© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 102/19 Fahrzeug-Emissionen bei 30 km/h und 50 km/h Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 2 Fahrzeug-Emissionen bei 30 km/h und 50 km/h Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 102/19 Abschluss der Arbeit: 2. August 2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Studien über Emissionswerte bei Tempo 30 und Tempo 50 4 2.1. Baden-Württemberg 4 2.2. Berliner Senat „Tempo 30“ 5 2.3. Allgemeiner Deutscher Automobil Club 5 2.4. Umweltbundesamt „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“ 6 2.5. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie „Stickoxidemissionen von Kfz an Steigungsstrecken“ 7 2.6. Österreichisches Umweltbundesamt „Kenntnisstand zur (Umwelt- ) Wirkung von Tempolimits im Ortsgebiet“ 8 2.7. Madrid 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 4 1. Einleitung Ein aktueller Beitrag der WDR-Sendung „Quarks“ fasst die Diskussion über die Emissionswerte bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h wie folgt zusammen: „Es gibt nur wenige aussagekräftige Untersuchungen zur Situation der Luftschadstoffe. Vor allem sind die Ergebnisse meist nicht vergleichbar : teilweise wird nur ein Schadstoff - zum Beispiel Stickstoffdioxid oder Feinstaub - gemessen , zudem unterscheiden sich die Zeiträume stark. Nicht alle Untersuchungen finden unter realen Bedingungen statt, sondern im Labor. Hinzu kommt, dass die Bedingungen auf den Straßen extrem komplex sind: Die städtische Hintergrundbelastung variiert, außerdem die Bebauung, die Art des Straßenbelag und das Wetter hat zusätzlichen Einfluss auf Messergebnisse.“1 Die vorliegende Arbeit enthält die Ergebnisse einzelner Studien, die die Emissionen von Fahrzeugen bei Tempo 30 und 50 untersucht haben. 2. Studien über Emissionswerte bei Tempo 30 und Tempo 50 2.1. Baden-Württemberg „Untersuchungen, die die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg aus dem Jahr 2012 kommt zu uneinheitlichen Ergebnissen: Die motorbedingten Belastungen durch Feinstaub (PM 10) stiegen bei Tempo 30. Doch es gibt noch einen gegenläufigen Effekt: Die Belastung durch Feinstaub, der durch Abrieb (Reifen, Bremsen , Straßen) und Verwirbelung entsteht, sinkt. Daher kann eine Geschwindigkeitsbeschränkung auch die Belastung mit Feinstaub verringern. Auch die Emissionen durch Stickstoffdioxid (NO2) muss man differenziert betrachten: Auf ebener Strecke bewirkt ein Tempolimit von 30 eher höhere NO2-Werte. An Steigungen und an Stellen , wo der Verkehrsfluss häufiger gestört ist, sinken die Stickstoffdioxid-Emissionen. Das hat eine Untersuchung des Landesumweltamtes von Baden-Württemberg ergeben. Warum ist es so kompliziert? „Es kommt immer auf den Vergleichsfall an“, erklärt Verkehrsökologe Falk Richter. Je mehr Beschleunigung, desto höher die Emissionen. Wenn man also schnell (Tempo 50) den Berg hochfährt, ist die Leistung des Fahrzeugs größer - das bedeutet mehr NO2 als bei Tempo 30. In der Ebene ist die Situation anders, da kann es Situationen geben, in denen bei Tempo 50 weniger NO2 entsteht.2 1 Westdeutscher Rundfunkt (WDR) (2019). „Was bringt Tempo 30? - Was bringt Tempo 30 für die Luftqualität?“, https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/was-bringt-tempo-30/#tempo304 vom 01.02.2019 2 Westdeutscher Rundfunkt (WDR) (2019). „Was bringt Tempo 30? - Was bringt Tempo 30 für die Luftqualität?“, https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/was-bringt-tempo-30/#tempo304 vom 01.02.2019 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 5 2.2. Berliner Senat „Tempo 30“ Die Berliner Senatsverwaltung kommt nach ihren Untersuchungen zu dem Schluss: „Tempo 30“ reduziert im Stadtverkehr nachweislich den Stickoxidausstoß, indem die besonders schadstofflastigen Beschleunigungsvorgänge deutlich verringert werden. Genau das ist mit Verstetigung des Verkehrs gemeint. Die Emissionsminderung von Tempo 30 beruht also auf einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss mit einem höheren Anteil konstanter Fahrweise.“3 „Der Berliner Senat hat an drei Straßen über drei Jahre gemessen. Dort sanken die NO2-Werte nach Einführung von Tempo 30 zwischen 5,7 und 12,8 Prozent. Der elementare Kohlenstoff nahm ebenfalls ab (zwischen 0,3 und 2,2 Prozent) und geringfügig auch der Feinstaub (1,8 Prozent ).“4 Die Autoren berufen sich neben eigenen Untersuchungen u.a. auch auf eine Studie aus dem Jahr 2017, in deren Rahmen die Forscher die Abgasentwicklung an vier Fahrzeugen unterschiedlicher Technologie untersuchten, die alle der Norm Euro 6 entsprechen. Sie führten mit einem tragbaren Emissionsmesssystem (PEMS) Messungen für verschiedene Fahrbedingungen, im Labor und auf der Straße, durch. Die Forscher fanden u.a. heraus, dass bei einem dynamischeren Fahren, die NOx- und CO-Emissionsmessungen hohe Werte aufweisen.5 2.3. Allgemeiner Deutscher Automobil Club Eine Studie des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs aus dem Jahr 2018 kam zu einem anderen Ergebnis: „Im Ergebnis führt Tempo 30 weder zur Reduzierung der NOx- noch zur Einsparung von CO2-Emissionen, sondern insgesamt sogar zu schlechteren Ergebnissen. Somit ist die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h keine wirksame Maßnahme zur Vergleiche: Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) (2013). Vortrag „Ersteinschätzung der Wirkungsrichtung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen auf die NO X-Emissionen “, https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrstechnik/Publikationen/Veranstaltungen/V3-Luftqualitaet- 2013/luftqualit%C3%A4t-vortrag-toengens-schuller.pdf;jsessionid =AFDBBF7BC3B5997ED9DF62F2BE9340C0.live21303?__blob=publicationFile&v=1 Vergleiche: Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) (2011). Abschlussbericht „Vermessung des Abgasemissionsverhaltens von zwei Pkw und einem Fahrzeug der Transporterklasse im realen Straßenbetrieb in Stuttgart mittels PEMS -Technologie“, http://fachdokumente.lubw.badenwuerttemberg .de/servlet/is/126263/U40-U85-N02-Pkw_Euro4_PEMS_2011.pdf?command=downloadContent &filename=U40-U85-N02-Pkw_Euro4_PEMS_2011.pdf&FIS=91063 3 Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz „Tempo 30 - Vielfach belegt: Tempo 30 im Stadtverkehr sorgt für bessere Luft, für weniger Lärm und mehr Sicherheit“, https://www.berlin.de/hauptstadtluft /luftverbesserung/tempo-30/artikel.746139.php 4 Westdeutscher Rundfunkt (WDR) (2019). „Was bringt Tempo 30? - Was bringt Tempo 30 für die Luftqualität?“, https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/was-bringt-tempo-30/#tempo304 vom 01.02.2019 5 EMISIA SA, Mission for Environment, International Council on Clean Transportation (ICCT) (2017). Abschlussbericht „Real-world emissions testing on four vehicles“, https://theicct.org/sites/default/files/publications/EU- RDE-Vehicle-Testing_ICCT-EMISIA-Consultant-Report_29082017_vF.pdf und https://theicct.org/publications /real-world-emissions-testing-four-vehicles Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 6 Senkung der Pkw-Emissionen. Zudem zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass auch Dieselfahrzeuge schadstoffarm sein können.“ 6 2.4. Umweltbundesamt „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“ Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Tempo 30 die Luftschadstoffbelastung reduziert, wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses beizubehalten oder zu verbessern. Die nachfolgende Grafik zeigt die Differenzen der Emissionswerte dreier Straßenabschnitte für Tempo 50 und Tempo 30.7 6 Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz „Tempo 30 - Vielfach belegt: Tempo 30 im Stadtverkehr sorgt für bessere Luft, für weniger Lärm und mehr Sicherheit“, https://www.berlin.de/hauptstadtluft /luftverbesserung/tempo-30/artikel.746139.php Vergleiche: Allgemeiner Deutscher Automobil Club (ADAC) (2018). „Vergleich der Pkw-Emissionen bei Tempo 50 und 30 – Ergebnisse der Abgasmessungen auf dem Rollenprüfstand“, https://www.adac.de/_mmm/pdf/umwelt _abgasmessungen_t50_t30_fi_272879.pdf 7 Umweltbundesamt (UBA) (2016). „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“, Seite 14f, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen _von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 7 „Das UBA und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem der Verkehrsfluss für die Schadstoffmengen entscheidend ist. „Dies bedeutet, dass das Ziel einer Verkehrsberuhigung nicht nur die Geschwindigkeitsreduktion sein sollte, sondern gleichermaßen eine Verstetigung des Geschwindigkeitsverlaufes über längere Strecken beinhalten muss“, so die BASt. Tempo 30 kann die Schadstoffbelastung reduzieren, wenn der Verkehrsfluss beibehalten oder verbessert wird, so das UBA.“8 2.5. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie „Stickoxidemissionen von Kfz an Steigungsstrecken“ „Die Veröffentlichung beschreibt den Einfluss der Geschwindigkeit auf den Stickoxid-Ausstoß von Kraftfahrzeugen auf steilen Straßen. Basis sind Messungen an einzelnen Fahrzeugen. Ein höherer Stickoxid-Ausstoß mit zunehmender Geschwindigkeit wurde bei einem Diesel-PKW und dem LKW festgestellt.“ „Im Rahmen dieser Untersuchung wurden ausgewählte Personenkraftwagen und schwere Nutzfahrzeuge in Hinblick auf die erzeugten Emissionen an Steigungsstrecken vermessen. Der Fokus liegt hier bei der Analyse der emittierten Stickoxidemissionen.“9 Die folgenden Abbildungen zeigen den Verlauf der Emissionen und die gemittelten Stickoxidemissionen über den Streckenabschnitt für die unterschiedlichen Geschwindigkeitsstufen. 8 Westdeutscher Rundfunkt (WDR) (2019). „Was bringt Tempo 30? - Was bringt Tempo 30 für die Luftqualität?“, https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/was-bringt-tempo-30/#tempo304 vom 01.02.2019 Vergleiche: Umweltbundesamt (UBA), Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (2010). „Einfluss von verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf die PM10-Belastung an Straßen“, https://bast.opus.hbz-nrw.de/opus45-bast/frontdoor /deliver/index/docId/134/file/V189.pdf 9 Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) (2017). Schriftenreihe des LfULG, Heft 14/2017, Seite 21ff, https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/29877/documents/43763 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 102/19 Seite 8 2.6. Österreichisches Umweltbundesamt „Kenntnisstand zur (Umwelt- ) Wirkung von Tempolimits im Ortsgebiet“ Die Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: „Eine Emissionsminderung durch Einführung von Tempo 40 oder Tempo 30 ist - auf ebenen Hauptverkehrsstraßen - nach den Ergebnissen der PEMS-Messungen wie auch der PHEM10-Modellierung nicht zu erwarten.“ „Die Verstetigung des Verkehrsflusses bzw. des Fahrzeugbetriebs hat ein deutliches Potenzial zur Senkung der Schadstoffemissionen:“ Die Reduzierung der Stopp-Anteile führt zu deutlicher Emissionsminderung und die Reduzierung von Beschleunigungsvorgängen senkt Emissionen (beispielsweise für NOx um den Faktor 2).11 2.7. Madrid Die Wissenschaftler untersuchten die Emissionswerte bei 30 und 50 km/h in der Madrider Innenstadt . Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich durch die Reduzierung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h auf 30 km/h bei normaler Fahrweise die Fahrzeit nicht erhöht, aber der Kraftstoffverbrauch und NOx-, CO- und Feinstaub-Emissionen deutlich abnehmen.12 *** 10 PHEM = Simulationssoftware für Verbrennungsmotoren 11 Scholz, W., Österreichisches Umweltbundesamt (LUBW) (2014). Vortrag „Kenntnisstand zur (Umwelt-)Wirkung von Tempolimits im Ortsgebiet“, https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/veranstaltungen /2014/05_Scholz_LUBW_Kenntnisstand_Tempolimits_Ortsgebiet.pdf 12 Casanova, J., et al., (2012).“Environmental Assessment of Low Speed Policies for Motor Vehicle Mobility in City Centres“, Global NEST Journal, Vol 14, No 2, pp 192-201, 2012, http://oa.upm.es/13681/1/INVE_MEM_2011_115211.pdf