Umweltbelastungen durch Biokraftstoffe - Sachstand - © 2006 Deutscher Bundestag WD 8 - 192/2006 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Umweltbelastungen durch Biokraftstoffe Sachstand WD 8 - 192/2006 Abschluss der Arbeit: 28.09.2006 Fachbereich WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Einleitung Biokraftstoffe finden in Öffentlichkeit, Medien und Politik immer mehr Interesse.1 Das hängt vor allem mit den stetig steigenden Benzinpreisen zusammen. Aber auch das Wissen um die zu Ende gehenden Erdölreserven hat die Suche nach alternativen Energieträgern intensiviert. Ebenso spielen umweltpolitische Argumente hier eine wichtige Rolle. Immer wieder wird auf die vergleichsweise geringere Umweltbelastung durch die Verwendung von Biokraftstoffen gegenüber fossilen Energieträgern hingewiesen. Dies gilt vor allem für die CO2-Neutralität: „Wie die Bundesregierung betont, verursacht der Verkehr in Deutschland derzeit Kohlendioxidemissionen von rund 175 Millionen Tonnen pro Jahr. Biokraftstoffe der ersten Generation verringerten diese Emissionen bereits heute deutlich. Unter der Annahme, dass bis 2010 etwa 2,8 Millionen Tonnen Biodiesel und rund eine Million Tonnen Bioethanol verwendet werden, würde das zu einer Verringerung des Kohlendioxidausstoßes im Verkehr von etwa 7,3 Millionen Tonnen jährlich führen. Dies wären rund 4,2 Prozent des heutigen Kohlendioxidausstoßes im Verkehr oder rund 0,8 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes in Deutschland.“2 Weiter heißt es: „Der Ersatz fossiler Kraftstoffe durch Biodiesel führt nach Darstellung der Regierung zu einer Verminderung der Treibhausgasemissionen. Die Regierung schätzt, dass der Nettoenergiegewinn etwa 60 Prozent des Energiegehalts des Biodiesels entspricht. In gleicher Größenordnung würden die Treibhausgasemissionen vermindert. Nach einem Gutachten des IFEU-Instituts zur Erweiterung der Ökobilanz für Biodiesel würden durch jeden Liter Biodiesel 2,2 Kilogramm Kohlendioxid eingespart (…). Darüber hinaus würde der Einsatz von Biodiesel zu einer 40- bis 60-prozentigen Minderung der Feinstaubemissionen führen. Im vergangenen Jahr sei in Deutschland auf einer landwirtschaftlichen Fläche von rund einer Million Hektar Raps angebaut worden. Dies entspreche rund 8,5 Prozent in Deutschland insgesamt zur Verfügung stehenden Ackerfläche (…).3“ 1 Zu den Biokraftstoffen werden u.a. gezählt: Bioethanlo, Biodiesel, Biogas, Biomethanol und Biowasserstoff . Vgl. dazu ausführlich: http://de.wikipedia.org/wiki/Biokraftstoff 2 http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2006/2006_116/07.html 3 Ebenda. Vgl. auch „Biokraftstoffe auf der Basis heimischer Erzeugung könnten die Importabhängigkeit vom Erdöl verringern, heißt es in der Antwort. Dazu würde die Einfuhr von Biokraftstoffen beitragen, zumal es hier mehr Erzeugerländer gebe, die zudem nicht zu den politisch instabilen Regionen zählten. Darüber hinaus könnte dadurch Beschäftigung in ländlichen Räumen geschaffen werden.“ Ebenda. - 4 - Diese Auffassung ist jedoch nicht unumstritten. So wird von Umweltschutzverbänden am Beispiel des Biodiesels betont: „Der Einsatz von sogenanntem Bio- anstelle von normalem Mineralöl-Diesel löst keines der im Zusammenhang mit dem Verbrauch von fossilen Treibstoffen diskutierten Probleme.“4 Diese Kritik wird wie folgt spezifiziert: „Die sehr bescheidenen (Umweltbundesamt) Einsparungen an CO2-Emissionen rechtfertigen nicht, diese Kraftstoffart als ökologische Lösung zu bezeichnen. Weder stehen auch nur ansatzweise relevante Mengen zur Verfügung, noch bietet die Verwendung von RME anstelle von Diesel große Vorzüge hinsichtlich der Emissionen. Insbesondere das Hauptproblem der Dieselemissionen, das hohe krebsauslösende Potenzial, wird durch Bio-Diesel nicht gemindert. Hinsichtlich der Partikelbildung und der krebserzeugenden Wirkung ist Bio-Diesel vergleichbar mit Mineralöl-Diesel. Auch Zusammensetzung und Höhe der anderen Schadstoffe sind ähnlich wie bei Diesel. Die CO2-Bilanz ist nicht, wie von Befürwortern immer wieder behauptet, neutral oder klimaneutral, sondern liegt laut Umweltbundesamt (UBA) zwischen 30 und 80 Prozent unter normalem Diesel (je nach Nutzung der anderen Beiprodukte).“5 Von dieser Seite wird auch auf weitere umweltbelastende Aspekte hingewiesen: „Die Herstellung von Dünger, Herbiziden und Pestiziden resultiert zudem in CO2- Emissionen, die oft nicht aufgeführt werden. Problematisch ist auch der Aspekt, dass es sich angesichts der Gesamt-Ökobilanz hier weitgehend um eine Verlagerung von Problemen (Anbau, Saatgut, Dünger, Herbizide und Pestizide, Intensiv-Landwirtschaft) handelt . Die Forcierung von Bio-Rapsanbau steht außerdem in direktem Gegensatz zu den Zielen einer ökologischen Landwirtschaft. Zu befürworten ist dagegen der Einsatz von Pflanzenöl-, Kraft- und Schmierstoffen in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Binnenschifffahrt, wo es um die Vermeidung der toxischen Auswirkungen direkter Verunreinigungen mit (auslaufendem etc.) Dieselöl, etwa in Böden und Gewässern, geht.“ 6 Diese durchweg negative Einschätzung ist jedoch nicht zu verallgemeinern. Das „Institut für Energie- und Umweltforschung“ (IFEU) in Heidelberg, das in verschiedenen ausführlichen Analysen die „Ökobilanz von Biokraftstoffen“ untersucht hat, ist zu einer differenzierten Beurteilung gekommen: 4 Http://www.greenpeace.de/themen/sonstige_themen/feinstaub/artikel/biodiesel_keine_saubere_ alternative/ 5 Ebenda 6 Ebenda. Vgl. auch den Hinweis: „Völlig unberücksichtigt bei der gesamten Diskussion um Bio- Diesel bleibt bedauerlicherweise meist die ethisch moralische Frage, ob die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen für Nahrungsmittel - vor dem Hintergrund weltweit schrumpfender Anbauflächen - für die Herstellung von Autokraftstoffen vertretbar ist.“ Ebenda. - 5 - „Nachwachsende Rohstoffe sind die Energieträger der Zukunft. Für die notwendige Wende in der Energie- und Umweltpolitik müssen jedoch alle Faktoren in der Prozesskette von Biokraftstoffen auf ihre Umweltverträglichkeit und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen hin in Rechnung gestellt werden. (…) Aus den Analysen ergibt sich in Abhängigkeit von den verfolgten Zielsetzungen eine sehr differenzierte Beurteilung.“7 Folgende Aspekte werden herausgestellt: „Wenn die Reduzierung der CO2–Konzentration in der Atmosphäre und die Einhaltung des Kyoto-Protokolls das Hauptziel ist, schneiden Biokraftstoffe im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen günstig ab. Die einfache Rechnung, dass bei den Energieträgern auf pflanzlicher Basis nur gerade so viel CO2 freigesetzt wird, wie vorher von den Pflanzen gebunden wurde, stimmt freilich nur im Einzelfall bei der direkten Verbrennung von Biomasse. Bei großflächigem landwirtschaftlichem Anbau muss man die Herstellung und den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln berücksichtigen, für die erhebliche Mengen an mineralischen Ressourcen und fossilen Energieträgern verwendet werden . Unter Berücksichtigung des gesamten Lebensweges der Biokraftstoffe – von der Produktion der Biomasse über die Konversion bis hin zur energetischen Verwertung – ist die CO2-Bilanz nicht mehr neutral.“8 Weiter heißt es: „CO2 ist jedoch nur ein klimarelevantes Gas unter anderen. Ein weiteres ist Distickstoffoxid (N2O), das vor allem bei der Düngemittelproduktion entsteht; es entweicht außerdem in erheblichem Maße aus landwirtschaftlich genutzten, gedüngten Böden. In der Prozesskette fossiler Energieträger wird N2O dagegen nicht in nennenswertem Maße freigesetzt. Wie Dr. Guido Reinhardt, Fachbereichsleiter für Nachwachsende Rohstoffe am ifeu-Institut, betont, müssen auch die mit der landwirtschaftlichen Produktion der Rohstoffe verbundenen Umweltauswirkungen berücksichtigt werden, die bei der Nutzung fossiler Energieträger nicht auftreten. Dazu gehören die Versauerung und Eutrophierung von Oberflächengewässern durch erhöhten Phosphat- und Nitrateintrag, ihre Belastung mit Bioziden und deren Abbauprodukten und die Belastung des Grundwassers durch Nitrate.“9 Positiv bewertet werden dagegen die folgenden Aspekte: „Wenn man Ethanol aus Zuckerrüben oder Weizen mit Ottokraftstoff vergleicht, so fällt die Ökobilanz in Bezug auf Energiebedarf und Treibhauseffekt zugunsten der Biokraft- 7 http://www.bio-pro.de/de/region/rhein/magazin/02271/index.html 8 Ebenda 9 Ebenda - 6 - stoffe aus. Ähnlich verhält es sich beim Vergleich von Biodiesel aus Raps (vor allem Rapsölmethylester) mit konventionellem Diesel und bei den meisten anderen Biokraftstoffen . Als weiteren Vorteil von Biokraftstoffen muss man ihre geringere Toxizität für den Menschen und die Ökosysteme sehen: höhere Bioabbaubarkeit, geringere SO2- Emissionen in die Atmosphäre, geringere Partikelemissionen in den Städten, geringere Verschmutzung der Meere durch Rohöl bei der Förderung, dem Transport und Tankerunfällen .“10 Besonders intensiv diskutiert wird das Beispiel des Biodiesel. In einem instruktiven Überblicksartikel werden die umweltpolitischen Vor- und Nachteile wie folgt gegenüber gestellt. Positiv bewertet werden vor allem folgende Aspekte: „Generell ist die Gewinnung von Energie aus nachwachsenden Rohstoffen nachhaltig. Bei der Produktion von Biodiesel aus Rapssaat gibt es zudem keine Abfallprodukte, da alle Nebenprodukte dieser Reaktion weiterverwertet werden können: Der Rapsschrot, der bei Gewinnung von Rapsöl aus Rapssamen anfällt, wird als Futtermittel benutzt und das bei der Umesterung entstehende Glyzerin kann in der chemischen Industrie weiterverwertet werden (z.B. Kosmetik). Lediglich für das auf dem Feld verbleibende Rapsstroh fehlen heute (2006) noch sinnvolle Anwendungen. Biodiesel ist außerdem bei Leckagen deutlich weniger umweltbelastend als herkömmlicher Diesel. Letzterer besitzt die Wassergefährdungsklasse 2 (wassergefährdend), Biodiesel die Wassergefährdungsklasse 1 (schwach wassergefährdend). Reines Pflanzenöl gilt als nicht wassergefährdend (…).“11 Weiter wird festgehalten: „Die CO2-Neutralität bei der Nutzung von Biodiesel ist umstritten. Laut Umweltbundesamt führen bei der Herstellung die zusätzlichen Kohlendioxid- und Lachgas- Emissionen beim Anbau und bei der Verarbeitung, die selbst bei einer Einbeziehung der Nutzung von Nebenprodukten entstehen, zu einer höheren CO2-Emission als die Pflanzen vorher durch Photosynthese aus der Atmosphäre entnommen haben [3]. Demgegenüber stehen Argumente, wonach zwischen intensivem Anbau zur Erzeugung von Speiseöl aus Erucasäure- und Glucosinolat-armen, so genannten 00-Sorten und dem Anbau von Rapssorten zur Energiegewinnung differenziert werden müsse [4]. Je nach Studie kommen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Klimabilanz von Biodiesel 20 bis 80 Prozent günstiger ist als die von Mineralöl-Diesel. Die CO2-Bilanz ist immer günsti- 10 Ebenda 11 http://de.wikipedia.org/wiki/Biodiesel - 7 - ger als die konventionellen Dieseltreibstoffes, der auch erst nach Transport und Verarbeitung von Erdöl in Motoren eingesetzt werden kann“12 Demgegenüber wird auf die folgenden Nachteile hingewiesen: „Die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln beim Rapsanbau wird als problematisch für die Umwelt gesehen. Forschungen zur Genveränderung von Raps, um Resistenzen gegen den Rapsglanzkäfer und Kohlhernie zu erreichen, sind ebenfalls umstritten. Desweiteren stellen großflächige Monokulturen eine Bedrohung für Tierarten, insbesondere bodenbrütende Vögel dar. Durch die intensive Nutzung von Stickstoffdüngern kommt es zu einer Überdüngung der Gewässer und einer Versauerung des Bodens. Zudem wird Distickstoffoxid (Lachgas) freigesetzt - ein im Gegensatz zum CO2 310fach stärkeres Treibhausgas. Biodiesel produziert zudem mehr ozonfördernde Abgase als aus Erdöl gewonnener Treibstoff.“13 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Biokraftstoffen stark von den jeweils angelegten Vergleichsparametern abhängt. Betrachtet man einzelne wichtige Aspekte wie den CO2-Ausstoß, liegt hier gegenüber der Verbrennung fossiler Energieträger sicherlich ein klimapolitischer Vorteil. Bezieht man dagegen andere Aspekte wie die Natur- und Wasserbelastung oder den Flächenverbrauch ein, werden die Schattenseiten und Langzeitfolgen der Biokraftstoffe erkennbar . Allerdings ist zu bedenken, dass die Biokraftstoff-Produktion und Verwendungstechnik noch in den Anfängen bzw. einer relativ frühen Phase stehen. Auf diesen Umstand weist eine jüngste Stellungnahme der Bundesregierung hin: „Biokraftstoffe sind ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Klimapolitik (…). Dabei setze die Bundesregierung verstärkt auf Biokraftstoffe der zweiten Generation. Bei der Produktion dieser Kraftstoffe könne auf eine breitere Rohstoffbasis zurückgegriffen werden. So können auch Bioreststoffe verwendet werden, was die gewünschte Vielfalt des Anbaus unterstütze. Sie haben einen höheren Energieertrag pro Fläche und eine wesentlich verbesserte CO2-Bilanz. "Ein wesentlicher Vorteil von Biokraftstoffen der zweiten Generation ist die Möglichkeit, den Kraftstoff im Herstellungsprozess an die motorischen Anforderungen anzupassen. Die Verbrennung kann dadurch optimal und äußerst emissionsarm erfolgen."“14 Es bleibt abzuwarten, inwieweit die genannten Biokraftstoffe der zweiten Generation die in sie gesetzten Erwartungen ökologischer und ökonomischer Art erfüllen werden. 12 Ebenda 13 Ebenda 14 http://www.bmu.de/pressemitteilungen/pressemitteilungen_ab_22112005/pm/37306.php - 8 - Derzeit wird weder eine einseitige Glorifizierung noch die generelle Ablehnung den großen Potentialen und Perspektiven gerecht, die die Biokraftstoffe zukünftig bieten.