© 2018 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 136/18 Zu invasiven Tierarten in Deutschland und der EU Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 2 Zu invasiven Tierarten in Deutschland und der EU Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 136/18 Abschluss der Arbeit: 19. Dezember 2018 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zu invasiven Tierarten 4 2. Zur Erstellung naturschutzfachlicher Invasivitätsbewertungen 4 3. Invasivitätsbewertung gebietsfremder Tierarten für Deutschland 5 4. Invasivitätsbewertung gebietsfremder Tierarten in der EU 5 5. Rechtliche Regelungen zu invasiven Arten 6 5.1. Übereinkommen über die Biologische Vielfalt 6 5.2. Berner Konvention 7 5.3. CITES 7 5.4. EU-Verordnung zu invasiven Arten 7 5.5. Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 7 5.6. Vogelschutz-Richtlinie 8 5.7. BNatSchG – Bundesnaturschutzgesetz 8 5.8. BArtSchV - Bundesartenschutzverordnung 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 4 1. Zu invasiven Tierarten Es wird unterschieden zwischen einheimischen (indigenen), d. h. von Natur aus bei uns vorkommenden Tier- und Pflanzenarten und gebietsfremde Arten, d. h. Arten, die durch den Einfluss des Menschen zu uns gekommen sind. Tatsächlich erwächst bei der Mehrheit der eingeführten Arten kein Problem für die Umwelt. Das Bundesamt für Naturschutz hält hierzu fest: „Die meisten gebietsfremden Arten stellen kein Naturschutzproblem dar, unterliegen dem allgemeinen Artenschutz für wildlebende Arten, können Schutzgüter der Roten Listen sein und werden teilweise sogar als Bereicherung empfunden. Nur wenige gebietsfremde Arten gefährden in ihrer neuen Heimat die biologische Vielfalt und werden daher als „invasiv“ bezeichnet. Invasive Arten sind in Mitteleuropa wegen der langen Landnutzungsgeschichte und der Lage als geographischer Durchgangsraum weit weniger an der Gefährdung der Artenvielfalt beteiligt als z. B. auf isolierten Inseln, die erst in den letzten Jahrhunderten mit gebietsfremden Arten `konfrontiert´ wurden. Angesichts der prognostizierten Klimaerwärmung ist aber mit einer verstärkten Ausbreitung gebietsfremder Arten und damit einem erhöhten Risiko durch invasive Arten zu rechnen. Invasive Arten können z. B. in Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen zu einheimischen Arten treten und diese verdrängen, Krankheiten übertragen oder durch Kreuzung mit einheimischen Arten den Genpool verändern. Neben Naturschutzproblemen können gebietsfremde Arten aber auch ökonomische (z. B. Schädlinge, Managementkosten) oder gesundheitliche Probleme verursachen (Übertragung von Krankheiten, Allergien).“1 2. Zur Erstellung naturschutzfachlicher Invasivitätsbewertungen Es ist wichtig, abschätzen zu können, welches Ausmaß der Gefährdung von einer eingebrachten Art ausgeht. Um insbesondere bei einer Gefährdung für die biologische Vielfalt weitere Schritte begründen zu können, „fordern u. a. das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, die nationale Biodiversitätsstrategie und das Bundesnaturschutzgesetz, negative Auswirkungen auf die Biodiversität durch gebietsfremde Arten zu verhindern […]. Um aber Handlungsbedarf und -prioritäten für den Naturschutz zielgerichtet ableiten zu können, bedarf es eines überprüfbaren und nachvollziehbaren Bewertungsinstrumentes für die Invasivität gebietsfremder Arten. Ein solches Instrument ist mit dem im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens "Neobiota und Klimawandel" FKZ 806 82 330 entwickelten Konzeptes des Bundesamts für Naturschutz, BfN für die naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung gebietsfremder Arten vorgelegt worden, das zwischenzeitlich weiterentwickelt worden ist […]. Ziel ist es, auf Basis dieses Konzeptes für alle relevanten gebietsfremden Arten in Deutschland eine naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung durch ausgewiesene Neobiota-Fachleute durchführen zu lassen. Hierbei wird für jede bearbeitete Art ein Steckbrief erstellt, in dem alle wesentlichen Angaben zum Vorkommen und zur Invasivität eingetragen und bewertet werden. Alle Steckbriefe werden anschließend durch das Bundesamt für Naturschutz auf Neobiota.de veröffentlicht.“2 1 Quelle: https://www.bfn.de/themen/artenschutz/gefaehrdung-bewertung-management/gebietsfremde-arten.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 2 Einleitende Informationen hierzu finden sich auf den Internetseiten des Bundesamts für Naturschutz (BfN): https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 5 3. Invasivitätsbewertung gebietsfremder Tierarten für Deutschland Die naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertungen durch das BfN für folgende taxonomische Tier-Gruppen sind bisher erarbeitet worden, in Bearbeitung bzw. in Vorbereitung: In Vorbereitung: Insekten und Spinnentiere, Krebstiere, Schwämme und Nesseltiere, Würmer In Bearbeitung: Muscheln und Schnecken3 Erarbeitet: • Amphibien4 • Reptilien5 • Fische6 • Vögel7 • Säugetiere8 Das BfN erstellt auf Basis dieser Projekte zu Neobiota Warnlisten (BfN-Skripte), die oft als sogenannte „Schwarze Listen invasiver Arten“ bezeichnet werden. Diese sind unter den obigen Internetverweisen der einzelnen Tiergruppen abrufbar. 4. Invasivitätsbewertung gebietsfremder Tierarten in der EU Am 1. Januar 2015 trat die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in Kraft. Inhalt der Verordnung ist ein abgestuftes systematisches Vorgehen bestehend aus Prävention, Früherkennung und sofortiger Beseitigung sowie dem Management bereits weit verbreiteter invasiver Arten. Von zentraler Bedeutung innerhalb der Verordnung ist eine Liste der invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung (sogenannte Unionsliste), die gemäß Art. 4 der Verordnung im 3 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/muscheln-und-schnecken.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 4 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/amphibien.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 5 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/reptilien.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 6 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/fische.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 7 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/voegel.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 8 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/saeugetiere.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 6 Wege von Durchführungsrechtsakten erstellt wird. Derzeit sind insgesamt 49 invasive Tier- und Pflanzenarten gelistet.9 Von zentraler Bedeutung für das Erstellen der Unionsliste ist der sogenannte Verwaltungsausschuss der EU-Kommission. Er ist gemäß Art. 27 für die Umsetzung der Verordnung zuständig; in ihm sind alle Mitgliedstaaten vertreten. Der Ausschuss kann mit qualifizierter Mehrheit (mindestens 55 % der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren) beispielsweise die Aufnahme invasiver gebietsfremder Arten in die Unionsliste befürworten. Daneben wurde zum einen basierend auf Art. 28 fachlich unterstützend ein Wissenschaftliches Forum eingerichtet, in dem alle Mitgliedstaaten jeweils eine Expertin/einen Experten für invasive Arten entsendet haben. Zum anderen gibt es eine Arbeitsgruppe zu invasiven Arten (WGIAS) im Rahmen der EU-Koordinationsgruppe für Biodiversität und Naturschutz. In ihr sind insbesondere nichtstaatliche Organisationen vertreten und beratend tätig.10 „Nach befürwortender Stellungnahme des zuständigen Verwaltungsausschusses hat die EU-Kommission am 14. Juli 2016 die erste Unionsliste zu der neuen EU-Verordnung (Nr. 1143/2014) über invasive gebietsfremde Arten im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht. Die Liste ist am 3. August 2016 mit 37 invasiven Tier- und Pflanzenarten in Kraft getreten. Die erste Erweiterung der Unionsliste mit 12 invasiven Arten ist am 2. August 2017 in Kraft getreten, wobei die Listung für eine Art (Marderhund) erst ab 2. Februar 2019 gilt.“11 Zu den 49 als invasiv deklarierten Arten existieren BfN-Skripte, die online abrufbar sind.12 5. Rechtliche Regelungen zu invasiven Arten In der Europäischen Union und in Deutschland sind zahlreiche rechtliche Regelungen geschaffen worden, um negative Auswirkungen auf die einheimische Tier- und Pflanzenwelt durch invasive gebietsfremde Arten zu verhindern. Nachfolgend werden einige genannt13: 5.1. Übereinkommen über die Biologische Vielfalt „Das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt CBD schreibt im § 8 h erstmals Vorsorge, Kontrolle und Bekämpfung invasiver Arten als Ziel und Aufgabe des Naturschutzes völkerrechtlich fest. Im Jahre 2000 verpflichteten sich die Staaten mit Entscheidung V/8(6) zur Entwicklung nationaler Strategien. Dazu wurden auf der 6. Vertragsstaatenkonferenz 2002 auf Grundlage des 9 Siehe hierzu: https://neobiota.bfn.de/unionsliste.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 10 Stefan Nehring und Sandra Skowronek: Die invasiven gebietsfremden Arten der Unionsliste der Verordnung (EU) Nr.1143/2014 – Erste Fortschreibung 2017; ISBN 978-3-89624-208-2 DOI 10.19217/skr471 Bonn - Bad Godesberg 2017. 11 Quelle: https://neobiota.bfn.de/unionsliste/art-4-die-unionsliste.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 12 Internetverweis: http://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript471.pdf [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 13 Alle Verweise beziehen sich auf folgende Informationsseite des BfN: https://neobiota.bfn.de/grundlagen/rechtlicher -rahmen.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 7 Vorsorgeprinzips die "Guiding Principles on Invasive Alien Species", ein umfangreicher Maßnahmenkatalog als Muster für nationale Umsetzungsstrategien, verabschiedet.“14 5.2. Berner Konvention Vor dem Hintergrund der Berner Konvention wurde 2003 die „Europäische Strategie zum Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten“ erarbeitet. Sie wurde 2004 vom Europarat veröffentlicht 15. 5.3. CITES „Den Staaten der Europäischen Union ermöglicht die das Washingtoner Artenschutzabkommen (WA/CITES) umsetzende Europäische Artenschutzverordnung (EG 338/97) Einfuhrbeschränkungen für Arten, die eine ökologische Gefahr für die einheimischen Tier- und Pflanzenarten darstellen (Art. 3 Abs. 2 d)). Im Anhang B sind zudem Arten aufgelistet, deren Einfuhr nach Art. 4 Abs. 2 genehmigungspflichtig ist.“16 5.4. EU-Verordnung zu invasiven Arten „Am 1. Januar 2015 ist die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in Kraft getreten. Im Mittelpunkt der Verordnung steht eine Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung (Unionsliste), für die Maßnahmen zum zukünftigen Umgang (Prävention, Früherkennung und rasche Reaktion, Kontrolle ) festgelegt werden. Die Liste wird unter Heranziehen von Risikoabschätzungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen erstellt. Jede Art muss bestimmte Kriterien erfüllen, um in die Liste aufgenommen werden zu können. Nach befürwortender Stellungnahme durch den zuständigen Verwaltungsausschuss hat die EU-Kommission am 14. Juli 2016 die erste Unionsliste veröffentlicht , die am 3. August 2016 in Kraft getreten ist. Die erste Erweiterung der Unionsliste mit 12 invasiven Arten ist am 2. August 2017 in Kraft getreten, wobei die Listung einer Art (Marderhund) erst ab 2. Februar 2019 gilt.“17 5.5. Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie Nach Art. 22 b) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass "die absichtliche Ansiedlung in der Natur einer in ihrem Hoheitsgebiet nicht einheimischen 14 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/grundlagen/rechtlicher-rahmen.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 15 Internetverweis: https://www.cbd.int/doc/external/cop-09/bern-01-en.pdf [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 16 Internetverweis: https://neobiota.bfn.de/grundlagen/rechtlicher-rahmen.html [zuletzt abgerufen am 18. Dezember 2018]. 17 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 136/18 Seite 8 Art so geregelt wird, dass weder die natürlichen Lebensräume in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet , noch die einheimischen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten geschädigt werden; falls sie es für notwendig erachten, verbieten sie eine solche Ansiedlung." 5.6. Vogelschutz-Richtlinie Gemäß Art. 11 der Vogelschutz-Richtlinie (79/409/EWG) sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, "dass sich die etwaige Ansiedlung wildlebender Vogelarten, die im europäischen Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht einheimisch sind, nicht nachteilig auf die örtliche Tier- und Pflanzenwelt auswirkt." 5.7. BNatSchG - Bundesnaturschutzgesetz „Das zentrale Regelwerk für Deutschland ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das die europäischen Richtlinien in nationales Recht umsetzt. Am 9. September 2017 ist das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über invasive Arten in Kraft getreten, das u. a. die bisherigen Regelungen über invasive Arten im BNatSchG ändert.“18 5.8. BArtSchV - Bundesartenschutzverordnung „Ferner können in der Bundesartenschutzverordnung Besitz- und Vermarktungsverbote für Arten erlassen werden, die die Tier- und Pflanzenwelt verfälschen oder gefährden. Davon wurde bisher nur für vier gebietsfremde Tierarten Gebrauch gemacht (Amerikanischer Biber, Schnappschildkröte , Geierschildkröte und Grauhörnchen).“19 *** 18 Ebd. 19 Ebd.