© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 158/19 Zu naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Beseitigung von Seeminen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 2 Zu naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Beseitigung von Seeminen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 158/19 Abschluss der Arbeit: 6. Januar 2020 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anwendbares Recht und Zuständigkeiten 4 2.1. Gefahrenabwehrrechtliche Zuständigkeiten zur Beseitigung von Munitionsaltlasten 4 2.2. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) 5 3. Pflicht zur Beteiligung der Naturschutzbehörden 6 3.1. Grundsatz 6 3.2. Angemessene Frist zur Beteiligung 6 3.3. Unverzügliches Nachholen der Beteiligung bei Eilbedürftigkeit 8 4. Verhältnis vom Naturschutz- und Gefahrenabwehrrecht 8 4.1. Gefahrenabwehrrecht 8 4.2. Schutzstatus des Schweinswals 8 4.3. Ausnahmen vom naturschutzrechtlichen Tötungsverbot mit Blick auf die Gefahrenabwehr 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 4 1. Einleitung Nach Auskunft der Bundesregierung liegen Erkenntnisse zu 123 Munitionsaltlasten in den deutschen Meeresschutzgebieten in Nord- und Ostsee vor. Von einigen dieser Altlasten gehen aufgrund von Alterungsprozessen unter anderem erhöhte Gefährdungspotentiale für die Schifffahrt und die dort tätigen Personen aus.1 Im Einzelfall kann es notwendig sein, diese Altlasten zur Gefahrenabwehr im Wasser zu sprengen, wenn eine Sprengung auf einer Sandbank oder eine anderweitige Entsorgung nicht möglich ist. Von solchen Sprengungen im Wasser gehen erhebliche Gefahren für die Meeresumwelt aus. Zum Beispiel können durch die damit verbundene Druckwelle Schweinswale in einem Umkreis von mehreren Kilometern lebensbedrohlich verletzt oder getötet werden. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen und deren Verhältnis zum Recht der Gefahrenabwehr dargestellt. Eine Prüfung konkreter Einzelfälle wird durch die Wissenschaftlichen Dienste grundsätzlich nicht vorgenommen und wäre ohne eine umfassende Ermittlung des jeweiligen Sachverhaltes auch gar nicht möglich. 2. Anwendbares Recht und Zuständigkeiten 2.1. Gefahrenabwehrrechtliche Zuständigkeiten zur Beseitigung von Munitionsaltlasten Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern obliegen Aufgaben der Gefahrenabwehr grundsätzlich den Ländern, nur ausnahmsweise ist hierfür der Bund zuständig. Nach Art. 87 Absatz 1 GG in Verbindung mit Art. 89 GG wird die Schifffahrt in bundeseigener Verwaltung geführt. Diese Vorschriften stellen eine Ausnahme von der Regel des Art. 83 GG dar, nach dem die Länder grundsätzlich die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen.2 Die Aufgaben und Befugnisse des Bundes in diesem Bereich regelt das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG).3 Nach § 1 Nr. 3 lit. a SeeAufgG obliegt die Schifffahrtspolizei auf dem Gebiet der Seeschifffahrt seewärts der Begrenzung des Küstenmeers dem Bund. Diese enthält u.a. die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Die Formulierung „seewärts des Küstenmeers “ umfasst insbesondere auch die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone. 1 Vgl. die Antwort der Bunderegierung auf die Kleine Anfrage „Sprengung von Munitionsaltlasten und Kampfmitteln in Meeresschutzgebieten“, Bundestagsdrucksache 19/15325, S. 2. 2 Vgl. Jenisch, Hoheitliche Aufgaben für Polizei und Umweltschutz vor den Küsten, Natur und Recht 2000, S. 193, 194. 3 Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2876), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 2. Juni 2008 (BGBl. II S. 520). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 5 Darüber hinaus ist der Bund nach § 1 Nr. 3 lit. b SeeAufgG in diesem Gebiet für die Abwehr von Gefahren sowie die Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in sonstigen Fällen zuständig. Hierunter fallen auch Gefahren, die von Munitionsaltlasten für die Sicherheit der Schifffahrt ausgehen. Für die Ermittlung, Überwachung und Abwehr von Gefahren, die von Munitionsaltlasten für die Sicherheit des Schiffverkehrs ausgehen können, sind daher seewärts des Küstenmeeres die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig.4 § 3 Absatz 1 Satz 1 und 2 SeeAufgG enthalten die Rechtsgrundlage für das Handeln der Bundesbehörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im Rahmen der Zuständigkeiten des § 1 Nr. 3 lit. a und b SeeAufgG. Danach können die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren und schädlichen Umwelteinwirkungen einschließlich der Beseitigung von Störungen ergriffen werden. Innerhalb des Küstenmeeres obliegt die Gefahrenabwehr den Landesbehörden der jeweils betroffenen Bundesländer. Ist im Rahmen der Gefahrenabwehr eine Sprengung einer Seemine notwendig, kann die Bundesmarine technische Amtshilfe (Art. 35 GG) leisten, weil sie über bessere Fähigkeiten im Umgang mit besonders gefährlicher Munition verfügt. Eine solche Amtshilfe kann auch anlässlich eines Manövers geleistet werden. 2.2. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) Das Bundesnaturschutzgesetz gilt auch im Bereich der Küstengewässer und in den hier relevanten Vorschriften auch im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (§ 56 Absatz 1 BNatSchG). Dies schließt sowohl die verfahrensrechtliche Beteiligungspflicht (§ 3 Absatz 5 BNatSchG) als auch die Regelungen zum Tötungsverbot (§ 44 BNatSchG) ein. § 57 Absatz 3 Nr. 1 BNatSchG sieht unter anderem vor, dass in den geschützten Meeresgebieten keine Beschränkungen der Schifffahrt sowie der nach internationalem Recht erlaubten militärischen Nutzung zulässig sind. Zu den militärischen Nutzungen zählt nach Auffassung Deutschlands auch das Recht, Manöver ohne Benachrichtigung oder Genehmigung abzuhalten.5 Nach Artikel II des NATO-Truppenstatuts6 sind die Truppen der NATO-Staaten verpflichtet, das Recht des jeweiligen Aufnahmestaates zu achten, wenn sich aus dem Stationierungsrecht oder 4 Diese gliedert sich insbesondere in die regionalen Wasser- und Schifffahrtsdirektionen und die diesen jeweils unterstellten Wasser- und Schifffahrtsämter. 5 Heselhaus, in: Berliner Kommentar zum Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage 2016, § 57 Rn. 26. Dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf Frage 7 der Kleinen Anfrage, Bundestagsdrucksache 19/15325, S. 4. 6 Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951, BGBl. 1961 II S. 1183, zuletzt geändert mit Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 11 S. 2584, 2598). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 6 anderen einschlägigen Regelungen nichts anderes ergibt. Eine allgemeine Befreiung von NATO- Truppen von den Regeln des Naturschutzrechts besteht nicht. 3. Pflicht zur Beteiligung der Naturschutzbehörden 3.1. Grundsatz Nach § 3 Absatz 5 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) haben die Behörden des Bundes und der Länder die Naturschutzbehörden bereits bei der Vorbereitung von Maßnahmen, die die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege berühren können, zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Minensprengungen auf See gehören zu den Maßnahmen , die diese Beteiligungspflicht auslösen.7 Zuständige Naturschutzbehörde für die ausschließliche Wirtschaftszone ist das Bundesamt für Naturschutz (§ 58 Absatz 1 BNatSchG), da insoweit keine Zuständigkeit eines Landes gegeben ist. Diese Beteiligungspflicht soll unter anderem sicherstellen, dass vor Durchführung der Maßnahmen eine Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG erfolgen kann. Die Abstimmung mit den Naturschutzbehörden soll auch gewährleisten, dass Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Beeinträchtigungen ergriffen werden. Die Stellungnahme der Naturschutzbehörde entfaltet aber keine Bindungswirkung im Sinne einer Mitentscheidung.8 3.2. Angemessene Frist zur Beteiligung Zunächst ist zwischen der Unterrichtung und der Stellungnahme zu unterscheiden. Die Unterrichtung umfasst lediglich die Bekanntgabe der Informationen über eine geplante Aktivität. Sie kann bei Eilbedürftigkeit jedenfalls zu den üblichen Dienstzeiten zunächst telefonisch erfolgen. Bei erfahrungsgemäß häufiger auftretenden Gefahrenfällen sollte es möglich sein, eine Liste der für die naturschutzfachliche Prüfung notwendigen Angaben zu erarbeiten, die dann zügig übermittelt werden können. Wie lang eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu bemessen ist, ist eine Frage des Einzelfalls . Dabei sind jeweils verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist zunächst die Komplexität der geplanten Maßnahme, von der abhängt, wieviel Zeit die Naturschutzbehörde für eine fundierte Stellungnahme benötigt. Bei Maßnahmen, die wiederholt vorkommen, bei denen der Sachverhalt im Wesentlichen bekannt ist und bei denen daher auf bekannte naturschutzfachliche Standards Bezug genommen werden kann, dürfte regelmäßig eine vergleichsweise kurze Frist ausreichen. 7 So auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Sprengung von Munitionsaltlasten und Kampfmitteln in Meeresschutzgebieten“, Bundestagsdrucksache 19/15325, Antwort auf Frage 5. 8 Hendritschke, in: Berliner Kommentar zum BNatSchG, 2.Auflage 2016, § 3 Rn. 143; Krohn, in: Schlacke (Hrsg.), GK-BNatSchG, 2017, § 3 Rn. 68. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 7 Ein weiterer Aspekt ist die Eilbedürftigkeit der Durchführung der Maßnahme, die bei der Gefahrenabwehr typischerweise größer ist als bei Planungsmaßnahmen, die ohnehin einen längeren Vorlauf haben. Dies gilt insbesondere bei der Abwendung von Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben. Relevant ist in diesem Zusammenhang auch, ob vorläufige Sicherungsmaßnahmen getroffen werden können, um ausreichend Zeit für eine Beteiligung der Naturschutzbehörden zu schaffen. Wenn das Vorhandensein von Minen oder anderen Munitionsaltlasten bereits seit längerem bekannt ist, dürfte dies die Berufung auf eine Eilbedürftigkeit regelmäßig erschweren. Eine Eilbedürftigkeit kann jedoch auch in diesen Fällen noch begründet werden, wenn sich neue Erkenntnisse über die Gefährlichkeit der Altlast und damit die Dringlichkeit ihrer Beseitigung ergeben. Im Kontext der Pflicht zur Anhörung von Adressaten einer Verwaltungsentscheidung nach § 28 VwVfG wird angenommen, dass die eigene Säumigkeit der Behörde die Eilbedürftigkeit nicht zwingend ausschließe.9 Bedeutung hat diese Frage jedoch vor allem bei Entscheidungen mit Außenwirkung gegenüber klagebefugten Personen, da eine fehlende Anhörung die formelle Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge hat. Mit Blick auf eine fehlende Behördenbeteiligung und daraus folgende Maßnahmen der Dienstaufsicht dürfte es jedoch unerheblich sein, ob sich der Verfahrensfehler aus der fehlenden Beteiligung an sich ergibt oder ob die vorausgehende Säumigkeit der Behörde diesen begründet. Zu berücksichtigen ist auch, ob alternative Maßnahmen der Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen . So können für bestimmte Seegebiete kurzfristige Befahrungsverbote in Betracht kommen, um eine Beteiligung der Naturschutzbehörden zu ermöglichen. Ob im Falle von Gefahr im Verzug von einer Beteiligung gänzlich abgesehen werden kann, wird - soweit ersichtlich - in der juristischen Kommentarliteratur nur vereinzelt thematisiert. Von einer Literaturstimme wird angenommen, dass ein Absehen von einer Beteiligung wegen Gefahr im Verzug nicht möglich sei. Anders als bei § 63 BNatSchG werde keine entsprechende Geltung von § 28 Absatz 2 Nr. 1 VwVfG angeordnet.10 Diese Auffassung leitet also aus einem Umkehrschluss ab, dass Gefahr im Verzug kein Unterlassen der Beteiligung rechtfertige. Dem ließe sich allerdings entgegenhalten, dass die aus dem Grundsatz fairen Verfahrens folgende Beteiligung von Privaten nicht mit einer zwischenbehördlichen Beteiligung vergleichbar ist, so dass das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung nicht den Rückgriff auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz und die Regeln zur Gefahrenabwehr im Eilfall verhindern würde. 9 Nach einer Auffassung soll dies bis zu der Grenze einer bewusst herbeigeführten Umgehung gelten, Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Auflage 2020, § 28 Rn. 78. Nach anderer Auffassung soll eine Anhörung nur bei schwerwiegenden Gefahrensituationen entbehrlich sein, Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz , 20. Auflage 2019, § 28 Rn. 54. 10 Hendrischke, in: Berliner Kommentar zum BNatSchG, 2.Auflage 2016, § 3 Rn. 146. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 8 3.3. Unverzügliches Nachholen der Beteiligung bei Eilbedürftigkeit Soweit eine Unterrichtung im Einzelfall nicht rechtzeitig möglich sein sollte bzw. eine Stellungnahme nicht abgewartet werden kann, ist die Beteiligung unverzüglich nachzuholen. Die Beteiligung hat sich auch nach Durchführung einer Gefahrenabwehrmaßnahme nicht erledigt. Sie behält ihren Sinn zum einen mit Blick auf nachsorgende Maßnahmen, um die Auswirkungen eines Eingriffs fachgerecht beurteilen zu können. Zum anderen kann eine nachträgliche Stellungnahme dazu dienen, für zukünftige Fälle eine bessere Berücksichtigung des Naturschutzes zu erreichen. 4. Verhältnis vom Naturschutz- und Gefahrenabwehrrecht 4.1. Gefahrenabwehrrecht Die Bundesbehörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung können in der ausschließlichen Wirtschaftszone die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren und schädlichen Umwelteinwirkungen einschließlich der Beseitigung von Störungen ergreifen (§ 3 Absatz 1 Satz 1 und 2 SeeAufgG). Im Rahmen der Gefahrenabwehr sind die naturschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten, die ihrerseits an verschiedenen Stellen die Belange der Gefahrenabwehr berücksichtigen. 4.2. Schutzstatus des Schweinswals Der Schweinswal gehört zu den nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie besonders geschützten Tierarten und damit zugleich zu den besonders geschützten Arten und den streng geschützten Arten nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. b) und Nr. 14 lit. b) BNatSchG. Daher ist das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot (§ 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG) auf den Schweinswal anwendbar. Dieses verbietet nicht nur gezielte Tötungs- oder Verletzungshandlungen, sondern auch mittelbare Gefährdungen der besonders geschützten Arten. Subjektive Tatbestandsmerkmale sieht § 44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG nicht vor.11 4.3. Ausnahmen vom naturschutzrechtlichen Tötungsverbot mit Blick auf die Gefahrenabwehr § 44 Absatz 5 Nr. 1 BNatSchG sieht unter anderem vor, dass bei unvermeidbaren Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die von Behörden durchgeführt werden, ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot unter bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegt . Unvermeidbar sind Beeinträchtigungen, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringerer Beeinträchtigung zu erreichen, nicht zur Verfügung stehen (§ 15 Absatz 1 BNatSchG). Wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine 11 Zu den Hintergründen Gläß in Beck Online-Kommentar zu § 44 BNatSchG, Stand 1. Oktober 2019, Rn. 7-11 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 158/19 Seite 9 Frage der Abwägung im Einzelfall. Hierbei können die Belange der Gefahrenabwehr berücksichtigt werden. In diesen Fällen liegt ein Verstoß nicht vor, wenn das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Art nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann. Diese Norm greift die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sogenannten „Signifikanzschwelle “ auf. Diese Rechtsprechung berücksichtigt, dass für Tiere bereits vorhabenunabhängig ein allgemeines Tötungsrisiko besteht. Diese ergebe sich nicht nur aus dem allgemeinen Naturgeschehen, sondern sei auch dann sozialadäquat und deshalb hinzunehmen, wenn es zwar vom Menschen verursacht sei, aber nur einzelne Individuen betreffe. Tierisches Leben existiere nicht in einer unberührten, sondern in einer vom Menschen gestalteten Landschaft. Nur innerhalb dieses Rahmens greife der Schutz des §44 Absatz 1 Nr. 1 BNatSchG.12 Als fachlich anerkannte Schutzmaßnahme gilt im Bereich der Sprengung von Seeminen das Legen eines großen Blasenschleiers in Verbindung mit einer effektiven vorherigen Vergrämung.13 Maßnahmen, die ohne anerkannte Schutzmaßnahmen durchgeführt werden sollen, bedürfen in der Regel der Genehmigung nach § 45 Absatz 7 BNatSchG. Danach können die Naturschutzbehörden Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG unter anderem dann zulassen, wenn dies im Interesse der Gesundheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit ist, zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Population einer Art nicht verschlechtert. Die Vorgaben des Artikels 16 der FFH-Richtlinie sind zu beachten. Durch das Tatbestandsmerkmal „öffentliche Sicherheit“ werden Ausnahmen für Maßnahmen der Gefahrenabwehr ermöglicht. Dies gilt insbesondere zur Abwehr von Gefahren für hochrangige Rechtsgüter, wie Leib und Leben, die im Falle von Munitionsaltlasten in Schifffahrtswegen regelmäßig betroffen sein werden. Welche Alternativen zumutbar sind, hängt unter anderem davon ab, wie schwer die schutzwürdigen Belange der öffentlichen Sicherheit in Relation zu den Belangen des Artenschutzes gefährdet sind. Dies ist jeweils eine Frage des konkreten Einzelfalls. Zur Abwehr nicht anders abzuwendender unmittelbarer Gefahren für hochrangige Rechtsgüter kann es im Einzelfall zulässig sein, Maßnahmen ohne formelle Genehmigung nach § 45 Absatz 7 BNatSchG zu treffen. *** 12 BVerwG, Beschluss vom 8.3.2018, Az. 9 B 25.17, Rn. 11. 13 Antwort auf Frage 13 der Kleinen Anfrage „Sprengung von Munitionsaltlasten und Kampfmitteln in Meeresschutzgebieten “, Bundestagsdrucksache 19/15325, S. 6.