© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 127/19 Fluglärmschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 2 Fluglärmschutz Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 127/19 Abschluss der Arbeit: 25. November 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzlicher Rahmen im Fluglärmschutz 5 3. Fluglärmschutz in der fachplanerischen Abwägung 5 4. Passiver Fluglärmschutz 7 5. Zusammenfassung 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 4 1. Einleitung Fluglärm stellt einen großen Konfliktbereich im Bereich der Planung von Flughäfen sowie der Festlegung von Flugrouten dar. Die betroffene Bevölkerung soll daher durch verschiedene rechtliche Regelungen aktiv wie auch passiv vor Fluglärm geschützt werden. Zum Fluglärm zählen alle Geräusche der den Flughafen anfliegenden und vom Flughafen abfliegenden Luftfahrzeuge und die auf dem Flughafengelände erzeugten Geräusche, soweit sie mit dem Flugbetrieb in Zusammenhang stehen. Zur Messung des Fluglärms bedient man sich eines äquivalenten Dauerschallpegels und eines Häufigkeits-Maximalpegelkriteriums: Bei Flugzeuggeräuschen schwankt der Schallpegel zeitlich stark, weshalb als Lärmbewertungsmaß ein zeitlich gemittelter Pegel herangezogen wird. Dies wird durch den sogenannten äquivalenten Dauerschallpegel (LAeg1) gewährleistet, welcher die in einem bestimmten Beurteilungszeitraum auftretenden Lärmereignisse mit der jeweiligen maximalen Schallpegelhöhe (Lmax), Geräuschdauer und Häufigkeit berücksichtigt. Der äquivalente Dauerschallpegel wird im Allgemeinen für den Tag (6-22 Uhr) und die Nacht (22-6 Uhr) getrennt bestimmt. Vor diesem Hintergrund ist der äquivalente Dauerschallpegel keine real wahrnehmbare Größe, sondern ein zeitlicher Mittelwert der Schalldruckpegel innerhalb eines Beobachtungszeitraums. Die Verwendung eines Häufigkeits-Maximalpegelkriteriums trägt dem Umstand Rechnung, dass Fluglärm intermittierend ist, das heißt aus zeitlich voneinander abgrenzbaren Lärmereignissen besteht. Anders als der über eine Mittelung berechnete äquivalente Dauerschallpegel gibt ein NAT2-Kriterium Aufschluss über die Zahl der Überschreitungen bestimmter Pegelwerte durch Einzelschallereignisse. Es ist daher geeignet, Akutwirkungen von Schall zu beschreiben. Zur Bestimmung des Häufigkeits-Maximalpegelkriteriums wird der Mittelwert über die sechs verkehrsreichsten Monate des Prognosejahres gebildet.3 1 Equivalent continuous noise level. 2 Number above Threshold. 3 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen, Bundestagsdrucksache 16/508, S. 17, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/005/1600508.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.11.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 5 2. Gesetzlicher Rahmen des Fluglärmschutzes Primär bilden das Luftverkehrsgesetz (LuftVG)4 und das Fluglärmschutzgesetz (FluLärmG)5 sowie die jeweils erlassenen Rechtsverordnungen6 den gesetzlichen Rahmen für den Schutz vor Fluglärm . Während die grundlegenden Instrumente für den aktiven Lärmschutz im Luftverkehrsgesetz angesiedelt sind, zielen die Regelungsinstrumente des Fluglärmgesetzes auf den Schutz vor Fluglärm durch Planungs- und Baubeschränkungen in fluglärmbelasteten Bereichen sowie auf passiven Schallschutz an Wohngebäuden und schutzbedürftigen Einrichtungen.7 3. Fluglärmschutz in der fachplanerischen Abwägung Die Flugplatzzulassung erfolgt durch Genehmigung und Planfeststellung gemäß §§ 6, 8 LuftVG durch die Länder im Auftrag des Bundes. Nach § 6 LuftVG bedarf die Anlegung oder der Betrieb von Flugplätzen einer Genehmigung. Für das Anlegen neuer oder die Änderung bestehender Flughäfen sieht § 8 LuftVG die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens vor. Im luftverkehrsrechtlichen Verfahren ist seitens der Planfestellungsbehörde das sogenannte Abwägungsgebot zu beachten. Zum Kreis der zu berücksichtigenden abwägungserheblichen Belange gehört hierbei auch das Interesse der Nachbarschaft, vor vermehrten Verkehrslärmimmissionen bewahrt zu bleiben. Der entstehende Fluglärm ist damit sowohl bei der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG als auch bei der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung nach § 8 LuftVG angemessen zu berücksichtigen. Die Planfeststellungsbehörde hat grundsätzlich im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Bewältigung des Lärmschutzes getroffen werden sollen. Hierbei muss sie eine schwere und unerträgliche Lärmbetroffenheit , die unzumutbare Lärmbelastung, die zu Schutzanlagen im Sinne von § 74 Abs. 2 S. 2 4 Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl. I S. 698), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 11 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808; 2018 I 472) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/luftvg/BJNR006810922.html (zuletzt aufgerufen 19.11.2019). 5 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2550), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/flul_rmg/BJNR002820971.html (zuletzt aufgerufen am 22.11.2019). 6 Verordnung über die Datenerfassung und das Berechnungsverfahren für die Festsetzung von Lärmschutzbereichen - 1. FlugLSV, Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung - 2. FlugLSV, Fluglärm-Außenwohnbereichsentschädigungs -Verordnung - 3. FlugLSV. 7 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Erster Bericht der Bundesregierung zur Evaluierung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm, Bundestagsdrucksache: 19/7220, S. 4, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/19/072/1907220.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.11.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 6 VwVfG zu Lasten des Flughafenunternehmers führt, sowie den unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegenden, aber nicht unerheblichen Fluglärm berücksichtigen.8 Hierbei ist jede Lärmbelästigung abwägungserheblich, die nicht nur als geringfügig angesehen werden kann.9 Im Gegensatz zum Schienen- und Straßenverkerslärm10 gibt es für den Fluglärm keine ausdrückliche rechtliche Regelung hinsichtlich zumutbarer Grenzwerte wie etwa in Form von konkreten dB(A)-Werten.11 Es existiert daher - anders als im Anwendungsbereich des BImSchG - kein Regelwerk mit Grenz- und Richtwertbestimmungen.12 Vor diesem Hintergrund muss die Planfeststellungsbehörde mangels konkreter normativer Vorgaben prüfen, welche Lärmschutzvorkehrungen zur Einhaltung der mit einer gerechten Abwägung nicht mehr überwindbaren Zumutbarkeitsgrenze notwendig sind. Als Maßstab für die Zumutbarkeit von Fluglärm kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Bezug genommen werden. Das Gericht hat sich bereits mehrmals in seiner Rechtsprechung13 mit Grenzwerten und der Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärm beschäftigt: So hält das BVerwG beim Nachschutz (22-6 Uhr) einen Maximalpegel von 55 dB(A) im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern und ausreichender Belüftung für eine angemessen Lärmbegrenzung . Das Gericht betont, dass es beim Nachschutz zwar nicht von vorneherein unzulässig ist, sich auf passive Maßnahmen zu beschränken. In diesem Fall ist allerdings bei der Abwägungsentscheidung insbesondere § 29 b Abs. 1 S. 2 LuftVG als Gewichtungsvorgabe zu beachten. Danach ist auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen. Für die Tageszeit (6-22 Uhr) geht das BVerwG davon aus, dass für eine Grenzlinie mit einem äquivalenten Dauerschallpegel von 60 dB(A) außen bzw. einem Innenpegel von 45 dB(A) der gängigen Vorgehensweise in der Lärmschutzpraxis entspricht. Dabei ist durch passiven Schallschutz sicherzustellen, dass innerhalb des Tagschutzgebiets im Rauminnern bei geschlossenen Fenstern keine höheren Maximalpegel als 55 dB(A) auftreten. 8 Stüer, in: Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Auflage 2015, Rn. 4010. 9 BVerwGE 87, 332 = NVwZ-RR 1991, 601, 603. 10 So sind beispielsweise in der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) konkrete Immissionsgrenzwerte zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche festgelegt. 11 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Fluglärm reduzieren: Reformbedarf bei der Planung von Flughäfen und Flugrouten, Sondergutachten, 2014, abrufbar unter: https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads /DE/02_Sondergutachten/2012_2016/2014_SG_Fluglaerm_HD.pdf?__blob=publicationFile&v=13 (22.11.2019). 12 Zu möglichen Reformansätzen: Schulze-Fielitz, Fluglärmbekämpfung: Regelungsbedarf – aus Sicht eines Verwaltungsjuristen , 2010, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente /schulze-fielitz.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.11.2019). 13 Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 – 4 A 1078.04. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 127/19 Seite 7 Je nach Umständen des Einzelfalls, kann bei einer unzumutbaren Lärmbelästigung auch ein Übernahmeanspruch des Grundstücks entstehen, wenn es an Wohnqualität einbüßt und durch Fluglärm unbewohnbar wird. Das Gleiche gilt, wenn der Fluglärm von so hoher Einwirkungsintensität ist, dass er den Grad einer Gesundheitsgefährdung erreicht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG beginnt bei einem Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags bzw. 60 dB(A) nachts in Wohngebieten der verfassungsrechtlich kritische Bereich.14 Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld statt realer Schutzvorkehrungen kann dann nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG - je nach Art und Intensität der Fluglärmimmissionen - einen Anspruch auf Übernahme der betroffenen Grundstücke zum Verkehrswert begründen.15 4. Passiver Fluglärmschutz § 2 FluLärmG sieht vor, dass in der Umgebung von Flugplätzen Lärmschutzbereiche eingerichtet werden, die mit unterschiedlich zulässiger Lärmbelastung in eine Schutzzone für den Tag und eine für die Nacht gegliedert werden. Liegt ein Grundstück in einem Lärmschutzbereich, kann dies insbesondere Baubeschränkungen, sonstige Beschränkungen der baulichen Nutzung, die Erstattung von Aufwendungen für passive Schallschutzmaßnahmen und Entschädigungsleistungen zur Folge haben.16 Die Einzelheiten hierzu werden vor allem in den §§ 5, 6 und 9 FluLärmG geregelt. 5. Zusammenfassung Die grundlegenden rechtlichen Instrumente für den Fluglärmlärmschutz durch aktive Maßnahmen sind im LuftVG angesiedelt. Für den Fluglärm existieren anders als beim Lärm durch Straßen - und Schienenverkehr mit der Verkehrslärmschutzverordnung zum BImSchG (16. BIm- SchV)17 keine vergleichbaren Vorgaben hinsichtlich konkret zumutbarer Grenzwerte. Der Schutz vor Fluglärm ist somit im Rahmen des fachplanerischen Abwägungsgebots durch eine Einzelfallprüfung zu berücksichtigen. Maßgeblich wird hierbei auf den Dauerschallpegel abgestellt, während Einzelschallereignisse als solche weitgehend unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz zum LuftVG zielen die Regelungen des FluLärmG auf den Schutz vor Fluglärm durch Planungs- und Baubeschränkungen sowie auf passiven Schallschutz. Das Gesetz verfolgt damit als Siedlungsplanungs- und Entschädigungsgesetz ausschließlich raumordnungspolitische Zielsetzungen. Es ist nicht dazu bestimmt, verbindliche Aussagen über die Zumutbarkeit von Fluglärm im Sinne konkreter Grenzwerte zu treffen. *** 14 BVerwG, Urteil vom 09.11.2006 – 4 A 2001.06 – Rn. 140. 15 BVerwG, Beschluss vom 02.07.2008 – 4 A 1025.06 – Leitsatz. 16 BVerfG, Beschluss vom 04.05.2011 – 1 BvR 1502/08 – Rn. 6. 17 Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_16/BJNR010360990.html (zuletzt aufgerufen am 22.11.2019).