Deutscher Bundestag Technikpolitik im Deutschen Bundestag Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 8- 086-12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 2 Technikpolitik im Deutschen Bundestag Aktenzeichen: WD 8- 086-12 Abschluss der Arbeit: 28. November 2012 Fachbereich: WD 8: Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Bildung und Forschung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zielsetzung 4 2. Teil 1 zur Beantwortung der Anfrage vom 08.11.2012 4 2.1. Parlamentsdokumentation DIP 4 2.2. Technikpolitik an Beispielen 4 2.2.1. CO2 – Abscheidung und – Speicherung 4 2.2.2. Telemediengesetz (TMG) 6 2.3. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 4 1. Zielsetzung Die erbetenen Informationen sollen aufzeigen, in welcher Weise sich der Deutsche Bundestag mit Entscheidungen über Technikfolgenentwicklungen und deren konkreten Anwendungen befasst. Es sollen mit der Zulieferung systematische Einblicke gegeben werden können. 2. Teil 1 zur Beantwortung der Anfrage vom 08.11.2012 In diesem Teil der Beantwortung soll die Frage behandelt werden, ob die Erstellung einer Übersicht zu Entscheidungen in den Themengebieten Technologien und technische Systeme möglich ist. 2.1. Parlamentsdokumentation DIP Die Suchläufe wurden in DIP ausschließlich für die 17. Wahlperiode durchgeführt. Dabei wurde zunächst quantitativ, allein die Anzahl der Vorgänge betrachtet und danach qualitativ mit Unterstützung des Thesaurus für das Gebiet Technologien/technologische Systeme gesucht. In der 17. Wahlperiode wurden 2389 Vorgänge in den Bereichen %tech% behandelt. Dieser Suchlauf beinhaltet nur die Fachgebiete, die mit Technologien oder Technik verschlagwortet wurden. Technologien wie beispielsweise Kraftwerke oder Anlagen sind dort nicht berücksichtigt worden. Eine erweiterte Suche unter Zuhilfenahme des Thesaurus und Berücksichtigung von Unterbegriffen liefert eine sehr unübersichtliche Anzahl von Treffern die zunächst keine Systematik der Technikpolitik oder deren Prioritäten erkennen lässt. Um eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit zu dokumentieren, scheint es zweckmäßiger, diese anhand von Beispielen zu beschreiben. Zwei ausgewählte Themen, die in den Ausschüssen Bildung , Forschung und Technikfolgenabschätzung und Wirtschaft und Technologie behandelt wurden und auf breites Interesse in der Öffentlichkeit stoßen, werden im Folgenden näher ausgeführt . 2.2. Technikpolitik an Beispielen 2.2.1. CO2 – Abscheidung und – Speicherung Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung (engl. Carbon Dioxide Capture and Storage) ist eine Technik, die die Reduzierung von CO2-Emissionen in die Atmosphäre durch deren Abfangen und Injektion in unterirdische Gesteinsschichten auf unbegrenzte Zeit (CO2-Sequestrierung) ermöglichen soll. CO2 wirkt in der Atmosphäre als Treibhausgas und wird als eine Ursache der globalen Erwärmung angesehen. Die CO2-Speicherkapazitäten in Deutschland betragen, wenn ein unterster Kapazitätswert angenommen wird, etwa 14,5 Gigatonnen CO2. Die aus deutschen Kraftwerken entstandenen CO2- Emissionen summieren sich auf 0,35 Gt/Jahr. Rein rechnerische würden diese Emissionen die Kapazitäten in 41 Jahren ausgefüllt haben (http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien /mysql_medien.php?anfrage=Kennummer&Suchwort=3074). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 5 Grundlage aller Betrachtungen stellt das Ziel dar, die Kohlendioxidemissionen in Deutschland bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken. „Dieses Ziel soll unter anderem durch die unterirdische Speicherung des Treibhausgases erreicht werden. Um für die Erprobung entsprechender Technologien einen Rechtsrahmen zu schaffen, hat die Bundesregierung im Umweltausschuss einen Entwurf des ”Gesetzes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid“ (17/5750) vorgelegt. Der Entwurf wurde mit den Stimmen der Koalition und gegen die Stimmen der Opposition im Juli 2011 angenommen (http://www.bundestag .de/presse/hib/2011_07/2011_285/03.html). Zu dieser Thematik gibt es im Vorfeld eine ausführliche Auseinandersetzung in deren Verlauf vom Umweltbundesamt ein Positionspapier mit dem Titel „Technische Abscheidung und Speicherung von CO2 – nur eine Übergangslösung“, Dessau August 2006 in einer Kurz- und Langfassung , erarbeitet wurde (http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/mysql_medien .php?anfrage=Kennummer&Suchwort=3074). In diesem Papier wird deutlich herausgestellt, dass neben der Berücksichtigung möglicher Auswirkungen auf andere Umwelt- und Gesundheitsbereiche auch der nationale und internationale Rechtsrahmen entwickelt werden muss. Hierzu heißt es im Sachstandbericht des TAB (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag) „CO2-Abscheidung und -Lagerung bei Kraftwerken“ zum Monitoring "Nachhaltige Energieversorgung" vom 01.07.2008 zum Handlungsbedarf: „Zum anderen besteht unmittelbarer und zeitlich drängender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber bei der Schaffung eines adäquaten Regulierungsrahmens. Drei wesentliche Ziele sollten damit erreicht werden: (1) die rechtliche Zulässigkeit von CCS sicher zu stellen, (2) den Umgang mit den Risiken von CCS und die Haftung für mögliche Schäden zu klären sowie (3) Anreize zu schaffen, damit CCS tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird.“ (http://www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte /ab120.html). Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat ebenfalls 2008 in seinem Umweltgutachten eine erste Einschätzung zu den Potenzialen, Kosten und Risiken von CCS vorgelegt (SRU 2008, Tz. 213–218). Im anschließenden Verlauf der Erarbeitung des Gesetzentwurfs veröffentlichte im April 2009 der SRU seine Stellungnahme Nr. 13 zur „Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid “. In dieser Stellungnahme wurde der von der Bundesregierung erarbeitete Gesetzentwurf im Hinblick auf die begleitenden ökologischen Risiken beim Einsatz dieser Technologie, über den ökologischen und wirtschaftlichen Nutzen bis hin zur Gestaltung des Rechtsrahmens diskutiert. Dabei stand die kritische Auseinandersetzung, inwieweit die CCS – Technologie zu anderen Klimaschutzoptionen steht und wie das geplante Gesetz dieses Verhältnis regelt, im Vordergrund. (http://www.umweltrat.de/cae/servlet/contentblob/468434/publicationFile/35861/2009_Stellung _Abscheidung_Transport_und_Speicherung_von_Kohlendioxid.pdf) Allerdings so heißt es auch, befinden sich die CCS-Technologien derzeit noch im Entwicklungsstadium und ”sind deshalb auf ihre wirtschaftliche und technische Machbarkeit sowie auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit sowie Natur und Umwelt hin im großtechnischen Maß- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 6 stab zu überprüfen“. Zu ihrer Erprobung müsse ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der ”Untersuchung , Errichtung, Betrieb, Überwachung, Stilllegung und Übertragung der Verantwortung für Demonstrationsspeicher sowie die Regulierung des Anschlusses und des Zugangs zu Kohlendioxidleitungen und zu Kohlendioxidspeichern“ regelt („Erprobung unterirdischer Treibhausgas-Speicherung beschlossen “, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - 06.07.2011). Der Gesetzesentwurf scheiterte zunächst im Bundesrat. Nach monatelanger Verhandlung unter Hinzuziehung des Vermittlungsausschusses wurde das „Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Kohlendioxid-Speicherungsgesetz – KSpG)“ von Bundestag und Bundesrat mit Änderungen im August 2012 verabschiedet (17/5750). In der Begründung des Gesetzes heißt es: „Die sogenannten CCS-Technologien sollen eine Perspektive bieten, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) aus Industrieanlagen und Kraftwerken in die Atmosphäre zu vermindern.“ Das Gesetz begrenzt die Höchstspeichermenge für Deutschland von insgesamt vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und 1,3 Millionen Tonnen gespeichertes CO2 pro Jahr und enthält zudem eine Länderklausel, die den einzelnen Bundesländern die Option zum Verbot der CO2-Speicherung im Land ermöglichen soll. Damit hat Deutschland die EU-Richtlinie 2009/31/EG in nationales Recht umgesetzt. 2.2.2. Telemediengesetz (TMG) Telemedien ist als Rechtsbegriff eine Zusammenfassung der elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste. Zu dem im TMG behandelten Medien gehören Angebote des Internets wie Webportale, Online – Auktionshäuser, Suchmaschinen, Chatrooms, Informationsdienste (wie z.B. Wetterdienste) und Online-Shops. Private Websites und Blogs gehören ebenso dazu, das Internetfernsehen und die Internet – Telefonie jedoch nicht. Im TMG werden beispielsweise Rahmenbedingungen zum Impressum, Datenschutzrichtlinien, Vorschriften zur Bekämpfung von Spam (Werbe-E-Mails) und die Haftung von Dienstbetreibern für gesetzwidrige Inhalte der Telemediendienste geregelt. Drei unterschiedliche Regelwerke wurden im TMG zusammengefasst. Mit dem Inkrafttreten des TMG wurden das Teledienstegesetz (TDG), das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) und weitgehend der Mediensdienste-Staatsvertrag (MDStV) abgelöst. Lediglich einige inhaltlich ergänzende Vorschriften wurden im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) aufgenommen. Das TMG wird auch im allgemeinen Sprachgebrauch als „Internetgesetz“ bezeichnet. Ein erster Entwurf aus dem Jahr 2005 mündete insbesondere nach kritischen Stellungnahmen der Datenschützer zur Regelung des Datenschutzes der Internetnutzer in einem Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Elektronischer-Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz - ElGVG) (G- SIG:16019266). Dieser Entwurf wurde 2006 eingebracht (556/06), wenige Monate später vom Bundesrat mit Änderungsvorschlägen und einer Prüfungsbitte zugestimmt, vom Bundestag verabschiedet und am 1. März 2007 verkündet (heise online vom 11.05.2005 18:55 „Heftige Kritik am Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 7 Telemediengesetz-Entwurf“, http://www.heise.de/newsticker/meldung/Heftige-Kritik-am-Telemediengesetz -Entwurf-160185.html). Zusätzlich regelt das Gesetz die Vorschriften zu sogenannten Spam-E-Mails, nach der Werbe-E- Mails schon vor dem Öffnen als solche erkennbar sein müssen und die Einschränkungen des Impressums für die private Homepage. Neu aufgenommen wurde u.a. die Regelung, dass die Herausgabe von bestimmten Nutzerdaten auch bei privatrechtlichen Auseinandersetzungen verlangt werden kann. In den Folgejahren wurden wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte und Entwicklungen berücksichtigt und Ergänzungen und Aktualisierungen des TMG vorgenommen. Einige Aspekte sollen im Folgenden exemplarisch dargestellt werden. Im November 2008 startete ein Projekt „Telemedia-Wiki“ im Internet, dass einen alternativen Entwurf zum TMG entwickeln sollte. Das Projekt ist kurze Zeit später, Anfang 2009, eingestellt worden (http://tmg.telemedicus.info/wiki/Telemediengesetz). Teile des TMG wurde 2009 mit dem Ziel, den Zugang auf Web-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu erschweren, mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen “ geändert. Änderungen zum Gesetz haben auch europäische Impulse als Auslöser. So wurde im Jahr 2010 ein von der Bundesregierung Entwurf (17/718) vorgelegt, der wirtschaftsbezogene Regelungen für Telemedien vorgibt und inhaltsbezogene Anforderungen und die Aufsicht als Ländersache belässt . Nicht alle europäischen Impulse können auch umgesetzt werden. Ein Antrag aus dem Jahr 2012 zur Änderung des TMG, nachdem der Einsatz von Cookies nur noch nach Zustimmung des Anwenders ermöglichst werden soll (29.2.2012, 17:06 golem.de „SPD mit Cookie-Verbot gescheitert “, http://www.golem.de/news/telemediengesetz-spd-mit-cookie-verbot-gescheitert-1202- 90151.html), ist nicht verabschiedet worden. Damit ist eine Änderung der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der elektronischen Kommunikation nicht umgesetzt worden (17/8454). 2.3. Fazit Die Übersichtsrecherche in DIP hat gezeigt, dass sich der deutsche Bundestag grundsätzlich in aller gebotenen Ausführlichkeit mit den Themengebieten zu Technologien und technischen Systemen befasst. Da die einzelnen Themengebiete sehr unterschiedlich motiviert sind, beispielsweise gesellschaftlichen , wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungen unterliegen oder aber die Umsetzung von EU – Richtlinien als Anstoß inne haben, so ist auch die Vorgehensweise der „Technikpolitik “ facettenreich und vom jeweiligen Thema und Themengebiet abhängig. Generell gilt, dass Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 8- 086-12 Seite 8 Technikpolitik auch in der parlamentarischen Arbeit einen hohen Stellenwert besitzt und grundsätzlich einen Querschnitt über viele parlamentarische Themenfelder bildet. Eins haben die aufgeführten Beispiele gemein. Bei allen findet eine kritische Auseinandersetzung der geplanten und vorgelegten Gesetzesentwürfe und Gesetzesänderungen und deren Auswirkungen unter Einbeziehung aller betroffenen Bereiche, wie beispielsweise Experten, Körperschaften, Wirtschaft und Bürgern statt. Weitere repräsentative Themengebiete, die gesellschaftlich relevant sind und als Beispiel für eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit dienen könnten, sind beispielsweise Erneuerbare Energien, Kohlenutzung, Atomausstieg oder die Nachhaltigkeitsstrategie.