WD 9 - 3000 - 003/19 (22. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der Arzneimittelversandhandel nach Deutschland ist für Apotheken aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes gemäß § 73 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG)1 möglich. Voraussetzung ist, dass die ausländischen Apotheken entweder eine Versandhandelserlaubnis nach deutschem Recht haben oder eine Erlaubnis nach dem Recht des eigenen Staates, soweit es den deutschen Vorschriften in Bezug auf den Arzneimittelversandhandel entspricht. Die insofern maßgeblichen Standards statuiert § 11a des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG)2. Dieser regelt die Voraussetzungen für die Erteilung der gemäß § 43 Absatz 1 Satz 1 AMG für inländische Apotheken erforderlichen Versandhandelserlaubnis. Hierzu gehört, dass mittels eines Qualitätssicherungssystems gewährleistet wird, dass die Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass ihre Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben.3 Für ausländische Versandapotheken besteht – anders als für inländische Apotheken gemäß § 78 Absatz 1 und 2 AMG – keine Arzneimittelpreisbindung. Deren Geltung hatte der Europäische Gerichtshof mit seinem grundlegenden Urteil vom 19. Oktober 2016 für unionsrechtswidrig 1 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757) geändert worden ist. 2 Apothekengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993), das zuletzt durch Artikel 41 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626) geändert worden ist. 3 Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) veröffentlicht gemäß § 73 Absatz 1 Satz 3 AMG in regelmäßigen Abständen eine aktualisierte Übersicht über die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestehen, Bundesministerium für Gesundheit, Bekanntmachung der Übersicht zum Versandhandel mit Arzneimitteln nach § 73 Absatz 1 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes vom 5. Juli 2011, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/GKV/Bekanntmachungen/Versandhandel/Bekanntmachung _nach___73_AMG_Uebersicht_Versandhandel.pdf (dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 17. Januar 2019); weiterführend: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Informationen zum Arzneimittelversandhandel, WD 9 - 3000 - 026/18 vom 30. April 2018. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zum Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Kurzinformation Zum Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 erklärt.4 Ausländischen Versandapotheken ist es – anders als inländischen Apotheken – damit möglich, deutschen Verbrauchern Vorteile für das Einreichen von Rezepten, z. B in Form von Boni, anzubieten. Um dieser Problematik der uneinheitlichen Preisbindung („Inländerdiskriminierung“) entgegenzuwirken , wurden und werden in der Politik verschiedene Konzepte diskutiert. Unmittelbar in Folge des EuGH-Urteils legte das Bundesministerium für Gesundheit einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor.5 Darin wurde der Schutz der Gesundheit als ein Ziel des Verbots benannt; ein weiteres war es, eine Ausdünnung der Apothekendichte in umsatzschwächeren Gegenden zu verhindern. Einen entsprechenden Gesetzentwurf legte die Bundesregierung in der 18. Wahlperiode allerdings nicht mehr vor. Ein Versandhandelsverbot dürfte – trotz bestehender rechtlicher Hürden – im Ergebnis verfassungs - und unionsrechtlich zulässig sein.6 Denkbar wäre aber auch eine Aufhebung der Preisbindung .7 Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom 12. März 2018 sieht die Einführung eines Versandhandelsverbotes für RX-Arzneimittel vor.8 Im Juni 2018 teilte die Bundesregierung mit, dass der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei.9 Die Monopolkommission sprach sich im Juli 2018 in ihrem 4 EuGH, Rs. C-148/15. 5 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/V/Versandhandel-Verbot_RefE.pdf. 6 Hierzu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln. Aktualisierung der Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 241/16, WD 3 – 437/18, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/630758/de5bc0970e9f6d2ffded11dd25aa0b23/WD-3-437-18-pdf-data.pdf , sowie Referentenentwurf eines Gesetzes zum RX-Versandhandelsverbot aus verfassungsrechtlicher Sicht – Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 241/16, WD 3 - 3000 - 41/17 vom 1. März 2017, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/507978/9c5279742b5432ea8e613e52e068ea60/wd-3-041-17-pdf-data.pdf; Fachbereich Europa des Deutschen Bundestages, Unionsrechtliche Anforderungen an ein Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, PE 6 - 3000 - 149/16 vom 27. Oktober 2016, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/485858/7193ff908c265cbf32a03f90a0c18b9f/pe-6-149-16-pdf-data.pdf. 7 Hierzu: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Apothekenpreisbindung für Arzneimittel, WD 9 - 3000 - 065/16 vom 15. November 2016, S. 9, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/485820/6edc09923074731ac0d9875e440733b1/wd-9-065-16- pdf-data.pdf; weiterführend: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Regelungen zu Apothekenpreisen und zum Versandhandel von Arzneimitteln in ausgewählten EU-Ländern, WD 9 - 3000 - 064/16 vom 3. November 2016, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/485818/4c1ea0be570e7176eb5e0ecc74a334f3/wd-9-064-16-pdf-data.pdf. 8 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Wahlperiode, S. 98, abrufbar unter: https://www.bundesregierung .de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertragdata .pdf?download=1. 9 BT-Drs. 19/2807, S. 3. Kurzinformation Zum Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 22. Hauptgutachten zum Wettbewerb gegen ein Verbot des Versandhandels mit RX-Arzneimitteln aus und empfahl stattdessen eine Umgestaltung des Vergütungssystems für Apotheker.10 Dies wurde besonders mit unionsrechtlichen Bedenken begründet.11 Auch der derzeitige Bundesminister für Gesundheit hat sich im Dezember 2018 gegen ein Verbot des Versandhandels ausgesprochen, da ein solches „europarechtlich und politisch unwägbar“ sei, und Eckpunkte eines alternativen Lösungsweges vorgestellt.12 Diese zielen auf die stärkere Honorierung für Serviceleistungen ortsansässiger Apotheken sowie den Ausgleich von Nachteilen , welche diesen durch den Versandhandel entstehen. Beispielsweise werden die Erhöhung der Zuschüsse für die Nacht- und Notdienste, die Vereinbarung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen und deren Honorierung sowie die Verbesserung der Qualität bei Versandhandel und Botendiensten vorgeschlagen.13 *** 10 BT-Drs. 19/3300, S. 7, 17 ff. 11 Vgl. BT-Drs. 19/3300, S. 16. 12 Vgl. aus der Presseberichterstattung: aerzteblatt.de, „Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bleibt erlaubt“, 11. Dezember 2018, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/99760/Versandhandel-vonverschreibungspflichtigen -Arzneimitteln-bleibt-erlaubt; DAZonline, „Das sind Spahns Pläne für den Apothekenmarkt im Detail“ vom 11. Dezember 2018, abrufbar unter: https://www.deutsche-apotheker-zeitung .de/news/artikel/2018/12/11/das-sind-spahns-plaene-fuer-den-apothekenmarkt-im-detail. Süddeutsche Zeitung , „Pillen per Post“ vom 11. Dezember 2018, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/onlineapotheken -spahn-versandhandel-1.4248734. 13 Weiterführend: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Abgrenzung zwischen Arzneimittelversandhandel und Botendienst durch Apotheken, WD 9 - 3000 - 075/16 vom 14. Dezember 2016, abrufbar unter : https://www.bundestag.de/blob/490510/24ee6bf1c2877d171fca3ed7c96d5b46/wd-9-075-16-pdf-data.pdf.