© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 110/19 Ziel- und Grenzwerte im Immissionsschutzrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 110/19 Seite 2 Ziel- und Grenzwerte im Immissionsschutzrecht Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 110/19 Abschluss der Arbeit: 18.10.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 110/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Definition Ziel- und Immissionsgrenzwert 4 3. Zielwert für Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren 4 4. Festlegung eines Grenzwerts für Benzo[a]pyren in Österreich 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 110/19 Seite 4 1. Einleitung Die zentrale rechtliche Grundlage der europäischen Luftreinhaltepolitik ist die Luftqualitätsrahmenrichtlinie 2008/50/EG aus dem Jahre 1996, welche 2008 grundlegend novelliert wurde. In insgesamt vier Tochterrichtlinien, die in einem Zeitraum von 1999 bis 2004 erlassen worden sind, sind bestimmte Luftqualitätsziele für eine Reihe von Luftschadstoffen festgelegt worden. Die Vorgaben der Luftqualitätsrahmenrichtlinie wurden mit der achten Änderung des Bundes- Immissionsschutzesgesetzes (BImSchG)1 und der 39. Verordnung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV)2 in deutsches Recht umgesetzt. Zur Bewertung möglicher gesundheitlicher Wirkungen gegenüber Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren ist der in der 39. BIm- SchV genannte Zielwert maßgebend. 2. Definition Ziel- und Immissionsgrenzwert In der aufgrund von § 48a Abs. 1 und Abs. 3 BImSchG erlassenen 39. BImSchV sind die Begrifflichkeiten „Zielwert“ und „Grenzwert“ näher definiert. So ist nach § 1 Nr. 15 der 39. BImSchV ein Immissionsgrenzwert „ein Wert, der auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern , und der innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden muss und danach nicht überschritten werden darf“. Bei einem Zielwert handelt es sich hingegen um einen Wert, „der mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden , zu verhindern oder zu verringern, und der nach Möglichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden muss“, vgl. § 1 Nr. 37 der 39. BImSchV. So bringt die gesetzliche Definition die unterschiedliche Bedeutung eines Zielwertes gegenüber einem Grenzwert deutlich zum Ausdruck. 3 Zielwerte sind im Gegensatz zu einem Immissionsgrenzwert daher weniger auf eine strikte Einhaltung angelegt. 4 3. Zielwert für Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren Um schädliche Auswirkungen von Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren als Marker für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) auf die menschliche Gesundheit und die 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 432) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschg/BJNR007210974.html (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 2 Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen vom 2. August 2010 (BGBl. I S. 1065), die zuletzt durch Artikel 2 der Verordnung vom 18. Juli 2018 (BGBl. I S. 1222) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_39/BJNR106510010.html (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 3 Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 90. EL Juni 2019, 39. BImSchV, § 1, Rn. 4. 4 Vgl. Scheidler, Natur und Recht 2006, Fortentwicklung des europäischen Luftreinhalterechts, S. 354-359, 356. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 110/19 Seite 5 Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern, wurde für Arsen ein Zielwert von 6 Nanogramm pro Kubikmeter Luft (ng/m³), für Kadmium von 5 ng/m³, für Nickel von 20 ng/m³ und für Benzo(a)pyren ein Zielwert von 1 ng/m³ als Gesamtgehalt in der PM10-(Feinstaub -)Fraktion über ein Kalenderjahr gemittelt festgesetzt. Diese Werte stellen eine Umsetzung der entsprechenden Zielwerte des Anhangs I der Richtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft dar. Diese nunmehr in § 10 der 39. BImSchV festgelegte Regelung, wurde zuvor noch in der 22. BImSchV geregelt, welche die nationale Umsetzung der Richtlinie 2004/107/EG darstellte. Mit Inkrafttreten der 39. BImSchV wurden die bis dahin geltenden Verordnungen zur Überwachung der Luftqualität (22. BImSchV, 33. BImSchV) aufgehoben und die schon getroffenen Regelungen mit dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung, die von der neuen Richtlinie 2008/50/EG nicht erfasst sind, in die 39. BImSchV übernommen. Durch die 39. BImSchV erfuhren die europarechtlichen Vorgaben damit eine 1:1 Umsetzung in nationales Recht. In der Gesetzesbegründung § 10 der 39. BImSchV wird hierzu ausgeführt: „Diese Regelung entspricht den Regelungen in Anhang I der Richtlinie 2004/107/EG, die bereits durch § 15 der 22. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt worden war. Die in § 10 genannten Zielwerte für Arsen, Cadmium, Nickel und Benzo[a]pyren dienen sowohl dem Schutz der menschlichen Gesundheit als auch der Umwelt insgesamt. Sie werden als Gesamtgehalt des jeweiligen Stoffes in der PM10-Fraktion eines Kalenderjahres festgelegt . Die Zielwerte sind nicht als Umweltqualitätsnormen im Sinne des Artikels 2 Nummer 7 der Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 24 vom 29. 1. 2008, S. 8) zu betrachten, die gemäß Artikel 10 jener Richtlinie strengere Anforderungen als die bestimmen können, die unter Einsatz der besten verfügbaren Techniken zu erfüllen sind. Sie sind auch nicht als Grenzwerte im Sinne von Nummer 4.2.1 Satz 2 der TA Luft zu betrachten.“5 4. Festlegung eines Grenzwerts für Benzo[a]pyren in Österreich Aufgrund der gesundheitlichen Relevanz von PAK hat der österreichische Gesetzgeber in Umsetzung der 4. Tochterrichtlinie 2004/107/EG im Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L)6 normiert, dass der für Benzo[a]pyren aus der 4. Tochter-Richtlinie übernommene Zielwert von 1 ng/m³ ab dem 5 Verordnung der Bundesregierung, Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV), BT-Drs. 17/508, S. 43, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/005/1700508.pdf (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 6 Bundesgesetz zum Schutz vor Immissionen durch Luftschadstoffe (Immissionsschutzgesetz – Luft, IG-L), abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =10011027 (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 8 - 3000 - 110/19 Seite 6 1.1.2013 in einen Grenzwert übergeführt wird. Diese Regelung erfolgte mit dem sogenannten Umweltrechtsanpassungsgesetz .7 In den parlamentarischen Materialien heißt es hierzu: „Es wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und einige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe gentoxische Humankarzinogene sind und kein Schwellenwert festgelegt werden kann, unterhalb dessen diese Stoffe kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.“8 Das österreichische Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus führt weiter aus: „Die europaweit in den Luftqualitätsrichtlinien einheitlich festgelegten Immissionsgrenz- und - zielwerte für die wichtigsten Luftschadstoffe stellen in der Regel einen Kompromiss zwischen dem Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und den technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Reduktion der Belastung dar. Sie sind daher zumeist weniger streng als die von der WHO erarbeiteten Richtwerte und mittlerweile bereits über 20 Jahre alt. Im Allgemeinen entsprechen sie zudem nicht mehr dem neuesten wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl. Sonderbericht Nr. 23/2018 des Europäischen Rechnungshofs zur Luftverschmutzung9 und die dazu ergangenen Schlussfolgerungen des Rates10 vom 20.12.2018, 15782). Bei den europäischen Grenz- und Zielwerten im Umweltbereich handelt sich lediglich um Mindeststandards , die es den Mitgliedstaaten freistellen, im Rahmen der Schutzverstärkung strengere Standards festzulegen. In der 4. Tochter-Richtlinie, in deren Anhang 1 ein Zielwert für B(a)P festgelegt ist, wird im Erwägungsgrund 7 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach Art. 176 EGV (Anm.: nun Art. 193 AEUV) „die Mitgliedstaaten verstärkte Schutzmaßnahmen für Arsen, Kadmium , Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe beibehalten oder ergreifen [können], sofern diese mit dem Vertrag vereinbar sind und der Kommission notifiziert werden.“ Von dieser Möglichkeit hat der österreichische Gesetzgeber aufgrund der oben angeführten gesundheitlichen Relevanz des Luftschadstoffs mit der Normierung eines Grenzwerts für B(a)P Gebrauch gemacht.“11 *** 7 Bundesgesetz, mit dem das Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz, das Abfallwirtschaftsgesetz 2002, das Emissionszertifikategesetz und das Immissionsschutzgesetz-Luft geändert werden (Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005), abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2006/34 (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 8 Vgl. ErläutRV 1147 BlgNR XXII. GP 8 (zu Artikel 4), abrufbar unter: https://www.parlament .gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_01147/index.shtml (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 9 Abrufbar unter: https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=46723 (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 10 Abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXVI/EU/04/87/EU_48733/index.shtml (zuletzt aufgerufen am 17.10.2019). 11 Persönliche Informationen aus Österreich.