bei der Erfüllung ihrer Pflichten zu überwachen. 36 Vgl. Art. 151 des Familiengesetzbuchs der Russischen Föderation. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 019/17 Seite 11 In den Vereinigten Staaten müssen Pflegeeltern ein mehrwöchiges Trainingsprogramm absolvieren und darüber hinaus einen sog. „home study process“ durchlaufen.37 Die Ausgestaltung dieser Programme wird in den Bundesstaaten unterschiedlich geregelt. *** 37 AdoptUSKids, Getting approved to foster or adopt, abrufbar unter: http://www.adoptuskids.org/adoption-andfoster -care/how-to-adopt-and-foster/getting-approved (Stand: 8.5.2017).