Deutscher Bundestag Schadstoffe und Hygiene von Biogasgärresten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 8 – 3000 – 121/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 2 Schadstoffe und Hygiene von Biogasgärresten Aktenzeichen: WD 8 – 3000 – 121/11 Abschluss der Arbeit: 12. Oktober 2011 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsgrundlagen 4 3. Schadstoff- und Keimbelastung von Gärresten 6 4. Behandlung von Gärresten 10 5. Literatur- und Anlagenverzeichnis 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 4 1. Einleitung In Biogasanlagen werden organische Substrate mithilfe von Mikroorganismen zu Biogas vergoren. Hauptbestandteil von Biogas ist Methan, woraus auch Erdgas besteht. In Biogasanlagen werden einerseits Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft etwa Rinder- oder Schweinegülle, andererseits auch Biomassen pflanzlicher Herkunft etwa Mais oder Bioabfälle eingesetzt. Ein Hauptsubstrat kann auch um weitere Co-Substrate wie Fette, Bioabfälle und Schlempen ergänzt werden. Gemäß einer Betreiberumfrage des Deutschen BiomasseForschungsZentrum gGmbH werden die Anlagen in Deutschland zu 45 Prozent mit tierischen Exkrementen betrieben, 46 Prozent nutzen nachwachsende Rohstoffe und sieben Prozent Bioabfälle sowie zu zwei Prozent Reststoffe aus Industrie etwa Glycerin aus der Biodieselproduktion. In Biogasanlagen entsteht neben Biogas ein Gärrest. Bei einer durchschnittlichen Anlagenleistung von 500 Kilowatt sind das jährlich mehr als 10.000 Tonnen. Bei dezentralen Anlagen wird der Gärrest in der Regel zwischengelagert und dann zu definierten Zeiten als Wirtschaftsdünger auf die umliegenden Felder ausgefahren. Die Zwischenlagerung ist vorgeschrieben, da der Gärrest die Treibhausgase Methan und Lachgas enthält, die in dieser Zeit ausgasen und möglichst nicht nach dem Ausbringen auf dem Acker klimawirksam werden sollen. Auch darf zu einigen Zeiten je nach Feldfrucht kein Gärrest auf die Agrarfläche gebracht werden. Diese Sperrzeiten sind in der Düngemittelverordnung festgelegt. Insbesondere in den Monaten von November bis Januar dürfen im Wesentlichen keine Gärreste auf Felder ausgebracht werden. In jüngster Zeit gehen zunehmend größere Biogasanlagen mit industrieller Dimension in Betrieb, die ihre Substrate überregional beziehen. Ihre Leistung beträgt meist mehrere Megawatt. In diesen Fällen ist eine Rückführung des Gärrestes auf die abgeernteten Flächen logistisch kaum zu bewerkstelligen und wirtschaftlich unrentabel, da das Einsatzgut aus einem sehr großen Einzugsbereich stammt. Diese Gärrückstände können als Düngemittel in Verkehr gebracht werden. Hierfür wie auch für die Ausbringung als Wirtschaftsdünger gelten bestimmte Auflagen, was die Güte des Materials anbelangt. 2. Rechtsgrundlagen Gärrückstände dürfen nur dann als Düngemittel in Verkehr gebracht werden, wenn sie in der Düngemittelverordnung gelisteten und dadurch zugelassenen Düngemitteltyp entsprechen. Gärrückstände können je nach Zusammensetzung als Wirtschaftsdünger, organische oder organischmineralische Düngemittel gehandelt und/oder ausgebracht werden. Handelt es sich um Wirtschaftsdünger oder andere Düngertypen, müssen neben Angaben über die Zusammensetzung an Nährstoffen, auch Grenzwerte entsprechend der nachstehenden Tabelle aus Anlage 2 der Düngemittelverordnung für die Schadstoffe Arsen, Blei, Nickel, Chrom, Cadmium, Quecksilber, Thallium und perfluorierte Tenside eingehalten werden. Für Kupfer und Zink gelten je nach Düngetyp unterschiedliche Werte. Teilweise besteht auch eine Kennzeichnungspflicht für die genannten Elemente. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 5 Düngemittel, auch Wirtschaftsdünger, dürfen weiterhin keine Krankheitserreger, Toxine oder Schaderreger enthalten, die die menschliche Gesundheit, Haustiere und Nutzpflanzen schädigen könnten. Allerdings gibt es einige Ausnahmeregelungen für die konkreten seuchenhygienischen Anforderungen. Beispielsweise kann der Gärrest trotz Nichteinhaltung aus einem Gemeinschaftsgärrestbehälter bei den angeschlossenen Betrieben ausgebracht werden. Auch ist es möglich Dünger trotz vorhandener Salmonellen auszubringen, wenn in der Kennzeichnung vor den Salmonellen gewarnt wird und Auflagen zur Anwendung gemacht werden. Wirtschaftsdünger aus oder mit pflanzlichen Ausgangsstoffen dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn neben der hygienischen auch die phytohygienische Unbedenklichkeit gewährleistet ist, damit keine Pflanzenschädlinge und -krankheitserreger in Umlauf gebracht werden. Da pflanzliches Material grundsätzlich mit Pflanzenpathogenen verseucht sein kann, besteht bei allen auf pflanzlicher Basis gewonnen Gärresten ein Phytohygienerisiko. Demzufolge muss entsprechend der Düngemittelverordnung der Nachweis erbracht werden, dass der Gärrest, wenn er als Wirtschaftsdünger in Verkehr gebracht werden soll, frei von bestimmten Quarantäneschadorganismen , widerstandsfähigen Pilzen und thermoresistenten Viren ist. Werden in einer Biogasanlage auch Bioabfälle vergoren, so gelten auch die Phytohygienevorschriften dieser Verordnung (Biogas Forum Bayern 2011). Für Gärreste, die aus Bioabfällen pflanzlicher oder tierischer Herkunft erzeugt wurden, gilt für die Schadstoffgrenzwerte statt der Düngemittelverordnung die Bioabfallverordnung. Sie können als organischer NPK-Dünger in den Handel gelangen und dürfen ausdrücklich die oben stehenden Grenzwerte der Düngemittelverordnung überschreiten. Es gelten dann vielmehr die fast durchweg höheren Schwermetallgehalte (Milligramm je Kilogramm Trockenmasse des aufzubringenden Materials) bei Aufbringung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Bioabfallverordnung: Blei 150 Cadmium 1,5 Chrom 100 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 6 Kupfer 100 Nickel 50 Quecksilber 1 Zink 400 Tabelle 2: Schadstoffgrenzwerte der Bioabfallverordnung für Biogasgärreste aus Bioabfällen 3. Schadstoffe in Gärresten Die Zusammensetzung des Gärrestes hängt von den eingesetzten Ausgangssubstanzen ab. Nachdem diese häufig variieren und ihre Zusammensetzung meist unbekannt ist, können allerdings kaum allgemeingültige Aussagen über die Beschaffenheit der Gärreste getroffen werden. Entsprechend heterogen fallen auch systematische Untersuchungen der Gärreste aus. Neben den wichtigen Nährstoffen Stickstoff, Phosphor und Kalium können Gärrückstände schädliche Stoffe enthalten. Dies sind Schwermetalle wie Blei und Cadmium und organische Schadstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polychlorierte Biphenyle (PCB) oder polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F). Grundsätzlich erhöht die Vergärung die Schadstoffgehalte, da die organische Substanz zersetzt wird, aber Schadstoffe wie Schwermetalle nicht biologisch abgebaut werden. Allein durch diese Anreicherung steigen die Blei-, Kupfer- und Zinkgehalte in Gärrückständen Untersuchungen zufolge bei Mais um das Vierfache, bei Roggen um das Zehnfache, bei Schweinegülle um das 1,3- fache. Bei höheren Anteilen von Gülle als Ausgangssubstrat werden zudem die Kupfer- und Zink-Grenzwerte im Gärrest häufig überschritten. Tendenziell sind Reste aus der Vergärung von pflanzlichen Ausgangsstoffen wie Mais-, Grassilage , Getreide, Stroh, Rüben, Trester, Gemüseabfälle, Schlempe, Grüngut und Rasenschnitt weniger belastet als Reste aus der Vergärung tierischer Substrate oder von Bioabfällen. Gülle als Ausgangsstoff von Biogasanlagen weist hohe Kupfer- und Zinkgehalte auf. Bei der Biogaserzeugung von Straßenbegleitgrün und -holz können die Schwermetallgehalte erhöht sein – die Grenzwerte für Schwermetalle der Bioabfall-Verordnung müssen in diesen Fällen eingehalten werden. Allgemein leitet Zethner ab, dass Biogasanlagen mit geringeren Anteilen an Co-Substraten (meist Bioabfälle oder industrielle Reststoffe) generell schadstoffärmere Gärreste produzieren. Mit der überwiegenden Vergärung von Co-Substraten steigt die Möglichkeit von unerwünschten Einträgen , sodass laut Zethner ein Schadstoffmonitoring unbedingt erforderlich erscheint (Zethner 2002). Grundsätzlich sind in Gärrückständen auch organische Schadstoffe wie PAKs, PCB und PCDD/F nachweisbar, da diese in der Umwelt allgegenwärtig sind. Jedoch sind die Mengen meist so gering , dass nach Einschätzung von Toxikologen keine akuten Risiken daraus resultieren. Laut Zethner werden durch Gärrückstände aber mehr PAK in die Umwelt eingetragen als bei der Ausbringung herkömmlicher Gülle. Verglichen mit Klärschlamm liegt diese Schadstofffracht zwar Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 7 niedriger, reicht aber an deren Belastungen heran. Güllen können zudem mit Bioziden und Antibiotika sowie anderen Tierarzneirückständen belastet sein, die je nach Persistenz mit dem Gärrest ebenfalls in die Umwelt und in die Nahrungskette gelangen. Über die Risiken dieses Eintrags ist wenig bekannt. (Zethner et al. 2002). Im Folgenden werden verschiedene Schadstoffanalysen von Gärresten vorgestellt: Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) analysierte die Güte von 121 Gärresten aus Baden-Württemberg. Dabei handelte es sich um 102 Anlagen, in denen Gülle in Kombination mit nachwachsenden Rohstoffen und um 19 Anlagen, in denen zusätzlich Bioabfälle verwendet wurden. In Einzelfällen wurden im Gärrest Clostridien und Salmonellen nachgewiesen und bedürfen nach Einschätzung der Autoren weiterer Untersuchungen (siehe Kapitel 4.). Die Schwermetallgehalte für Kupfer und Zink halten die Autoren für beachtlich: Die tatsächlichen Frachten lägen aber unter den Grenzwerten der Bioabfallverordnung und stellten damit kein Problem für den Bodenschutz dar (Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg 2007). Zethner et al. untersuchte die Zusammensetzung der Gärreste aus drei verschiedenen Biogasanlagen , die unterschiedlich beschickt wurden. Bei zwei Anlagen fand er leicht erhöhte Bleigehalte, nachdem Fettabscheiderrückstände eingesetzt wurden. Dies sind Fette und Öle aus dem Abwassser, die vor der Klärung routinemäßig in so genannten Fettabscheidern abgetrennt werden . Fettabscheiderrückstände dienen in Biogasanlagen als Co-Substrat, das heißt, sie werden zusammen mit einem anderen Hauptsubstrat vergoren. Bei der dritten Anlage wies Zethner im Gärrückstand erhöhte Zink-, Kupfer- Blei- und Cadmiumgehalte nach. Diese erhöhten Gehalte stammen seiner Ansicht nach von Haushaltsabwässern und dem Hofflächenablauf des Betriebes, der die Biogasanlage betreibt. Dagegen fand Zethner bei Biogasanlagen, die mit Speiseresten betrieben wurden, keine außergewöhnlichen Belastungen mit Schwermetallen. Die Schwermetallgehalte der Gärrückstände blieben deutlich unter den Grenzwerten der Düngemittelverordnung (Zethner 2002). Das Bayerische Landesamt für Umwelt analysiert seit 2000 regelmäßig Komposte und Gärreste. Insgesamt wurden aus 36 Anlagen Proben genommen, darunter vergären sechs Anlagen Bioabfall und vier nachwachsende Rohstoffe, teils in Kombination mit Bioabfällen. Untersucht wurden die Schwermetalle Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber und Zink sowie die organischen Schadstoffe PAK, PCDD/F, PCB, Biphenyle, Hexachlorbenzol (HCB), Pentachlorphenol (PCP), ortho-Phenylphenol, Bisphenol A, die Phatalat-Weichmacher DEHP und DINP, iso- Nonylphenol, zinnorganische Verbindungen, die Moschusverbindungen HHCB und AHTN, die bromierten Flammschutzmittel PBDE, HBCD, Thiabendazol, polyfluorierte Tenside PFT, Triclosan und Methyl-Triclosan. Im Verlauf der Untersuchungen von 2000, 2002, 2006 und 2009 gingen die Schwermetallbelastungen bei Komposten aus Bioabfällen zurück. Die Gärrreste waren ähnlich mit Schwermetallen belastet wie die Komposte. Nur die Kupfer- und Zinkkonzentrationen sind höher als bei den Komposten. Auch die Werte von PCDD/F und von etlichen anderen Schadstoffen sind im Vergleich zu den Untersuchungen von 2000 deutlich gesunken. Bei den organischen Schadstoffen zeigt sich, dass sich die PAK-Werte in den letzten Jahren im unteren Milligramm je Kilogramm-Bereich bewegen. Komposte und Gärreste weisen in dieser Hinsicht keine großen Unterschiede auf. Bioabfallkomposte und Gärreste waren allerdings deutlich mit der Chemikalie Bisphenol A belastet. Der phthalatbasierte Weichmacher DEHP weist in der aktuellen Untersuchung die höchsten Werte auf. Ähnlich hohe Werte wurden für das Phthalat DINP Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 8 gemessen. Zinnorganische Verbindungen liegen teilweise unterhalb der Bestimmungsgrenze und teilweise sind sie sehr hoch. Die Proben waren unterschiedlich stark mit bromierten Flammschutzmitteln PBDE und HBCD belastet. Teilweise sind Ausreißer mit sehr hohen Konzentrationen zu finden. Insgesamt sind in den Untersuchung fast alle Schadstoffe gefunden worden, meist jedoch in geringen Konzentrationen. Die Mengen variieren besonders stark bei den organischen Schadstoffen. Im Schnitt waren die Gärrückstände aus der Bioabfallvergärung deutlich höher belastet als aus der Mitvergärung von Bioabfällen mit nachwachsenden Rohstoffen und diese wieder höher als Reste aus der alleinigen Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen (Bayerisches Landesamt für Umwelt 2007). In der Literatur wird vielfach auch auf einen anderen Schadstoff hingewiesen, der für Gärreste charakteristisch ist: Ammoniak gast aus frischen Gärresten aus. Die stechend riechende Substanz hat einen pH-Wert im alkalischen Bereich (>7) und geht leicht in die Luft über. Da die Substanz die Atemwege reizt, sieht die Düngemittelverordnung besondere Maßnahmen vor. Der Gärrest muss sofort eingearbeitet und mit speziellen Techniken auf den Feldern und Wiesen ausgebracht werden. 4. Keimbelastung von Gärresten Bei der Vergärung sinkt die Keimbelastung des Gärsubstrats. Die Zerkleinerung des Rohmaterials, eine vorausgehende Silierung und eine nachträgliche Lagerung des Gärrestes tragen zur weiteren Reduktion der Keimfracht bei. Neben potenziellen Pathogenen für die menschliche und tierische Gesundheit interessiert die Forscher vor allem der Verbleib pflanzlicher Schaderreger. Das Risiko , dass solche Erreger überleben, hängt vom Erreger selbst, von den Bedingungen in der Biogasanlage , vom Temperaturverlauf und der Verweilzeit im Biogasreaktor ab: Je höher die Temperatur und je länger die Verweilzeit darin, desto geringer das Risiko. Weit verbreitete Schaderreger wie der Mykotoxinbildner Fusarium graminearum, der Erreger der Ährenfusariose, der Schneeschimmel Microdochium nivale, der Maisseulenbrand Ustilago maydis und das Rizomania-Virus der Zuckerrübe wird bei einer Vergärung über 38 Grad Celsius in wenigen Stunden oder Tagen abgetötet. Werden Verweilzeiten von mindestens 30 bis 40 Tagen bei mindestens 38 Grad Celsius eingehalten, besteht bei diesen Erregern nach allgemeiner Einschätzung kein Risiko für die Pflanzen, die mit dem Gärrest in Kontakt kommen. Zu den problematischen Keimen, bei denen eine zusätzliche Hygienisierung notwendig ist, zählen dagegen Erreger der bakteriellen Gräserwelke und thermoresistente Viren, die unter den oben genannten Bedingungen mehrere Wochen überstehen (Biogas Forum Bayern 2011). Milan Drca untersuchte in seiner Doktorarbeit das Verhalten verschiedener tier- und humanpathogener Viren und Mikroben bei der Vergärung. Dazu wird das Substrat zunächst in einen Behälter mit 4.000 Litern Fassungsvermögen gepumpt und dort auf 70 Grad Celsius aufgeheizt und für 30 Minuten bei dieser Temperatur belassen. Dann wurde es für 26 Tage im eigentlichen Reaktor vergoren. Drca setzte dabei künstlich Keime zu und untersuchte die Besiedlung des Substrats vor und nach der Vergärung. Er verwendete folgende Bakterien und Viren: Listeria monocytogenes, Yersinia enterocolitica, Salmonella Senftenberg, Escherichia coli, Campylobacter jejuni, Enterococcus faecalis, Felines Calicivirus, ECBO-Virus und Bovines Parvovirus. Nach abgeschlossener Vergärung faulte das Substrat bei 38 Grad Celsius für 30 Tage Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 9 in einem Behälter aus. Drca beobachtete, dass die Keimzahlen der eingebrachten Bakterien sich um mehr als sieben Zehnerpotenzen reduzierte. Die ECBO- und Felinen Calciviren wurden vollständig inaktiviert. Dagegen konnte das Bovine Parvovirus, ein Durchfallerreger der Kuh, nicht inaktiviert werden (Drca 2007). Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft veröffentlichte 2010 einen umfassenden Bericht zur Hygienisierung von Biogasrückständen, wobei sie sich ausschließlich auf Pflanzenpathogene konzentrierte. Demnach führt die Biogasfermentation zu einer Reduktion der Keimbelastung. Dabei reichen bereits Temperaturen um die 38 Grad Celsius (so genannter mesophiler Bereich), um eine Reihe bedeutsamer Pflanzenpathogene abzutöten. Allerdings muss dabei eine Mindestverweilzeit gewährleistet sein. Das Milieu beeinflusst die Hygienisierung. Die Ergebnisse aus der Untersuchung mit den Erregern der Bakteriellen Ringfäule und Schleimkrankheit der Kartoffel deuten darauf hin, dass eine Zerkleinerung des Pflanzenmaterials vor der Vergärung eine Hygienisierung fördert. Zudem trägt eine vorherige Silierung unter optimalen Bedingungen zu einer Reduktion der Keimbelastung bei. Ein Großteil der untersuchten Pathogene stirbt zwischen 8 Stunden und sieben Tagen bei 38 Grad Celsius ab. Kurze Zeit überleben beispielsweise nur Kartoffelzystennematoden Globodera pallida und G. rostochiensis, die beide als Quarantäneschaderreger eingestuft sind, das heißt, dass sie gar nicht im Gärrückstand nachweisbar sein dürfen . Ähnlich kurz überdauern die in der Düngemittelverordnung gelisteten Pilze Sclerotinia sclerotiorum und Rhizoctonia solani. Selbst bei mesothermen Versuchsbedingungen liegen demzufolge die Überlebenszeiten bei den meisten Erregern unter den für Substrate angegebenen durchschnittlichen theoretischen Verweilzeiten in Biogasanlagen. Diese werden für thermophil betriebene Anlagen (50 bis 60 Grad Celsius) mit 15-20 Tagen und speziell für mesotherm (30 bis 37 Grad Celsius) geführte Biogasanlagen mit 30-40 Tagen beziffert. Bemerkenswert ist, dass zwar ein Großteil, aber nicht alle untersuchten Erreger in kurzer Zeit abgetötet wurden. Die Überdauerungsfähigkeit ist der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft zufolge differenziert zu beurteilen. Bestimmte Schadorganismen sind in der Lage, über einen längeren Zeitraum zu überstehen, so der Quarantäneschadorganismus Clavibacter michiganensis subsp. sepedonicus, Erreger der Bakteriellen Ringfäule der Kartoffel. Die Untersuchungen zeigen, dass die Erreger in ganzen Knollen mindestens 100 Tage im Gärsubstrat unter Beibehaltung seiner Virulenz überleben kann. Allerdings fanden andere Autoren 2010 für Clavibacter michiganensis subsp. sepedonicus eine vergleichsweise kurze Überdauerungszeit: Der Erreger war nach 138 Stunden nicht mehr lebensfähig. Möglicherweise spielen bei der Überdauerung des Ringfäuleerregers der Grad der Zerkleinerung der Kartoffeln wie auch die Fermentationsbedingungen eine wesentliche Rolle. Dies ist bisher ungeklärt. Ungewiss ist ferner, ob Ralstonia solanacearum, ebenfalls ein Quarantäneschadorganismus, der die Schleimkrankheit der Kartoffel verursacht, in mesothermen Anlagen sicher abgetötet wird, da auch hier ein relativ langes Überleben von 30 Tagen in ganzen Knollen im Gärsubstrat festgestellt wurde. Des Weiteren zählt der Kartoffelkrebserreger zu diesen „robusten“ Erregern: Selbst nach 139 Tagen in der Biogasanlage war noch nicht inaktiviert. Als weitere Beispiele für widerstandsfähige Erreger werden Xanthomonas translucens pv. graminis, Auslöser der Bakteriellen Gräserwelke, Verticillium albo-atrum, Verursacher der Hopfenwelke, angeführt sowie das Tabakmosaikvirus, ein Vertreter der thermoresistenten Viren. Diese Erreger überdauerten mindestens 35 bis 70 Tage. Nach Einschätzung der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft besteht für diese Schaderreger durchaus das Risiko, dass die auf die agrarischen Nutzflächen verschleppt werden. Allerdings sei nicht klar, ob damit tatsächlich Krankheiten begünstigt werden, da die Infektionsgefahr Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 10 auch von der Fruchtfolge, der Dauerhaftigkeit des Erregers im Boden und vom Übertragungsweg abhängt (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft 2010). Bei bekannter Durchseuchung des Ausgangssubstrats mit Schaderregern, insbesondere mit Quarantäneschadorganismen , gibt die Bioabfallverordnung konkrete Hinweise zu Hygienisierungsmaßnahmen: Über einen Zeitraum von 24 Stunden müssen mindestens 55 Grad Celsius eingehalten werden und das Substrat muss mindestens 20 Tage in der Anlage bleiben. Bei niedrigeren Temperaturen oder kürzerer Verweilzeit muss das Substrat entweder vor der Vergärung für eine Stunde auf 70 Grad Celsius erhitzt oder der Gärrest nachträglich für eine Stunde auf 70 Grad Celsius erhitzt werden. Andernfalls ist eine nachfolgende Kompostierung erforderlich, die nach bisheriger Einschätzung ebenfalls die Keimfracht reduziert (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft 2010). 5. Behandlung von Gärresten Gärreste werden nicht immer als Dünger direkt auf die Felder ausgebracht. Wenn rechtliche Vorgaben des Düngemittelrechts, der Bioabfallverordnung und hygienerechtliche Vorgaben nicht erfüllt werden oder sehr große Mengen an Gärrest entstehen, dass eine Ausbringung auf umliegenden agrarischen Flächen nicht möglich ist, werden die Gärrückstände weiter verarbeitet. Teils wird die feste Phase von der flüssigen separiert. Die festen Rückstände können auch getrocknet und als Brennstoff verwendet werden. Die Verfahrenstechniken sind keineswegs neu, sondern der Güllaufbereitung, der Klärschlammtrocknung und der Abwasserbehandlung entlehnt. Wie sich die unterschiedliche Behandlung von Gärresten auf die Schadstofffrachten und mikrobiologische Qualität auswirkt, ist bisher nicht systematisch untersucht worden. 6. Fazit Gärreste entstehen bei der Erzeugung von Biogas aus pflanzlichen Substraten, tierischen Exkrementen oder Abfällen. Je nach Ausgangsmaterial schwankt die Zusammensetzung beträchtlich. Meist können die Gärreste auf umliegenden Feldern als Dünger ausgebracht werden. Dazu müssen insbesondere Grenzwerte verschiedener Schwermetalle eingehalten werden. In Gärresten sind verschiedene Schwermetalle und organische Schadstoffe nachweisbar. Sie können insofern zur Anreicherung beispielsweise von PAK, Kupfer und Zink im Boden beitragen . Allerdings ist die Belastung der Rückstände nach Einschätzung von Toxikologen so gering, dass keine akuten Gefahren davon ausgehen. Die Qualität der Gärreste schwankt hinsichtlich einiger Schadstoffgehalte, was mit Ausgangssubstanzen variabler Güte erklärt wird. Zwar sind kaum allgemeingültige Aussagen möglich, aber bisherige Ergebnisse deuten darauf hin, dass Gärreste aus nachwachsenden Rohstoffen tendenziell weniger belastet sind als Reste aus der Vergärung von nachwachsenden Rohstoffen samt Co-Substraten sowie Reste aus der Vergärung tierischer Exkremente oder von Bioabfällen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8 – 3000 – 121/11 Seite 11 Die Keimbelastung nimmt bei der Biogasvergärung ab. Viele Erreger für Mensch, Tier und Pflanze überstehen den Vergärungsprozess nicht. Allerdings wurden in Gärresten einzelne Schaderreger gefunden. Einige Pflanzenschädlinge können die Bedingungen in der Biogasanlage überstehen und somit auf die Felder gelangen. Eine abschließende Bewertung des phytohygienischen Risikos ist allerdings noch nicht möglich. 7. Literatur- und Anlagenverzeichnis Bayerisches Landesamt für Umwelt (2007). Schadstoffgehalte von Komposten und Vergärungsrückständen. 2007, Augsburg, im Internet: http://www.bestellen.bayern.de/application/stmug_app000008?SID=132381294&ACTIONxSESSxSHOWPIC(BI LDxKEY:lfu_abfall_00148,BILDxCLASS:Artikel,BILDxTYPE:PDF)=Z [Stand:4.10.2011]. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (2010). Hygienisierungspotenzial des Biogasprozesses. Freising- Weihenstephan, Oktober 2010, im Internet: http://www.lfl.bayern.de/publikationen/daten/schriftenreihe/p_40223.pdf [Stand: 4.10.2011] Biogas Forum Bayern (2011). Anforderungen an die Hygiene und die Kennzeichnung von Gärresten aus NawaRo- Anlagen bei der Verwendung als Wirtschaftsdünger. Nr. I – 11/2011, Im Internet: http://biogas-forumbayern .de/publikationen/Anforderungen_an_die_Hygiene_und_die_Kennzeichnung_von_Garresten.pdf [Stand: 28.09.2011]. Drca, Milan (2007). Seuchenhygienisch-mikrobiologische Untersuchungen an einer mesophil betriebenen Biogasanlage zur Verwertung von Speiseresten in Verbindung mit methodischen Untersuchungen zum Nachweis von Salmonellen und Escherichia coli aus biologischem Material. Leipzig, 2007, im Internet: http://tierhygiene.vetmed.uni-leipzig.de/files/uni/artikel/anlagen/Dissertation Milan Drca.pdf [Stand: 4.10.2011]. Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (2007). Gärreste aus Biogasanlagen - Nähr- und Schadstoffe , Einsatzmöglichkeiten im Ackerbau. August 2007, Karlsruhe, Im Internet: http://www.landwirtschaftmlr .baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/show/1216427/ltz_G%E4rreste%20aus%20Biogasanlagen%20- %20N%E4hr-%20und%20Schadstoffe%20-%20Einsatzm%F6glichkeiten%20im%20Ackerbau.pdf [Stand: 4.10.2011]. Peretzki, Franz; Müller, Christa; Dittmann, Theo (2005). Düngerfabrik Biogasanlage. WOCHENBLATT-Serie „Biogas “, Teil 9: Düngen mit Gärrückständen. 19.02.2005. Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz (2010). Rechtsgrundlagen für den Einsatz von Biogasgülle und Gärresten aus der Biogaserzeugung in der Landwirtschaft. Merkblatt, im Internet: http://www.tll.de/ainfo/pdf/biog0910.pdf [Stand: 28.09.2011]. Zethner, Gerard; Pfundtner, Erwin; Humer, Johan (2002). Qualität von Abfällen aus Biogasanlagen. Wien, 2002, im Internet: http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/M160.pdf [Standt: 4.10.2011].