WD 9 - 3000 - 008/19 (30. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung, Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz –TSVG)1 ist unter anderem2 die Erhöhung der Mindestsprechstundenzeiten der Vertragsärzte3 von 20 auf 25 Stunden pro Woche bestimmt. Das Gesetz zielt darauf ab, durch die Erweiterung des Sprechstundenangebots allen gesetzlich Versicherten einen gleichwertigen Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu ermöglichen. Dabei soll ausdrücklich die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen verbessert werden, indem der Gesetzgeber die Förder- und Sicherstellungsinstrumente der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erweitert. Dafür sieht der Gesetzentwurf vor, dass die KVen die Einhaltung der Versorgungsaufträge durch die Vertragsärzte bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle sowie anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand überprüfen. Der Gesetzentwurf war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Rahmen der 33. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 16. Januar 2019. Dabei wurden die geplanten Regelungen zu den Mindestsprechstundenzeiten kontrovers diskutiert. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) vertritt die Auffassung, die Sprechzeiten müssten patientenfreundlicher werden. Eine Erhöhung der Mindestsprechstundenzeiten könne z. B. zu einer bessere Gesundheitsversorgung der Patienten durch mehr Abend- und Wochenendsprechstunden 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG), Bundestags-Drucksache 19/6337 vom 7. Dezember 2018. 2 Der Gesetzentwurf beinhaltet darüber hinaus gesetzliche Änderungen zu weiteren Themenbereichen wie Terminservicestellen , medizinische Versorgungszentren, vertragsärztliche Versorgung in den ländlichen Räumen, elektronische Patientenakte, Bedarfsplanung, Eingliederung Langzeiterkrankter, Verfahren mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen. 3 Sämtliche Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Einhaltung der Mindestsprechstundenzeiten Kurzinformation Zur Einhaltung der Mindestsprechstundenzeiten Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 führen und damit auch dazu beitragen, der Überlastung der Notaufnahmestellen in Krankenhäusern entgegenzuwirken.4 Demgegenüber lehnen die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)5 und ein Teil der betroffenen Ärzteschaft6 diese Erhöhung ab. Die gesetzliche Normierung einer Mindestsprechstundenzeit und die Festsetzung der Kontrollinstrumente wird als Eingriff des Gesetzgebers in die Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) wahrgenommen.7 Derzeit ist der Umfang der Mindestsprechstundenzeiten nicht gesetzlich, weder im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)8 noch in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV)9, geregelt. § 24 Absatz 2 Ärzte-ZV bestimmt lediglich, dass Vertragsärzte ihre Sprechstunden am Vertragsarztsitz halten müssen. Der zeitliche Mindestumfang der Sprechstunden ist im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)10 konkretisiert. Gemäß § 17 Absatz 1a Satz 1 und 2 BMV-Ä müssen Vertragsärzte zur Erfüllung eines vollzeitigen Versorgungsauftrags mindestens 20 Stunden und bei einem Teilversorgungsauftrag nach § 19a Absatz 2 Ärzte-ZV zehn Stunden pro Woche als Sprechstunden zur Verfügung stellen. Auch nach der jetzigen Gesetzeslage sind die KVen gemäß § 95 Absatz 3 Satz 4 SGB V bereits zur Prüfung, ob die Vertragsärzte ihren Versorgungsauftrag und somit zugleich die Mindestsprechstundenzeiten einhalten, verpflichtet. Jedoch ist die Kontrolle durch die KVen auf Bundesebene nicht einheitlich geregelt, so dass diese in der Praxis unterschiedlich gehandhabt wird. Die jeweiligen KVen wenden bei der Kontrolle unterschiedliche Prüfmethoden und -algorithmen an. Diese Prüfungen stellen sich nach Darstellung der KBV11 wie folgt dar: Teilweise befragen die KVen die zugelassenen Vertragsärzte. Andere KVen stellen auf die in den Landesarztregistern gemeldeten Sprechstunden ab. Zum Teil nehmen die KVen die 4 Vgl. Pressemitteilung des GKV-Spitzenverbands, zuletzt aktualisiert: 27. Dezember 2018, abrufbar über: https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/fokus/sprechzeiten.jsp (dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 30. Januar 2019). 5 Vgl. Stellungnahme der KBV zum Referentenentwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes, Stand 17. August 2018, S.26, abrufbar über: https://www.kbv.de/html/36519.php. 6 Am 23. Januar 2019 haben Ärzte gegen den Gesetzentwurf bundesweit protestiert; siehe dazu Pressemitteilung im Tagesspiegel vom 23. Januar 2019, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/politik/gesundheitspolitikaerzte -protest-gegen-spahns-termingesetz/23901114.html. 7 Siehe Stellungnahme der KBV zum Referentenentwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes, Stand 23. Juli 2018, S.26, abrufbar über: https://www.kbv.de/html/36519.php. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 BGBl. I S. 2394. 9 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte vom 28. Mai 1957 (BGBl. I S. 572, ber. S. 608), zuletzt geändert durch Art. 6 VO zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Änd. anderer Vorschriften vom 7. Juli 2017 (BGBl. I S. 2842). 10 Bundesmantelvertrag – Ärzte vom 1. Januar 2019, Vertragsdatum: 21. August 2013, Fassung vom 10. Dezember 2018. 11 Auskunft der KBV vom 29. November 2018. Kurzinformation Zur Einhaltung der Mindestsprechstundenzeiten Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Prüfung anhand der Abrechnungsdaten der jeweiligen Vertragsärzte vor und untersuchen die Fallzahlen, die erbrachten Versorgungsleistungen oder die sogenannten Prüfzeiten aus dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM)12. Wird ein Vertragsarzt im Rahmen dieser Kontrolle auffällig, schreibt ihn die KV zunächst an und bittet um Stellungnahme. An die Stellungnahme anknüpfend entwickelt die KV mit dem betroffenen Vertragsarzt eine Lösungsstrategie. Die kurzfristige Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vor Ort kann beispielsweise durch Sicherstellungsassistenten, Angestellte oder durch Nachbesetzung erfolgen. Wenn keine Lösung gefunden wird, werden erste Sanktionsmaßnahmen, regelmäßig finanzielle Sanktionen in Form von Honorarkürzungen , ergriffen. Dabei ist weiterhin das Ziel, den Vertragsarzt zur Einhaltung seines Versorgungsauftrags zu bewegen. Schließlich besteht die Möglichkeit, den Vertragsärzten die Zulassung ganz oder hälftig nach § 95 Absatz 6 Satz 1 und 2 SGB V zu entziehen. Diese Maßnahme wird jedoch als ultima ratio verstanden. Die Entziehung der Zulassung erfolgt durch den Zulassungsausschuss , der gemäß § 96 Absatz 2 Satz 1 SGB V aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkasse in gleicher Zahl besteht. Für die betroffenen Vertragsärzte besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Nachbesserung zu stellen oder auf ihre Zulassung ganz oder hälftig zu verzichten. Dadurch kann der Zulassungsentzug vermieden werden. *** 12 Die sogenannten Prüfzeiten sind im Anhang 3 des EBM aufgeführt und sind als Durchschnittszeiten bundeseinheitlich . Bundesrichtlinien und Vereinbarungen auf regionaler Ebene können ergänzende Zeitvorgaben vorsehen . Vgl. Rothfuß, Sven in: Deutsches Ärzteblatt, Plausibilitätsprüfung: Das ist bei Zeitprofilen zu tun, 2018, 115(7): A-304/ B-258/ C-258, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/196384/Plausibilitaetspruefungen -Das-ist-bei-Zeitprofilen-zu-tun.