© 2018 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 112/18 Zur Förderung fremdländischer Baumarten in heimischen Wald- und Forstgebieten Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 2 Zur Förderung fremdländischer Baumarten in heimischen Wald- und Forstgebieten Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 112/18 Abschluss der Arbeit: 24. Oktober 2018 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Begriffliche Abgrenzung 5 3. Zur Geschichte der wissenschaftlichen Baumartenbewertung 6 4. Ausgewählte Baumarten im Portrait 7 4.1. Douglasie 9 4.2. Küstentanne 10 4.3. Sitkafichte 11 4.4. Rotesche 12 4.5. Edelkastanie 12 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 4 1. Einleitung Das Einbringen fremdartiger Baumarten wird seit langer Zeit kontrovers diskutiert. Tatsächlich können auf der einen Seite fremde Baumarten die waldbauliche Tätigkeit bereichern und wirtschaftlich interessant sein. Auf der anderen Seite aber können Vertreter fremder Baumarten sich auch negativ auf die einheimischen Waldökosysteme auswirken. Diese Diskussion ist Thema eines Dossiers der Plattform waldwissen.net aus dem Jahr 2015.1 Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat 2013 Skripte zur „Methodik der naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Arten"2 sowie eine "naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen“3 publiziert. In der darauf folgenden kontroversen Diskussion wurden Zweifel an der angewandten Methodik, aber auch an der Vorgangsweise bei der Ableitung der Ergebnisse laut. Im Zuge dieser Bewertung waren einige Gastbaumarten, u.a. auch Douglasie, Kanadapappel und Roteiche als invasive Arten klassifiziert worden. Dies wird durch Beurteilungen anderer Institutionen nicht gestützt. Eine naturschutzfachliche Bewertung verschiedener fremder Baumarten wurde von Wissenschaftlern in einer detaillierten Publikation der Göttinger Forstwissenschaften aus dem Jahr 2015 vorgenommen4. Die Autoren selbst geben an, dass das Ziel dieser Ausarbeitung gewesen sei, „die Potenziale und Risiken von 15 eingeführten Baumarten auf der Grundlage wissenschaftlicher Literatur und langjähriger Forschungsarbeiten auf Versuchsflächen der verschiedenen Forschungseinrichtungen und Anbauflächen der Forstbetriebe aufzuzeigen, um die zwischen Naturschutz und Forstwirtschaft aufgekommene Diskussion zu versachlichen.“5 Inhalte dieser Publikation werden in der nachfolgenden Darstellung wiedergegeben. Des Weiteren wird insbesondere Bezug genommen auf Informationen der Informations- und Kommunikationsplattform waldwissen.net. Herausgeber dieser Plattform sind die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), das Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) sowie die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).6 Zudem wird auf die 1 Redaktion waldwissen.net (2015): Gebietsfremde Baumarten – ein umstrittenes Thema. Dossier auf www.waldwissen .net [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 2 Quelle: https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript340.pdf [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 3 Quelle: https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript352.pdf [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 4 Torsten Vor, Hermann Spellmann, Andreas Bolte, Christian Ammer (Hrsg.) Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten. Baumartenportraits mit naturschutzfachlicher Bewertung, Band 7 Göttinger Forstwissenschaften, im Universitätsverlag Göttingen 2015. ISBN: 978-3-86395-240-2. Im Internet abrufbar unter: https://www.univerlag .uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 5 Ebd. 6 Siehe: https://www.waldwissen.net/ [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 5 bereits erwähnte Darstellung des BfN aus dem Jahr 20137 eingegangen; allerdings ist von den betrachteten fünf Baumarten lediglich die Douglasie enthalten, wozu das BfN eine eigene naturschutzfachliche Bewertung veröffentlicht hat.8 2. Begriffliche Abgrenzung Von grundlegender Bedeutung bei der Bewertung des ökologischen Potenzials von Baumarten ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) vom 29. Juli 2009.9 In ihm wird auf nationaler Ebene in § 40 der Umgang mit nichtheimischen, gebietsfremden und invasiven Arten in Deutschland geregelt. In der bereits zitierten Arbeit der Göttinger Forstwissenschaften aus dem Jahr 2015 wird hierzu der rechtliche Rahmen wie folgt zusammengefasst: „Heimisch ist eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart, die ihr Verbreitungsgebiet oder regelmäßiges Wanderungsgebiet ganz oder teilweise a) im Inland hat oder in geschichtlicher Zeit hatte oder b) auf natürliche Weise in das Inland ausdehnt; als heimisch gilt eine wild lebende Tieroder Pflanzenart auch, wenn sich verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere oder Pflanzen der betreffenden Art im Inland in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten (§ 7 (1) 7.). Als gebietsfremd wird eine wild lebende Tier- oder Pflanzenart bezeichnet, wenn sie in dem betreffenden Gebiet in freier Natur nicht oder seit mehr als 100 Jahren nicht mehr vorkommt (§ 7 (1) 8.). Arten, die außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets vorkommen und dort für natürlich vorkommende Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellen, sind als invasive Arten definiert (§ 7 (1) 9.). Gemäß § 40 (3) Sätze 1 und 2 BNatSchG haben die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um neu auftretende Tiere und Pflanzen invasiver Arten zu beseitigen oder deren Ausbreitung zu verhindern. Bei bereits verbreiteten invasiven Arten treffen sie Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern und die Auswirkungen der Ausbreitung zu vermindern, soweit diese Maßnahmen Aussicht auf Erfolg haben und der Erfolg nicht außer Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand steht. Gemäß nachfolgendem Satz 3 des § 40 (3) BNatSchG gelten die konkreten behördlichen Verpflichtungen der Sätze 1 und 2 jedoch nicht für die in der Land- und Forstwirtschaft angebauten Pflanzen. Was den Anbau von gebietsfremden Arten angeht, so ist dieser überdies gemäß § 40 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BNatSchG genehmigungsfrei. Für den Anbau entsprechender Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft gelten hiernach nur die allgemeineren artenschutzrechtlichen Anforderungen des § 40 (1) und (2) BNatSchG. Danach sind geeignete Maßnahmen zu treffen, um 7 Stefan Nehring et al.: Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen, BfN, 2013, im Internet abrufbar unter: https://www.bfn.de/fileadmin /MDB/documents/service/skript352.pdf [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 8 Anke Höltermann et al.: Naturschutzfachliche Bewertung der Douglasie aus der Sicht des Bundesamtes für Natur -schutz. Ohne Datum. Im Internet abrufbar unter: https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen /landwirtschaft/lwf_wissen_59_13.pdf [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 9 Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 6 einer Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen und Arten durch Tiere und Pflanzen nichtheimischer oder invasiver Arten entgegenzuwirken und Arten zu beobachten, bei denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um invasive Arten handelt.“10 3. Zur Geschichte der wissenschaftlichen Baumartenbewertung Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts fing man in Deutschland an, eingeführte, fremdartige Baumarten forstlich anzubauen. Hiermit wollte man erreichen, dass sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Stabilität der devastierten Wälder wieder erhöht würde. Allerdings wurde nach einigen Fehlschlägen gefordert, dass man die Anbaueignung dieser Arten wissenschaftlich überprüfe.11 Ein erster Ansatz stammt vom Verein Deutscher Forstlicher Versuchsanstalten aus dem Jahr 1880 (vom Klein Flottbeker Baumschulbesitzer John Booth). „Der Vorschlag von Booth wurde von den Versuchsanstalten positiv aufgenommen. Bereits im August 1881 wurde der `Arbeitsplan für die Anbauversuche mit ausländischen Holzarten´ beraten, festgestellt und bald danach in ganz Deutschland umgesetzt. In der Folgezeit erbrachten die Anbauversuche der ersten Serie zahlreiche wichtige Erkenntnisse, ohne jedoch die Frage der Anbauwürdigkeit bestimmter Arten abschließend beantworten zu können.“12 Seitdem wird immer wieder Pro und Contra des Anbaus fremder Baumarten in Deutschland diskutiert, insbesondere vor dem Hintergrund der Verpflichtung , die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter nachhaltig zu sichern und die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft zu schützen (§ 1, Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG). „Beim Anbau eingeführter Baumarten ging es zu keiner Zeit darum, die erdgeschichtlich bedingte Artenarmut in Mitteleuropa wesentlich zu verändern, sondern lediglich um eine Bereicherung der schmalen Baumartenpalette durch einige wenige, anbauwürdige Baumarten unter Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu den frühen Anbauempfehlungen, die sich im Wesentlichen auf Erwartungen hinsichtlich der Ertragsleistung und Stabilität stützten, wurden die Anforderungen an die Anbaueignung eingeführter Baumarten mit steigendem Verständnis der komplexen Wirkungsgefüge unserer Waldökosystemen deutlich größer. [...] Sofern eine eingeführte Art natürlich vorkommende Ökosysteme, Biotope oder Arten erheblich zu gefährden droht, wird sie als nicht anbauwürdig erachtet. Daraus wird deutlich, dass invasive Arten nach § 7 BNatschG nicht nur vom Naturschutz, sondern heute ebenso explizit von der Forstwirtschaft als ein ernst zu nehmendes Problem für die biologische Vielfalt angesehen werden.“ Allerdings wird in einer Publikation aus dem Jahr 2010 in diesem Zusammenhang auch festgestellt, dass in 10 Ebd., Seite 6f. 11 Seite 3 in: Torsten Vor, Hermann Spellmann, Andreas Bolte, Christian Ammer (Hrsg.) Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten Baumartenportraits mit naturschutzfachlicher Bewertung, Band 7 Göttinger Forstwissenschaften , im Universitätsverlag Göttingen 2015. ISBN: 978-3-86395-240-2. Im Internet abrufbar unter: https://www.univerlag.uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 12 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 7 Mitteleuropa, im Gegensatz zu anderen Regionen der Welt, kaum einheimische Tier- und Pflanzenarten existierten, die durch nicht-heimische Pflanzenarten ausgerottet oder in ihrem Areal stark eingeschränkt wurden.13 Die sogenannten invasiven Baumarten werden immer wieder als besonderes Risiko diskutiert. Wenn invasive Baumarten im Wald an Normalstandorten auftreten, „können großflächige Bekämpfungs -/Beseitigungsaktionen nicht nur teuer, sondern auch kontraproduktiv sein, weil diese Arten oftmals positiv auf Störungen reagieren. Naturnahe Bewirtschaftungsform bieten in solchen Fällen nach heutigem Stand des Wissens den besten Schutz vor Invasionen“.14 4. Ausgewählte Baumarten im Portrait Im Folgenden werden exemplarisch fünf fremdländische Baumarten vorgestellt. Es wird auf wissenschaftliche Publikationen eingegangen, die sich mit dem invasiven Potenzial der jeweiligen Baumart auseinandersetzen, ihrer ökologischen Bewertung und der Abschätzung, wie sich die Baumart vor dem Hintergrund des Klimawandels verhalten könnte. Drei der Baumarten werden in der zitierten Publikation von Vor et al.15 untersucht. Die Autoren fassen ihre Ergebnisse in einer Übersichtstabelle wie folgt zusammen:16 13 Ebd. Seite 4 mit Verweis auf: Kowarik, I. 2010. Biologische Invasionen. Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa . 2. Aufl., Ulmer Verlag, Stuttgart 14 Seite 5 in: Torsten Vor, Hermann Spellmann, Andreas Bolte, Christian Ammer (Hrsg.) Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten Baumartenportraits mit naturschutzfachlicher Bewertung, Band 7 Göttinger Forstwissenschaften , im Universitätsverlag Göttingen 2015. ISBN: 978-3-86395-240-2. Im Internet abrufbar unter: https://www.univerlag.uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018] 15 Ebd. 16 Ebd. Seite 23. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 9 4.1. Douglasie Als zusammenfassende Bewertung geben Vor et al.17 für die Douglasie an, diese sei von größerer Bedeutung und bereits auf nennenswerter Fläche vertreten und habe sich bewährt. Die Baumart sei nicht als invasiv zu bewerten und zudem anbauwürdig. Sie stelle für die Forstbetriebe eine echte Bereicherung der heimischen Baumartenpalette dar. Im Zuge der Anpassung der Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels werde ihre Bedeutung vermutlich weiter steigen. Im Detail heißt es in der Studie: „Die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) ist aufgrund ihrer Verjüngungsökologie und der Kontrollierbarkeit ihrer Ausbreitung nicht invasiv. Sie stellt für natürlich vorkommende Ökosysteme, Biotope und Arten keine Gefährdung dar. Beobachtete Einwanderungstendenzen auf einzelnen Sonderstandorten (lichte und warme, blocküberlagerte Waldstandorte) lassen sich mit geringem Aufwand kontrollieren bzw. verhindern. Langjährige wissenschaftliche Anbauversuche und praktische Anbauerfahrungen belegen die Anbauwürdigkeit der Douglasie (Schwappach 1901, 1911, Münch 1923, Penschuk 1935, 1937, Kanzow 1937, Zimmerle 1950, Wiedemann 1951, Lembcke 1973, Stratmann 1988, Lockow 2002). Sie ist nicht nur leistungsstark und ertragreich, sondern auch standortgemäß, bodenpfleglich, nicht über ein Normalmaß hinaus gefährdet, natürlich zu verjüngen, gut waldbaulich zu führen und leicht als Mischbaumart in heimische Ökosysteme zu integrieren (Otto 1993). Vor dem Hintergrund des Klimawandels sollte künftig die gut angepasste Douglasie in die Waldbauplanungen einbezogen werden, um als führende oder nachrangige Mischbaumart nicht mehr standortgemäße Baumarten abzulösen und die Risiken zu senken bzw. zu verteilen (Spellmann et al. 2011). Naturschutzfachliche Vorrangflächen sowie seltene und gefährdete Waldgesellschaften auf Sonderstandorten lassen sich dabei durch eine räumliche Ordnung des Douglasienanbaus zusätzlich absichern, indem ein Anbau in ihrer Nachbarschaft nur unter Einhaltung eines ausreichenden Puffers erfolgt.“18 Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird detailliert auf die Themen Vorkommen, ökologische und biologische Eigenschaften, waldbauliche Behandlung, Gefährdungen in verschiedenen Entwicklungsstadien , naturschutzfachliche Bewertung und Möglichkeiten der Kontrolle eingegangen . Zum Anbau der Douglasie in Deutschland ist 2011 eine wissenschaftliche Bewertung unter Leitung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts publiziert worden.19 17 Ebd. 18 Ebd., Seite 187 ff. 19 Dierk Kownatzki, Wolf-Ulrich Kriebitzsch, Andreas Bolte, Heike Liesebach, Uwe Schmitt, Peter Elsasser: Zum Douglasienanbau in Deutschland Ökologische, waldbauliche, genetische und holzbiologische Gesichtspunkte des Douglasienanbaus in Deutschland und den angrenzenden, Sonderheft 344, ISSN 0376-0723. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 10 Das BfN publizierte hingegen eine Darstellung, in der die Autoren zum Schluss kommen, dass der Anbau von Douglasie nicht den Zielen des Naturschutzes diene und in Naturschutz dienenden Gebieten nicht angebaut werden solle. Tatsächlich sollten bestehende Douglasienbestände im Rahmen waldbaulicher Eingriffe umgewandelt werden.20 4.2. Küstentanne Als zusammenfassende Bewertung geben Vor et al.21 für die Küstentanne an, diese sei von größerer Bedeutung und bereits auf nennenswerter Fläche vertreten und habe sich bewährt. Die Baumart sei nicht als invasiv zu bewerten und zudem anbauwürdig. Sie stelle für die Forstbetriebe eine echte Bereicherung der heimischen Baumartenpalette dar. Im Zuge der Anpassung der Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels werde ihre Bedeutung vermutlich weiter steigen. Im Detail heißt es in der Studie: „Die Große Küstentanne (Abies grandis) ist nicht invasiv und aus heutiger Sicht uneingeschränkt anbauwürdig. Aufgrund eines positiven Standorteinflusses, ihres begrenzten Reproduktions- und Ausbreitungspotenzials, moderaten Konkurrenzverhaltens und guter waldbaulicher Steuerungsmöglichkeit liegen derzeit keine Anhaltspunkte für ein invasives Verhalten der Küstentanne in Deutschland vor. Sie stellt für natürlich vorkommende Ökosysteme, Biotope und Arten nachweislich kein erhebliches Gefährdungspotenzial dar. Naturschutzfachliche Vorrangflächen sowie seltene und gefährdete Waldgesellschaften auf Sonderstandorten lassen sich dabei durch eine räumliche Ordnung des Küstentannen-Anbaus zusätzlich absichern, indem sie in ihrer Nachbarschaft nur unter Einhaltung eines ausreichenden Puffers angebaut wird. Für einen Anbau in Wäldern spricht, dass die Küstentanne standortgemäß, bodenpfleglich, nicht über ein Normalmaß hinaus gefährdet, natürlich zu verjüngen, gut waldbaulich zu führen und als Mischbaumart zu integrieren ist (vgl. Otto 1993). Gleichzeitig überzeugt sie durch ihre hervorragende Wuchsleistung , ihr vielfältig zu verwendendes Holz (Riebel 1994, Hapla 2011) und ihre Trockenheitstoleranz . Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels ist sie eine interessante Mischbaumart, um künftig im kontinentaler getönten Tiefland die Palette der standortgemäßen Baumarten zu erweitern und im Bergland in begrenztem Flächenumfang nicht mehr standortgemäße Fichtenreinbestände abzulösen.“22 20 Anke Höltermann et al.: Naturschutzfachliche Bewertung der Douglasie aus der Sicht des Bundesamtes für Naturschutz . Ohne Datum. Im Internet abrufbar unter: https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen /landwirtschaft/lwf_wissen_59_13.pdf [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 21 Torsten Vor, Hermann Spellmann, Andreas Bolte, Christian Ammer (Hrsg.) Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten Baumartenportraits mit naturschutzfachlicher Bewertung, Band 7 Göttinger Forstwissenschaften, im Universitätsverlag Göttingen 2015. ISBN: 978-3-86395-240-2. Im Internet abrufbar unter: https://www.univerlag .uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 22 Ebd., Seite 29 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 11 Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird detailliert auf die Themen Vorkommen, ökologische und biologische Eigenschaften, waldbauliche Behandlung, Gefährdungen in verschiedenen Entwicklungsstadien , naturschutzfachliche Bewertung und Möglichkeiten der Kontrolle eingegangen . 4.3. Sitkafichte Im Jahr 2015 ist in der Zeitschrift Forstarchiv ein Artikel mit dem Titel „Potential and risks of Sitka spruce in the German growing area“ von Andreas Weller und Karl Josef Meiwes von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen erschienen.23 Hierin werden die Anbaumöglichkeiten und -risiken der Sitkafichte (Picea sitchensis) in Deutschland untersucht. Dabei stellen die Wissenschaftler fest: „Die im äußersten Westen Nordamerikas vom südlichen Alaska bis Nordkalifornien vorkommende und dort außergewöhnlich wuchskräftige Sitkafichte wird seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland forstlich angebaut. Aufgrund ihrer ökologischen Bindung an luftfeuchte, kühle Küstenklimate mit hohen Jahresniederschlägen und aufgrund ihrer Fähigkeit, grundnasse Böden zu erschließen, liegt ihr Anbauschwerpunkt in Deutschland im Bereich grundwasserbeeinflusster Standorte des küstennahen Raumes. An deutschen Anbauorten mit einem nachhaltig frischen Bodenwasserhaushalt ist die Sitkafichte deutlich leistungsfähiger als die meisten heimischen Baumarten. Die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse im natürlichen Verbreitungsgebiet führten zur Ausbildung genetisch differenzierter Populationen mit für den Anbauwert der jeweiligen Herkunft bedeutenden phänotypischen und phänologischen Eigenschaften. Die Einflüsse der Sitkafichte auf den forstlichen Standort beziehen sich auf den Nährstoffbedarf und die Streuqualität. Der Nährstoffbedarf der Sitkafichte kommt etwa dem der Gemeinen Fichte gleich. Auf vergleichbaren Standorten entspricht die Zersetzbarkeit der Streu ungefähr der von Gemeiner Fichte und Waldkiefer. Typisch ist die Bildung von Auflagehumus . Wegen ihrer ganzjährigen Benadelung und der damit einhergehenden hohen Filterleistung ist in Sitka-Beständen mit höheren Depositionsraten als in Laubholzbeständen zu rechnen. Aufgrund ihrer auch im deutschen Anbaugebiet gezeigten hohen Wuchsleistung ist auf geeigneten Standorten eine Übernahme der oft sehr zahlreich aufkommenden Naturverjüngung als Mischbaumart , je nach Wuchszone mit Rotbuche, Japan-Lärche, Douglasie oder Gemeiner Fichte, sinnvoll . Als Mineralbodenkeimer ist das Ankommen von Naturverjüngung an ein entsprechendes Keimbett gebunden, hierzu zählen Ausgangslagen mit geringer Streuauflage oder mit Bodenverwundung beispielsweise durch Holzerntemaßnahmen. Außerhalb des ihr zusagenden engen Standort- und Klimabereiches besitzt die Sitkafichte im deutschen Anbaugebiet eine geringe Resistenz gegenüber biotischen und abiotischen Gefährdungen.“24 In ihrer Gesamtbewertung stellen die Autoren fest: „Aufgrund ihrer Verjüngungsökologie, ihrer spezifischen standortökologischen 23 Andreas Weller und Karl Josef Meiwes: Potential and risks of Sitka spruce in the German growing area , forstarchiv 86, 3-12 (2015) DOI 10.4432/0300- 4112-86-3. 24 Ebd., Seite 3. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 12 Anforderungen und der Kontrollierbarkeit von Naturverjüngungen ist die Sitkafichte nicht invasiv . Sie stellt in der Regel für die natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope und Arten keine Gefährdung dar“.25 4.4. Rotesche In der Gesamtbewertung geben Vor et al.26 für die Rotesche (Fraxinus pennsylvanica) an, diese sei aufgrund ihres hohen Reproduktions-, Ausbreitungs- und Verdrängungspotenzials sowie der begrenzten Steuerungsmöglichkeiten als invasiv anzusehen. Sie sei daher nicht anbauwürdig, und eine Anpflanzung habe zu unterbleiben. Im Detail heißt es in der Studie: „Die Rotesche (Fraxinus pennsylvanica) weist Eigenschaften auf, die für ein invasives Verhalten sprechen. Dazu gehört ein hohes Reproduktionspotenzial, die Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung und die aktive Ausbreitung in Auwald-Ökosystemen. Allerdings scheint die Rotesche durch ihre hohe Überflutungstoleranz Standorte zu besiedeln, die von heimischen Baumarten gemieden werden. Damit ist unklar, ob und inwieweit heimische Arten negativ beeinflusst werden. Das Zurückdrängen der Rotesche ist durch ihre ausgeprägte Fähigkeit zu Stockausschlag und Wurzelbrut aufwendig. Nach heutigen Erkenntnissen ist die Rotesche nicht anbauwürdig und sollte langfristig nicht angebaut und dort, wo sie außerhalb urbaner Bereiche vorkommt, aktiv beseitigt werden. Dass dies erfolgreich sein kann, zeigen Ergebnisse aus der ungarischen Tiefebene. Dort wurde diese Baumart schon sehr früh (1924) zur Aufwertung von Auwäldern eingebracht, konnte die hohen Erwartungen allerdings nicht erfüllen und wurde daher von 19 % Flächenanteil in 1954 auf 11 % Flächenanteil in 1994 herabgesetzt. Für die Veränderung des Auwaldcharakters sind aber häufig andere Faktoren maßgeblich, die nicht im Vorkommen von F. pennsylvanica begründet liegen.“27 Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird detailliert auf die Themen Vorkommen, ökologische und biologische Eigenschaften, waldbauliche Behandlung, Gefährdungen in verschiedenen Entwicklungsstadien , naturschutzfachliche Bewertung und Möglichkeiten der Kontrolle eingegangen . 4.5. Edelkastanie In Mitteleuropa kommen die Edelkastanie (Castanea sativa) und die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum ) vor. Tatsächlich sind diese beiden Arten nicht genetisch miteinander verwandt. Allerdings weisen die Früchte eine gewisse Ähnlichkeit auf. Die Edelkastanie zählt zur Familie der Buchengewächse, die Rosskastanie zur Familie der Seifenbaumgewächse. Sowohl Edel- als auch 25 Ebd., Seite 10. 26 Torsten Vor, Hermann Spellmann, Andreas Bolte, Christian Ammer (Hrsg.) Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten Baumartenportraits mit naturschutzfachlicher Bewertung, Band 7 Göttinger Forstwissenschaften, im Universitätsverlag Göttingen 2015. ISBN: 978-3-86395-240-2. Im Internet abrufbar unter: https://www.univerlag .uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-240-2 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 27 Ebd., Seite 73 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 112/18 Seite 13 Rosskastanie waren ursprünglich hierzulande nicht heimisch. „Die Edelkastanie stammt ursprünglich wohl aus Südosteuropa und dem Gebiet der heutigen Türkei. Sie wurde bei uns ebenso wie die Weinrebe von den Römern eingeführt, denn ihre nahrhaften, wohlschmeckenden und zudem gut lagerfähigen Früchte waren schon lange geschätzt. Obwohl es auch nördlich der Alpen kleinere Kastanienbestände gibt, sind in der Schweiz vor allem die ausgedehnten Kastanienwälder des Kantons Tessin und der Südbündner Täler bekannt. Edelkastanien sind durch den aus Asien eingeschleppten Kastanienrindenkrebs (Cryphonectria parasitica) bedroht. Die Krankheit scheint derzeit zum Glück unter Kontrolle. Seit einigen Jahren tritt zudem die Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) auf, die ebenfalls ursprünglich im asiatischen Raum beheimatet ist.“28 Zur waldbaulichen Beurteilung ist festzustellen, dass die Edelkastanie schnellwüchsig ist und sich im Hochwald gut mit anderen Laubholzarten, aber auch mit der Fichte mischen lässt. Dies setzte allerdings einige intensive Pflegeeingriffe voraus.29 Auch bieten Kastanienbäume vielen Kleintieren, Reptilien und Vögeln Lebensraum und Nahrungsgrundlage. Speziell gilt das für Baumhöhlenbewohner wie Spechte, Wiedehopf, Siebenschläfer oder Fledermäuse . In einem Artikel der Zeitschrift Wald und Holz wird hinsichtlich des Klimawandels das Potenzial der Edelkastanie bewertet. Es dränge sich im Hinblick auf die zunehmende Klimaerwärmung die wärmeliebende Edelkastanie geradezu auf, weil sie mit hohen Temperaturen gut zurechtkomme. Allerdings gelte dies nur für wintermilde Standorte mit sauren, kalkarmen Böden .30 In einem Artikel der Plattform waldwissen.net31 wird die Auswirkung der Einführung der Edelkastanie auf das Ökosystem als positiv bewertet. Sie biete vielen Tieren Nahrung. Von der langen und intensiven Blüte profitierten viele Insekten, und die Früchte ergänzten die Nahrung zahlreicher Säugetiere. In der rauen Borke versteckten sich Insekten. In hohem Alter neige sie verstärkt zur Höhlenbildung und biete somit wertvolle Habitate für Höhlenbewohner (Eremit bis Wildkatze). Obwohl die Edelkastanie in Mitteleuropa ursprünglich nicht heimisch ist, integriere sie sich gut in das Ökosystem. *** 28 Informationen im Internet abrufbar unter: https://www.waldwissen.net/dossiers/wsl_dossier_kastanien/index _DE [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 29 Vgl. hierzu: https://www.waldwissen.net/wald/baeume_waldpflanzen/laub/wsl_edelkastanie/index_DE#5 [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018]. 30 Häne, K. (2018): Die Edelkastanie. Baum des Jahres 2018. Wald und Holz, 99 (5), 13-14. 31 Brundke, Felix; Heitz, Richard; Lüpke, Marvin; Hübner, Christoph (2018): Kurzportrait Edelkastanie (Castanea sativa). http://www.waldwissen.net [zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018].