© 2020 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 112/19 Einzelfragen zu Fahrverboten Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/19 Seite 2 Einzelfragen zu Fahrverboten Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 112/19 Abschluss der Arbeit: 22.10.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Fahrverbote in deutschen Städten 4 2.1. Hamburg 4 2.2. Stuttgart 5 3. Geplante Fahrverbote 5 4. Rechtliche Hintergründe 5 4.1. Luftreinhaltepläne 5 4.2. Verhältnismäßigkeit 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/19 Seite 4 1. Einleitung Die zentrale rechtliche Grundlage der europäischen Luftreinhaltepolitik ist die Luftqualitätsrahmenrichtlinie 2008/50/EG, in der Grenzwerte für die Schadstoffkonzentration der europäischen Mitgliedsstaaten festgelegt werden. Im deutschen Recht ist dies seit 2010 in der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) verankert. Der zulässige Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) über das Jahr gemittelt beträgt 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Mit Hilfe von Messstationen an viel befahrenen Straßen, so genannten verkehrsnahen Messstationen, werden die verkehrsbedingten Schadstoffemissionen erfasst. Stellen diese eine Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte fest, sind die Städte oder Kommunen dazu verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu erarbeiten. Da es in zahlreichen Städten zu erheblichen Überschreitungen der festgelegten Grenzwerte kommt, hat die deutsche Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) mehrere Städte mit dem Ziel verklagt, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid so schnell wie möglich durch eine Anpassung der Luftreinhaltepläne eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei Urteilen am 27. Februar 2018, welche die Luftreinhaltepläne für Stuttgart1 und Düsseldorf2 zum Gegenstand hatten, Grundsätze für die Verhängung von Dieselfahrverboten aufgestellt. Es hat einerseits betont, dass Dieselfahrverbote verhängt werden müssten, wenn sich anders die Einhaltung der europarechtlich vorgegebenen Stickstoffdioxidgrenzwerte nicht erreichen lasse. Andererseits müssten solche Fahrverbote aber auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, was (befristete) Ausnahmeregelungen für bestimmte Personengruppen und unter Umständen auch für bestimmte Fahrzeugklassen erforderlich machen könne. 2. Fahrverbote in deutschen Städten3 2.1. Hamburg Das erste Fahrverbot in Deutschland ist in Hamburg in Kraft getreten. Dort sind seit 1. Juni 2018 zwei Straßenabschnitte im Stadtteil Altona-Nord für alle Dieselautos, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, gesperrt. Ausnahmen sind für Anwohner, Rettungsdienste und Gewerbetreibende vorgesehen. 1 BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 – 7 C 30/17 – abrufbar unter: https://www.bverwg.de/270218U7C30.17.0 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2019). 2 BVerwG, Urteil vom 27.02.2018 – 7 C 26/16 – abrufbar unter: https://www.bverwg.de/270218U7C26.16.0 (zuletzt aufgerufen am 22.10.2019). 3 ADAC, Dieselfahrverbote, Stand: 19.08.2019, abrufbar unter: https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/abgasdiesel -fahrverbote/fahrverbote/dieselfahrverbot-faq/ (zuletzt aufgerufen am 22.10.2019). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/19 Seite 5 2.2. Stuttgart In Stuttgart ist ab dem 1. Januar 2019 ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge mit den Abgasnormen Euro 1 bis 4 in Kraft getreten. Im Gegensatz zu Hamburg ist allerdings das gesamte Stadtgebiet (aktuelle Umweltzone) betroffen. Sollte die Luftqualität dadurch nicht verbessert werden, besteht die Möglichkeit, dass auch Diesel mit Euro 5 ab 2020 nicht mehr einfahren dürfen. Auch hier sind ähnlich wie in Hamburg Ausnahmen für bestimmte Personengruppen vorgesehen. In Bezug auf verhängte Fahrverbote bzw. Fahreinschränkungen in anderen (ausgewählten) Mitgliedstaaten der EU wird auf die Anlage 14 verwiesen. 3. Geplante Fahrverbote In zahlreichen Städten wie Berlin, Bonn, Darmstadt, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Köln und Mainz sind Dieselfahrverbote in Planung. In einigen Städten davon sind Fahrverbote bereits beschlossen, allerdings sind sie noch nicht in Kraft getreten, da Berufung gegen die Entscheidungen eingelegt wurde. So entschied beispielsweise das Verwaltungsgericht Wiesbaden für Frankfurt am 5. September 2018, dass ein Diesel- Fahrverbot notwendig sei, um den Luftreinhalteplan der Stadt einzuhalten. Dort wurden Messwerte von bis zu 47 Mikrogramm Stickstoffdioxid gemessen. Die Maßnahmen sollten zum 1. Februar 2019 umgesetzt werden. Diese steht bis dato noch aus, da das Land Hessen gegen die Entscheidung in Berufung gegangen ist, welche am 18. Dezember 2018 durch den Verwaltungsgerichtshof Kassel zugelassen wurde. So lange das Verfahren läuft, kann in Frankfurt ein Fahrverbot für Diesel (noch) nicht eingeführt werden. 4. Rechtliche Hintergründe 4.1. Luftreinhaltepläne Aus den einschlägigen Regelungen des nationalen und des EU-Rechts ergibt sich, dass Luftreinhaltepläne aufzustellen sind, wenn die Immissionsgrenzwerte überschritten werden. In diesen müssen die Maßnahmen festgelegt werden, die gewährleisten, dass die Grenzwerte dauerhaft eingehalten werden. Dabei ist der Zeitraum der Überschreitung von bereits überschrittenen Grenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Zu den zulässigen Maßnahmen gehören auch Verkehrsbeschränkungen. Welche Maßnahmen die Straßenverkehrsbehörde trifft, liegt in ihrem Ermessensspielraum. Das Ermessen ist allerdings eingeschränkt, wenn es nur eine Maßnahme gibt, die eine Einhaltung der Grenzwerte so schnell wie möglich gewährleistet: In diesem Fall muss diese einzig geeignete Maßnahme getroffen werden . Dieselfahrverbote sind hiernach nicht nur zulässig, sondern können – vorbehaltlich ihrer 4 WD 7 – 3000 – 027/19, Ausgestaltung und rechtliche Grundlagen von (geplanten) zonalen Fahrverboten für Verbrennungsmotoren , abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/637896/fb6b8d417a4e62d068a7c6b6d73256e5/WD-7-027-19-pdf-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 22.10.2019). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/19 Seite 6 Verhältnismäßigkeit – auch geboten sein, wenn die geltenden Grenzwerte anders nicht eingehalten werden können. Rechtsgrundlage für die Umsetzung von in Luftreinhalteplänen festgesetzten Maßnahmen sind die Vorschriften der §§ 40, 47 des Bundesimmissionsschutzgesetzes: „§ 40 Abs. 1 BImSchG Verkehrsbeschränkungen Die zuständige Straßenverkehrsbehörde beschränkt oder verbietet den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 oder 2 dies vorsehen. Die Straßenverkehrsbehörde kann im Einvernehmen mit der für den Immissionsschutz zuständigen Behörde Ausnahmen von Verboten oder Beschränkungen des Kraftfahrzeugverkehrs zulassen, wenn unaufschiebbare und überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern.“ „§ 47 Abs. 1 BImSchG Luftreinhaltepläne, Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen , Landesverordnungen „Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.“ 4.2. Verhältnismäßigkeit Die verhängten Fahrverbote müssen allerdings auch verhältnismäßig sein. Notwendig ist deshalb eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Maßnahme, insbesondere für die mit der Überschreitung der Grenzwerte verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit und den hierdurch herbeigeführten Belastungen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer sowie die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten wird auf die Anlage 25 verwiesen. *** 5 WD 7 – 3000 – 238/18, Dieselfahrverbote – Gesetzliche Regelung der Verhältnismäßigkeit, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/577398/108ac9c86036408f4c16b089d28bf050/wd-7-238-18-pdfdata .pdf (zuletzt aufgerufen am 22.10.2019).