© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 008/2020 Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Farbpigmente in Tattoofarben Informationen zu Studien und zur aktuellen Diskussion Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 2 Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Farbpigmente in Tattoofarben Informationen zu Studien und zur aktuellen Diskussion Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 008/2020 Abschluss der Arbeit: 5. März 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtliche Ausgangslage 5 2.1. Europa 5 2.2. Deutschland 6 3. Einschätzung der ECHA 7 4. Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung und Studie zum Nachweis von Nanopartikeln in Lymphknoten 7 5. Einschätzung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 7 6. Bewertung der Stiftung Warentest 8 7. Weitere Studien und Veröffentlichungen, die sich mit der Gefährlichkeit von Pigmenten in Tattoofarben und - farbstoffen befassen 8 7.1. Studie zu möglichen allergischen Reaktionen bestimmter Farbpigmente 8 7.2. Untersuchung zu Auswirkungen der Entfernung von Farbpigmenten mit Laserstrahlen 8 7.3. Metastudie zum Hautkrebsrisiko im Zusammenhang mit Tattoos aus dem Jahr 2017 9 7.4. Studie zum Einfluss von Tattoos auf die Schweißreaktion der Haut 9 7.5. Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 zum Kenntnisstand über die chemische Zusammensetzung von Tattoo-Farben und mögliche Ablagerungen von Farbbestandteilen an anderen Körperstellen 10 7.6. Metastudie zu Tattoo-assoziiertem Hautkrebsrisiko aus dem Jahr 2012 10 7.7. Untersuchung über die Gefährlichkeit der Inhaltsstoffe von Tattoofarben 10 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 4 1. Vorbemerkung Tätowierungen werden allgemein als Körperkunst angesehen und sind heute weit verbreitet. Rund zwölf Prozent der Deutschen tragen, so die Informationen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), eine Tätowierung auf ihrem Körper, wobei die Tendenz, vor allem bei jungen Menschen, steigend sei, vergleiche https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zutaetowiermitteln .pdf.1 Bei einer Tätowierung wird Farbe bis in die zweite Hautschicht gespritzt und zwar so, dass ein dauerhaft bleibendes Motiv auf der Hautoberfläche entsteht. Dabei ist erforderlich, dass die Farbe in die Lederhaut, die Dermis (Zwischenschicht unter der obersten Hautschicht, der Epidermis), gespritzt wird, da sich die darüber liegende Epidermis regelmäßig regeneriert und das Motiv, wenn es nur in die Hautoberfläche gespritzt würde, damit verschwinden würde. Die eingespritzte Farbe verbleibt allerdings nicht im Tattoo, sondern verteilt sich – dies gilt inzwischen als unstreitig – im Körper des Tätowierten, vgl. hierzu https://refubium.fu-berlin .de/bitstream/handle/fub188/10161/2018_Schreiver_Dissertation_online_2.pdf?sequence =1&isAllowed=y. Die Nanopartikel können sich durch eine Spaltung der Farbmittel und einen Transport eben dieser Spaltprodukte im Körper verteilen und so in den Blutkreislauf bzw. in innere Organe gelangen und deren Funktion hemmen, hierzu https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2011/26/risiken__die_unter_die_haut_gehen- 115165.html. Im Ergebnis sind mögliche gesundheitliche Folgen einer Tätowierung: eine Allergie, eine Hauterkrankung, eine Erkrankung der Organe eine Krebserkrankung und nicht zuletzt das eventuell zu späte Erkennen einer Hauterkrankung. Die Gefährlichkeit der Inhaltsstoffe von Tätowierfarbe und das Risiko langfristiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen wird seit Jahren diskutiert. Das BfR veröffentlichte im Juli 2018 die Ergebnisse einer Umfrage zur Einschätzung von gesundheitlichen Risiken durch Tätowierungen. 40 Prozent der Befragten hätten geäußert, die Risiken als sehr hoch bzw. eher hoch einzuschätzen , siehe: BfR Verbrauchermonitor 2018, Umfrage zur Einschätzung des gesundheitlichen Risikos durch Tätowierungen 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/970332/umfrage /umfrage-zur-einschaetzung-des-gesundheitlichen-risikos-durch-taetowierungen/. Wissenschaftler und Ärzte plädieren im Übrigen seit langem dafür, die Tattoofarben sicherer zu machen und deren gesundheitliche Auswirkungen weiter zu erforschen. Derzeit gibt es weder eine EU-einheitliche Regelung noch eine umfassende nationale Regelung, die z. B. ein Zulassungsverfahren für Tattoofarben vorschreiben würde. Mit dem Ziel, für Europa einheitliche Vorschriften über Tätowiermittel zu schaffen und damit gesundheitlichen Risiken entgegenzuwirken, hatte die Europäische Kommission im Jahr 2015 die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beauftragt, die Notwendigkeit einer Beschränkung von Tätowiermitteln und 1 Dieser Link und alle weiteren wurden zuletzt abgerufen am 4. März 2020. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 5 Permanent Make-ups zu prüfen. Daraufhin forderte die ECHA im Jahr 2016 Firmen und insbesondere Produzenten von Tattoofarben auf, Informationen und Nachweise über verwendete Substanzen vorzulegen, um diese in ihre weiteren Untersuchungen miteinzubeziehen, vgl. https://echa.europa.eu/de/-/call-for-evidence-on-hazardous-substances-used-in-tattoo-inks-orpermanent -make-up. Im Oktober 2017 präsentierte die ECHA einen Vorschlag zu entsprechenden Einschränkungen, https://echa.europa.eu/de/-/proposal-to-restrict-hazardous-substances-in-tattoo -inks-and-permanent-make-up. Am 21. Januar 2020 hat die ECHA eine Empfehlung zum Verbot einer Reihe von Substanzen ausgesprochen , die bei dem Einbringen von Tattoos oder Permanent Make-Ups verwendet werden. Hinsichtlich der Pigmente 74160 (Pigment Blue 15:3) und 74260 (Pigment Green 7) hat die ECHA eine Übergangszeit von (zwei Jahren vorgeschlagen, die genutzt werden sollte, um sicherere Alternativen gegenüber diesen Pigmenten zu entwickeln, siehe hierzu die Presseerklärung der ECHA: ECHA has assessed to make tatoo inks safer, https://echa.europa.eu/de/-/echa-is-workingto -make-tattooing-inks-safer. Die Pigmente 74160 (Pigment Blue 15:3) und 74260 (Pigment Green 7) haben bei Tätowierungen offensichtlich einen besonderen Stellenwert, da sie in zwei Dritteln aller Farben enthalten sind und ohne sie farbliche Tätowierungen – nach heutigem Kenntnisstand – offenbar nur noch sehr eingeschränkt möglich wären. Die ECHA hat ihre Bedenken auch damit begründet, dass einige dieser Pigmente für Kosmetikprodukte bereits verboten seien und nicht auf die Haut aufgetragen werden dürften. Hiergegen wendet sich aktuell eine Online-Petition in Deutschland, insbesondere mit der Begründung, das geplante Verbot der Pigmente Blue 15:3 und Green 7 würde zwei Drittel aller am Weltmarkt gehandelten Tattoofarben oder Farbmischungen betreffen und hätte zur Folge, dass man im Tattoobusiness auf Ersatzpigmente zurückgreifen müsste, was möglicherweise zur Entwicklung unsachgemäßer Produkte führen würde, siehe hierzu: https://feelfarbig .com/news/warum-es-bald-keine-blauen-und-gruenen-tattoos-mehr-gibt/. Entsprechend wurde die Online Petition mit der Forderung formuliert, “der Bundestag möge beschließen, das Vorhaben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), die Pigmente 74160 (Pigment Blue 15) & 74260 (Pigment Green 7) für die Herstellung von Tätowiermitteln zu verbieten, zu verhindern oder abzulehnen“, siehe hierzu https://www.tattoofarben.info/de/petitioninfo und https://www.openpetition .de/petition/online/tattoofarbenretten-2020. 2. Rechtliche Ausgangslage 2.1. Europa Tätowiermittel unterfallen der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit2, die den Hersteller verpflichtet, dem Verbraucher sichere Produkte anzubieten. Zudem unterfällt die Tätowierfarbe der EU-Kosmetik-Verordnung3, welche verbotene Stoffe (Anlage 1) bzw. eingeschränkt zu- 2 Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, in Kraft getreten am 15. Januar 2002, ABl L 11 vom 15. Januar 2002, S. 4. 3 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel, ABl L 342, S. 59. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 6 lässige Stoffe (Anlage 2) in der Kosmetikindustrie auflistet. Außerdem unterfallen die Tätowiermittel der REACH-Verordnung4 sowie der Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (sog. CLP-Verordnung)5. Die CLP-Verordnung bestimmt die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die als gefährlich eingestufte Stoffe beinhalten und einen Konzentrationsgrenzwert überschreiten, während die REACH-Verordnung die Anforderungen für die Registrierung und die Bereitstellung von Informationen eines Produktes festlegt. Regelmäßig enthalten Tätowierfarben zwar viele gefährliche Stoffe, die jedoch einzeln nicht den Konzentrationsgrenzwert überschreiten, so dass die CLP- und die REACH-Verordnung somit nicht zur Anwendung kommen, siehe hierzu https://echa.europa.eu/de/hot-topics/tattoo-inks. 2.2. Deutschland Eine Reglementierung der Tätowiermittel in Deutschland erfolgte durch die 2009 in Kraft getretene Tätowiermittelverordnung6, zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Tätowiermittel siehe auch die Informationen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit , https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/03_Verbraucherprodukte/03_AntragstellerUnternehmen /08_Rechtsvorschriften/03_Taetowiermittel/bgs_taetowiermittel_rechtliche_grundlagen _node.html. Deutschland ist einer von sieben Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der eine gesetzliche Regelung zu den Tätowiermitteln erlassen hat, hierzu https://echa.europa .eu/de/-/proposal-to-restrict-hazardous-substances-in-tattoo-inks-and-permanent-make-up. Die Tätowiermittelverordnung enthält eine Liste der verbotenen Stoffe und damit lediglich eine Negativliste. So sind zum Beispiel krebserzeugende, primäre aromatische Amine aus Azofarbstoffen und gesundheitsschädliche Pigmente verboten, vgl. hierzu die Informationen des BfR: https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-taetowiermitteln.pdf. Die Kontrolle erfolgt stichprobenartig durch die Länder, siehe https://www.test.de/Taetowierfarben-Giftige- Stoffe-in-zwei-Farben-4734508-4734794/ und https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten -zu-taetowiermitteln.pdf.7 Hinsichtlich der Laseranwendung zur Tattoo- und Permanent Make-up Entfernung wird am 31. Dezember 2020 die Verordnung zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) in Kraft treten, die zur Folge hat, dass nur noch Ärzte zur Entfernung 4 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 vom 18. Dezember 2007, ABl L 396 vom 30. Dezember 2006, S. 1. 5 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 vom 16. Dezember 2008, ABl L 353 vom 31. Dezember 2008. 6 Verordnung vom 30. November 2008 (BGBl I S. 2215), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. Januar 2016 (BGBl I S. 108). 7 Siehe im Übrigen zu den Rechtsgrundlagen: Rechtsgrundlagen für die Anwendung von Tätowiermitteln, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Kurzinformation vom 4. Oktober 2018, WD 9-3000-066/18, https://www.bundestag.de/resource/blob/592496/761cf0d47a67e0b22b71624903e52757/wd-9-066-18-pdfdata .pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 7 der Tattoos und Permanent Make-Ups berechtigt sind, siehe hierzu die Informationen auf der Seite des Bundesverbandes Tattoo e. V., http://www.bundesverband-tattoo.de/nisv/.8 3. Einschätzung der ECHA Nach Einschätzung der ECHA vom 21. Januar 2020 können Tätowierfarben und Permanent Makeups gefährliche Stoffe beinhalten, welche nachweislich oder vermutlich krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind, Allergien auslösen oder andere schädliche Wirkungen auf Tiere oder Menschen haben, https://echa.europa.eu/de/hot-topics/tattoo-inks . Speziell die Sicherheit der Farben "Blue 15:3" und "Green 7" könne nicht nachgewiesen werden, hierzu https://echa.europa.eu/documents/10162/0/restriction_axvrep_tattoo_inks_sps-012420- 16_en.pdf/f8c09d52-1f42-9b9c-4a54-90e8c843d205. In der Kosmetikindustrie sind die beiden Pigmente bereits verboten. Was dort verboten sei, so die ECHA; dürfe auch nicht unter die Haut gelangen, https://echa.europa.eu/documents/10162/0/restriction_axvrep_tattoo_inks_sps-012420- 16_en.pdf/f8c09d52-1f42-9b9c-4a54-90e8c843d205. Die Farben stehen auch im Verdacht, Blasenkrebs zu verursachen, hierzu der Vergleich mit Vorfällen in der Kosmetikindustrie, https://www.test.de/Haarfarben-Risiko-Blasenkrebs-20662-0/. 4. Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung und Studie zum Nachweis von Nanopartikeln in Lymphknoten Das BfR hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit möglichen Risiken durch das Verabreichen von Tattoos befasst und eine Reihe von Stellungnahmen verfasst, siehe hierzu die Übersicht auf der Internetseite des BfR, https://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/taetowierung- 4929.html. Zum Thema Farbpigmente verwies das BfR in einer Presseerklärung vom September 2017 auf eine Studie hin, die das Institut im Rahmen eines internationalen Kooperationsprojekts durchgeführt habe. Die Untersuchung habe gezeigt, dass „Partikel in Nanogröße aus Tattoofarbe abwandern können“: Schreiver, Ines/Hesse, Bernhard, u. a., Synchrotron-based v-XRF mapping and μ-FTIR microsxopy enable to look into the fate and effects of tattoo pigments in human skin, in: Scientific Reports 12. September 2017, https://www.nature.com/articles/s41598-017-11721-z. Tätowierpigmente würden sich im Körper verteilen. Im Sinne des Verbraucherschutzes sei erforderlich , weiter zu untersuchen, wie sich die Partikel im Körper der Tätowierten verhalten würden . 5. Einschätzung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit informiert auf seiner Internetseite über Untersuchungsergebnisse von Farbstoffen bzw. -pigmenten in bunten Tattoofarben aus den Jahren 2013 und 2016, siehe: Primäre aromatische Amine/Azo-Farbstoffe/-Pigmente in bunten Tattoofarben – Untersuchungsergebnisse 2013 und 2016, https://www.lgl.bayern.de/produkte /kosmetika/taetowiermittel/ue_2013_2016_taetowierfarben_primaere_amine.htm (zuletzt 8 Die Risiken bei der Entfernung von Tätowierungen wie auch die Einschätzung der gesundheitlichen Bedenken gegenüber Tattoos war im Übrigen Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr. Schinnenburg u. a. und der Fraktion der FDP, BT-Drs. 19/6315 und der Antwort der Bundesregierung vom 20. Dezember 2018, BT- Drs. 19/6865 vom 2. Januar 2019. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 8 aktualisiert am 21. Juni 2019). Neben der Frage, inwieweit die in den Untersuchungen genommenen Proben Stoffe enthalten, die nach der Tätowiermittel-Verordnung bzw. der europäischen Kosmetik-Verordnung verboten sind, wurde auch die Frage nach eventuellen gesundheitlichen Gefahren gestellt. Das Landesamt stellt fest, dass unter Beachtung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Farben bzw. Farbstoffe nur ein „vernachlässigbares produktbedingtes zusätzliches Krebsrisiko berechnet werden konnte.“ 6. Bewertung der Stiftung Warentest Die Stiftung Warentest hat sich im Jahr 2014 mit Tätowierfarben befasst und untersuchte fünf schwarze und fünf rote Farben: Tätowierfarben – Giftige Stoffe in zwei Farben, 24. Juli 2014, https://www.test.de/Taetowierfarben-Giftige-Stoffe-in-zwei-Farben-4734508-4734794/. Im Ergebnis enthalte keine der getesteten Farben einen Stoff aus der Negativliste der Tätowiermittel-Verordnung . Jedoch beinhalteten die Farben Inhaltsstoffe, die für Allergiker gefährlich werden könnten . Bei zwei schwarzen Farben habe man giftige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gefunden. In einem der beiden Fälle handele es sich um krebserregende Substanzen. 7. Weitere Studien und Veröffentlichungen, die sich mit der Gefährlichkeit von Pigmenten in Tattoofarben und -farbstoffen befassen 7.1. Studie zu möglichen allergischen Reaktionen bestimmter Farbpigmente Im Oktober 2019 wurde eine Studie veröffentlicht, die auf der Basis von Haut-Biopsien bei 104 Patienten in Kopenhagen erarbeitet worden ist. Bei diesen Patienten lag eine klinische Diagnose über allergische Reaktionen bei Tattoos in verschiedenen Rottönen vor, siehe hierzu: Serup, Jorgen/Hutton Carlsen, Katrina u. a., identification of pigments related to allergic tattoo reactions in 104 human skin biopsies, 18. Oktober 2019, https://onlinelibrary .wiley.com/doi/full/10.1111/cod.13423. Die Studie kam zum Ergebnis, dass zwar drei der insgesamt zwölf untersuchten roten Farbpigmente als allergieauslösend identifiziert werden konnten, wobei unklar geblieben sei, welche Rolle der Anteil metallischer Bestandteile spiele. 7.2. Untersuchung zu Auswirkungen der Entfernung von Farbpigmenten mit Laserstrahlen Eine der Mitarbeiterinnen am Kooperationsprojekt des BfR, Ines Schreiver,9 ging im Rahmen ihrer Dissertation der Frage nach den Auswirkungen von Tattoo-Entfernungen durch Laserbestrahlung nach: Tattoo Pigments: Biodistribution and Toxicity of Corresponding Laser Induced Decomposition Products, 2017, siehe https://refubium.fu-berlin .de/bitstream/handle/fub188/10161/2018_Schreiver_Dissertation_online_2.pdf?sequence =1&isAllowed=y . Hierfür wurde bei Untersuchungen im Zeitraum vom Juni 2013 bis zum Juni 2017 die Zersetzung der Farbpigmente simuliert. Die Pigmente hätten Licht absorbiert und seien durch die Laserstrahlung und somit durch Hitze in ihrer chemischen Bindung aufgebrochen . Die dadurch entstandenen Abbauprodukte seien mutmaßlich krebserregend und allergieauslösend . Außerdem untersuchte die Autorin, wie sich die Pigmente im Körper verteilen würden . Feststellbar sei, dass die Pigmente in die Lymphknoten wanderten und schädliche Stoffe wie Nickel und Chrom mit sich tragen würden, welche ebenfalls potenziell krebserregend und 9 Siehe Gliederungspunkt 4. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 9 allergieauslösend sein könnten. Besonders erwähnt werden in dem Zusammenhang auch die Farbpigmente Pigmente 74160 (Pigment Blue 15:3) und 74260 (Pigment Green 7), wobei eine besondere Gefährlichkeit dieser beiden Pigmente nicht beschrieben wird. 7.3. Metastudie zum Hautkrebsrisiko im Zusammenhang mit Tattoos aus dem Jahr 2017 Die Studie, die im November 2017 veröffentlicht wurde, untersuchte 51 Veröffentlichungen und befasste sich mit dort erfassten 63 Fällen von Hautkrebs, die im Zusammenhang mit Tattoos stehen , sowie einem weiteren Fall einer Tattoo-assoziierten Hautkrebserkrankung, die in den Studien noch nicht behandelt worden ist: Paprottka, Felix J., Krezdorn, Nicco, u. a., Trendy Tattoos- Maybe a Serious Health Risk?, siehe das Abstract bei PubMed: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29124377 (abstract) sowie den Artikel bei https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00266-017-1002-0. Die Autoren stellen fest, dass 58 Prozent der Hautkrebserkrankten über Tattoos mit schwarzen und blauen Farbstoffen verfügt hätten und dass man die Schlussfolgerung ziehen müsse, dass schwarze, blaue und rote Farben besonders karzinogen seien. Der Vergleich der Untersuchungen zeige darüber hinaus, dass die Zeitdauer vom Stechen des Tattoos bis zur Krebsdiagnose ganz unterschiedlich sein könne (von wenigen Tagen über mehrere Monate bis hin zu vielen Jahren). In jedem Fall zeigten die untersuchten Fälle, dass das Stechen von Tattoos das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, erhöhe, wobei davon auszugehen sei, dass es eine hohe Dunkelzifferrate gebe und die Zahl der tatsächlich Tattoo-assoziierten Hautkrebserkrankungen noch deutlich höher liege. Es sei daher erforderlich, die Karzinogenität der Tattoofarben und -farbstoffe weiter zur erforschen, damit auch die entsprechenden Vorschriften für die Herstellung der Produkte entwickelt werden könnten. 7.4. Studie zum Einfluss von Tattoos auf die Schweißreaktion der Haut In einem Presseartikel der Zeitung „Die Welt“ vom August 2017, Simons, Charlotte, Diesen Nachteil haben Menschen mit Tattoos, Die Welt, 18. August 2017, https://www.welt.de/kmpkt/article 167703684/Diesen-Nachteil-haben-Menschen-mit-Tattoos.html, wird von einer in den USA durchgeführten Studie zu veränderten Schweißreaktionen der Haut berichtet. Im Rahmen dieser Studie seien zehn junge gesunde Männer mit Tattoos auf einer Körperseite hinsichtlich der Schweißreaktionen auf der Haut untersucht worden. Man habe die Schweißbildung auf jeweils beiden Körperseiten gemessen und verglichen. Die Autoren, u. a. Maurie Joe Luetkemeier, hätten festgestellt, dass die tätowierte Haut nur halb so viel Schweiß absondern würde wie die untätowierte , dabei aber die tätowierten Körperbereiche eine fast doppelt so hohe Natriumkonzentration aufweisen würden, siehe: Luetkemeier, Maurie Joe/Hanisko, Joseph Michael/Aho, Kyle Mathiew , Skin Tattoos Alter Sweat Rate and Na+ Concentration, in: Medicine & Science in Sports & Exercise, https://journals.lww.com/acsm-msse/Fulltext/2017/07000/Skin_Tattoos_Alter _Sweat_Rate_and_Na_.19.aspx . In dem o. g. Presseartikel wird zur Frage der Schweißabsonderung an tätowierten Körperstellen die Dermatologin Dr. Yael Adler zitiert, die befürchtet, dass das Tätowieren zu Beschädigungen der Schweißdrüsen und damit zu deren dauerhaften Beeinträchtigung führen könne. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 008/2020 Seite 10 7.5. Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 zum Kenntnisstand über die chemische Zusammensetzung von Tattoo-Farben und mögliche Ablagerungen von Farbbestandteilen an anderen Körperstellen Der Dermatologe Prof. Dr. Wolfgang Bäumler (Universitätsklinikum Regensburg) befasst sich in seinem Beitrag ausführlich mit den Farbpigmenten und betont unter Hinweis auf die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass schwarze Farbstoffe karzinogen sein könnten und dass insbesondere rote Farbpigmente Hautreaktionen hervorrufen könnten: Absorption, Distribution , Metabolism and Excretion of Tattoo Colorants and Ingredients in Mouse and Man: The Known and the Unknown, 2015, https://www.karger.com/Article/PDF/369222. Er hebt aber hervor , dass bislang viele Fragen, die im Zusammenhang mit möglichen gesundheitlichen Risiken stehen, noch unerforscht seien, so etwa die „Transportwege“ der Farbstoffe in andere Organe (mit Ausnahme der Ansiedlung in Lymphknoten, was inzwischen bereits nachgewiesen sei). In jedem Fall seien weitere Studien dringend erforderlich, um mehr Klarheit zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu gewinnen. 7.6. Metastudie zu Tattoo-assoziiertem Hautkrebsrisiko aus dem Jahr 2012 Im Jahr 2012 wurden Studien zum möglichen Zusammenhang von Tattoo-Farbstoffen und Hautkrebserkrankungen untersucht. Siehe hierzu: Kluger, Nicolas, Koljonen, Virve, Tattoos, inks, and cancer, in: The Lancet Oncology 2012, S. 161-168, : https://www.sciencedirect.com/science/article /abs/pii/S1470204511703400?via%3Dihub (Zusammenfassung). Die Autoren sind bei ihrer Recherche auf 50 Fälle von Hautkrebserkrankungen, die mit Tattoos in Zusammenhang stehen, gestoßen. Sie sind der Ansicht, die karzinogene Wirkung der Farben und Farbstoffe sei nach wie vor unklar und die Häufigkeit der Hautkrebserkrankungen sei relativ gering, so dass man eher von zufälligem Zusammentreffen ausgehen könne. 7.7. Untersuchung über die Gefährlichkeit der Inhaltsstoffe von Tattoofarben Eine weitere Arbeit aus dem Jahr 2009 hat die Frage nach möglichen Auswirkungen von Farbpigmenten , und zwar insbesondere von Rottönen behandelt: Engel, Eva, Tattoo Pigments in Skin, Determination and Quantitative Extraction of Red Tattoo Pigments, Dissertation, siehe https://epub .uni-regensburg.de/10673/1/Dissertation_Engel_Bib.pdf. Auch diese Autorin kam bereits zu dem Ergebnis, dass die Inhaltsstoffe der Farben ein gesundheitliches Risiko, insbesondere im Hinblick auf Krebserkrankungen, darstellen könnten. ***