© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 013/20 Zur Zulässigkeit gewerblicher Anbieter von Aligner-Zahnschienen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 2 Zur Zulässigkeit gewerblicher Anbieter von Aligner-Zahnschienen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 013/20 Abschluss der Arbeit: 1. April 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage 4 2. Rechtliche Grundlagen im Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde 5 3. Auffassung der Landesregierungen in der Hansestadt Hamburg und in Niedersachsen 7 3.1. Hansestadt Hamburg 7 3.2. Niedersachsen 8 4. Positionen verschiedener Verbände 9 4.1. Bundeszahnärztekammer 9 4.2. Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden 9 4.3. Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e. V. 10 4.4. Deutsche Gesellschaft für Aligner Orthodontie e. V. 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 4 1. Ausgangslage Seit einigen Jahren werden bei der Behandlung von Zahnfehlstellungen transparente Kunststoffschienen , sogenannte Aligner, zur schrittweisen Korrektur verwendet. Die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) äußert sich zu der Vorgehensweise mit Alignern am Beispiel eines weit verbreiteten Verfahrens wie folgt: „Die mit einem additionsvernetzten Silikon erstellten Kieferabformungen werden gescannt. Auf der Basis des Dysgnathiebefundes erfolgt nach Vorgabe des Behandlers eine computergestützte, dreidimensionale Simulation der gewünschten Zahnbewegungen . Mit Hilfe eines präzisen Stereolithographieverfahrens1 wird eine Serie von transparenten Kunststoffschienen (Alignern) gefertigt, mit denen die Zahnstellung in kleinen Schritten korrigiert werden kann. Im Normalfall wird eine Schiene 14 Tage lang getragen, ehe die nächste eingesetzt wird. Für einfache Zahnstellungskorrekturen werden 10 bis 20 Aligner benötigt, für umfangreiche und komplexe Zahnbewegungen (z.B. nach Zahnextraktionen) liegt die Anzahl der Schienen zwischen 20 und 50, in Einzelfällen sogar darüber hinaus. Die Schienen müssen mit Ausnahme der Mahlzeiten, nach denen eine gründliche Zahnreinigung zu erfolgen hat, ständig getragen werden.“2 Das Sprechen und Lachen werde durch die kaum sichtbaren Aligner nicht beeinträchtigt. Die Aligner könnten leicht herausgenommen werden.3 Neben der Behandlung mit Alignern beim Kieferorthopäden bieten mehr und mehr auch gewerbliche Anbieter in Form von Start-up-Unternehmen Alignerbehandlungen über das Internet an.4 Manche dieser Unternehmen halten einen Termin beim Kieferorthopäden5 für entbehrlich. Stattdessen muss der Patient einen Zahnabdruck zu Hause nehmen, seine Zähne fotografieren 1 Die Stereolithografie (STL) ist ein Verfahren zur schnellen Prototypen-Herstellung von 3D-Modellen, dem Rapid Prototyping. Auch bei dieser 3D-Drucktechnik wird das 3D-Modell schichtenweise aufgebaut. Im Unterschied zu anderen 3D-Druckverfahren arbeitet die Stereolithografie mit flüssigem, lichtempfindlichem Epoxydharz, das bei Belichtung aushärtet. Näheres ist abrufbar über Wissens-Portal ITWissen.info unter: https://www.itwissen .info/Stereolithografie-stereolithography-STL.html (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 1. April 2020). 2 Göz, Stellungnahme der DGKFO zur Behandlung mit Alignern, Stand Januar 2010, abrufbar unter: https://www.dgkfo-vorstand.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/Stellungnahme_Aligner.pdf. 3 Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik (GZFA), Sanfte Behandlung von Zahnfehlstellungen bei Erwachsenen, abrufbar unter: https://www.gzfa.de/diagnostik-therapie/kieferorthopaedie/zahnregulierungbei -erwachsenen/. 4 Zahnärztliche Mitteilungen, ZM-Online, Aligner-Therapie aus dem Internet, Schöne Zähne per Post, Beitrag vom 16. März 2018, abrufbar unter: https://www.zm-online.de/archiv/2018/06/titel/schoene-zaehne-per-post/. Ein Patent eines US-Unternehmens zur Herstellung der Schienen lief 2017 aus; vgl. hierzu die Presseberichterstattung in der Zeit-Online, Zahnschiene: Mit Do-it-yourself zu geraden Zähnen?, 27. September 2018, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-09/zahnschiene-aligner-vertrieb-onlineportale-kritik. 5 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Gemeint sind immer alle Geschlechter. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 5 und an die Firma senden. Der 3D-Abdruck wird dann simuliert, die Aligner dem Patienten anschließend zugesendet.6 Andere Internet-Anbieter setzen aufgrund der Probleme mit reiner Onlinetherapie auf eine stärkere Kooperation mit Kieferorthopäden.7 Die vorliegende Dokumentation befasst sich nach Vorstellung zweier – in diesem Zusammenhang – zentraler Rechtsgrundlagen im Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG)8 mit verschiedenen Positionen zur Zulässigkeit von gewerblichen Anbietern von Alignern. Diese Positionen gehen ganz überwiegend von einem Verstoß gegen das ZHG mit möglicher Strafbarkeit nach diesem Gesetz aus. Des Weiteren werden Verstöße gegen das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz – HeilPrG9), gegen das Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)10 und die Berufsordnungen der Länder diskutiert. 2. Rechtliche Grundlagen im Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde § 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 3 und 4 ZHG lauten: „Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben will, bedarf einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen. Die Ausübung der Zahnheilkunde ist kein Gewerbe.“ 6 Presseberichterstattung vom 27. September 2018, Zeit Online, Zahnschiene, Mit Do-it-yourself zu geraden Zähnen?, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-09/zahnschiene-aligner-vertrieb-onlineportale -kritik. 7 Teilweise haben Start-up-Unternehmen ihre Vorgehensweise aktuell umgestellt und kooperieren neuerdings mit niedergelassenen Zahnärzten, vgl. Interview vom 9. Oktober 2019 zu Zahnschienen-Start-up, Weniger Lifestyle, mehr Medizin – das steckt hinter den News bei Sunshine Smile, abrufbar unter: https://www.gruenderszene .de/health/plusdental-peter-baumgart-sunshine-smile?interstitial. 8 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1225), das zuletzt durch Artikel 2b des Gesetzes vom 14. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2768) geändert worden ist. 9 Heilpraktikergesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 17e des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191) geändert worden ist. § 1 Absatz 1 und 2 HeilPrG lautet: „Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis. Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.“ 10 Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), das zuletzt durch Artikel 83 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 6 § 18 Nummer 1 Alternative 1 ZHG lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Erlaubnis als Zahnarzt zu besitzen.“ Dem Tätigkeitsfeld des Zahnarztes sind sämtliche Behandlungsmaßnahmen zuzurechnen, die ihren unmittelbaren Behandlungsansatz im Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers finden.11 Zur zahnärztlichen Behandlung gehören damit auch das Verordnen von Zahnersatz und die kieferorthopädische Behandlung.12 Das ZHG umfasst insgesamt die Kiefer als Gegenstand der Zahnheilkunde, ohne dabei Einschränkungen vorzunehmen.13 Grundsätzlich können auch Eingriffe mit kosmetischer Zielsetzung dem Begriff der Heilkunde unterfallen.14 In jedem Fall ist die Feststellung eines Krankheitswertes im Sinne von § 1 Absatz 3 Satz 2 ZHG dem approbierten Zahnarzt vorbehalten.15 Das Alignerverfahren ist als speziell für die Erwachsenenbehandlung geeignete Behandlungsmethode , die eine Zahn- und Kieferkorrektur ermöglicht, anerkannt.16 Daher wird für volljährige privat Krankenversicherte17 bei medizinischer Notwendigkeit die Behandlung durch einen Kieferorthopäden – je nach Tarif – gewährt.18 Zudem sind die Aufwendungen bei medizinischer Notwendigkeit beihilfefähig.19 11 Eichelberger in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, ZHG § 1, Rn. 11. 12 Eichelberger in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, ZHG § 1, Rn. 11 ff.; Zuck/Gokel in: Quaas/Zuck/Clemens , Medizinrecht, 4. Auflage 2018, § 28 Rn. 4. 13 OLG Zweibrücken, Urteil vom 21. August 1998 - 2 U 29/97, BeckRS 1998, 07018. 14 OVG Münster, Urteil vom 18. April 2013 - 13 A 1210/11, BeckRS 2013, 52352. 15 OLG Frankfurt, Urteil vom 1. März 2012 - 6 U 264/10, BeckRS 2012, 5488. 16 LG Köln, Urteil vom 9. Januar 2013 - 23 O 284/10, BeckRS 2014, 1485; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Mai 2017 - L 1 KR 660/15, BeckRS 2017, 111890 . 17 Erwachsene, die gesetzlich krankenversichert sind, erhalten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nach § 28 Absatz 2 Satz 6 Fünftes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) keine kieferorthopädische Behandlung. 18 LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23. März 2012 - 2-23 O 365/10, BeckRS 2014, 1484. Auch für Kinder ist die Behandlung mit Alignern möglich: LG Koblenz, Urteil vom 16. März 2006 -14 S 388/03, juris. 19 Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen zum Vollzug der Sächsischen Beihilfeverordnung vom 24. Februar 2016 (SächsABl. S. 266), die zuletzt durch die Verwaltungsvorschrift vom 10. April 2019 (SächsABl. S. 663) geändert worden ist, Ziffer 14.1.3: „Kommt ein anderes kieferorthopädisches Verfahren (zum Beispiel: Aligner-Verfahren) zur Anwendung, sind neben den Aufwendungen für die Umformleistung (Nummer 6030, 6040 oder 6050 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenordnung für Zahnärzte) auch die notwendigen und angemessenen Materialkosten aufgrund einer Vereinbarung nach den allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt G des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenordnung für Zahnärzte mit dem Patienten beihilfefähig.“, abrufbar unter: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/16881-VwV-SaechsBhVO#vwv14. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 7 3. Auffassung der Landesregierungen in der Hansestadt Hamburg und in Niedersachsen In der Hansestadt Hamburg und in Niedersachsen haben sich die Landesregierungen im Rahmen der Beantwortung Kleiner Anfragen mit der Thematik der Zulassung gewerblicher Anbieter von Alignerbehandlungen befasst. 3.1. Hansestadt Hamburg Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 19. August 2019 und Antwort des Senats, Zahnschienen aus dem Netz – Gesundheitliche Risiken durch „Aligner“, Drucksache 21/18085 vom 27. August 2019, abrufbar unter: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/67707/zahnschienen _aus_dem_netz_gesundheitliche_risiken_durch_aligner.pdf Der Senat der Hansestadt Hamburg positioniert sich eindeutig und stuft das Verfahren der Behandlung mit Alignern als Ausübung der Zahnheilkunde ein: „Nach § 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz (ZHG) darf die Zahnheilkunde ausüben, wer über eine zahnärztliche Approbation nach § 2 ZHG oder eine vorübergehende Erlaubnis zur Ausübung der Zahnheilkunde nach § 13 ZHG verfügt. Die gewerblichen Firmen selbst dürfen die Zahnheilkunde nur ausüben, wenn sie hierfür approbierte Zahnärzte anstellen. Die Gesellschaften müssen die Vorgabe des § 27 Absatz 3 S. 2 Hamburgisches Kammergesetz20 für die Heilberufe erfüllen. Das bedeutet unter anderem, dass die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte Kammermitgliedern zustehen, Dritte nicht am Gewinn beteiligt sind und der Unternehmensgegenstand ausschließlich auf die Erbringung heilberuflicher Leistungen gerichtet ist.“ In der Folge seien diese zahnärztlichen Leistungen dann auch nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)21 zu erbringen: „Die Erbringung kostenloser Leistungen wie Beratung und Festpreise ist unzulässig. Verstöße gegen das zahnärztliche Berufsrecht werden von der Zahnärztekammer Hamburg geprüft und gegebenenfalls geahndet.“ Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 4. September 2019 und Antwort des Senats, Aufsicht über Gesundheitsunternehmen , die ärztliche Leistungen erbringen und sich außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung der Freien und Hansestadt Hamburg befinden, Drucksache 21/18266 vom 20 Hamburgisches Kammergesetz für die Heilberufe (HmbKGH) vom 14. Dezember 2005 (HmbGVBl. 2005, S. 495), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (HmbGVBl. 2019 S. 5, 9). 21 Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661) geändert worden ist. Die Abrechnung der zahnärztlichen Behandlung erfolgt im privatzahnärztlichen Bereich auf Grund der GOZ. Zahntechnische Leistungen werden als Auslagen nach § 9 GOZ abgerechnet. Die GOZ ist auch der Gebührenmaßstab für das Beihilferecht. Zu Einzelheiten der Abrechnung nach GOZ im Zusammenhang mit Alignern siehe Zach, Michael, Rechtliche Aspekte der Alignerbehandlung in: Kieferorthopädienachrichten, S. 8 (14 ff.), abrufbar unter: https://media.zwp-online .info/archiv/pub/546331c1cb1f2/#0. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 8 10. September 2019, abrufbar unter: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument /67901/aufsicht_ueber_gesundheitsunternehmen_die_aerztliche_leistun-gen_erbringen _und_sich_ausserhalb_der_vertragsaerztlichen_versorgung_der_freien_und_hanses.pdf Der Hamburger Senat stellt hier klar, Zahnärzte unterlägen der Berufsaufsicht durch die Hamburger Zahnärztekammer. Die Unternehmen an sich unterstünden insoweit allerdings keiner weitergehenden Aufsicht. Im Zusammenhang mit einer unerlaubten Ausübung der Heilkunde wird festgestellt: „Soweit ein Gesundheitsunternehmen unerlaubt die Heilkunde ausübt, das heißt insbesondere durch nicht berechtigtes Personal (zahn)medizinische Leistungen erbringt, prüft die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz eine Tätigkeitsuntersagung.“ 3.2. Niedersachsen Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Susanne Victoria Schütz und Björn Försterling (FDP) vom 23. September 2019 mit Antwort, Kieferorthopädische Behandlung auf Bestellung, Drucksache 18/4930 vom 24. Oktober 2019, abrufbar über das Landtagsdokumentationssystem Niedersachsen unter: https://www.nilas.niedersachsen.de/starweb/NILAS/servlet.starweb ?path=NILAS/lisshfl.web&id=NILASWEBDOKFL&format=WEBDOKFL&search =%28DART%3DD+AND+WP%3D18+AND+DNR%2CKORD%3D4930%29#? Das niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertritt namens der Landesregierung zur Frage des Vertriebs von Aligner-Schienen über das Internet die Auffassung , dass eine Korrektur von Zahn- oder Kieferfehlstellungen eine adäquate Diagnostik und eine regelmäßige Behandlungskontrolle voraussetze. Ärzte könnten auch statt in eigener Praxis in Gesundheitsunternehmen arbeiten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Vertrieb über das Internet die Sicherheit für Patientinnen und Patienten gefährden könnte, werden nicht gesehen: „Auch im Falle eines Internetvertriebs führt das zuständige Gewerbeaufsichtsamt die Überwachung nach dem geltenden Medizinprodukterecht durch. Dies beinhaltet neben der Anforderung und Prüfung von Unterlagen im Einzelfall auch eine Begehung vor Ort. Wird bei dieser Überprüfung eine Gefährdung der Sicherheit von Patientinnen und Patienten erkannt, wird aufsichtsrechtlich reagiert, das kann bis zur Untersagung des weiteren Vertriebs reichen. Darüber hinaus erfolgen selbstverständlich anlassbezogene Prüfungen. Soweit der Ärztekammer Niedersachsen oder der Zahnärztekammer Niedersachsen von Kammermitgliedern Gesellschaftsverträge über die Gründung berufsbezogener Unternehmen vorgelegt werden, können diese die Einhaltung der Vorschriften des § 32 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG)22 prüfen. Eine Vorlagepflicht ist rechtlich jedoch nicht ausdrücklich angeordnet. Für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 32 HKG nicht erfüllt sind, kommt die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen in Betracht. Ein Durchgriff auf Unternehmen selbst scheidet mangels Mitgliedschaft und Zuständigkeit aus.“ 22 Kammergesetz für die Heilberufe (HKG) in der Fassung vom 8. Dezember 2000 (Nds. GVBl. S. 301), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. März 2019 (Nds. GVBl. S. 70); § 32 HKG lässt die zahnärztliche Tätigkeit auch als Gesellschafterin oder Gesellschafter einer als juristische Person des Privatrechts geführten Praxis zu, wenn u. a. die Gesellschaft ihren Sitz in Niedersachsen hat, Gegenstand des Unternehmens die ausschließliche Wahrnehmung heilberuflicher Tätigkeiten ist, die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte Kammermitgliedern zusteht, mindestens die Hälfte der zur Geschäftsführung befugten Personen Kammermitglieder sind und ein Dritter am Gewinn der Gesellschaft nicht beteiligt ist. Daneben sind in § 32 HKG weitere Voraussetzungen formuliert. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 9 4. Positionen verschiedener Verbände Im Jahr 2019 sowie im Jahr zuvor haben sich verschiedene Verbände zur Zulässigkeit gewerblicher Anbieter von Alignern geäußert. 4.1. Bundeszahnärztekammer Bundeszahnärztekammer – Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e. V. (BZÄK), Position, Grenzen der Selbstbehandlung - insbesondere in der Kieferorthopädie, 25. Februar 2019, abrufbar unter: https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b/Grenzen__Selbstbehandlung _KFO.pdf sowie Antrag an die Bundesversammlung der BZÄK am 15. und 16. November 2019, Berlin, TOP 6.2 Zahnmedizin ist kein Gewerbe!, abrufbar unter: https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/dzt19/beschluesse/Beschluss-6_2-4_Zahnmedizin _ist_kein_Gewerbe.pdf Der Vorstand der BZÄK weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es rechtlich sowie zahnmedizinisch problematisch sei, wenn gewerbliche Anbieter Behandlungsgeräte vertreiben und Patienten zur Selbstbehandlung anweisen. Diese Stellungnahme geht auf einen Beschluss der BZÄK-Bundesversammlung zurück, mit dem der BZÄK-Vorstand aufgefordert wurde, auf nationaler und europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen, dass Geschäftsmodelle gewerblicher Anbieter von Behandlungsgeräten zur Selbstbehandlung, z. B. aktuell Alignern, strikt unterbunden werden. Betont wurde, dass die Behandlung in der Kieferheilkunde gemäß § 1 Absatz 3 ZHG zum Schutz der Patienten und der Versorgungsqualität allein in der Verantwortung der Zahnärzte und Kieferorthopäden liegen müsse und nicht zum Spielfeld gewerblicher Anbieter werden dürfe. Andernfalls sei an eine Strafbarkeit nach § 18 ZHG zu denken. Zu zahnmedizinischen Gründen bemerkt die BZÄK: „Eine zahnmedizinische Behandlung ist immer mit erheblichem Kontrollaufwand verbunden, sodass sie der echten Selbstbehandlung entzogen ist. Gerade bei der kieferorthopädischen Bewegung von Zähnen oder Zahngruppen wirken bisweilen starke Kräfte dauerhaft auf die Zähne und den Zahnhalteapparat ein, die einer kontinuierlichen Kontrolle seitens eines Zahnarztes bedürfen.“ 4.2. Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden e. V. (BDK), Schienen auf dem Postweg – Eine Alternative?, in: Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte Januar 2019, Album 2018, S. 31, abrufbar unter: https://www.zaek-berlin.de/dateien/Content/Dokumente /Presse/MBZ_2019/MBZ_01_2019_online.pdf sowie LG Düsseldorf bestätigt Kritik: Zahn- Schienen Start-up Dr.Smile: Unterschreitung des kieferorthopädischen Standards bei Diagnostik und Therapie, März 2019, abrufbar unter: https://www.bdk-online.org/wissenswertes/meldungen /395-lg-duesseldorf-bestaetigt-kritik-zahn-schienen-start-up-dr-smile-unterschreitung-des-kieferorthopaedischen -standards-bei-diagnostik-und-therapie und BDK, Warnung vor Aligner- Anbietern: PlusDental und DrSmile scheitern mit Unterlassungsanträgen, Pressemitteilung vom 9. Januar 2020, abrufbar unter: https://www.bdk-online.org/wissenswertes/meldungen/462-warnung -vor-aligner-anbietern-plusdental-und-drsmile-scheitern-mit-unterlassungsantraegen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 10 Aus Sicht des BDK ist eine kieferorthopädische Begleitung bei der Alignertherapie unerlässlich: „Eine Direct-to-consumer Behandlung ohne klinische Voruntersuchung, ohne Röntgendiagnostik und ohne persönliche Kontrolle des Behandlungsverlaufs stellt nach Auffassung des BDK eine gravierende Unterschreitung des zahnmedizinischen Standards dar und ist auch berufsrechtlich und berufsethisch problematisch.“ Sowohl der BDK als auch Zahnärztekammern in verschiedenen Bundesländern hatten offenbar die Suche von gewerblichen Aligner-Anbietern nach Kooperationen mit niedergelassenen Kieferorthopäden zum Anlass genommen, ihre Mitglieder in Form von Artikeln in Zeitschriften vor möglichen berufsrechtlichen Risiken zu warnen (vgl. beispielsweise erstgenannter Beitrag, BDK, Schienen auf dem Postweg – Eine Alternative? sowie Fischer, Michael, Aligner als Geschäftsmodell in: Zahnärzteblatt der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, 10/2019, S. 4, abrufbar unter: https://zahnaerzte-sh.de/app/uploads /2019/10/Zahnaerzteblatt_10_2019_WEB.pdf). Start-up-Unternehmen hielten diese Informationen für herabwürdigend und wettbewerbswidrig und leiteten Gerichtsverfahren ein, um diese Informationen zu untersagen. Die Gerichte entschieden , das Begehren der Unternehmen abzulehnen. Es sei Aufgabe der Zahnärztekammer, ihre Mitglieder über neue Entwicklungen zu informieren. Die in den Artikeln getroffenen Aussagen seien rechtlich nicht zu beanstanden und in der gebotenen Sachlichkeit erfolgt: LG Kiel, Beschluss vom 27. November 2019 – 5 O 325/19, abrufbar über das Landesportal der Landesregierung Schleswig-Holstein unter: http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal /t/2o3m/page/bsshoprod.psml;jsessionid =C7DDBE0C3F649416A2D2BE582B113E12.jp14?pid=Dokumentanzeige&showdoccase =1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc =yes&doc.id=JURE200002118%3Ajuris-r02&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1 und LG Düsseldorf, Urteil vom 13. März 2019 – 34 O 1/19, abrufbar über die Nordrhein-Westfalen (NRW) Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte in NRW unter: https://www.justiz .nrw.de/nrwe/lgs/duesseldorf/lg_duesseldorf/j2019/34_O_1_19_Urteil_20190313.html 4.3. Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie e. V. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO) zu Alignertherapie durch Drittanbieter vom Dezember 2018, abrufbar unter: https://www.dgkfo-vorstand.de/fileadmin /redaktion/veroeffentlichungen/DGKFO_Stellungnahme_Aligner_2018-12.pdf Die DGKFO stuft die Erstellung von Zahnabdrücken durch den Patienten mit anschließender Durchführung einer „kieferorthopädischen Eigentherapie“ oder mit nur einmaligem persönlichem Kontakt zu einem Zahnarzt ohne geeignete Kontrolle und Dokumentation des Behandlungsverlaufes als medizinisch unverantwortlich und für den Patienten als potentiell gesundheitsgefährdend ein. Erforderlich sei vielmehr eine kontinuierliche Kontrolle und Bewertung der Auswirkungen aller Therapieschritte durch einen Kieferorthopäden. Die DGKFO sieht nicht die kieferorthopädische Therapie mit Alignern als solche – unabhängig vom Hersteller – als Problem an, sondern die unkontrollierte Eigentherapie ohne adäquate Risikoeinschätzung und Verlaufskontrolle . Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 11 4.4. Deutsche Gesellschaft für Aligner Orthodontie e. V. Stellungnahme des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO) zu den sogenannten Aligner-Shops vom 8. Januar 2019 sowie Zach, Michael, Stellungnahme zu den aktuellen Vertriebskonzepten der sog. Aligner-Shops im Auftrag der DGAO vom 16. Januar 2019, beide abrufbar unter: : http://www.dgao.com/stellungnahme/stellungnahme-des-vorstandes-derdeutschen -gesellschaft-fuer-aligner-orthodontie-zu-den-sogenannten-aligner-shops.html Alignertherapien, bei denen weder ein Zahnarzt noch ein Kieferorthopäde entscheidenden Einfluss auf die gesamte Behandlung nimmt, lehnt die DGAO strikt ab. Sie sieht hierin einen Verstoß gegen das ZHG: „Der Gesetzgeber hat die Verantwortung hierfür ausschließlich approbierten Zahnärzten übertragen, die im Einzelfall entscheiden, ob Teilaufgaben eventuell von zahnärztlichem Fachpersonal unter Aufsicht übernommen werden. Alles davon Abweichende ist eine verbotene Ausübung der Zahnheilkunde zu gewerblichen Zwecken.“ Der Zahnarztvorbehalt nach § 1 Absatz 1 ZHG umfasse auch schon alle vorbereitenden Maßnahmen , sofern sie zu dem Zweck der kieferorthopädischen Zahnkorrektur erfolgen, insbesondere die hierauf ausgerichtete Kontaktaufnahme und Patienteninformation. Mithin liege bei Anbietern ohne zahnärztlichen Sachverstand ein strafbewehrtes Verhalten nach § 18 ZHG (Ausübung der Zahnheilkunde ohne Approbation) vor. Dabei sei nicht zwischen ästhetischen und medizinischen Gründen der Zahnkorrektur zu trennen, da die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) in § 1 Absatz 2 Satz 2 klarstelle, dass auch Verlangensleistungen dem Approbierten vorbehalten seien. Als weitere Gründe gegen eine Alignertherapie ohne Einbindung von Zahnärzten werden z. B. angeführt: Die Berufsordnungen23 der Länder sähen einen eindeutigen Niederlassungsort des Behandlers vor, an dem die Ausübung der Zahnheilkunde zu erfolgen hat (Transparenzgebot ): „Hieran fehlt es, wenn die Stätte als Aligner-Shop bezeichnet wird und den darin angeblich verantwortlich tätigen Zahnarzt nach außen hin mangels eigener Niederlassung nicht einmal erkennen läßt.“ Das Transparenzgebot diene einerseits dem Schutz der Patientinnen und Patienten und andererseits der Erleichterung der Berufsüberwachung.24 23 Vgl. Musterberufsordnung der BZÄK, Stand: 16. November 2019, abrufbar unter: https://www.bzaek.de/fileadmin /PDFs/recht/mbo.pdf (vgl § 9). 24 Auch die Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) vom 28. Mai 1957 (BGBl I S. 582), zuletzt geändert durch Artikel 15 a Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG) vom 6. Mai 2019 (BGBl. I 2019, S. 646), enthält in § 24 Absatz 1 und 2 die Regelungen , dass die Zulassung für den Ort der Niederlassung als Zahnarzt (Vertragszahnarztsitz) erfolgt und der Vertragszahnarzt am Vertragszahnarztsitz seine Sprechstunde halten muss. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 013/20 Seite 12 Das Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)25 fordere zum Schutz der Gesundheit des Individuums eine EU-Konformitätserklärung nach der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (93/42/EWG), wonach der Hersteller, der Patient und der verordnende Arzt benannt werden (§ 9 MPG i. V. m. Anhang VIII der Richtlinie).26 *** 25 Medizinproduktegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), das zuletzt durch Artikel 83 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. 26 Aligner dürften unter die in Artikel 1 Absatz 2a (93/42/EWG) bzw. unter die in § 3 Absatz 1c MPG aufgeführte Begriffsbestimmung der Medizinprodukte zu subsumieren sein, da sie zum Zwecke der Veränderung eines anatomischen Aufbaus, nämlich der Korrektur von Zahnfehlstellungen bestimmt sind. Zudem handelt es sich bei den Alignern um Sonderanfertigungen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2d (93/42/EWG) bzw. im Sinne des § 3 Absatz 8 MPG, da sie im Falle einer Behandlung beim Kieferorthopäden nach schriftlicher Verordnung eines Arztes unter dessen Verantwortung eigens angefertigt werden und zur ausschließlichen Anwendung bei einem namentlich genannten Patienten bestimmt sind.