© 2019 Deutscher Bundestag WD 8 - 3000 - 098/19 Einzelfragen zu Halbtags- und Ganztagsschulen in Europa Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 2 Einzelfragen zu Halbtags- und Ganztagsschulen in Europa Aktenzeichen: WD 8 - 3000 - 098/19 Abschluss der Arbeit: 28.08.2019 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Forschungsstand bis zum Jahr 2009 4 2. Finanzierung des Bildungswesens in Europa 8 2.1. Gesamtausgaben für Bildungseinrichtungen pro vollzeitäquivalenten Bildungsteilnehmer (2015) 8 2.2. Gesamtausgaben für Bildungseinrichtungen als Prozentsatz des BIP (2015) 9 3. Schuldauer in den OECD-Staaten 10 4. Das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) 13 5. Die aktuelle Ganztagsschulstatistik der Kultusministerkonferenz 2018 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 4 1. Einleitung und Forschungsstand bis zum Jahr 2009 „In den meisten europäischen Ländern wurden Bildungssysteme im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts aufgebaut und organisiert. Einen beträchtlichen, weltweiten Einfluss hatte das seinerzeit als pionierhaft geltende preußische Bildungswesen. Das französische und das englische Modell der schulischen Organisation und insbesondere der Ganztagsschule als Norm sind im Zusammenhang mit der Kolonisierung weltweit einflussreich gewesen. Dem Aspekt der zeitlichen Organisation, wie Anzahl der Unterrichtsstunden pro Tag, pro Woche und pro Jahr, Abwechslung von Unterricht und Pausen, Unterrichtsperioden und Ferien, wurde beim Aufbau öffentlicher Bildungssysteme höchste Aufmerksamkeit geschenkt.“1 Einige nationale Bildungssysteme Westeuropas haben die Pflichtschule von Anfang an als Ganztagsschule konzipiert (Frankreich und England). Andere haben das Ganztagsmodell im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführt und es flächendeckend beibehalten, wie z.B. Schweden. Wieder andere Staaten haben ab den 1960er-Jahren das Ganztagsmodell als Alternative fakultativ eingeführt, so dass es auf deren Territorien ungleich verfügbar ist. Dies gilt insbesondere für Deutschland und für die südeuropäischen Mittelmeerländern Portugal, Spanien, Italien und Griechenland .2 „Deutschsprachige Länder haben seit der Entstehung ihrer Schulsysteme von Anfang an teilweise das Ganztagsmodell (allerdings meistens ohne betreute Mittagspause), teilweise das Halbtagsmodell angewandt, oder Letzteres zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführt und dann weitgehend beibehalten.“3 „In osteuropäischen Ländern waren ganztägige Schulen während der staatssozialistischen Zeit die Regel. Allerdings kann in der ehemaligen Sowjetunion und - nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems in der heutigen Russischen Föderation - nicht von einem flächendeckenden , für alle verbindliche Ganztagsmodell analog dem französischen, dem englischen oder dem schwedischen die Rede sein. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die öffentliche Schule auf verschiedene Weise um außerschulische Angebote ergänzt. Bei diesem Prozess flossen Ideen aus heterogenen Quellen ein: sowjetische und nordamerikanische reformpädagogische Theorien und Entwicklungsmodelle, Konzepte der außerschulischen Erziehung in Jugendorganisationen , in jüngster Zeit auch marktorientierte Angebote, die im Rahmen der ergänzenden Schule nach dem Prinzip der freien Wahl den Kindern und Jugendlichen zahlreiche Entfaltungsmöglichkeiten bieten sollen. In osteuropäischen Ländern war in der staatssozialistischen Zeit die Leitidee maßgebend, dass Kleinkinder und Schüler unter staatlicher Aufsicht vollumfänglich erzogen , gebildet und betreut werden sollten. Maßgebend war dabei die sozialistische Ideologie mit 1 Allemann-Ghionda, Cristina (2009). Ganztagsschule im europäischen Vergleich. Zeitpolitiken modernisieren – durch Vergleich Standards setzen? Aus: Stecher, Ludwig; u.a. (Hrsg.) (2009). Ganztägige Bildung und Betreuung . Zeitschrift für Pädagogik 54. Beiheft, S. 194. https://www.pedocs.de/volltexte/2012/6965/pdf/Allemann _Ghionda_Ganztagsschule_im_europaeischen_Vergleich.pdf 2 Vergleiche ebenda. 3 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 5 den Imperativen der lückenlosen Erwerbstätigkeit der Frauen und der möglichst weitgehenden Überwachung von Bildung und Erziehung durch den Staat, kombiniert mit einer gezielten Bevölkerungspolitik .“4 Aus der damaligen Sicht konnten im europäischen Vergleich folgende Modelle der Ganztagsschule benannt werden: - „das laizistisch-republikanische Modell (Frankreich); - das neoliberal-privatistische Modell (Vereinigtes Königreich); - das sozialstaatlich-aktivierende Modell (Schweden) - das fakultative, regional ungleich verteilte Modell auf staatlicher Basis (Italien); - das offene, marktorientierte Modell unter staatlicher Aufsicht (Russland) - das unter den Aspekten des Föderalismus und der Formen (gebunden und offen) heterogene Modell (Deutschland). Die ersten drei Modelle sind flächendeckend, gebunden und obligatorisch, wobei in Schweden Deregulierungstendenzen erkennbar sind. Die letzten drei Modelle sind offen oder nur teilweise gebunden. Aus vorhandenen Quellen kann – wenngleich noch lückenhaft – rekonstruiert werden , welche materiellen Bedingungen prägend und welche Überlegungen – sei es ideologischer, sei es pädagogischer Art – leitend waren, wenn es galt, das Halbtags- oder das Ganztagsmodell oder Mischformen zu befürworten und zu etablieren, oder aber zu demontieren, wie seit Beginn der 2000er-Jahre in Italien beobachtet wird. In den hier skizzenhaft vorgestellten Modellen der Ganztagsschule – Deutschland wird hierbei ausgeklammert – sind folgende gemeinsamen Merkmale erkennbar: - Die ganztägige Organisation erfolgt im Rahmen von flächendeckenden Gesamtschulen, denn im Rahmen von Strukturreformen haben die Bildungssysteme der hier betrachteten westlichen Länder im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts mehrgliedrige Schulformen zugunsten einer einheitlichen Pflichtschule aufgegeben. In der Sowjetunion sowie in allen sozialistischen Staaten gab es – mit nationalen Variationen – eine Einheitsschule (für die Russische Föderation bzw. die Sowjetunion vgl. Schmidt 2004). - Die ganztägige Organisation umfasst die vorschulische Erziehung ebenso wie die Pflichtschule . - Das Lehrpersonal ist ebenso wie das betreuende Personal durchweg pädagogisch qualifiziert; dies gilt für die schulische ebenso wie für die vorschulische Erziehung. - Das Ganztagsmodell wird entweder widerspruchslos akzeptiert (Frankreich, Vereinigtes Königreich , Schweden), oder es stellt eine willkommene Alternative dar, ohne dass dies zu den ideologischen Kämpfen über die Rolle der Familie und der Mutter Anlass gibt, die in 4 Ebenda: 194f. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 6 Deutschland, Österreich und der deutschen Schweiz die Debatte um die Durchsetzung des Ganztagsmodells zumindest als parallele Alternative zum Halbtagsmodell prägen.“5 Nach der Wende begannen osteuropäische Staaten ähnliche Organisationsformen wie in Deutschland oder Österreich einzuführen, „so dass Halbtags- oder Dreivierteltagsschulen neben eher lockeren Ganztagsangeboten existieren. Dies gilt auch für Russland. Neuere Entwicklungen in Osteuropa legen nahe, dass in postsozialistischen Gesellschaften die Halbtagsorganisation von schulischen und vorschulischen Institutionen durchaus akzeptiert und erwünscht wird – als Kontrast zur erzwungenen Ganztagsorganisation in staatssozialistischen Regimes.“6 „Unterschiedlich gestaltet sich in den Ländern der Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit bzw. Nutzung der Ganztagsschule, Geburtenrate und Erwerbstätigkeit der Frauen, insbesondere der Mütter. Es liegt eine starke Korrelation zwischen einer flächendeckenden, verpflichtenden Ganztagsschule – kombiniert mit weiteren familienfreundlichen Einrichtungen und Maßnahmen – einer hohen Geburtenrate und einem hohen Grad der Erwerbstätigkeit von Frauen vor, wie die Daten in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in den skandinavischen Ländern belegen, wobei Finnland hinsichtlich der zeitlichen Organisation in Skandinavien einen Sonderfall darstellt. Doch nicht allein die Verfügbarkeit von Ganztagsschulen und vorschulischen Einrichtungen, sondern ein Zusammenspiel von Faktoren, wie die Qualität der bildungspolitischen und familienpolitischen Maßnahmen und Einrichtungen, können höhere Geburtenraten und ein höheres Ausmaß der Erwerbstätigkeit von Frauen begünstigen. Der Ost-West-Vergleich in Europa zeigt: Das westdeutsche (heute gesamtdeutsche) Halbtagsmodell stellt keinen Sonderweg dar. In den meisten Ländern Westeuropas (sowie der OECD) ist die Ganztagsschule überwiegend die Regel, wobei aber die Art der Organisation und der Grad der Verbindlichkeit erheblich variieren. Das Ganztagsmodell bleibt in einigen Ländern bislang fakultativ und auf dem Territorium ungleich verfügbar. In Westeuropa bilden Frankreich, das Vereinigte Königreich und die skandinavischen Länder (…) das Bollwerk der ganztägigen Schule und vorschulischen Erziehung – kombiniert mit effektiven sozial- und familienpolitischen Rahmenbedingungen. Im Osten wie im Westen entwickeln sich in vielen Ländern Mischformen der ganztägigen Vorschule, Schule, Erziehung und Betreuung , weil der Staat sich teilweise zurückzieht und der private Sektor in die Schule Einzug hält, weil die Pluralität der Werte- und Normensysteme solchen Mischformen offenbar entgegenkommt , und – möglicherweise – weil vermehrtes empirisch gestütztes Wissen dazu anregt, über die Angemessenheit und Qualität von Halbtags- oder Ganztagsstrukturen oder Mischformen nachzudenken. 5 Ebenda: 195. 6 Ebenda: 196. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 7 In einer ersten Annäherung kann festgestellt werden: der bis zur Wende frappante Gegensatz zwischen dem deutschen (deutschsprachigen) Sonderweg Halbtagsschule und dem andernorts üblichen Königsweg Ganztagsschule löst sich zunehmend auf.“7 7 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 8 2. Finanzierung des Bildungswesens in Europa 2.1. Gesamtausgaben für Bildungseinrichtungen pro vollzeitäquivalenten Bildungsteilnehmer (2015)8 8 OECD (2018). Bildung auf einen Blick 2018. OECD-Indikatoren, S. 329. https://www.oecd-ilibrary.org/docserver /6001821lw.pdf?expires=1566291529&id=id&accname =ocid177634&checksum=785185A548D6DD3B9E3E7A3C1F3B6022 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 9 2.2. Gesamtausgaben für Bildungseinrichtungen als Prozentsatz des BIP (2015)9 9 Ebenda: 343. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 10 3. Schuldauer in den OECD-Staaten In den OECD-Ländern beträgt die durchschnittliche geplante Gesamtunterrichtszeit im gesamten Primarbereich und im Sekundarbereich I 7 751 Stunden, aber diese Zahl verbirgt erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern. Die Anforderungen an die formale Unterrichtszeit reichen von 6 054 Stunden in Ungarn bis 10 710 Stunden in Australien. Während dieser Stunden bieten die Schulen Unterricht in Pflichtfächern und gegebenenfalls in nicht verpflichtende Fächern an. Der Anteil der nichtobligatorischen Zeit ist jedoch relativ begrenzt (Abbildung 1).10 10 OECD (2014). Education Indicators in Focus. How much time do primary and lower secondary students spend in the classroom? S.1. https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/5jz44fnl1t6k-en.pdf?expires =1566910514&id=id&accname=guest&checksum=13D43DA586ECD098BEB1B68801A77262 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 11 „In OECD-Ländern sollten Grundschüler durchschnittlich 802 Stunden Unterrichtszeit pro Jahr erhalten. Nur in Australien, Kanada, Chile, der französischen Gemeinschaft Belgiens, Israels, Luxemburgs , den Niederlanden und Portugal sind es mehr als 900 Stunden. Schüler der Sekundarstufe I sollten durchschnittlich 122 Stunden mehr Unterricht pro Jahr erhalten als Grundschüler. Die Differenz übersteigt 200 Stunden in der Tschechischen Republik, Finnland, Frankreich, Ungarn , Korea und Mexiko. Lesen, Schreiben und Literatur sowie Mathematik und Naturwissenschaften machen die Hälfte des Pflichtlehrplans aus. Die für die Fächer im Primar- und Sekundarbereich I aufgewendete Zeit ist in den OECD-Ländern unterschiedlich (Abbildung 2), es können jedoch einige Muster festgestellt werden. In beiden Bildungsstufen entfallen rund drei Viertel der Lernzeit auf sechs Fächer: Lesen, Schreiben und Literatur; Mathematik; Wissenschaft; Sozialwissenschaften; moderne Fremdsprachen und Künste. In der Grundschule konzentrieren sich rund 50% der Pflichtstunden auf die Fächer Lesen, Schreiben und Literatur. Mathematik und Wissenschaft. Einige Länder widmen diesen Themen weniger Zeit, 38% der Zeit in Deutschland und 40% in Island, während andere viel mehr Zeit widmen (die drei Fächer machen 77% des Hauptlehrplans in Mexiko aus). Lesen, Schreiben und Literatur haben im Primarbereich die höchste Priorität (durchschnittlich ein Viertel der Zeit). Grundschüler verbringen mehr als ein Drittel ihrer Zeit mit diesem Thema in Mexiko (35%), Frankreich (37%) und Ungarn (38%). Moderne Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften spielen im Sekundarbereich I eine größere Rolle. Im Sekundarbereich I beginnt sich die fachliche Betonung zu ändern. Während der durchschnittliche Zeitaufwand für Lesen, Schreiben und Literatur von 26% auf 16% sinkt, steigt der Fremdsprachenunterricht von 6% auf 14%. In ähnlicher Weise widmen die meisten Länder im Primarbereich mindestens zweimal mehr Zeit dem Mathematikunterricht als den Naturwissenschaften, aber im Sekundarbereich I wird der für beide Fächer aufgewendete Teil der Zeit gleichmäßiger. Auch hier variieren die tatsächlichen Anteile, wobei sich einige Länder weiterhin stärker auf Mathematik konzentrieren Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 12 (z. B. die flämische Gemeinschaft in Belgien, Italien), während andere mehr Zeit für Naturwissenschaften aufwenden (z. B. Estland und Finnland).“ 11 „Kunst und Sport haben weiterhin einen festen Platz im Pflichtlehrplan; der Technik wird relativ wenig Zeit gewidmet. Die Länge des Schuljahres ist auch von Land zu Land sehr unterschiedlich. In den OECD-Ländern konzentrieren sich die Kunstlehrpläne in der Regel auf bildende Kunst, Musik, Theater und Tanz. Die für die Kunst aufgewendete Zeit liegt zwischen 5% und 20% des obligatorischen Lehrplans in der Grundschule. In den meisten OECD-Ländern wird im Sekundarbereich I weniger Zeit dafür zur Verfügung gestellt, es gibt jedoch einige Ausnahmen, wie beispielsweise in Österreich. Künste werden oft als Wahlfächer in der Sekundarstufe I angeboten, so dass manche Schüler tatsächlich mehr Künste in den höheren Klassenstufen studieren. Die Verteilung des Sportunterrichts im Primarbereich und im Sekundarbereich I in den OECD- Ländern ist relativ konsistent (9% im Primarbereich und 8% im Sekundarbereich I). Die Zeit für Technologie ist auf beiden Ebenen relativ kurz (1% in der Primarstufe und 3% in der Sekundarstufe I). In einigen Ländern wie Chile (7% im Primarbereich), Italien und England (7% im Sekundarbereich I und 13% im Sekundarbereich I) wird der Technologie jedoch mehr Unterrichtszeit eingeräumt. Darüber hinaus könnte die Technologie als Instrument zum Lernen in anderen Fächern eingesetzt werden, auch wenn sie nicht als bestimmtes Fach im Pflichtlehrplan vorgesehen ist. Die Länder müssen nicht nur die Anzahl der Unterrichtsstunden festlegen, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich auf das Schuljahr und den Schultag verteilen, um die Lernergebnisse zu maximieren. Ein zu langer Schultag kann dazu führen, dass die Schüler nur wenig Zeit zum Aufholen haben, während die gleichen Gesamtstunden, die auf mehrere Schulwochen verteilt sind, eine größere Flexibilität bei der Organisation des Schultages bieten und es ermöglichen können, einzelne Unterstützungssitzungen produktiver durchzuführen mal. In einigen Ländern ist die Anzahl der Unterrichtswochen kürzer als der Durchschnitt, was den Schülern zeitintensivere Schultage ermöglicht (z. B. Belgien, Kanada, Frankreich, Island, Irland, Luxemburg und Spanien ). In anderen Ländern (z. B. Australien, Italien und den Niederlanden) ist eine ähnliche Anzahl von Stunden auf mehrere Schulwochen verteilt, was einen weniger intensiven Schultag bedeutet (Abbildung 3). Die enormen Unterschiede zwischen den Ländern in beiden Dimensionen in Abbildung 3 und ihre schwache Korrelation lassen darauf schließen, dass es unter den Ländern wenig Konsens darüber gibt, was die Evidenz über die effektivsten Strategien in Bezug auf die Unterrichtszeit aussagt.“12 11 Ebenda: 2. 12 Ebenda: 3. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 13 Ebenda. 4. Das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) „Nach dem ersten "PISA-Schock" waren sich Bund und Länder einig, als eine der zentralen Maßnahmen den Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen voranzutreiben. Sie beschlossen das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB). Nach Angaben der Länder wurden von 2003 bis 2009 insgesamt 8.262 Ganztagsschulen mit Bundesmitteln gefördert. Anschließend haben die Länder weitere umfangreiche Anstrengungen zum Auf- und Ausbau sowie zur qualitativen Weiterentwicklung schulischer Ganztagsangebote unternommen.“13 Die nachfolgende Tabelle beschreibt die Anzahl der geförderten Schulen zwischen 2003 und 2009 in den einzelnen Bundesländern: 13 BMBF (2009). Ganztagsschulen. Bundesländer. https://www.ganztagsschulen.org/de/3443.php Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 14 Ebenda. Förderung der Bundesländer durch das IZBB14 Die Fördersummen aus dem Investitionsprogramm des Bundes "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) für die Jahre 2003-2009 betrugen insgesamt für: Baden-Württemberg 528.310.372 EUR Bayern 595.541.888 EUR Berlin 147.186.407 EUR Brandenburg 130.054.625 EUR Bremen 28.282.101 EUR Hamburg 66.780.069 EUR Hessen 278.321.439 EUR 14 Ebenda. Eigene Zusammenstellung aus den Links zu den Bundesländern. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 15 Mecklenburg-Vorpommern 198.440.621 EUR Niedersachsen 394.617.429 EUR Nordrhein-Westfalen 913.967.660 EUR Rheinland-Pfalz 198.440.621 EUR Saarland 49.036.422 EUR Sachsen 200.343.276 EUR Sachsen-Anhalt 125.874.570 EUR Schleswig-Holstein 135.041.588 EUR Thüringen 114.447.246 EUR 5. Die aktuelle Ganztagsschulstatistik der Kultusministerkonferenz 2018 Am 11. März legte die Kultusministerkonferenz (KMK) eine aktuelle Statistik über „Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland – Statistik 2013 bis 2017“ vor. Darin erklärt die KMK, dass wie in den Vorjahren die steigende gesellschaftliche Bedeutung schulischer Ganztagsangebote in Deutschland hervorgehoben ist. „Als Ursachen dafür werden der hohe Bedarf nach ganztägiger Betreuung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die durch PISA angeregte Diskussion über die besten Rahmenbedingungen für schulisches Lernen gesehen. (…) Nach der aktuellen Statistik für das Schuljahr 2017/2018 hat sich die Zahl der Ganztagsangebote und die Zahl der am Ganztag teilnehmenden Schülerinnen und Schüler seit der erstmaligen amtlichen Zählung der Kultusministerkonferenz im Schuljahr 2002/2003 kontinuierlich erhöht: 18.686 schulische Verwaltungseinheiten im Primarbereich und in der Sekundarstufe I (69 % verfügten im Schuljahr 2017/2018 über Ganztagsangebote (2002/2003: 4.951 = 16,3 %). Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr betrug rund 1,5 Prozentpunkte. Die höchsten Anteile verzeichnen nach der Statistik die Länder Sachsen (97,3 %), Saarland (96 %), Hamburg (95,6 %), Rheinland-Pfalz (89,4%), Berlin (82,4 %), Thüringen (76,3 %), Nordrhein -Westfalen (75,8 %) und Bayern (75,2%). Nach Schularten haben die Integrierten Gesamtschulen mit 87,8 % weiterhin die höchsten Anteile an Ganztagsschulen, gefolgt von den Schularten mit mehreren Bildungsgängen (81,7 %), Förderschulen (74,4 %), Hauptschulen (72 %), und Gymnasien (64,2 %). Der Anteil der Grundschulen mit Ganztagsbetrieb hat sich mit 68,2 % – bei Unterschieden zwischen den Ländern zwischen 100 % und 26,8 % – seit 2002 versechsfacht. Im Schuljahr 2017/2018 nahmen bundesweit knapp 3,2 Millionen Schülerinnen und Schüler am Ganztagsschulbetrieb teil, das sind 43,9 % aller Schülerinnen und Schüler im Primarbereich und Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 8 - 3000 - 098/19 Seite 16 in der Sekundarstufe I (2002: 9,8 %). Überdurchschnittliche Teilnahmequoten verzeichnen Hamburg (92,7 %), Sachsen (80,7%), Berlin (64,7 %), Thüringen (52,5 %), Nordrhein-Westfalen (50 %) und Brandenburg (49,3 %). Nach Schularten stieg der Anteil teilnehmender Schülerinnen und Schüler am stärksten in Schulen mit mehreren Bildungsgängen, in denen fast zwei Drittel Ganztagsangebote nutzen (2002: 3,7 %; 2017: 61,5 %). Die Teilnahme in Grundschulen hat sich seit 2002 (4,2 %) verzehnfacht (2017: 41,7 %), ebenso in Gymnasien (2017: 34,3 %; 2002: 3,9 %). Nach Organisationsformen dominiert die offene Form bei Grundschulen, Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen. Die teilgebundene und die voll gebundene Form wählen eher Schulen mit mehreren Bildungsgängen, IGS und Förderschulen.“15 Ob der Ganztagsschulbetrieb zukünftig weiter ausgebaut wird, hängt von den (finanziellen) Möglichkeiten ab und im Ermessen der jeweiligen Bundesländer. *** 15 KMK (2019). Neue KMK-Statistik für Ganztagsschulen 2017/2018. 11.03.2019. https://www.ganztagsschulen .org/de/32176.php