WD 9 - 3000 - 011/17 (03.03.2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Werbung durch Krankenkassen für bestimmte Apotheken In mehreren Urteilen und Beschlüssen von Sozialgerichten und Landessozialgerichten wurde es Krankenkassen untersagt, ihre Versicherten durch Werbung in der Wahl ihrer Krankenkasse zu beeinflussen.1 Die Urteile stützen sich auf die zwischen den einzelnen Krankenkassen und den gegnerischen Apotheken geschlossenen Verträge: § 129 Abs. 5 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V)2 ermöglicht es den Krankenkassen, mit der jeweiligen auf Landesebene gebildeten Spitzenorganisation der Apotheker ergänzende Verträge zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V zu schließen, sog. Arzneilieferverträge.3 Die Verträge haben Rechtswirkung für die einzelnen Apotheken, wenn diese Mitglied des Landesverbands sind oder dem Vertrag beitreten.4 In den Arzneilieferverträgen kann unter anderem ein Beeinflussungsverbot festgelegt werden.5 In den Fällen, die den genannten Urteilen zugrunde lagen, bestanden Arzneilieferverträge , die es den Krankenkassen untersagten, die Versicherten zugunsten bestimmter 1 Siehe etwa Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 30.04.2007, L 8 KR 199/06 ER, abrufbar unter: http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:2982729 (Stand: 03.03.2017); Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.2009, L 5 KR 57/09 B ER, abrufbar unter : https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=89798 (Stand: 03.03.2017); Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 27.11.2012, L 6 KR 151/09, abrufbar unter: https://sozialgerichtsbarkeit .de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=158282 (Stand: 3.03.2017). 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2477, zuletzt geändert am 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234). 3 Von Dewitz, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar zum Sozialrecht, Stand: 01.12.2016, § 129 SGB V, Rn. 24. 4 Luthe, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) V: Gesetzliche Krankenversicherung, Stand: 12/16, § 129 SGB V, Rn. 46. 5 Luthe, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) V: Gesetzliche Krankenversicherung, Stand: 12/16, § 129 SGB V, Rn. 46. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Werbung durch Krankenkassen für Apotheken und Verpflichtung der Versicherten zur Inanspruchnahme bestimmter Apotheken Kurzinformation Werbung durch Krankenkassen für Apotheken und Verpflichtung der Versicherten zur Inanspruchnahme bestimmter Apotheken Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Apotheken zu beeinflussen. Die Werbung für einzelne Apotheken wurde als unerlaubte Beeinflussung untersagt. Die Frage, ob die Werbung einer Krankenkasse für eine bestimmte Apotheke zulässig ist, hängt somit vom Inhalt eines eventuell geschlossenen Arzneiliefervertrages ab. 2. Verpflichtung der Versicherten zur Inanspruchnahme bestimmter Apotheken Grundsätzlich besteht für die Versicherten gemäß § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V freie Apothekenwahl. Zu diesem Grundsatz bestehen jedoch Ausnahmen. 2.1. Verträge zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V Gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 dürfen Krankenkassen auf Landesebene mit einzelnen Apotheken oder deren Spitzenorganisationen Verträge über die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten schließen. Das Bundessozialgericht hat 2015 entschieden, dass bei Vorliegen eines solchen Vertrags mit einer bestimmten Apotheke alle anderen Apotheken von der Erbringung der Leistung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse auf diesem Gebiet ausgeschlossen sind.6 In diesen Fällen besteht somit faktisch kein Apothekenwahlrecht des Versicherten mehr, da er die Mehrkosten bei Wahl einer anderen Apotheke selbst aufbringen müsste. Aktuell liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, der unter anderem eine Aufhebung dieser Einschränkung der Versicherten vorsieht. § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V soll dahingehend ergänzt werden, dass ein Apothekenwahlrecht auch in den Fällen des § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V besteht.7 2.2. Freiwillige Verpflichtung der Versicherten im Rahmen der Besonderen Versorgung nach § 140a SGB V Versicherte können sich darüber hinaus freiwillig gegenüber der Krankenkasse zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungserbringer verpflichten.8 Dies ist möglich im Rahmen der sogenannten Besonderen Versorgung nach § 140a SGB V. Die Besondere Versorgung hat das Ziel, durch eine Vernetzung der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu erhöhen.9 Zu diesem Zweck können Krankenkassen gemäß § 140a Abs. 1 SGB V mit den in § 140a Abs. 3 SGB V genannten Leistungsträgern Verträge über eine besondere Versorgung der Versicherten schließen. Zu den Leistungsträgern gehören nach § 140a Abs. 3 Nr. 1 SGB V diejenigen, die nach dem Vierten Kapitel des SGB V zur Versorgung der Versicherten 6 Bundessozialgericht, Urteil vom 25.11.2015, B 3 KR 16/15 R, abrufbar unter: https://sozialgerichtsbarkeit .de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=183564 (Stand: 02.03.2017). 7 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz – AMVSG) vom 07.11.2016, BT-Drs. 18/10208, S. 9 und 25. 8 Nolte, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 9/16, § 140a SGB V, Rn. 43; vgl. auch den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 08.09.2003, BT-Drs. 15/1525, S. 84. 9 Vgl. Weidenbach, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 31, Rn. 1. Kurzinformation Werbung durch Krankenkassen für Apotheken und Verpflichtung der Versicherten zur Inanspruchnahme bestimmter Apotheken Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 berechtigt sind. Dies umfasst auch die Apotheken, § 129 Abs. 5b SGB V. Nach Vertragsschluss zwischen der Krankenkasse und dem Leistungsträger, also der jeweiligen Apotheke, können Versicherte gemäß § 140a Abs. 4 SGB V freiwillig an der Besonderen Versorgung teilnehmen. Ihr Wahlrecht wird damit eingeschränkt, da es auf die teilnehmenden Leistungsträger begrenzt ist.10 Die Krankenkassen sind nach § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB V verpflichtet, für Teilnehmer an besonderen Versorgungsverträgen spezielle Tarife anzubieten. Sie dürfen gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB V den Versicherten einen Anreiz zur Teilnahme an einer besonderen Versorgungsform in Form von Prämienzahlungen oder Zuzahlungsermäßigungen anbieten. *** 10 Neumann, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck'scher Online-Kommentar zum Sozialrecht, Stand: 01.12.2016, § 140a SGB V Rn. 9-10; Engels, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: 6/16, § 140a SGB V, Rn. 72.