© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 132/19 Beispiele zur wissenschaftlichen Diskussion zu Klimaveränderungen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 2 Beispiele zur wissenschaftlichen Diskussion zu Klimaveränderungen Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 132/19 Abschluss der Arbeit: 18. November 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Klimawandel in Deutschland 5 2.1. Temperatur 6 2.2. Niederschlag 7 2.3. Windereignisse 7 2.4. Meeresspiegelanstieg, Hochwasser an Flüssen 8 3. Klimageschichte 9 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 4 1. Einleitung Klimaveränderungen lassen sich anhand verschiedener Indikatoren feststellen. Dabei spielen unterschiedliche Phänomene wie beispielsweise Temperatur, Niederschlag, Wind und Geschehnisse in Meeren/Flüssen eine Rolle. Um Aussagen über Veränderungen treffen zu können, werden Ereignisse, die bereits stattgefunden haben und aus deren Auftreten eine grundsätzliche Veränderung verschiedener Klimaphänomene mit großer Sicherheit belegbar ist, statistisch analysiert. Zu Klimaveränderungen in Europa, über die sich bereits verhältnismäßig sichere Aussagen machen lassen, liegt ein Aktueller Begriff der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2017 vor.1 Um Vorhersagen für die Zukunft ableiten zu können, werden sog. Klimamodelle erstellt. Bei diesen Modellen handelt es sich um computerbasierte Abschätzungen der mittleren zukünftigen Klimaentwicklung. Während die kurzfristige Wettervorhersage möglichst detaillierte kurzfristige Aussagen treffen soll, geht es bei Klimamodellen um eine längerfristige Trendentwicklung. In die einzelnen Klimamodelle fließen unterschiedliche Parameter ein. Durch diese Parameterauswahl und ihre Gewichtung möchte man möglichst wirklichkeitsnahe Vorhersagen erreichen. Welche Parameter genau gewählt werden und wie diese gewichtet werden, ist Gegenstand der Forschung und wissenschaftlicher Diskussion. Dabei ist auch zu beachten, dass die gegenwärtigen Rechnerleistungen und auch das derzeitige Verständnis aller Prozesse, die hierbei eine Rolle spielen, und ihrer Rückkopplungseffekte entscheidende begrenzende Faktoren sind. Da eine Verifikation nicht einfach ist, werden unterschiedliche Auffassungen zu optimalen Klimamodellen vertreten. Mittlerweile gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass eine globale Erwärmung bereits zu beobachten ist. Allerdings ist das Ausmaß des Einflusses durch den Menschen Gegenstand von Debatten innerhalb und zwischen Lagern von Klimaforschern, der politischen Öffentlichkeit und der Medien.2 Insgesamt wird die Aussage, dass menschliche Treibhausgas-Emissionen von Kohlendioxid (CO2) als der ausschlaggebende Faktor für die globale Erwärmung anzusehen sind (anthropogener Klimawandel), in der Wissenschaft (insbesondere unter Klimaforschern) in stärkerem Maße akzeptiert als in der Öffentlichkeit.3 Außerdem werden verschiedene Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, wie beispielsweise die Intensität oder die Anzahl von Extremwetterereignissen in einzelnen Erdregionen, die zuvor über sehr lange Zeiträume nicht in der Weise aufgetreten sind, beobachtet. 1 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Klimaveränderungen in Europa, Aktueller Begriff, WD 8 - 3010 - 013/17, 18. Mai 2017. Im Internet abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/509472/94c8c64d1d8a9c9767ee4a471d434e52/klimaveraenderungen -in-europa-data.pdf. 2 Siehe hierzu beispielsweise: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Zum wissenschaftlichen Diskurs einzelner Aspekte des Klimawandels; WD 8 - 3000 - 067/18 vom 14. August 2018; https://www.bundestag.de/resource/blob/568324/12e8c64d9738bab5db8956c16a8f174a/WD-8-067-18-pdfdata .pdf [zuletzt abgerufen am 11. November 2019]. 3 Ebd., Seite 4ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 5 Legt man den Zeitraum 1850 bis 1900 als Referenzperiode zugrunde (vorindustrielle Zeit), so prognostizieren verschiedene Modelle bis Ende des 21. Jahrhunderts einen mittleren, globalen Temperaturanstieg von ca. 1,7 bis 4,5 °C. Dabei ist man sich einig, dass die Erwärmung der Atmosphäre über Kontinenten stärker ausfällt als über Ozeanen. Regional sind nicht nur weitergehende Auswirkungen von Klimaveränderungen , sondern auch die Entwicklung einzelner Phänomene sehr verschieden, so dass einige Veränderungen für bestimmte Regionen der Erde zutreffen, sich in anderen aber nicht belegen lassen. Daher ist es für die Betrachtung des Wandels einzelner Indikatoren (z.B. Temperatur, Niederschlag , Wind und Meere/Flüsse) sinnvoll, diese nicht nur global sondern auch regional (beispielsweise für Europa) zu betrachten. In der vorliegenden Dokumentation werden einige in der wissenschaftlichen Literatur zu findende Ansätze aufgeführt, die sich damit beschäftigen, inwiefern bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt Aussagen zu verschiedenen Klimawandelereignisse, wie Temperaturereignissen, Niederschlagsveränderungen , Windgeschehen sowie und Geschehnisse in Meeren/Flüssen getroffen werden können und in welchen Bereichen Unsicherheiten bestehen. Die Darstellungen stützen sich auf zwei wissenschaftliche Publikationen aus den Jahren 2016 und 2018. Zum einen ist dies ein wissenschaftliches Buch, das im Springer-Spektrum Verlag erschienen ist. Hierin äußern sich insgesamt 126 Autoren zu verschiedenen Themenkomplexen zum Klimawandel in Deutschland und zu Hypothesen, welche Auswirkungen die Klimaveränderungen haben könnten. Sie belegen ihre Aussagen mittels verschiedener wissenschaftlicher Publikationen und sind als Übersichtsartikel zu lesen.4 Eine weitere englischsprachige Publikation, „The Palgrave Handbook of Climate History“, ist als Lehrbuch für Studenten, als Nachschlagewerk und als Einführung in die Klimageschichte für Wissenschaftler und andere interessierte Leser zu sehen. Dieses Handbuch bietet einen umfassenden, aktuellen Leitfaden über vergangenes Wetter und Klima und seine Rolle in der menschlichen Gesellschaft. Es werden Methoden, Quellen und die wichtigsten Ergebnisse der historischen Klimarekonstruktion und Wirkungsforschung beschrieben.5 2. Klimawandel in Deutschland Die folgende Darstellung bezieht sich auf die im Jahr 2016 erschienene Publikation: Guy P. Brasseur, Daniela Jacob, Susanne Schuck-Zöller (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland, Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven, Springer Berlin Heidelberg, 2016, ISBN 3662503964. Hierin finden sich Darstellungen zu folgenden Themenkomplexen: Globale Klimaprojektionen und regionale Projektionen für Deutschland und Europa 4 Diese Publikation ist im Bibliotheksangebot des Deutschen Bundestages als elektronische und als Printressource verfügbar: Guy P. Brasseur, Daniela Jacob, Susanne Schuck-Zöller (Hrsg.): Klimawandel in Deutschland, Entwicklung , Folgen, Risiken und Perspektiven, Springer Berlin Heidelberg, 2016, ISBN 3662503964. 5 Diese Publikation liegt als Printversion in der Bibliothek des Deutschen Bundestages vor: Sam White, Christian Pfister, Franz Mauelshagen (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Climate History; Palgrave Macmillan; Auflage: 1. Auflage 2018 (10. August 2018); ISBN-10: 1137430192. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 6 Klimawandel in Deutschland: regionale Besonderheiten und Extreme Auswirkungen des Klimawandels in Deutschland Übergreifende Risiken und Unsicherheiten Integrierte Strategien zur Anpassung an den Klimawandel Im Folgenden wird auf die Darstellungen zum Kapitel „Klimawandel in Deutschland“ eingegangen . 2.1. Temperatur Hinsichtlich der Entwicklung der Temperatur lassen sich recht verlässliche Aussagen bereits machen . In einem Kapitel zu „Temperatur inklusive Hitzewellen“ legen die Autoren Thomas Deutschländer , Hermann Mächel den derzeitigen Kenntnisstand für Deutschland dar.6 Für die Bewertung des Schadenspotenzials durch Temperaturereignisse ist nicht nur eine Erhöhung eines durchschnittlichen Temperaturwertes wichtig, sondern vielmehr die Temperaturextrema , und hier insbesondere die hohen Extrema7. Daher ist es bedeutsam, dass nicht nur die Temperaturverteilung hin zu höheren Werten sich verändert hat, sondern auch die Klimavariabilität 8. Im zitierten Beitrag wird ausgeführt, dass es als sicher gelte, dass die Anzahl der warmen Tage und Nächte in Europa angestiegen seien und die Anzahl der kalten Tage und Nächte seit den 1950er-Jahren zurückgegangen seien. Ebenso ist es sicher, dass „in den meisten Regionen Europas in den letzten Dekaden überproportional viele Hitzewellen aufgetreten sind.“9 Tatsächlich gibt es wesentlich mehr wissenschaftliche Untersuchungen zu warmen Extrema der Temperaturverteilung . Das liegt daran, dass hier insbesondere durch medizinische Auswirkungen ein höheres Schadenspotenzial zu erwarten ist. Zu Hitzewellen und Wärmeperioden führen die Autoren eine Vielzahl an Beispielen und Publikationen an. Zusammenfassend stellen sie fest, dass sich aus der Datenlage ableiten lasse, dass insgesamt eine Zunahme warmer Temperaturextrema bei gleichzeitiger Abnahme kalter Extreme zu beobachten sei. Sowohl die jahreszeitlichen Mittelwerte als auch die Verteilung der Tagesmitteltemperaturen zeigten eine Verschiebung in Richtung höherer Temperaturwerte. Daraus resultierte auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten extremer Hitzetage. Für die Zukunft prognostizieren die Autoren: „So könnte z. B. die Anzahl von Hitzewellen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im ungünstigsten Falle um bis zu 5 Ereignisse pro Jahr in Norddeutschland und um bis zu 30 Ereignisse pro Jahr in Süddeutschland 6 Ebd., Seite 48ff. 7 Dies liegt insbesondere an den medizinischen Auswirkungen hoher Temperaturen. 8 Diese Aussage bezieht sich insbesondere auf „Temperaturvariabilität“, das bedeutet, dass die Schwankungsbreite größer wird, d.h. wesentlich kältere und/oder wärmere Ereignisse auftreten. In einer Publikation aus dem Jahr 2009 wird eingehend auf dieses Phänomen eingegangen: Erich M. Fischer, Christoph Schär: Future changes in daily summer temperature variability: driving processes and role for temperature extremes; (2009) 33: 917. https://doi.org/10.1007/s00382-008-0473-8. 9 Ebd., Seite 48. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 7 zunehmen.“10 2.2. Niederschlag Michael Kunz, Susanna Mohr und Peter Werner führen in einem Buchkapitel die historische, gegenwärtige und, soweit Prognosen möglich sind, zukünftige Niederschlagssituation in Europa aus. Prinzipiell kann Niederschlag in Form von Niesel/Regen (flüssige Form) oder als Graupel, Hagel oder Schnee (feste Form) auftreten. Insgesamt gesehen führt eine globale Erwärmung zur Intensivierung des Wasserkreislaufes in einigen Regionen11. Gerade in Nordeuropa und Südeuropa stellt man fest, dass die jährlichen regulären Niederschläge abnehmen. In Deutschland stellt sich die Situation momentan wie folgt dar: regional unterschiedlich findet man eine Zunahme der winterlichen Starkniederschläge. Auf der anderen Seite wird von einer leichten Abnahme der sommerlichen Starkniederschläge berichtet, dies ist allerdings nicht statistisch signifikant. Jedoch haben die Intensitäten zugenommen. Die Auswertungen von Hageldaten zeigen bislang eine leichte Zunahme des Hagelpotenzials12. In direktem Zusammenhang mit der bereits erwähnten Temperaturzunahme im Winter steht die Abnahme der Schneedeckendauer und Schneedeckenzeit . Eine gesicherte Projektion zukünftiger Niederschlagsereignisse für die verschiedenen Regionen Europas gibt es derzeit nicht. Eine Veränderung der Niederschläge in Zukunft als Reaktion auf den Temperaturanstieg ist zwar weitgehend sicher. Allerdings unterscheiden sich die regionalen Modelle im Detail.13 Susanne Mohr stellt in einer Publikation aus dem Jahr 2013 ein statistisches Hagelmodell auf.14 Demnach zeigt sich für ganz Deutschland für die Zukunft ein Anstieg der Hagelwahrscheinlichkeit. Allerdings sind die Änderungen nur im Nordwesten und Süden signifikant. Der Anstieg der Hagelwahrscheinlichkeit wird auch in anderen Publikationen prognostiziert . 2.3. Windereignisse Als „Wind“ werden stärker gerichtete Bewegungen der Luft bezeichnet.15 Diese Bewegungen kommen durch Luftdruckunterschiede in der Erdatmosphäre zustande. Grundsätzlich bewegt sich die Luft immer von Gebieten mit hohem Druck in Richtung des tiefen Drucks. 10 Ebd., Seite 55. 11 Dies bedeutet einen schnelleres Transport in Speicherreservoire hinein (zB Niederschläge, Regengüsse, Überschwemmungen ) und aus ihnen heraus. Einen deutschsprachigen Übersichtsartikel dazu haben Daniela Jacob und Stefan Hagemann vom Max-Planck-Institut für Meteorologie verfasst: https://www.gerics.de/imperia/md/content/csc/warnsignalklima/Warnsignal Klima_Kap3.1_3.1.3 Jacob_Hagemann .pdf. 12 Anzahl der Tage pro Jahr mit Potenzial für Hagel. 13 Ebd., Seite 58 ff. 14 Mohr S (2013) Änderung des Gewitter- und Hagelpotentials im Klimawandel. Wiss Berichte d Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie Bd. 58. KIT Scientific Publishing, Karlsruhe . 15 Ebd., Seite 68. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 8 Als Zyklone werden dynamische Tiefdruckgebiete bezeichnet. Sie beeinflussen maßgeblich die Winde in den mittleren Breiten. Darum sind sie für die Witterungs- und klimatischen Bedingungen in Europa ein ausschlaggebender Faktor. Sie transportieren Feuchte und Wärme nach Europa und sind für zahlreiche extreme Wetterereignisse wie Starkniederschläge, Sturmböen und Überflutungen bzw. Sturmfluten verantwortlich. Diese führen zu erheblichen Schäden.16 In Deutschland findet man sehr unterschiedliche Windgeschwindigkeiten (in Küstennähe am stärksten). Die Autoren des Kapitels, Joaquim G. Pinto und Mark Reyers, stellen verschiedene Veränderungen der Windereignisse vor, schließen aber, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt „insgesamt […] für Deutschland in Bezug auf Zyklonen und Winde kein eindeutiger historischer Langzeittrend “ feststellen lasse. Zusammenfassend heißt es: „In Beobachtungen der vergangenen Jahrzehnte und in Klimaprojektionen für das zukünftige Klima wird eine starke zwischenjährliche Variabilität der Zyklonenaktivität über dem Nordatlantik festgestellt. Unsicherheit herrscht dagegen über einen langzeitlichen Trend der Zyklonenanzahl und -intensitäten, vor allem in Regionen des europäischen Festlands. So zeigt sich in Reanalysedaten für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ausgeprägte dekadische Variabilität der Zyklonenaktivität über dem östlichen Nordatlantik, Europa, Deutschland und der Nordsee. Druckmessungen an Stationen über Nordeuropa und Deutschland belegen eine starke derartige Variabilität sogar für einen noch längeren Zeitraum. Ein langzeitlicher Trend kann jedoch nicht verlässlich identifiziert werden. Dasselbe gilt für die Windverhältnisse über Deutschland in den vergangenen 50 Jahren.“17 2.4. Meeresspiegelanstieg, Hochwasser an Flüssen Ralf Weiße und Insa Meinke gehen in ihrem Kapitel zu „Meeresspiegelanstieg, Gezeiten, Sturmfluten und Seegang“ auf die historische, derzeitige und prognostizierte Situation an Nord- und Ostsee ein. Aufgrund des hohen Gefährdungspotenzials stehen extreme Wetterereignisse, die Sturmfluten mit sich bringen, immer wieder im Vordergrund der Debatten. Es sind dabei verschiedene Faktoren , wie Windstau, Änderung des Wasserstands unter dem Einfluss des Luftdrucks sowie durch hohe Windgeschwindigkeiten beeinflusster Seegang zu beachten. Sowohl in der Nordsee als auch in der Ostsee sind infolge der Meeresspiegelerhöhung in den vergangenen 100 Jahren Sturmflutwasserstände erhöht. Laut Angaben der zitierten Publikation ist der Meeresspiegel in diesem Zeitraum an den beiden Küsten um etwa 10–20 cm angestiegen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs noch nicht als signifikant angesehen werde. 16 Ebd., Seite 68. 17 Ebd., Seite 73. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 9 „Die meteorologisch bedingten Anteile an den Extremwasserständen zeigen eine ausgeprägte Variabilität im Zeitbereich von Jahren bis zu einigen Jahrzehnten, jedoch ebenfalls bisher keine systematische Veränderung über längere Zeiträume. Aussagen zu zukünftigen Änderungen meteorologisch bedingter Anteile an Sturmflutwasserständen wie Windstau oder Seegang weisen erhebliche Bandbreiten auf, insbesondere als Folge von Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Änderungen im Windklima.“18 Axel Bronstert et al.19 unterscheiden in einem Kapitel, dass sich dem Hochwasser und Sturzfluten an Flüssen in Deutschland widmet, in Hinblick auf Extremereignisse an Flüssen lokale/plötzliche Sturzfluten und Hochwasser in/an größeren Flüssen. Sie stellen fest, dass in Deutschland an größeren Flüssen Trends mit zunehmenden Hochwasserwerten zu verzeichnen seien. Allerdings ergeben sich „für verschiedene Hochwasserindikatoren und Flusseinzugsgebiete […] erhebliche Unterschiede. Die Einzugsgebiete der Donau und des Rheins zeigen die meisten Trends, Weser und Elbe deutlich weniger. Bezüglich der für Sturzfluten relevanten extremen Niederschlagsintensitäten in kurzen Zeiträumen (wenige Minuten) zeigt eine neue Analyse im Emscher- Lippe-Gebiet, dass dort solche Ereignisse in den letzten Dekaden sehr signifikant zugenommen haben, was für agrar- und urbanhydrologische Fragestellungen von hoher Bedeutung sein kann. Bei den Simulationen der bis ca. 2100 zu erwartenden Hochwasserbedingungen fällt die enorme Unsicherheit der Ergebnisse ins Gewicht.“ Aufgrund der bislang erheblichen Unsicherheiten und Schwankungen, lassen sich noch keine verlässlichen Abschätzungen geben.20 3. Klimageschichte Die folgende Darstellung bezieht sich auf die im Jahr 2018 erschienene Publikation: Sam White, Christian Pfister, Franz Mauelshagen (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Climate History ; Palgrave Macmillan; Auflage: 1. Auflage 2018 (10. August 2018); ISBN-10: 113743019221 Bei diesem Buch handelt es sich um eine Publikation für Studenten, um die Klimageschichte als Grundlage der Bewertung von natürlicher Variabilität, Extrema und Klimawandel zu schaffen. Stefan Brönningmann geht in einem Kapitel auf die Temperaturentwicklung von 1970 bis zum derzeitigen Zeitpunkt ein. Hierzu konstatiert er, dass zwar global gesehen, eine Temperaturerhöhung festzustellen sei, diese allerdings nicht konstant verlaufe, sondern vielmehr in Phasen unterschiedlichen Anstiegs (oder 18 Ebd., Seite 83. 19 Axel Bronstert, Helge Bormann, Gerd Bürger, Uwe Haberlandt,Fred Hattermann, Maik Heistermann, Shaochun Huang, Vassilis Kolokotronis,Zbigniew Kundzewicz, Lucas Menzel, Günter Meon, Bruno Merz, Andreas Meuser , Eva Nora Paton, Theresia Petrow. 20 Ebd., Seite 99ff. 21 Diese Publikation liegt als Printversion in der Bibliothek des Deutschen Bundestages vor: Sam White, Christian Pfister, Franz Mauelshagen (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Climate History; Palgrave Macmillan; Auflage: 1. Auflage 2018 (10. August 2018); ISBN-10: 1137430192. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 10 Stagnierung). Zudem sei die Temperaturentwicklung lokal betrachtet nicht uniform verteilt. Ganz augenscheinlich finde auf Kontinenten eine stärkere Erwärmung statt als über Ozeanen. Zudem erwärmten sich höher liegende Regionen stärker als niedrig liegende. Die Arktis hat sich beispielsweise durch die Eis-Albedo22-Rückkopplung und infolge von Rückkopplungen durch Wolkenbildung und Wasserdampf besonders schnell erwärmt. Zur vertikalen Verteilung der Erwärmung konstatiert der Autor, dass in der Arktis die stärkste Erwärmung im Bodenbereich festzustellen sei. Über den Tropengebieten messe man hingegen in ca. 10 km Höhe die stärkste Temperatursteigerung . Die Stratosphäre kühlte von den 1970er Jahren bis Mitte der 90er Jahre infolge des Anstiegs der Treibhausgase und der Verringerung von Ozon ab. Eine Unterbrechung fand infolge des von Vulkanereignissen statt. Seit den 90er Jahren ist die Abkühlung unterbrochen; die Gründe sind bislang nicht vollkommen verstanden. Auch in diesem Artikel wird insbesondere darauf hingewiesen, dass neben der Durchschnittstemperatur insbesondere Extrema sich verändert haben. Während die Frequenz von Temperaturextrema verhältnismäßig sicher ist, ist eine Veränderung im Auftreten anderer Extremereignisse wie Zyklone bislang nicht gesichert nachweisbar. Schließlich werden einzelne Beispiele für Veränderungen der letzten Jahrzehnte aufgeführt: - Sahel-Dürren der 70er und 80er Jahre (Die Saheldürren wurden wahrscheinlich durch eine Veränderung des meridionalen Temperaturgradienten23 über dem tropischen Atlantik verursacht, was den westafrikanischen Monsun schwächte.) - Veränderung der europäischen Winter um 1990 herum (die meisten dieser Veränderungen seien auf die interne Variabilität der atmosphärischen Zirkulation zurückzuführen. Klimamodelle reproduzierten einen kleinen Teil dieses Phänomens als Reaktion auf die sich ändernde Oberflächentemperatur, Treibhausgase und vulkanische Aerosole.) - Pinatubo Ausbruch 1991 (infolge des Ausbruchs hat sich die globale Durchschnittstemperatur in der unteren Stratosphäre um 1,5 °C erhöht.) - El Nino Ereignisse (episodische Erwärmung des östlichen äquatorialen Pazifiks, die ein bis zwei Jahre dauert. Diese haben weltweit Auswirkungen auf die Temperatur und auf 22 Die Eis-Albedo-Rückkopplung ist ein „einfacher positiver Rückkopplungsprozess, der zu einer sich selbst verstärkenden Abkühlung (Erwärmung) der Erde führt. Ausgangspunkt ist eine initiale Abkühlung (Erwärmung), die eine Ausdehnung (Schrumpfung) der mit Eis bzw. Schnee bedeckten Fläche auslöst. Dadurch steigt (fällt) die Größe der Albedo (Reflexionsvermögen), was infolge der vermehrten (verminderten) Reflexion zu einer weiteren Abkühlung (Erwärmung) führt, die eine erneute Änderung der eisbedeckten Flächengröße bedingt.“ (Quelle: Lexikon der Geografie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2001; im Internet abrufbar unter: https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/albedo/241, zuletzt abgerufen am 11. November 2019.) 23 Hierunter versteht man den horizontalen Temperaturgradienten, das heißt insbesondere zwischen Äquator und den Polen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 132/19 Seite 11 Niederschläge. Von 1998 bis 2014 wurden El Nino-Ereignisse selten, während Nina-Ereignisse 24 häufiger wurden, was bedeutet, dass mehr Wärme im tropischen Pazifik gespeichert wurde. Diese Verschiebung könnte einen Teil der vermeintlichen Verlangsamung der globalen Erwärmung von 1998 bis 2014 erklären.) - Subtropische Dürren und Hitzewellen mittlerer Breite im neuen Jahrtausend (Möglicherweise könnte die Kombination aus einem kühlen tropischen Pazifik und einem warmen tropischen Atlantik die Dürren, wie sie zwischen 1998 und 2014 beobachtet wurden, ausgelöst haben). *** 24 Wetterereignis, das meist im Anschluss an ein El-Niño-Ereignis auftritt (außergewöhnlich kalte Strömung im äquatorialen Pazifik).