© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 124/19 Die Berücksichtigung von Umwelt- und Klimaschutzbelangen im Anlagengenehmigungs- und Infrastrukturplanungsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 2 Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 124/19 Abschluss der Arbeit: 18. Dezember 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zur Bedeutung langer Laufzeiten von Infrastrukturvorhaben für den Klimaschutz 4 3. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Berücksichtigung des Klimaschutzes im Anlagengenehmigungs- und Infrastrukturplanungsrecht 5 3.1. Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens bei raumbedeutsamen Vorhaben 5 3.2. Das Planfeststellungsverfahren bei Gaspipelines nach § 43 EnWG 5 3.3. Die Strategische Umweltprüfung (SUP) und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 6 3.4. Der Emissionshandel nach dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) 7 3.5. Müllverbrennungsanlagen nicht im Anwendungsbereich des TEHG 8 3.6. Berücksichtigung des Klimaschutzes bei Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) 8 3.7. Verhältnis von Anlagengenehmigungs- und Raumordnungsrecht 10 4. Instrumente zur Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen bei bereits nach dem BImSchG genehmigten Anlagen 10 4.1. § 12 BImSchG - Nebenbestimmungen zur Genehmigung 10 4.2. § 17 BImSchG - Nachträgliche Anordnung 11 4.3. § 20 BImSchG - Untersagung, Stilllegung, Beseitigung 11 4.4. § 21 BImSchG - Widerruf 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 4 1. Einleitung Die Bundesregierung verfolgt mit ihrem Klimaschutzplan das Ziel der weitgehenden Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050. Die Energiewirtschaft verursacht derzeit rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands. Daher stellt sich die Frage, inwieweit das Raumplanungsund Ordnungsrecht im Rahmen der Infrastrukturplanung planerischen Einfluss im Sinne des Klima- und Umweltschutzes nehmen kann. Vorrangiges Instrument zur Erreichung der Klimaschutzziele im Bereich der Stromerzeugung ist der Emissionshandel nach dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG). Dessen Verhältnis zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und zu anderen Verfahren, in denen Aspekte des Klimaschutzes eine Rolle spielen könnten, soll im Folgenden beleuchtet werden. Darüber hinaus bestehen mit der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und der Strategischen Umweltprüfung (SUP) zwei verwaltungsbehördliche Verfahren, die geplante Infrastrukturvorhaben vor der Entscheidung über ihre Zulassung auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüfen. 2. Zur Bedeutung langer Laufzeiten von Infrastrukturvorhaben für den Klimaschutz Kennzeichen von Infrastrukturprojekten im Energiebereich sind insbesondere die langen Laufzeiten vieler Anlagen, welche eine Anpassung an die Klimaziele und die sich entwickelnde Struktur der Energieerzeugungsanlagen1 erschweren können. Vor diesem Hintergrund soll erörtert werden , ob und auf welcher Grundlage längerfristige und sich verändernde Klimaschutzanforderungen bei der Planung und Genehmigung von Anlagen berücksichtigt werden können. Insbesondere in der Energiewirtschaft kommt es zu Konflikten zwischen dem Umweltschutz einerseits und der kostengünstigen Versorgungssicherheit andererseits. Der derzeitige Energiemix in Deutschland besteht zu ca. 35 Prozent aus erneuerbaren Energien.2 Unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit kann jedoch noch nicht vollständig auf konventionelle Stromerzeugung verzichtet werden. Moderne konventionelle Kraftwerke weisen zudem eine teilweise erheblich effizientere Nutzung der eingesetzten Primärenergie auf als ältere Kraftwerke. 1 Hier geht es insbesondere um den Aspekt der Lastfolgefähigkeit von Kraftwerken, die bei einer zunehmend auf erneuerbare Energien ausgerichteten Stromversorgung von wachsender Bedeutung ist. 2 Destatis - Statistisches Bundesamt, Bruttostromerzeugung in Deutschland für 2016 bis 2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Energie/Erzeugung/Tabellen/bruttostromerzeugung .html;jsessionid=ED67D16B36A4C7FF8C3BE737A62F4CD4.internet742 [Stand: 14. November 2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 5 3. Rechtliche Rahmenbedingungen für die Berücksichtigung des Klimaschutzes im Anlagengenehmigungs - und Infrastrukturplanungsrecht 3.1. Erfordernis eines Planfeststellungsverfahrens bei raumbedeutsamen Vorhaben Die Planfeststellung ist ein in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen durchzuführendes besonderes Verwaltungsverfahren über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen . Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG sind dies „Planungen einschließlich der Raumordnungspläne, Vorhaben und sonstigen Maßnahmen, durch die Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird, einschließlich des Einsatzes der hierfür vorgesehen öffentlichen Finanzmittel.“ Raumbedeutsame Vorhaben, wie beispielsweise Gaspipelines, berühren wegen ihrer räumlichen Dimension und Auswirkungen auf die Umwelt und ihre Umgebung eine Vielzahl öffentlicher und privater Belange. 3.2. Das Planfeststellungsverfahren bei Gaspipelines nach § 43 EnWG § 43 EnWG regelt das Erfordernis der Planfeststellung für die dort genannten Anlagen. Der vom Vorhabenträger eingereichte Plan bildet die Grundlage dieses Verfahrens. Die Planfeststellungsbehörde muss dann die für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange ermitteln und gegeneinander abwägen. Ziel des Vorhabenträgers ist die öffentlich-rechtliche Zulassung des beantragten Vorhabens durch einen abschließend erlassenen Planfeststellungsbeschluss.3 So fällt die Planfeststellung von Gaspipelines in den Anwendungsbereich dieses Verfahrens (§ 43 Abs. 1 Nr. 5 EnWG). Die im Rahmen der Planfeststellung zu berücksichtigenden Belange ergeben sich unter anderem aus den Zielen des EnWG. Gemäß § 1 Abs. 1 EnWG sind dies u.a. eine „möglichst sichere, preisgünstige , verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“. Eine kostengünstige Versorgungssicherheit auf der einen Seite und der Umweltschutz auf der anderen Seite, müssen jeweils im Rahmen einer Einzelfallabwägung in Ausgleich gebracht werden. Das Energiewirtschaftsgesetz gibt dabei keine feste Rangfolge der verschieden Belange vor.4 In der energierechtlichen Literatur wird darauf hingewiesen, dass bei der Zieloptimierung im Einzelfall nicht nur der möglichst rationelle Primärenergieeinsatz berücksichtigt werden muss, sondern auch, welche Primärenergie unter längerfristigen Aspekten am zweckmäßigsten ist.5 Umweltverträglichkeit im Sinne des EnWG bedeutet, dass die Energieversorgung den Erfordernissen eines nachhaltigen, insbesondere rationellen und sparsamen Umgangs mit Energie genügt, 3 Danner/Theobald/Missling, Energierecht, 101. EL Mai 2019, § 43 EnWG Rn. 1. 4 Hermes/Kupfer, Britz/Hellermann/Hermes (Hrsg.), EnWG, 3. Auflage 2015, § 43 Rn. 2. 5 Danner/Theobald/Theobald, Energierecht, 101. EL Mai 2019, § 1 EnWG Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 6 eine schonende und dauerhafte Nutzung von Ressourcen gewährleistet ist und die Umwelt möglichst wenig belastet wird.6 Auch der Verweis auf die zunehmende Bedeutung der erneuerbaren Energien lässt sich als Begründung für eine längerfristige Perspektive deuten. Unter diesen Gesichtspunkten könnte daher im Rahmen der Zieloptimierung berücksichtigt werden , ob Infrastrukturmaßnahmen auch den Anforderungen einer sich wandelnden Struktur der Energieversorgung entsprechen oder einen solchen Wandel im Vergleich zu möglichen Alternativen perspektivisch in übermäßiger Weise behindern. 3.3. Die Strategische Umweltprüfung (SUP) und die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) Bei den Umweltprüfungen, der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung (SUP), handelt es sich um verwaltungsbehördliche Verfahren, die dazu dienen sollen, die für einzelne Vorhaben rahmensetzenden Entscheidungen auf der Planungs - und Programmebene auf eine aus Sicht des Umweltschutzes inhaltlich verbesserte Grundlage zu stellen.7 UVP und SUP dienen der sachgerechten Aufbereitung des Zustands von Natur und Landschaft und seiner Bewertung sowie der Erstellung schutzgutbezogener Wirkungsprognosen im Hinblick auf die Pläne, Programme und Vorhaben.8 Dabei können auch Prognosen längerfristige Entwicklungen und Auswirkungen einbezogen werden, insbesondere wenn es sich um Anlagen handelt, deren technische Laufzeit mehrere Jahrzehnte umfassen kann. Zentrales inhaltliches Dokument einer UVP ist der UVP-Bericht (§ 16 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung / UVPG).9 Dort sind alle umweltrelevanten Informationen zu dokumentieren .10 Zu beachten ist jedoch, dass das Ergebnis der UVP als solches nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. Das bedeutet, dass ein Vorhaben nicht aufgrund einer negativ ausfallendenden UVP verhindert werden kann. Die UVP hat lediglich den Zweck, die möglichen Umweltauswirkungen frühzeitig zu erkennen und zu dokumentieren. Welche Konsequenzen daraus schließlich für die Zulassungsentscheidung folgen, ergibt sich aus den fachgesetzlichen Umweltanforderungen, welche der UVP-Bewertung zugrunde zu legen sind.11 6 Janssen, Gerold/Albrecht, Juliane, Umweltschutz im Planungsrecht (2008), S. 37, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3443.pdf [Stand: 14.11.2019]. 7 Umweltbundesamt (Hrsg.), Grundlagen der Berücksichtigung des Klimawandels in UVP und SUP (2017), S. 13, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/grundlagen-der-beruecksichtigung-des-klimawandels [Stand: 06.11.2019]. 8 Janssen, Gerold/Albrecht, Juliane, Umweltschutz im Planungsrecht (2008), S. 91, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3443.pdf [Stand: 14.11.2019]. 9 Bei der SUP entsprechend der Umweltbericht (§ 40 UVPG). 10 Ebenda S. 25 [Stand: 11.11.2019]. 11 Ebenda S. 22 [Stand: 07.11.2019]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 7 Zunächst war in der juristischen Diskussion umstritten, ob Aspekte des globalen Klimaschutzes im Rahmen der UVP zu berücksichtigen sind. Nach der zunächst wohl herrschenden Auffassung sollten die Auswirkungen auf das globale Klima nicht Bestandteil von UVP und SUP sein, sondern nur die Auswirkungen eines Vorhabens auf das lokale bzw. regionale Klima.12 Dieser Streit hat sich mit der UVP-Änderungsrichtlinie aus dem Jahr 201413 erledigt. Erwägungsgrund 13 der Richtlinie nimmt ausdrücklich Bezug auf die Auswirkungen von Projekten auf das Klima in Form der Emission von Treibhausgasen. Dementsprechend hat auch das BVerwG darauf hingewiesen, dass durch die UVP-Änderungsrichtlinie der Prüfungsumfang der UVP erweitert worden sei. Dies ergebe sich auch aus der in Erwägungsgrund 7 der Richtlinie angesprochenen zunehmenden Bedeutung des Klimawandels.14 Auswirkungen eines Vorhabens auf globale Klimaveränderungen sind daher nach Inkrafttreten der UVP-Änderungsrichtlinie Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung.15 3.4. Der Emissionshandel nach dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG) Zentrales umweltpolitisches Element des anlagenbezogenen Klimaschutzes bildet der Emissionshandel . Der Anwendungsbereich des TEHG erstreckt sich nicht auf alle treibhausgasrelevanten Anlangen, sondern nur solche, die in Anlage I des TEHG aufgeführt sind.16 § 4 Abs. 1 S. 1 TEHG normiert die Genehmigungspflicht für den Betrieb einer emissionsfreisetzenden Anlage. Dies dient auch der Erfassung der am Emissionshandel beteiligten Anlagen mit ihren genauen Antragsdaten .17 Die Wirkungsweise des Emissionshandels beruht auf der Festlegung einer Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen und der Handelbarkeit sogenannter Emissionszertifikate, die zum Ausstoß einer bestimmten Menge Kohlendioxid berechtigen. Die Entscheidung, welche Anlagen unter Beachtung der Klimaschutzziele betrieben werden können, wird daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen und nicht auf der Ebene der individuellen Anlagengenehmigung. 12 Stellvertretend OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juni 2016, Rn. 583 ff. mwN, https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2016/8_D_99_13_AK_Urteil_20160616.html (Stand: 18.12.2019). 13 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 124 S. 1-31). 14 Beschluss vom 22. Juni 2015, 4 B 59.14, verfügbar unter: https://www.bverwg.de/220615B4B59.14.0 (Stand 18.12.2019). 15 Umweltbundesamt (Hrsg.), Grundlagen der Berücksichtigung des Klimawandels in UVP und SUP (2017), S. 53, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/grundlagen-der-beruecksichtigung-des-klimawandels (Stand 18.12.2019). 16 Landmann/Rohmer UmweltR/Neuser, 90. EL Juni 2019, TEHG § 2 Rn. 3. 17 Landmann/Rohmer UmweltR/Wolke, 90. EL Juni 2019, TEHG § 4 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 8 3.5. Müllverbrennungsanlagen nicht im Anwendungsbereich des TEHG Die thermische Müllverbrennung ermöglicht eine umweltverträgliche Bewirtschaftung von Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Durch sie wird das Müllvolumen reduziert und die nach der Verbrennung übrig gebliebene Restmenge weiter verwertet bzw. deponiert. Des Weiteren wird die dadurch freigesetzte Energie, wie zum Beispiel elektrischer Energie, als Fernwärme genutzt.18 Müllverbrennungsanlagen unterliegen nicht dem Emissionshandel, jedoch müssen sie den Anforderungen der europäischen Richtlinie über Industrieemissionen (2010/75/EG)19 entsprechen, die durch die 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt wurde. Dadurch soll die Abgabe schädlicher Emissionen durch die Müllverbrennung in die Luft oder ins Wasser verhindert werden. Für die Behandlung von Abfall in Müllverbrennungsanlagen sowie für die Mitverbrennung von heizwertreichen Abfällen gelten strenge immissionsschutzrechtliche Anforderungen (Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen - 17. BImSchV), damit keine schädlichen Emissionen in die Luft oder ins Wasser abgegeben werden. 3.6. Berücksichtigung des Klimaschutzes bei Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) Zweck des BImSchG ist es, die in § 1 BImSchG genannten Güter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen. Ursprünglich zielte das BImSchG nicht primär auf Klimaschutz, sondern sollte allgemein die Errichtung und den Betrieb von Industrieanlagen unter Umweltschutzgesichtspunkten reglementieren . Das Klima wird daher nicht ausdrücklich als Schutzgut benannt. Ein Bezug zum Klimaschutz ergibt sich jedoch aus § 1 Abs. 1 BImSchG, der zu seinen Schutzgütern auch die Atmosphäre zählt. Hierunter ist zunächst die Lufthülle der Erde zu verstehen. Erfasst werden insbesondere die Temperatur- und Windverhältnisse, sowie andere meteorologische Aspekte, weshalb das Schutzgut der Atmosphäre grundsätzlich auch das Klima mit einschließt.20 18 WD 7 – 3000 – 107/18, Kurzinformation - Müllverbrennung in Deutschland (2018). Zum Verhältnis von Abfallwirtschaft und Klimaschutz vgl. den Beitrag „Klimaverträgliche Abfallwirtschaft“ auf den Seiten des Umweltbuundesamtes , https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/klimavertraegliche-abfallwirtschaft #textpart-1 (Stand 18.12.2019). 19 Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. L 334 17-119). Zum Anwendungsbereich des TEHG vgl. auch die Hinweise der Deutschen Emissionshandelsstelle, https://www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/stationaere_anlagen/TEHG-Anwendungsbereich .pdf?__blob=publicationFile&v=9 (Stand 18.12.2019). 20 BeckOK UmweltR/Schulte/Michalk, 52. Ed 1.07.2019, BImSchG § 1 Rn. 7; BT-Drs. 11/6633, 33; Hutsch, Justine, Klimaschutz im Anlagenrecht - eine kritische Analyse (2015), S. 126. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 9 Ob damit nur das lokale bzw. regionale Klima gemeint ist, oder auch das globale Klima erfasst wird, ist entsprechend der Diskussion Blick auf das UVP-G umstritten. Mit Blick auf das BImSchG ist diese Streitfrage für alle nicht-emissionshandelspflichtigen Anlagen von Bedeutung. Für Anlagen, die dem TEHG unterliegen, sieht hingegen § 5 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vor, dass Anforderungen zur Begrenzung der Emission von Treibhausgasen nur zulässig sind, um sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen. Zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf Kohlendioxidemissionen dürfen keine Anforderungen gestellt werden, die über das TEHG hinausgehen (§ 5 Abs. 2 Satz 3 BImSchG). Daher wird bei vom TEHG erfassten Anlagen der globale Klimaschutz durch das spezielle Klimaschutzrecht des TEHG geregelt und nicht durch das allgemeine Immissionsschutzrecht des BIm- SchG. Lediglich der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im unmittelbaren Einwirkungsbereich der betreffenden Anlage bleibt noch möglicher Reglungsgegenstand des allgemeinen Immissionsschutzrechts des BImSchG.21 Dass durch das TEHG ein spezielles Klimaschutzrecht geschaffen wurde, nimmt das BVerwG als Ausgangspunkt für die Feststellung, dass im Wege der kommunalen Bauleitplanung keine Grenzwerte für Kohlendioxidemissionen für Anlagen, die dem TEHG unterliegen, normiert werden dürften.22 Soweit nicht das TEHG als spezialgesetzliche Regelung eingreift, ist nach wohl herrschender Auffassung der Anwendungsbereich des BImSchG anlagenbezogen auszulegen. Da der Beitrag einer Anlage zu globalen Klimaveränderungen zu unbestimmt sei, falle das globale Klima nicht unter die Schutzzwecke des BImSchG.23 Die Gegenauffassung verweist auf die Regelungen des § 5 Abs. 2 BImSchG und §§ 37a ff. BIm- SchG, die jeweils auf den globalen Klimaschutz Bezug nehmen.24 Die Regelung des § 5 Abs. 2 BImSchG legt aus dieser Sicht den Umkehrschluss nahe, dass für Anlagen, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, der globale Klimaschutz in den Anwendungsbereich des BImSchG falle. In diesem Sinne führt auch die Begründung zum Gesetzentwurf aus, dass Maßnahmen zur Begrenzung der Emission von Treibhausengasen nur für die Anlagen(teile) ausgeschlossen seien, die in den Anwendungsbereich des TEHG fallen.25 Aus der Perspektive der bislang herrschenden Meinung handelt es sich bei § 5 Abs. 2 BImSchG lediglich um eine Klarstellung. 21 Schomerus, Thomas, Franßen, Gregor, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braunund Steinkohlekraftwerken (2018), S. 74. 22 Urteil vom 14. September 2017, 4 CN 6.16, Rn. 16 ff. 23 BeckOK UmweltR/Schulte/Michalk, 52. Ed 1.07.2019, BImSchG § 1 Rn. 7; Landmann/Rohmer-Dietlein, Umwelt R, 90. EL Juni 2019, § 1 BImSchG, Rn. 15. Zur Diskussion der mangelnden Unbestimmtheit des Klimabegriffs im Gesetzgebungsverfahren siehe Bundestagsdrucksache 11/6633, S. 33. 24 Jarass-Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 1 Rn. 10. 25 Bundestagsdrucksache 17/5296, S. 61. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 10 3.7. Verhältnis von Anlagengenehmigungs- und Raumordnungsrecht Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerwG zur Vorrangigkeit des TEHG für Maßnahmen des Klimaschutzes stellt sich die Frage, ob dies auch klimaschützende Regelungen im Zuge der Raumplanung ausschließt. Das OVG Münster hat mit Urteil vom 15. November 2018 (7 D 29/16.NE) entschieden, dass einer raumplanerischen Kapazitätsobergrenze eines Kraftwerkstandorts die spezielleren Regeln des Treibhausgas- und Immissionsschutzrechts entgegenstünden. Dabei bezieht sich das Gericht auf das Urteil des BVerwG vom 14. September 2017 (4 CN 6/16). Dieses hatte einen Bebauungsplan bemängelt, der die Verwendung fossiler Brennstoffe in Anlagen , die dem TEHG unterliegen, aus Klimaschutzgründen vom Einsatz von Stoffen mit bestimmten CO2-Emissionsfaktoren abhängig machen wollte. Da es das TEHG dem Anlagenbetreiber überlasse , nach Kostengesichtspunkten selbst zu entscheiden, ob und wie er die Energieeffizienz seiner Anlage erhöhe, dürfe dies die Gemeinde nicht im Bebauungsplan vorgeben. Da die Anforderungen des TEHG und des BImSchG widersprechende Reglungsansätze verdrängen, hält das OVG ähnliche Festsetzungen auch im Regionalplan für ausgeschlossen. Das OVG Münster hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum BVerwG zugelassen, welche unter dem Aktenzeichen 4 CN 1/19 anhängig ist. Bestätigt das BVerwG seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2017 zum Vorrang des Emissionshandels und des Immissionsschutzrechts, bleiben Vorgaben zum allgemeinen Klimaschutz in Regional- und Bebauungsplänen im Anwendungsbereich des TEHG ausgeschlossen. 4. Instrumente zur Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen bei bereits nach dem BIm- SchG genehmigten Anlagen Bei bereits nach dem BImSchG genehmigten Anlagen stellt sich die Frage, ob diese nachträglich an die Klimaschutzziele angepasst werden könnten. Das BImSchG verfügt zwar über verschiedene Instrumente, mit deren Hilfe nachträglich auf bereits genehmigte oder schon bestehende Anlagen eingewirkt werden kann. Diese erweisen sich aber als wenig zielführend für eine stärkere nachträgliche Berücksichtigung klimapolitischer Ziele. 4.1. § 12 BImSchG – Nebenbestimmungen zur Genehmigung § 12 BImSchG legt fest, welche Nebenbestimmungen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beigefügt werden dürfen. Dabei wird zum einen nach den verschiedenen Arten von Nebenbestimmungen differenziert und zum anderen nach der Art der Genehmigung bzw. der Anlage unterschieden. Nach Abs. 1 S. 1 besteht die Möglichkeit, die Genehmigung mit Bedingungen und Auflagen zu versehen. Materielle Voraussetzung für die Beifügung einer Bedingung oder Auflage ist, dass die Nebenbestimmung erforderlich ist, um die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 sicherzustellen. Eine Befristung der Genehmigung ist nach § 12 Abs. 2 S. 1 BImSchG möglich, wenn der Anlagenbetreiber sie entsprechend beantragt hat oder es sich gemäß § 12 Abs. 3 BImSchG um eine Teilgenehmigung handelt. Diese Regelung ist abschließend, so dass in anderen Fällen eine Befristung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 11 ausgeschlossen ist.26 Eine Befristung der Genehmigung mit Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen der Stromerzeugungsstrukturen ist daher nicht möglich. 4.2. § 17 BImSchG – Nachträgliche Anordnung Nach § 17 BImSchG können auch nach Erteilung der Anlagengenehmigung Anforderungen an das technische Schutzniveau einer Anlage gestellt werden, wenn dies nach Vorgaben der Gefahrenabwehr bzw. der Vorsorge notwendig wird.27 Eine Nachrüstungspflicht kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden, soweit dies zur Erfüllung der sich nach dem BImSchG oder dessen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten erforderlich ist. Im juristischen Schrifttum ist daher vereinzelt diskutiert worden, ob die Norm die Option eröffnet , den Anlagenstandard an technische Innovationen im Bereich der CO2 -Reduktion anzupassen . Im Hinblick auf die Steigerung bei den Wirkungsgraden von Kohlekraftwerken innerhalb der letzten Jahrzehnte und vor dem Hintergrund der langen Laufzeit eines Kraftwerks könne hier ein großes Nachrüstungspotenzial realisiert werden. Zu beachten sei allerdings, dass die Pflicht des § 17 Abs. 1 BImSchG durch einen umfassenden Verhältnismäßigkeitsvorbehalt eingeschränkt wird und durch die Regelung der §§ 17 Abs. 2 und 3 BImSchG in der Anlagenbetreiber eine Art passiven Bestandsschutz bietet.28 Diese Diskussion scheint primär für heute bereits genehmigte Altanlagen von einer gewissen Bedeutung zu sein, nicht aber für zukünftige Neubauten. Gerade angesichts der schon erreichten Fortschritte hinsichtlich des Wirkungsgrades ist kaum anzunehmen, dass bei nach heutigem Stand der Technik errichteten Kraftwerken noch weitere Effizienzsteigerungen in gleicher Größenordnung wie in der Vergangenheit realisierbar erscheinen. Schließlich ermöglicht § 17 BImSchG nicht, eine Anlage stillzulegen, weil der von ihr verwendete Brennstoff im Zuge des Strukturwandels der Energieerzeugungsanlagen nicht mehr als zeitgemäß angehen wird. 4.3. § 20 BImSchG – Untersagung, Stilllegung, Beseitigung Aus § 20 BImSchG ergibt sich die umfassende Befugnis der zuständigen Behörde zur Untersagung des Betriebs sowie zur Stilllegung und Beseitigung der Anlage. Jede auf § 20 gestützte Anordnung setzt jedoch einen Pflichtverstoß voraus. Für klimapolitische Ziele kann die Vorschrift nicht genutzt werden. 26 Jarass-Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 12 Rn. 39. 27 Hutsch, Justine, Klimaschutz im Anlagenrecht - eine kritische Analyse (2015), S. 142. 28 Hutsch, Justine, Klimaschutz im Anlagenrecht - eine kritische Analyse (2015), S. 150. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 124/19 Seite 12 4.4. § 21 BImSchG - Widerruf Nach § 21 Absatz 1 Nr. 3 BImSchG kann eine Genehmigung ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Genehmigungsbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Genehmigung nicht zu erteilen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Wann die Veränderungen in der Energiewirtschaft so gravierend wären, dass eine Genehmigung für bestimmte Müllverbrennungsanlagen oder andere Anlagen, die nicht dem TEHG unterliegen, aus Gründen des Klimaschutzes nicht mehr erteilt werden könnte, kann aus heutiger Sicht nicht beurteilt werden. Ein aufgrund neuer Tatsachen gerechtfertigter Widerruf müsste zudem notwendig sein, um einen konkret drohenden Schaden an Allgemeingütern oder an Individualrechtsgütern zu verhindern . Mit Blick auf Müllverbrennungsanlagen dürfte ein solches öffentliches Interesse voraussetzen , dass andere Formen der umweltgerechten Abfallentsorgung verfügbar sind. Im Falle eines Widerrufs der Genehmigung aufgrund neuer Tatsachen sieht § 21 Abs. 4 BImSchG eine Entschädigung des Betreibers vor. ***