© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 012/21 Überblick über Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 2 Überblick über Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 012/21 Abschluss der Arbeit: 26. März 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Überblick über die Versorgungssituation und deren Entwicklung 5 2.1. Deutschland 5 2.2. Dänemark 7 2.3. Norwegen 8 2.4. Schweden 9 3. Mindestmengenregelungen im Hinblick auf die Zahl der betreuten Geburten 11 3.1. Deutschland 11 3.2. Dänemark 12 3.3. Norwegen 12 3.4. Schweden 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 4 1. Vorbemerkung In Deutschland haben gesetzlich versicherte Frauen nach § 24d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)1 während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung sowie auf Hebammenhilfe einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge. Die Entbindung selbst kann gemäß § 24f SGB V ambulant in einem Krankenhaus, in einer von einer Hebamme oder einem Entbindungspfleger geleiteten Einrichtung, in einer ärztlich geleiteten Einrichtung, in einer Hebammenpraxis oder im Rahmen einer Hausgeburt stattfinden. Geburten im häuslichen Umfeld dürfen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung nur unter bestimmten Voraussetzungen im Hinblick etwa auf den Gesundheitszustand der Mutter und den Schwangerschaftsverlauf erbracht werden.2 In den letzten Jahren hat die Schließung von kleinen Geburtsstationen in Krankenhäusern Medienberichten zufolge zu Engpässen in der Versorgung geführt, da die Kapazität großer Kliniken nicht parallel gewachsen ist. Ein Drittel der Kliniken gab in einer Befragung im Jahr 2018 an, bereits Schwangere unter der Geburt abgewiesen zu haben, teils aus einem Mangel an Hebammen oder an Raumkapazitäten, teils aufgrund einer Überlastung der neonatologischen Intensivstationen .3 Zur Verbesserung der Situation wird häufig – unter Hinweis auf die Praxis in den skandinavischen Ländern – eine Verdichtung auf wenige große Geburtshilfezentren vorgeschlagen.4 Die vorliegende Arbeit setzt sich auftragsgemäß mit den Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe in Dänemark, Schweden und Norwegen auseinander.5 Auch die deutsche Situation wird dargestellt. Insbesondere soll ein Überblick der Entwicklung der Versorgungsstrukturen, insbesondere im Hinblick auf die Zahl von Geburtsstationen und von Hebammen gegeben werden. Zudem wird dargelegt, ob in den genannten Ländern sogenannte Mindestmengenregelungen, etwa im Hinblick auf die Anzahl der betreuten Geburten, bestehen. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung, Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Februar 2021 (BGBl. I S. 266). 2 GKV-Spitzenverband u. a., Beiblatt 1 Kriterien zu Geburten im häuslichen Umfeld zur Anlage 3 Qualitätsvereinbarung zum Vertrag nach § 134a SGB V, April 2020, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media /dokumente/krankenversicherung_1/ambulante_leistungen/hebammen/20200401_Hebammen_Anlage _zur_Vereinbarung_-_Beiblatt_1_Kriterien_zu_Geburten_im_haeuslichen_Umfeld_Anlage_3_QV_final.pdf. Dieser und alle weiteren Online-Nachweise zuletzt abgerufen am 26. März 2021. 3 Seelbach-Göbel, Birgit, Die Probleme mit der Geburtshilfe in Krankenhäusern außerhalb der Zentren, in: Bayerisches Ärzteblatt, 7. Juni 2018, abrufbar unter: https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/inhalte/details/news/detail /News/die-probleme-mit-der-geburtshilfe-in-krankenhaeusern-ausserhalb-der-zentren.html. 4 Vgl. etwa Seelbach-Göbel, Birgit, Die Probleme mit der Geburtshilfe in Krankenhäusern außerhalb der Zentren, in: Bayerisches Ärzteblatt, 7. Juni 2018, abrufbar unter: https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/inhalte/details /news/detail/News/die-probleme-mit-der-geburtshilfe-in-krankenhaeusern-ausserhalb-der-zentren.html. 5 Sofern Angaben nicht mit einer Quellenangabe versehen sind, beruhen sie auf einer aktuellen Auskunft aus dem jeweiligen Land. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 5 2. Überblick über die Versorgungssituation und deren Entwicklung 2.1. Deutschland Die weit überwiegende Zahl von Kindern wird in Deutschland in Krankenhäusern geboren. Von 787.523 Lebendgeburten im Jahr 20186 fanden 770.570 in Krankenhäusern statt7. Im Jahr 2019 kam ein vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenes Gutachten des iGES8 (unabhängiges Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastruktur- und Gesundheitsfragen ) zum Ergebnis, dass eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Hebammenhilfe, überwiegend gewährleistet ist. Im Jahr 2018 wurden hiernach an 682 Krankenhausstandorten Geburten betreut.9 Die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland, in denen Entbindungen durchgeführt werden, hat sich seit dem Jahr 1991 um ca. 43 Prozent reduziert, seit 2007 um ca. 22 Prozent. Gemäß den im iGES-Gutachten wiedergegebenen Daten des Statistischen Bundesamtes gab es im Jahr 1991 in Deutschland noch 1.186 Krankenhäuser mit Entbindungen, im Jahr 2007 noch 865 und im Jahr 2017 noch 672.10 Die Anzahl der Krankenhausstandorte mit Entbindungen ist insgesamt von 811 im Jahr 2010 auf 682 im Jahr 2018 zurückgegangen. Dabei hat sich auch die Größenstruktur der Geburtskliniken verändert. Die Anzahl der kleinen Geburtskliniken (mit weniger als 500 Geburten) ist von mehr als 260 im Jahr 2010 auf 120 Standorte im Jahr 2018 zurückgegangen. Die Anzahl der Geburtskliniken mit einer hohen Geburtenzahl hat sich in der gleichen Zeit leicht erhöht; bei den Kliniken 6 Statistisches Bundesamt, Daten der Lebendgeborenen, Totgeborenen, Gestorbenen und der Gestorbenen im 1. Lebensjahr, Stand: 13. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt /Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/lebendgeborene-gestorbene.html. 7 Statistisches Bundesamt, Gesundheit – Grunddaten der Krankenhäuser – 2018, erschienen am 27. August 2020, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Publikationen /Downloads-Krankenhaeuser/grunddaten-krankenhaeuser-2120611187004.pdf?__blob=publicationFile, S. 85. 8 Albrecht, Martin/ Loos, Stefan et. al, iGES-Gutachten – Stationäre Hebammenversorgung, Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit, September 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/stationaere_Hebammenversorgung_IGES-Gutachten .pdf. 9 Albrecht, Martin/ Loos, Stefan et. al, iGES-Gutachten – Stationäre Hebammenversorgung, Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit, September 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/stationaere_Hebammenversorgung_IGES-Gutachten .pdf, S. 76. 10 Albrecht, Martin/ Loos, Stefan et. al, iGES-Gutachten – Stationäre Hebammenversorgung, Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit, September 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/stationaere_Hebammenversorgung_IGES-Gutachten .pdf, S. 77. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 6 mit mindestens 500 Geburten von 550 auf 562. Besonders stark angestiegen ist die Zahl der Kliniken mit mehr als 1.500 Geburten, sie hat sich seit dem Jahr 2010 fast verdoppelt (auf 174 im Jahr 2018).11 Die Verteilung der Geburtskliniken auf städtische und ländliche Standorte hat sich in den letzten Jahren hingegen kaum verändert. Die Mehrheit der Krankenhausstandorte mit Entbindungen befand sich sowohl im Jahr 2010 als auch im Jahr 2018 in städtisch geprägten Regionen. Der Anteil der Kliniken, die in ländlichen Regionen lagen, war 2010 mit 38 Prozent (310 Kliniken) annähernd genauso hoch wie im Jahr 2018 mit 37 Prozent (252).12 Es gebe dem Gutachten zufolge jedoch einige Regionen, in denen die zurückzulegenden Wege zur Klinik überdurchschnittlich hoch seien und dadurch eine möglichst wohnortnahe Versorgung und Möglichkeit zur freien Wahl des Geburtsortes gefährdet sei. Die Befragungsergebnisse verdeutlichen, dass es stellenweise zu Überlastungen bis hin zu zeitweisen Engpässen in der stationären Hebammenversorgung kommt. Hiervon sind vor allem Geburtshilfe -Zentren und Geburtskliniken in großen Städten betroffen, während in kleineren Geburtskliniken in ländlichen Regionen Hebammen häufig nur unterdurchschnittlich ausgelastet sind. Mehr als ein Drittel der befragten Geburtskliniken gab an, dass sie im Jahr 2018 mindestens in einem Fall Schwangere mit Wehentätigkeiten wegen Kapazitätsengpässen bei Hebammen und/oder Räumen nicht aufnehmen oder versorgen konnten. Dass den Geburtskliniken Hebammen fehlen, verdeutlicht der vergleichsweise hohe Anteil von 57 Prozent der Kliniken mit Vakanzen im Umfang von durchschnittlich 18 Prozent ihrer Planstellen , von denen wiederum etwa die Hälfte Schwierigkeiten hat, diese zu besetzen. Als Hemmnis gilt vor allem die hohe Arbeitsbelastung für Hebammen im Verhältnis zum Gehaltsniveau. Ein zentraler Indikator für die Situation der stationären Hebammenversorgung ist das (quantitative) Betreuungsverhältnis zwischen Hebammen und schwangeren bzw. gebärenden Frauen. Klinikund Hebammenbefragung ergeben hier ungefähr übereinstimmend ein durchschnittliches Verhältnis von etwa 1:2 für gebärende Frauen. Ein Großteil der Hebammen (84 Prozent) hat in einer üblichen Schicht zur gleichen Zeit maximal zwei Gebärende oder weniger zu betreuen. Die Studie schlägt die Zusammenlegung und Konzentration von Geburtsstationen vor, betont aber, dass eine Versorgung auf dem Land gewährleistet bleiben muss. Ebenfalls wird vorgeschlagen , hebammenfremde Tätigkeiten zu delegieren und finanzielle Anreize zu schaffen. 11 Albrecht, Martin/ Loos, Stefan et. al, iGES-Gutachten – Stationäre Hebammenversorgung, Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit, September 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/stationaere_Hebammenversorgung_IGES-Gutachten .pdf, S. 79. 12 Albrecht, Martin/ Loos, Stefan et. al, iGES-Gutachten – Stationäre Hebammenversorgung, Gutachten für das Bundesministerium für Gesundheit, September 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/stationaere_Hebammenversorgung_IGES-Gutachten .pdf, S. 80. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 7 Im Jahr 2019 wurden die rechtlichen Grundlagen für die Ausbildung von Hebammen mit dem Hebammenreformgesetz (HebRefG)13 reformiert, um die Anforderungen der Richtlinie 2005/36/EG zu erfüllen und den Beruf attraktiver zu machen. Die Hebammenausbildung wurde vollständig akademisiert. Zukünftig werden alle Hebammen akademisch im Rahmen von Regelstudiengängen ausgebildet. Das Studium ist als duales Studium ausgestaltet und weist einen weiterhin hohen Praxisanteil auf.14 2.2. Dänemark Die große Mehrheit der Kinder in Dänemark wird in Krankenhäusern geboren. Von 60.937 Geburten im Jahr 202015 war dies bei 97,1 Prozent der Fall. Die weit überwiegende Zahl hiervon (93,2 Prozent) fand in regulären Geburtsstationen und 3,9 Prozent in besonderen Stationen für Geburten mit niedrigem Risiko statt. Letztere wurden im Jahr 2019 in einigen großen Kliniken der Region Kopenhagen eingeführt und sind örtlich an die Hauptgeburtsstationen angebunden. 2,9 Prozent aller Geburten fanden als Hausgeburt statt, entweder im Haus oder der Wohnung der Mutter (2,3 Prozent) oder in öffentlich finanzierten Privatkliniken (0,3 Prozent). Es besteht nach dem Danish Health Act ein Recht der Mutter auf eine Hausgeburt, wenn diese es wünscht.16 Das dänische Gesundheitssystem wird über Steuern finanziert. Jede Frau mit einer gültigen Meldeadresse in Dänemark und einer Bürgerregistrierungsnummer oder Aufenthaltserlaubnis hat daher einen Anspruch auf kostenfreie Versorgung durch eine qualifizierte Hebamme bei der Geburt. Derzeit existieren in Dänemark 23 Geburtsstationen in Krankenhäusern. Diese Zahl hat sich nach Auskunft der dänischen Gesundheitsbehörde Sundhedsstyrelsen gegenüber 2015 nicht verändert. Die Zahl der Krankenhäuser, welche Geburten durchführen, hat sich über die letzten Jahrzehnte verringert. So gab es 1995 noch 51 Geburtsstationen; in 2002 waren es noch 42. Die Größenstruktur hat sich ebenfalls verändert, so dass heute mehr relativ große Stationen existieren. Die jährlichen Geburtenzahlen auf den Stationen reichten im Jahr 2020 von 297 bis 7.078. Die meisten liegen bei 1.500 bis 3.000 Geburten. Kleine Geburtsstationen mit weniger als 500 Geburten gibt es lediglich zwei; eine davon auf der Insel Bornholm. Die Zahl der Geburten in Dänemark hat – nach einem vorherigen Rückgang – seit dem Jahr 2013 zugenommen. Der Anteil von Müttern mit chronischen Krankheiten, psychischen Problemen und sozialen Schwierigkeiten, die eine zusätzliche Betreuung benötigen, ist ebenfalls angestiegen. Es wird erwartet, dass die Zahl der Geburten in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird, was auf die großen Geburtenkohorten Mitte der 1980er Jahre in Verbindung mit der Tatsache zurückzuführen ist, dass Frauen heute typischerweise ihr erstes Kind im Alter von etwa 30 Jahren be- 13 Gesetz zur Reform der Hebammenausbildung und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Hebammenreformgesetz – HebRefG) vom 22. November 2019, BGBl. I, S. 1759 ff. 14 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Hebammenausbildung und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Hebammenreformgesetz – HebRefG) vom 21. August 2019, BT-Drs. 19/12557, S. 2. 15 Statistics Denmark, Births, abrufbar unter: https://www.dst.dk/en/Statistik/emner/befolkning-og-valg/foedsler /foedsler#. 16 The Danish Health Act, Sundhedsloven, Sundhedsministeriet, LBK Nr. 903 vom 26. August 2019, in dänischer Sprache abrufbar unter: https://www.retsinformation.dk/eli/lta/2019/903. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 8 kommen. Zudem hat sich der Anteil der Erstgeburten, welche einen überdurchschnittlichen Betreuungsbedarf haben, an der Gesamtzahl der Geburten erhöht. Die Kaiserschnittrate ist von 21,2 Prozent im Jahr 2010 auf 18,9 Prozent im Jahr 2018 gesunken. Die Zahl der in den Regionen beschäftigten Hebammen (gemessen in an den rechnerischen Vollzeitstellen ) ist zwischen 2010 und 2020 um etwas mehr als 400 auf 1574 Vollzeithebammen gestiegen . Im Durchschnitt betreut jede Hebamme in der Folge weniger Geburten im Monat. Die Erhöhung der Zahl der Hebammen ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass es mehr Geburten und kompliziertere Schwangerschaften und Geburten gibt, während gleichzeitig eine Vielzahl an professionellen Verfahren eingeführt wurde. Die durchschnittlichen Überstunden der Hebammen sind von 5,02 Stunden im November 2010 auf 2,28 Stunden im November 2020 gesunken. Allerdings sind hiervon nicht alle Hebammen betroffen . Berücksichtigt man nur diejenigen, die tatsächlich Überstunden ansammeln, ist der Trend weniger stark zurückgegangen, von durchschnittlich 11,94 Stunden im November 2010 auf 10,54 Stunden im November 2020.17 2.3. Norwegen In Norwegen organisiert eine lokale Hebamme oder ein Arzt die Geburt in einem Krankenhaus, einer freien Hebammenstation oder im Kreißsaal. Die meisten Frauen bringen ihr Kind im Krankenhaus zur Welt, und die überwiegende Anzahl aller Geburten werden von Hebammen ohne die Anwesenheit eines Arztes betreut. Im Jahr 2019 wurden von 55.539 Kindern mehr als 99 Prozent (55.243) in Krankenhäusern oder Geburtseinrichtungen zur Welt gebracht; 99 Geburten erfolgten als geplante Hausgeburten; in 122 weiteren Fällen kamen die Kinder ungeplant zu Hause und in 146 Fällen auf dem Weg ins Krankenhaus zur Welt.18 Im Jahr 2019 gab es in Norwegen 45 Geburtsstationen in Krankenhäusern und sechs freie Hebammenstationen . Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind es noch 43 Stationen in Krankenhäusern und fünf freie Stationen.19 Aktuell führt die Entscheidung, eine Geburtshilfestation in Kristiansund aufgrund eines Mangels an qualifiziertem Personal zu schließen, zu Diskussionen und Protest. 17 Weitergehende Informationen in dänischer Sprache finden sich in: Danske Regioner, Kortlægning af svangreomsorgen – Et overblik over organisering, aktivitet og personaleressourcer i den regionale svangreomsorg, 25. August 2017, abrufbar unter: https://www.regioner.dk/media/5431/kortlaegning-af-svangreomsorgen_2017.pdf. 18 Folkehelseinstituttet (FHI), Medisinsk fødselsregister (MFR), Fødte og fødsler per institusjon, abrufbar unter: http://statistikkbank.fhi.no/mfr/index.jsp?headers=fodselstidspunkt_aar&headers=virtual&virtualsubset=afodsel _value+-+aid_value&v=2&stubs=fodeinstitusjon_kat_inst&measure=common&fodselstidspunkt_aarsubset =2015+-+2019&measuretype=4&study=http%3A%2F%2F10.0.3.47%3A80%2Fobj%2FfStudy%2Fantall .fodte.fodsler.per.institusjon&cube=http%3A%2F%2F10.0.3.47%3A80%2Fobj%2FfCube%2Fantall .fodte.fodsler.per.institusjon_C1&fodeinstitusjon_kat_instsubset=0000%2C01+-+11&mode=cube&top=yes. 19 Helsedirektoratet, Fødeplass og fødetilbud - slik får du det, in norwegischer Sprache abrufbar unter: https://www.helsenorge.no/fodsel/fodested/; in englischer Sprache: Where and how to have your baby – your options, abrufbar unter: Where and how to have your baby in Norway - your options - helsenorge.no. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 9 In Krankenhäusern hat sich bis zum Jahr 2016 die Zahl angestellter Hebammen, die Zahl der besetzten Vollzeitstellen und die Zahl von angestellten Hebammen pro 1.000 Einwohner erhöht. In den Jahren 2017, 2018 und 2019 sind jedoch alle drei Werte gesunken.20 Seit einigen Jahren besteht das politische Ziel, die Hebammenversorgung in Gemeinden und die Primärversorgung zu stärken. So ist die Zahl rechnerischer Vollzeitstellen von Hebammen in der Primärversorgung von 323 im Jahr 2015 über 408 im Jahr 2017 bis auf 511 im Jahr 2019 bzw. 546 im Jahr 2020 gestiegen. Die Zahl von Hebammen pro 10.000 Neugeborenen im jeweiligen Jahr lag im Jahr 2015 noch bei 54,6 und stieg bis auf 93,8 im Jahr 2019 und 103 im Jahr 2020.21 In den Jahren 2019-2020 wurde eine Studie des Helsedirektoratet über die Zusammensetzung der Gebärenden sowie die Schwierigkeit der Geburten und deren Auswirkungen auf die benötigten Kompetenzen und Personalausstattung durchgeführt, da unter anderem das Durchschnittsalter der Gebärenden gestiegen sei und sich die Komplexität der Geburtsvorgänge erhöht habe.22 Zudem habe sich – bei gleichzeitiger Verringerung der Geburtenrate – der Anteil an Müttern, die nicht in Norwegen geboren seien, erhöht. Die Studie ergab, dass Mütter aus asiatischen und afrikanischen Ländern ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Totgeburten, Schwangerschaftsdiabetes und Blutungen während der Geburt aufwiesen. Das Gesundheitsministerium hat die regionalen Gesundheitsbehörden angewiesen, die Ergebnisse der Studie im Hinblick auf benötigte Fähigkeiten und Personalausstattung bei der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe zu berücksichtigen. 2.4. Schweden Die absolute Mehrheit Neugeborener in Schweden wird in Krankenhäusern zur Welt gebracht. Das Schwedische Medizinische Geburtenregister enthält Daten zu beinahe allen Geburten. Jeder Gesundheitsdienstleister ist verpflichtet, Geburten an das Register zu melden. Allerdings ist es nach Auskunft des Socialstyrelsen (National Board of Health and Welfare) unsicher, ob Hausgeburten stets gemeldet werden. Zu Hausgeburten gibt es daher keine verlässliche Statistik. 20 Statistisk sentralbyrå, table 09549: General hospitals and other somatic institutions. Man-years, by contents, health education and year, abrufbar als htm-Datei unter: https://www.ssb.no/en/statbank/sq/10049788. 21 Statistisk sentralbyrå, table 12191, Municipal health services - supplementary absolute figures and key figures, by region, contents and year, abrufbar als htm-Datei unter: https://www.ssb.no/en/statbank/sq/10049790. 22 Helsedirektoratet, Endring i fødepopulasjon og konsekvenser for bemanning og finansieringssystem, März 2020, abrufbar unter: https://www.helsedirektoratet.no/rapporter/endring-i-fodepopulasjon-og-konsekvenser-for-bemanning -og-finansieringssystem/Rapport%20om%20f%C3%B8depopulasjonen.pdf/_/attachment/inline /3435df20-ea13-4d9f-99ed-f711d6ffbef0:51f3f1f4a94cd0893d94f09f3c7663d150ae61b0/Rapport %20om%20f%C3%B8depopulasjonen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 10 Derzeit gibt es ca. 40 Geburtsstationen in Schweden.23 Diese befinden sich für gewöhnlich in Krankenhäusern und sind 24 Stunden am Tag geöffnet. Üblicherweise arbeitet eine Hebamme gemeinsam mit einer Assistenzpflegekraft, aber in Einzelfällen arbeiten zwei Hebammen (mit oder ohne Assistenz) zusammen. Krankenschwestern können sich zur Hebamme weiterbilden lassen; die Ausbildung dauert insgesamt 4,5 Jahre.24 Wenn dies erforderlich ist, unterstützen Gynäkologen bei der Geburt.25 Die Zahl der Hebammen im privaten und öffentlichen Sektor ist von 7.709 im Jahr 2010 und 8.096 im Jahr 2016 auf 8.593 im Jahr 2018 gestiegen. Dies bedeutet einen Anstieg von 82 Hebammen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2010 auf 84 Hebammen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2018.26 Die Zuständigkeit für die Gesundheitsversorgung liegt zum großen Teil in den Händen der Gemeinden und Regionen. Die Bereitstellung und Finanzierung von Gesundheitsdienstleistungen ist dabei hauptsächlich Aufgabe der Regionen.27 Im Jahr 2015 haben sich die schwedische Regierung und der Regionenverband SALAR28 auf eine Initiative geeinigt, die die Stärkung der Geburtsmedizin und der Frauengesundheit im Allgemeinen zum Ziel hat. Der Fokus liegt auf der Bereitstellung von Kompetenzen bei der Geburtshilfe, insbesondere auf der Personalversorgung. Um Defizite in der Geburtshilfe abzubauen, wurde das Programm ausgeweitet und bis 2022 verlängert. Hierfür vorgesehene Haushaltsmittel sollen insbesondere verwendet werden, um den Personalschlüssel und die Arbeitsumgebung zu verbessern . Zudem können sie für Initiativen in der Neugeborenenversorgung verwendet werden. Weiterhin sollen im Rahmen der Initiative Erkenntnisse verschiedener Behörden zur Geburtshilfe zusammengeführt werden. 23 Socialstyrelsen, Mer än bara mamma, Fakta och Statistik, in schwedischer Sprache abrufbar unter: https://www.socialstyrelsen.se/meranbaramamma/statistik/. 24 Socialstyrelsen, Mer än bara mamma, Fakta och Statistik, in schwedischer Sprache abrufbar unter: https://www.socialstyrelsen.se/meranbaramamma/statistik/. 25 1177Vårdguiden, Så går det till på BB och förlossningsavdelningen, in schwedischer Sprache abrufbar unter: https://www.1177.se/barn--gravid/forlossning/pa-forlossningen-och-bb/pa-forlossningsavdelningen/. 26 Socialstyrelsen, Statistical Database, Health Care Practitioners, abrufbar unter: https://sdb.socialstyrelsen .se/if_per/val_eng.aspx. 27 Sveriges Kommuner och Regioner (SKR), Local self-government, abrufbar unter: https://skr.se/tjanster/englishpages /municipalitiesandregions/localselfgovernment.1305.html. 28 Der Schwedische Verband Lokaler Behörden und Regionen (SALAR) ist ein Arbeitgeberverband sowie eine Organisation , die lokale Regierungen in Schweden vertritt. Alle Gemeinden und Regionen Schwedens sind Mitglied . Weitere Informationen finden sich bei SKR, Swedish Association of Local Authorities and Regions - SKR. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 11 3. Mindestmengenregelungen im Hinblick auf die Zahl der betreuten Geburten 3.1. Deutschland Im Bereich der Neonatologie und Geburtshilfe gilt aufgrund eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) seit 2009 eine Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm,29 die im Dezember 2020 mit einer Übergangszeit bis 2025 auf 25 Geburten angehoben wurde.30 Begründet wird dies mit einem nachweisbaren Einfluss auf die Qualität der erbrachten Leistung, insbesondere einer niedrigeren Mortalität.31 Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ setzte sich Berichten zufolge für eine Mindestmenge von 30 ein.32 Nur etwa die Hälfte der 309 Standorte , die im Jahr 2018 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.250 Gramm betreut hatten, hatte nach Angaben des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) die alte Mindestmenge von 14 erreicht.33 So müssten etwa in Brandenburg zwei von derzeit vier Standorten geschlossen werden, die jedenfalls die neue Mindestmenge nicht erfüllen, wodurch eine Versorgung nur noch in Cottbus und Potsdam, aber nicht mehr in Brandenburg an der Havel und Frankfurt an der Oder möglich wären. Das Brandenburgische Gesundheitsministerium strebe daher eine Sonderregelung an, damit für die Einwohner keine Expertise verlorengehe. Qualitätsunterschiede bestünden nicht.34 29 Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen , BAnz Nr. 195 vom 24. Dezember 2009, S. 4.450; abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/39- 261-874/2009-08-20-VB-NICU_BAnz.pdf. 30 Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Mindestmengenregelungen : Änderung der Nummer 8 der Anlage, 17. Dezember 2020, BAnz AT 25. Januar 2021 B7, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4621/2020-12-17_Mm-R_Fruehgeborene_BAnz.pdf. 31 G-BA, Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Regelungen gemäß § 136b Absatz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser (Mindestmengenregelungen – Mm-R): Änderung der Nr. 8 der Anlage vom 17. Dezember 2020, dort insbesondere S. 13 und S. 17f.; abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/40-268-7307/2020-12-17_Mm-R_Fruehgeborene_TrG.pdf. 32 Vgl. Frühgeborene: Neue Mindestmengen führen zu Leistungsverlagerung, aerzteblatt.de, 24. März 2021, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122303/Fruehgeborene-Neue-Mindestmengen-fuehren-zu- Leistungsverlagerung. 33 Vgl. Frühgeborene: Neue Mindestmengen führen zu Leistungsverlagerung, aerzteblatt.de, 24. März 2021, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122303/Fruehgeborene-Neue-Mindestmengen-fuehren-zu- Leistungsverlagerung. 34 Vgl. Frühgeborene: Neue Mindestmengen führen zu Leistungsverlagerung, aerzteblatt.de, 24. März 2021, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122303/Fruehgeborene-Neue-Mindestmengen-fuehren-zu- Leistungsverlagerung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 012/21 Seite 12 Auch für Reifgeborene wird zur Stärkung der Fachkompetenz bei der Betreuung von Geburten in der Fachöffentlichkeit über eine Mindestmenge von 500 Geburten im Jahr diskutiert35, die bisher aber nicht eingeführt wurde. Von den Kliniken, die im Jahr 2018 Geburten betreut haben, haben mehr als 100 diese Zahl nicht erreicht.36 3.2. Dänemark Eine gesetzliche Mindestmengenregelung für die Zahl der Geburten auf den Geburtsstationen existiert nicht. Jedoch hat die dänische Gesundheitsbehörde Richtlinien und Empfehlungen herausgegeben , wie jeder medizinische Fachbereich auf verschiedenen Ebenen des Gesundheitssystems arbeiten sollte. Krankenhäuser, die eine Geburtsstation betreiben, sollen hiernach unmittelbaren Zugang zu neonatologischer Unterstützung haben; das Krankenhaus muss daher auch eine Neonatologie-Station betreiben.37 Geburten vor der 28. Schwangerschaftswoche und solche bei einem erwarteten Geburtsgewicht von unter 1.000 Gramm werden zentralisiert in vier Geburtsstationen in ganz Dänemark betreut. 3.3. Norwegen Mindestmengenregelungen zur Zahl der Geburten in Krankenhäusern oder anderen Versorgungseinrichtungen existieren nicht. Mindestmengen sind allein für die Personalversorgung und Personalkompetenzen vorgesehen. 3.4. Schweden Auch in Schweden gibt es keine Mindestmengenregelungen im Hinblick auf die Geburtenzahlen. Jede Region entscheidet selbst, wie Ressourcen innerhalb der Region zu verteilen sind. *** 35 Litsch, Martin, Mehr Mut zur Umsetzung von Mindestmengenregelungen nötig, Pressekonferenz zum Krankenhaus -Report 2017, AOK-Bundesverband und Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), 28. Februar 2017, abrufbar unter: https://aok-bv.de/imperia/md/aokbv/hintergrund/dossier/krankenhaus/09_statement_litsch- _pk_khr_2017_web.pdf, S. 3. 36 Milupa Geburtenliste, Deutschland 2019, abrufbar unter: https://www.hebnews.de/documents/10181/0/Milupa +Geburtenliste+2019/6d6f3000-1f67-417a-bcbe-539fa0bd4f94. 37 Sundhedsstyrelsen, Specialeplan for gynækologi og obstetrik, Stand: 11. Dezember 2018, abrufbar unter: https://www.sst.dk/da/Viden/Specialeplanlaegning/Gaeldende-specialeplan/Specialeplan-for-gynaekologi-ogobstetrik .